Buffering…
von Philipp Ohnesorge
23.1.2023

Das Aktuelle, das Virtuelle und das Gespenstische in den Sozialen Medien

[erschienen in: Elias Kreuzmair/Magdalena Pflock/Eckhard Schumacher (Hg.): Feeds, Tweets und Timelines. Schreibweisen der Gegenwart in Sozialen Medien. Bielefeld 2022.]

„[A] skeleton, laid bare, of time or memory itself“

Manche Zeichen sind derart allgegenwärtig, dass sie kaum noch als solche wahrgenommen werden. Stattdessen werden sie zu einer Art semiotischem (Stör-)Geräusch, das der lesende Blick unbewusst ausblendet oder in den Hintergrund rückt. Gerade durch diese Omnipräsenz verliert ein solches Zeichen gewissermaßen seine kommunikative Funktion. Ein Beispiel hierfür ist ein Symbol, das den meisten Internetnutzer*innen beim Blick auf den Smartphone-, Tablet- oder Laptopbildschirm täglich begegnet, von dem jedoch nur die wenigsten die geläufigsten Bezeichnungen kennen: spinner, throbber oder etwas poetischer und interessanter noch wheel oder gar Beach Ball of Death nennen Kundige die piktografisch mehr oder weniger abstrakten, zumeist animierten Darstellungsvarianten eines sich drehenden Rades, das immer dann erscheint, wenn Inhalte auf Streaming-Plattformen, in Social-Media-Apps oder Browser-Tabs geladen werden und die Instantaneität des digitalen Raums als Fiktion sichtbar wird.

Derart omnipräsente Zeichen erleben häufig eine kulturelle Resignifizierung, wenn sie etwa in wissenschaftlichen oder künstlerischen Kontexten zum Ausgangspunkt einer produktiven Auseinandersetzung werden. Als Beispiel wäre hier der von Hannes Bajohr und Annette Gilbert herausgegebene Sonderband der Zeitschrift TEXT+KRITIK zum Thema „Digitale Literatur II“ zu nennen, dessen Cover die – in diesem Fall natürlich nicht animierte – am weitesten verbreitete Version des spinners ziert: eine kreisförmig angeordnete Abfolge immer blasser werdender dünner Balken, zu denen die Herausgeber*innen in der Einleitung des Bandes schreiben, dass sie für einen „transitorischen Charakter“ stünden und „ein besonderes Gegenwartsverhältnis [markieren] – ein Jetzt, das auf eine unmittelbar zu erwartende, gewissermaßen infradünne Zukunft verweist“.[1]

In den weiteren Ausführungen wird dieses semiotische Verhältnis in Anlehnung an den Charakter einer mathematischen Variable genauer charakterisiert als „Platzhalter der Zukunft, die den Moment des bevorstehenden Wandels visuell als stetigen Übergang gestalte[t]“.[2] Im Rahmen der wissenschaftlichen Arbeit mit digitaler Literatur soll so der ebenfalls transitorische Charakter der gewonnenen Erkenntnisse betont werden, die, wie die Verfasser*innen vermuten, in 20 Jahren – so viel Zeit verging zwischen der Veröffentlichung der beiden TEXT+KRITIK-Bände zur digitalen Literatur – schon wieder obsolet sein könnten. So wird die eigene Haltung zur Erkenntnis eines fluiden Gegenstandes durch den spinner als „nötige Momentaufnahme, um ihr auch eine Vergangenheit zu sichern“,[3] zum Ausdruck gebracht.

Ähnlich und doch mit gänzlich anderer Stoßrichtung hat man sich auch bei der Gestaltung der Titelseite von Tom McCarthys 2015 veröffentlichten Roman Satin Island für eine Abwandlung des Buffering-Symbols der Künstlerin Suzanne Dean entschieden: Im regenbogenbunten Farbverlauf und mit einer dickflüssigen, öligen Substanz übergossen, wird hier bereits eine Variation der symbolischen Bedeutung des spinners angedeutet. Im Text selbst geht es – wie so oft bei McCarthy – im emphatischen Sinne um Gegenwart, Gegenwärtigkeit oder Vergegenwärtigung.[4] Dass Buffering in diesem Zusammenhang eine zeitdiagnostische Perspektive eröffnet, als ›ultimatives Symbol der gegenwärtigen Existenz‹ angesehen werden könne, kommentiert McCarthy ausführlich im Verlags-Blog von Vintage Books:

It captures two of [the book’s] central strands: the […] materiality of oil […] and what I see as the ultimate symbol of contemporary existence: the buffering-sign. That circle that spins on your laptop, and the temporality that it imposes – a time of delay, of waiting, of anxiety, of incompleteness – sums up what it is to be alive today. […] It’s ultimately a theological situation: we assume that, behind the circle, there are endless streams of data being sent our way, pumped out by servers in Nevada or Uzbekistan or somewhere […]. And that re-assurance, in turn, gives us a mental place inside the universe, make [sic!] us feel gathered up and saved. But what if it were just a spinning circle?[5]

Als Zeichen, als spinning circle, werde Buffering emblematisch für eine „contemporary existence“, unsere Gegenwart, so McCarthy. Im Kontext des Streamings audiovisueller Formate ist es eben dieses Symbol, mit dem sich auch der Protagonist von Satin Island konfrontiert sieht und dem Internet-Nutzer*innen begegnen, sobald der graue Ladebalken auf der Benutzeroberfläche der jeweiligen Plattform vom roten Fortschrittsbalken der Wiedergabe eingeholt wird. Auch dies ist eine weitere symbolische Bezeichnung für die zeitliche Inkongruenz von Abspiel- und Ladegeschwindigkeit.

Teil dieser Erzählung des Bufferings sind die zumeist informationstechnologisch recht hilflosen Erklärungsversuche, die diesem Missstand eine meist materielle Kausalität zugrunde legen, als handele es sich dabei um ›Bits und Bytes‹, die nur langsam durch die Internetleitung ›fließen‹, wenn diese ›mal wieder einen schlechten Tag‹ hat oder gerade ›zu viele Leute auf die Server zugreifen‹. Für McCarthys Protagonisten hingegen wird das Phänomen zur Allegorie:

[I]t dawned on me that what I was actually watching was nothing less than a skeleton, laid bare, of time or memory itself. Not our computers’ time and memory, but our own. This was its structure. We require experience to stay ahead, if only by a nose, of our consciousness of experience – if for no other reason than that the latter needs to make sense of the former, to […] narrate it both to others and ourselves, and for this purpose, has to be fed with a constant, unsorted supply of fresh sensations and events.[6]

In der poiesis des Romans wird also die gesteigerte zeitdiagnostische Bedeutsamkeit[7] eines Alltagsphänomens suggeriert: Buffering habe demnach nicht nur eine besondere Relevanz, weil es einem täglich in der Auseinandersetzung mit dem Digitalen begegnet, sondern auch, weil es allegorisch die Struktur „of time or memory itself“ zu signifizieren vermag. Wenn Buffering dabei als derart bedeutsam inszeniert wird, dann soll dies zum Anlass der folgenden Überlegungen genommen werden – freilich ohne sich allzu schnell jenem Urteil anzuschließen. Stattdessen muss die nüchterne Analyse eines derart omnipräsenten Elements digitaler Kultur(-technik) Aspekte bei der Betrachtung in den Vordergrund stellen, die Buffering jenseits zeitdiagnostischer Allegoriefigurationen menschlicher Existenz lesbar machen, nämlich mit Bajohr und Gilbert gesprochen als Markierung eines besonderen Gegenwartsverhältnisses, das ein transitorisches ist.

Wenn hierbei der Übergang einer Zukunft (die jetzt noch zukünftige Gegenwart ist) in die Gegenwart gemeint ist, ist dieser Übergang im Kontext digitaler Medien immer auch einer der Aktualisierung von noch nicht geladenen, also virtuellen Inhalten. Auch ohne tiefgreifende technologische Einsicht in die dem Buffering zugrundeliegenden Prozesse lassen sich hier Aspekte betrachten, die gerade im Social-Media-Kontext auf besonderes Interesse der Analyse stoßen. So lässt sich etwa auf Twitter doch sehr gut beobachten, wie und an welchen Stellen eine Semiotik des Bufferings eingebunden ist. Dort wo Aktualisierung auf der Nutzer*innenoberfläche stattfindet, wird ein abwesendes Anwesendes erzeugt, gewissermaßen als Gespenst beschworen, wie im Folgenden gezeigt werden soll. So wird eine Erzählung des Bufferings als eine doppelte Schreibweise der Gegenwart begreifbar: Gegenwart wird sichtbar gemacht bzw. erzeugt und technologische Grundlagen digitaler Prozesse erzeugen neue Erzählungen oder, wie zu zeigen sein wird, ›Abgeschlossenheitsfiktionen‹.

Ladebalken, spinner und der Beach Ball of Death – Buffering in digitalen Kontexten

Im Oxford English Dictionary findet sich zum ›buffer‹ als Begriff für technologische Anwendungsbereiche lediglich die knappe und leicht tautologische Erläuterung „a ›memory‹ device in a computer […]; a buffer memory“.[8] Der Buffer hat also im digitalen Setting etwas mit Erinnerung oder Speicher zu tun. Ein Buffer, oder zu deutsch ›Puffer‹, kann aber auch ein Stoßdämpfer sein, entweder im übertragenen Sinn als entmilitarisierte Pufferzone zwischen konkurrierenden Mächten oder Kupplungskonstruktionen zwischen den Waggons eines Zugs, welche durch eine Federung dazu gedacht sind, Erschütterungen zu ›puffern‹ bzw. zu dämpfen, die während der Fahrt auftreten. Dies lässt sich in Verbindung bringen mit der Wörterbuch-Explikation des technologischen Bufferings: Es wird ein Speicher angelegt, der bei auftretenden Schwankungen – in diesem Fall der Downloadgeschwindigkeit – ›angezapft‹ bzw. als Dämpfer benutzt werden kann. Eine derartige erste Annäherung lässt sich durch den Eintrag im Lexikon der Informatik von Peter Fischer und Peter Hofer ergänzen:

Puffer

1. und allgemein: zusammenhängender, elektronischer oder magnetischer Speicherbereich meist als Zwischenspeicher; 2. empfehlenswertes Speicherdepot zwischen Systemkomponenten mit unterschiedlichem Arbeitstempo, z.B. zwischen Rechner und Drucker; 3. zwingendes Speicherdepot zwischen asynchron kommunizierenden Komponenten, z.B. zwischen Register und Datenbus; 4. Als Datei-P. die Kopie eines Blocks vom Sekundärspeicher im Arbeitsspeicher; die Mutationen an Datensätzen (Records) finden (aus Performanzgründen) im D.P. statt und dieser muss, sofern Daten verändert wurden, also dirty sind, letztlich als Ganzes wieder in den zugehörigen Plattenblock geschrieben werden (Flushing)[9]

Hieraus wird ersichtlich, wie Buffering auch in Telekommunikations- oder Internet-Settings, also beispielsweise beim Streaming eine Rolle spielt. Es wird ein Zwischenspeicher angelegt und mit Material gefüllt, das erst in der Zukunft gebraucht (und danach wieder gelöscht) wird. So kann ein Film im Bestfall eben ohne zu ›laggen‹, also ins Stottern zu geraten, abgespielt werden. Dieser Buffer-Zwischenspeicher ist im Falle eines reibungslosen Ablaufs während des Streamens im Hintergrund immer da, aber nur, um eben diesen Ablauf zu ermöglichen. Nach dem Zugriff wird der Speicher wieder gelöscht, es wird also kein dauerhaftes Archiv angelegt. Kontraintuitiv ist hieran, dass mit etwas Gespeichertem zumeist eher etwas in der Vergangenheit Liegendes bezeichnet wird, gerade das englische Wort ›memory‹, also eben auch ›Erinnerung‹, legt das besonders nahe. Das was im Buffer gespeichert wird, ist zwar bereits auf den Geräten der Endnutzer*innen vorhanden, jedoch noch nicht für sie präsent geworden, sprich: konnte noch nicht rezipiert werden. Direkt, nachdem dies passiert, wird das Gespeicherte wieder gelöscht, da es nicht mehr gebraucht wird.

Es findet also eine oberflächlich betrachtet merkwürdige Verkehrung von Speicher- bzw. Erinnerungsprozessen statt, die die zeitlichen Logiken von Medium und Rezipient*innen aufeinandertreffen lassen. Das heißt dementsprechend auch: Der Prozess des Buffering ist dauerhaft am Werk, nicht erst in dem Moment, in dem das GIF des Buffering-Rädchens, das McCarthy so fasziniert, auf dem Screen erscheint. Wenn es so weit gekommen ist, läuft der Prozess nicht schnell genug ab, ist gescheitert und die Nutzer*innen sind gezwungen zu warten. Vielleicht ist sogar ein Fehler aufgetreten oder meine Internetconnection abgebrochen und ich warte vergeblich. Buffering wird also erst sichtbar, wenn es aus welchem Grund auch immer seinen dämpfenden Zweck nicht erfüllt hat. Neben dem bereits erwähnten und gegenwärtig sicherlich am weitesten verbreiteten spinner gibt es zahlreiche Darstellungsweisen, dies dann anzuzeigen: So ist das Icon einer Sanduhr bekannt, die den Maus-Cursor in älteren Versionen von Windows-Betriebssystemen ersetzt, während Mac-Nutzer*innen hier mit der Apple-Version eines regenbogenfarbigen Balles konfrontiert sind, für den sich in Internetforen und auf Troubleshooting-Blogs die Bezeichnung „Spinning Beach Ball of Death“ oder kurz „SBBOD“ eingebürgert hat.[10]

Gerade in der Darstellung des Download- oder Installationsprozesses von Dateien und Anwendungen hat sich der Ladebalken etabliert, der mit dem Fortschritt korrespondiert. Dieser wird gelegentlich auch in Buffering-Kontexten verwendet, um einen absehbaren Abschluss des Prozesses anzudeuten, auch wenn jene zeitliche Logik hier nicht greift, da der Ladebalken den Fortschritt eines gegenwärtigen Prozesses anzeigt, und nicht einen reibungslosen Ablauf gewährleistet. Etwas jünger ist die Darstellung von skeleton screens, wie sie etwa auf Plattformen wie Facebook zu finden sind. Hier werden, solange die konkreten Inhalte noch nicht geladen sind, ›Skizzen‹ angezeigt, also verschiedene Icons, Rahmen und Grafiken, die zumindest das Layout und die Positionen der einzelnen Text- und Bildboxen bereits erahnen lassen.[11] Grundlage dieser variierenden Darstellungsweisen sind Abwägungen der ›User Experience‹, also der Erfahrung, die das Design von digitalen Anwendungen und Internetseiten hervorruft. Studien zeigen, dass unterschiedliche Darstellungsweisen von Lade- bzw. Bufferingprozessen zu abweichender Warte-Akzeptanz führen.[12] Ein Balken, der einen Endpunkt hat, wird von Nutzer*innen etwa länger akzeptiert als eine Darstellung an der kein Fortschritt ablesbar ist, wie beim sich drehenden spinner. Zusätzlich spielen hier noch Elemente wie die Angabe des Fortschritts in Prozent oder der zu erwartenden Restdauer mit herein – derartige Variationen sind Gegenstand genauer Abwägungen von Webdesigner*innen.[13]

Das Echtzeitnarrativ und Buffering als das Versprechen einer ›reibungslosen Zukunft‹

Der Ausbau der Internet-Bandbreite hat auch in Deutschland dazu geführt, dass Buffering, vor allem im Streaming-Kontext, nur noch selten sichtbar wird – obwohl es, wie oben geschildert, immer am Werk ist. Auch wenn längst nicht alle Internet-Nutzer*innen uneingeschränkt durch technische Limitierungen auf Inhalte zugreifen können, ist gerade das Streaming die Grundlage eines bestimmenden Narrativs in der Thematisierung digitaler Lebenswelten, da es den „Eindruck einer reibungslosen, geschmeidigen Konnektivität“[14] aufdrängt, wie Urs Stäheli in seiner Soziologie der Entnetzung ausführt. Die Wirksamkeit dieses Narrativs darf nicht unterschätzt werden, wenn Stäheli fortführt, dass „[s]elbst die soziologische Medienkritik [dieses Narrativ] häufig […] [übernimmt], wenn von einer beschleunigten Netzwerkgesellschaft, in der Machtprozesse in real time ablaufen, gesprochen wird“.[15]

So werde Buffering als „Entnetzung von Daten“ in diesem Kontext zu einer „Sozialfigur“, die einerseits „die Idee der Echtzeitkommunikation“ problematisiere und andererseits „die Friktionen von Verbindungen sichtbar“ mache. Das tue es, indem es „durch ein Moment des Wartens“ die Netzwerklogik unterbreche, die auf die „Schaffung einer Kontinuitätserfahrung“ ausgerichtet sei.[16] In diesem Sinne, so Stäheli, arbeite „[d]er Buffer […] an einer reibungslosen Zukunft, indem er sich selbst als zeitlichen Puffer zwischen Gegenwart und Zukunft setzt“. Der Buffer als ›memory device‹ sei also ein „Versprechen“: „Der Zwischenspeicher […] muss nur wieder genügend mit Daten aufgefüllt werden, damit der Datenstrom wieder in Gang kommt“.[17] Das Versprechen des Speichers ist also das einer reibungslosen Zukunft, die – so das Narrativ – in Echtzeit erfahren wird, was in der Metaphorik des Stroms bzw. Streams oder auch ›Flow‹ zum Ausdruck kommt.

Damit sind Stähelis Ausführungen zum Buffering anschlussfähig für medienwissenschaftliche Überlegungen zu den Infrastrukturen des Internets – dem, was hinter den Nutzer*innen-Oberflächen, also im sogenannten Backend abläuft. Florian Sprenger weist etwa darauf hin, dass das von Stäheli hervorgehobene Echtzeitnarrativ und die zugehörige Metaphorik technisch betrachtet jeglicher Grundlage entbehrt:

The metaphor of the flow conceals the fact that, technically, what is taking place is quite the opposite. There is no stream in digital networks. That the metaphor suggests as much indicates that in this case – and in all of the metaphors associated with the internet – the question of transmission and its technical details is not yet properly reflected.[18]

Tom McCarthys spricht in Satin Island und dem begleitenden paratextuellen Material, wie einleitend behandelt, dem Buffering-Symbol eine Bedeutung als „the ultimate symbol of contemporary existence“ zu. Damit ist ein zeitdiagnostischer Allgemeinheitsanspruch formuliert, der, so McCarthy, als „theological situation“ beschrieben werden kann, wenn er eine als Glaubenssatz beschreibbare Annahme zugrunde legt: „[W]e assume that, behind the circle, there are endless streams of data being sent our way, pumped out by servers in Nevada or Uzbekistan or somewhere […].“ Dass dies eben nur Dogma ist, wird im direkt folgenden Zweifel ausgedrückt: „But what if it were just a spinning circle?“[19] Auch wenn McCarthy die zugrundeliegende narrative Struktur erkennt, sitzt er der Metaphorik des Narrativs gewissermaßen auf, glaubt an das Versprechen des Bufferingrädchens, wenn er dahinter „hordes of bits and bytes and megabytes“ imaginiert, „all beavering away to get the requisite data to me; […] in an endless, unconditional and grace-conferring act of generosity. Datum est: it is given“.[20]

„But what if it were just a spinning circle?“ – Buffering-Darstellungen in Social Media

Anschließend an die Überlegungen zur Rolle von Buffering im Rahmen eines Echtzeitnarrativs, das die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem digitalen Raum des Internets bestimmt, kann der Zweifel, den McCarthy formuliert – „But what if it were just a spinning circle?“ –, zum Ausgangspunkt einer konkreten Beschäftigung mit dem spinner in den Sozialen Medien genommen werden. Wird auf einem Desktop-PC etwa die Twitter-Startseite aufgerufen, sind dort im ersten Moment gleich mehrere Buffering-Symbole zu sehen, welche den Feed sowie die Inhalte der Leisten auf der rechten Seite („Trends für dich“, „Wem folgen?“ etc.) ersetzen.

Die Frage „Was gibt’s Neues?“, die prominent im Eingabefeld oben auf der Startseite platziert den Nutzer*innen gestellt wird, um eine Interaktion über das Verfassen eines Posts zu motivieren, ist bereits von Beginn an geladen. Dies wirkt, als identifiziere sich hier eine Instanz der Ansprache mit den Nutzer*innen und frage neugierig, was wohl erscheinen wird. Dieser Prozess dauert beim Erstaufruf oder manuellen Reload der Seite je nach Geschwindigkeit der Verbindung um die drei Sekunden, beim Laden einzelner Beiträge deutlich unter einer.

Während heute für eine Aktualisierung der Startseite eine Schaltfläche angeklickt werden muss, die anzeigt, wie viele Tweets seit der letzten Interaktion mit der Seite abgesendet wurden, erschienen neue Beiträge vorübergehend vermeintlich auch ohne Interaktion wie von Zauberhand, ähnlich wie die Counter von Replys, Retweets und Likes einzelner sichtbarer Beiträge, die sich in regelmäßigen Abständen (und eben nicht in Echtzeit) aktualisieren.[21] Bei genauerer Betrachtung fiel jedoch auf, dass diese einzelnen neuen Tweets nur dann erschienen, wenn der Mouse-Cursor bewegt wurde oder von einem anderen Browser-Tab erneut auf die Twitter-Startseite gewechselt wurde, also in dem Moment eine besondere Aktivität bzw. Lebendigkeit suggeriert wurde, in dem von einer erneuerten Aufmerksamkeit der Nutzer*innen auszugehen war. Über die Abwägungen, vor deren Hintergrund diese Änderungen getroffen wurden, ist jedoch von Seiten der Plattform nur wenig bis nichts bekannt.

Bei der Smartphone-Nutzung ist der manuelle Reload auf eine Weise gestaltet, die zwar längst etabliert und eigentlich nichts Besonderes ist, jedoch trotzdem einen genaueren Blick wert ist: Bei der Nutzung der App besteht die Möglichkeit, den Feed jederzeit manuell zu aktualisieren, und zwar per Scrollen (zumeist mit dem Daumen) nach unten. Mit einem Stream, der per definitionem unabhängig von der Steuerung bzw. Aktualisierung der Anwender*innen abläuft, hat gerade diese Technik nichts mehr zu tun, wenn diese den Refresh-Prozess selbst induzieren müssen. Trotzdem orientiert sich, geht es um die Aktualisierung des Feeds, die visuelle Darstellung auf Ebene des Frontend, also der Benutzeroberfläche, an der Ikonographie des Bufferings, die aus dem Streaming audiovisueller Inhalte bekannt ist.

Das ist ein merkwürdiger Befund, sind der ›Feed‹ oder die ›Timeline‹ von Social-Media-Plattformen doch schon semantisch etwas ganz anderes als der ›Stream‹, mit dem sie nur schwer vergleichbar sind: Während sich in einem Strom Wassermassen ergießen, tritt diese Dimension naturgewaltiger Unaufhaltsamkeit beim Feed bzw. bei der Timeline zurück. Diese sind zentriert auf ein Subjekt, das gefüttert wird bzw. Instanz der Wahrnehmung (von Zeit) ist. Je nach Plattform gesellen sich in den Katalog der unterschiedlichen medial-kommunikativen Anordnungen der Nutzer*innen außerdem noch ›Storys‹ oder ›Fleets‹, ›Reels‹ und ›Spaces‹ hinzu.[22] Entgegen der Betonung eines ewig fließenden Echtzeitstroms (Streams) werden also auch hier andere Aspekte hervorgehoben: Der Eingriff bzw. die Ordnung durch eine narrative Instanz (Stories oder Reels), die Flüchtigkeit eines singulären Moments (Fleets) oder eine räumliche Koexistenz-Fiktion (Spaces).

Dass schon der Feed fast etwas Gegensätzliches zum Stream ist – also ›Futter‹, ›Zufuhr‹, ›Vorschub‹ vs. ›Fluß‹, ›Schwall‹ bzw. ›Strom‹ –, leuchtet ein: Nicht der Überfluss, sondern die Nahrhaftigkeit ist das entscheidende Kriterium.[23] Es ist daher bemerkenswert, dass Twitter trotz dieses alternativen metaphorischen Angebots in der Eigendarstellung bei dem Begriff der Timeline verbleibt, der auf der Hilfshomepage der Plattform bestimmt wird als „Stream mit Tweets der Accounts […], denen du auf Twitter folgst“.[24] Zum Ausdruck kommt diese Charakterisierung unter anderem also in dem Moment, in dem die Nutzer*innen am direktesten angesprochen werden, im Moment der manuellen Aktualisierung, auf die das Buffering-Symbol folgt.

Buffering als Beschwören von Gespenstern – Übergänge des Aktuellen und Virtuellen

Das lenkt den Blick auf eben diese Besonderheiten der Phänomenologie der Zeitwahrnehmung in den Sozialen Medien. Signifiziert das Erscheinen des Buffering-spinners beim Streamen eine Störung der intendierten Erfahrung, die mit einem Warten verbunden ist, das seinen Grund in technischen Limitierungen hat, hat sich der Fokus hier verschoben. Buffering wird im Kontext Sozialer Medien genutzt, um die zeitliche Grenze zwischen Gegenwart und Zukunft zu markieren, oder genauer: die Grenze zwischen der subjektiv aktualisierten Gegenwart eines*einer einzelnen Nutzenden und dem noch nicht Aktualisierten, also nur virtuell Vorhandenen. Wird so eine eindeutige Trennung zwischen Gegenwart und Zukunft hinterfragbar, produziert dieser Übergangsbereich auch gespenstische Effekte, die einer genaueren Analyse der zeitlichen Logik von Social Media bedürfen.

Die Vergangenheit, so legt die Anordnung der Startseite von Twitter nahe, wird unter der Gegenwart begraben, die, wie es das Echtzeitnarrativ des Streams nahelegt, einen endlosen Strom erzeugt. So sind ältere Posts als das, was in der Vergangenheit liegt, scheinbar ohne erneute Aktualisierung, ohne irgendeine Interaktion zugänglich gemacht, wenn man nur weit genug die Timeline herunterscrollt, der vertikale Aufbau entspricht hier einer Logik von Präsenz und Erinnerung. Für das Neue, das ›noch Aktuellere‹ wird hingegen eine Eingabe, ein Klick bzw. auf dem Smartphone ein Swipe notwendig, es erscheint nicht automatisch. Diese durch ein ›Herunterwischen‹ des Daumens induzierte Art der Aktualisierung der Timeline wird darüber hinaus auf den meisten Smartphones durch ein Mini-Vibrieren auch haptisch bestätigt, trifft also auf einen gewissen manifesten Widerstand, bevor das neu Geladene auf dem Bildschirm erscheint.

In dem Moment, in dem der Daumen heruntergezogen und gehalten wird, wird die neue Gegenwart quasi in den Buffer geladen, die von der Plattform gestellte Frage „Was gibt’s Neues?“ wird von den User*innen zurückgeworfen. Das nun virtuell Aktualisierte – es gibt keinen Mechanismus mehr, um die Aktualisierungsaufforderung rückgängig zu machen – macht sich im Buffer einmal kurz durch das Mini-Vibrieren bemerkbar. Wenn der Daumen dann losgelassen wird, wird damit auch das Material dieser neuen Gegenwart aus dem Speicher des Buffers in die Aktualität entlassen. Der*die User*in ist Agens der Aktualisierung und damit selbst durch das Design der App gewissermaßen zum Medium geworden, das die neue Aktualität heraufbeschwört, indem es in den vermeintlichen Stream greift, der sich unsichtbar ereignet und auf der jeweiligen Timeline materialisiert werden soll.

Für einen Moment wird so das sichtbar, was Stäheli als das Missverständnis beschreibt, auf dem das Echtzeitnarrativ beruht: „Anstelle einer letztlich zeitlosen und einheitlichen Echtzeit haben wir es mit unterschiedlichen Prozessen nicht nur der Beschleunigung, sondern auch der Verlangsamung; mit Verzögerungen und Latenzzeiten und damit der Erfahrung von ›unterschiedliche[n] Geschwindigkeiten und Asynchronizität‹ zu tun.“[25] Posts, die bereits abgeschickt, aber für den*die jeweilige Nutzer*in noch unsichtbar sind, werden durch den Swipe vergegenwärtigt, der die Timeline updatet: Die Aktualisierung betrifft das Virtuelle als das Noch-nicht-Geladene, das erst durch den Buffer als Transitionsraum befördert werden muss. So lässt sich vom Virtuellen in einem Sinn sprechen, der den einleitenden Überlegungen eines Aufsatzes von Elena Esposito entnommen werden kann:

Wenn man vom Möglichen das Notwendige „abzieht“, bleibt immer noch ein sehr viel umfassenderer Bereich übrig als das, was unsere reale Welt tatsächlich ausmacht; es bleibt also der Bereich des Kontingenten, der weitere Unterscheidungen einschließt, insbesondere derjenige zwischen den aktualisierten und den nicht-aktualisierten Möglichkeiten. Genau diese letzteren bilden das Feld des Virtuellen. Es handelt sich in einem gewissen Sinne um einen modalen Begriff „zweiter Ordnung“, der verschiedene Weisen des kontingent Möglichen unterscheidet.[26]

Der Bereich des Kontingenten ist unterteilbar in die aktualisierten Möglichkeiten – „das Aktuelle“ – und die nicht-aktualisierten Möglichkeiten – „das Virtuelle“. Dies lässt sich leicht übertragen auf Updates per Swipe in Social-Media-Kontexten: Alles, was bereits auf der Timeline ist, sind aktualisierte Möglichkeiten, alles, was schon gepostet, aber noch nicht geladen ist, ist virtuell, als nicht-aktualisierte Möglichkeit. Durch solch eine spezifische (eingeschränkte) Verwendung von ›virtuell‹ lässt sich dem Missstand begegnen, auf den Dawid Kasprowicz und Stefan Rieger hinweisen:

Was sich beobachten lässt, ist eine nachgerade heillose Verwirrung des Begriffes und eine Übergängigkeit und Gleichsetzung mit zahlreichen anderen Konzepten: Das Virtuelle wird mit dem Elektronischen, dem Digitalen, aber auch mit dem Cyberhaften, dem Immersiven oder Hybriden und schlussendlich mit fast beliebigen Formen von Künstlichkeit und technischer Vermittlung nicht nur in Verbindung gebracht, sondern in vielen Kontexten synonym dafür verwendet.[27]

Gerade den am Paradigma vermeintlicher Authentizität sich entlanghangelnden Konzepten einer im Ergebnis schließlich immer recht trennscharfen Unterscheidung des Echten, Realen, der Realität und des dementsprechend defizitären Unechten, Künstlichen oder eben Virtuellen gilt es zu begegnen. Kasprowicz und Rieger argumentieren, dass „eine Dichotomie von real und virtuell nicht mehr aufrechtzuerhalten ist“.[28] Auch Gilles Deleuze kommt in Differenz und Wiederholung zu dem Schluss, dass „[d]as Virtuelle […] nicht dem Realen, sondern bloß dem Aktuellen gegenüber[steht]. Das Virtuelle besitzt volle Realität, als Virtuelles“.[29] Dass es nicht-aktualisiert ist, heißt dann aber auch, dass das Virtuelle aktualisierbar ist, dass es das Potential hat, aktuell zu werden. Das liegt schon im Wortursprung virtualis als scholastische Bildung zu lateinisch virtūs, also Tüchtigkeit, Tugend. Der Prozess, in dem dies geschieht, ist – wieder Deleuze – „die Aktualisierung“.[30]

Dieser Aktualisierungsprozess ist es, der im Social-Media-Kontext eine zentrale Rolle spielt, obwohl er der Inszenierung eines Streams entgegenläuft. Das Buffering-Symbol zeigt im Kontext von Social Media dieses Moment der Aktualisierung an: das Update, das von dem*der User*in selbst induziert wird, indem das Buffering-Symbol sozusagen ›aus dem Off‹ herbeibeschworen bzw. sichtbar gemacht wird. Was gepostet wurde, nachdem das letzte Mal aktualisiert wurde, aktualisiert sich in einer Beschwörung (frz. conjuration), die, wie Jacques Derrida in Marx’ Gespenster ausführt, „dazu bestimmt ist, einen Zauber oder einen Geist zu evozieren, ihn mittels der Stimme zum Kommen zu veranlassen, ihn herbeizurufen. ›Conjuration‹ meint grob gesagt den Appell, der durch die Stimme zum Kommen veranlaßt wird und also per definitionem das zum Kommen veranlaßt, was im gegenwärtigen Augenblick des Appells nicht da ist.“[31]

Die Charakterisierung des Aktualisierens als Herbeibeschwören ist naheliegend, wenn man es als eine Art ›Erzeugung der Gegenwart‹ versteht. Instruktiv ist hier ein Vergleich mit anderen Medien, die diesen starken Gegenwartsbezug haben, nämlich mit Zeitung bzw. insbesondere der Tageszeitung. Diese etabliert historisch betrachtet, so argumentiert etwa der Literaturwissenschaftler Lothar Müller, eine „Erfahrungsgemeinschaft von Gegenwart“,[32] arrangiert durch ein interdependentes Geflecht von „Aktualität, Periodizität, Publizität und Universalität“.[33] Aktuelles als „das, was sich im gegenwärtigen Moment ereignet, was im gegenwärtigen Moment geschieht“,[34] spielt dabei laut Müller eine gewichtige Rolle: „Wer über die Aktualität nachdenkt, hat es […] nicht nur mit einem Zeitbegriff zu tun, sondern mit einer Schnittstelle der objektiven wie subjektiven Koordinierung von Zeit- und Raumaneignung.“[35]

Die Periodizität ist es nun, die für die Zeitung konstitutiv ist, hieran richtet sich das Gegenwartsbewusstsein aus, genauer: an „der Institutionalisierung der Wechselwirkung von Aktualität und Periodizität“.[36] Wurde die periodische Presse doch, wie Müller referiert, „im späten 18. Jahrhundert gern mit den Stromstößen des Galvanismus und der Elektrizität verglichen […], als dynamische Kraft, [die] die Gegenwart miterzeugt, von der sie berichtet“,[37] ist es nun gerade die Periodizität, die heutzutage, also nach der Digitalisierung der Zeitungswirtschaft zum Verhängnis wird, muss sie doch mit Medien konkurrieren, die die Aktualität nicht mehr durch Periodizität erst herstellen müssen. Wenn man die Zeitung öffnet, fühlt man sich nicht mehr als hätte man den Finger am Puls der Zeit, hingegen eher in dem Moment, in dem man mit dem Finger den Smartphone-Touchscreen berührt: Swipe down to update, pull to refresh.

Abgeschlossenheitsfiktionen der Sozialen Medien

An dieser Stelle ist es sinnvoll, auf etwas hinzuweisen: Für den spinner hat sich noch ein weiterer Name, nämlich throbber, eingebürgert.[38] „To throb“ heißt „pulsieren“, „klopfen“, „pochen“. In dem Moment, in dem in der Twitter-App mit dem Daumen geupdatet wird, klopft das in den Speicher Geladene hinter dem spinner/throbber kurz an, bevor es sich auf der Timeline materialisiert und zur neuen Aktualität, zur neuen Gegenwart wird. So stellen Online-Medien wie Social-Media-Plattformen Aktualität her, indem sie Abgeschlossenheitsfiktionen[39] schaffen, nur eben auf eine andere Art als in periodisch erscheinenden Zeitungen, die die Nachrichten des Tages zu den Leser*innen bringen. Zu einer solchen Schnittstelle wird nun eine Fiktion des gespenstischen Beschwörens von virtuellen Inhalten, die sich hinter dem throbber im Zwischenbereich des Virtuellen verbergen, in die Aktualität der Timeline.

Einen produktiven Umgang mit derartigen Abgeschlossenheitsfiktionen als Thematisierung ihrer Inkonsistenzen stellen etwa Software-Künstler*in und Kulturwissenschaftler*in Winnie Soon an, wenn they in dem Projekt „The Spinning Wheel of Life“ die Animation des spinners/throbbers nicht als gleichmäßig sich drehendes bzw. pulsierendes GIF ablaufen lassen, sondern so programmieren, dass das Pulsieren mit dem konkreten Eingang von Daten korrespondiert.[40] So lassen Soon in Anlehnung an Wolfgang Ernsts Konzept der Mikrotemporalität das Unsichtbare der digitalen Kultur sichtbar werden, „shifting our attention from what is visible on a screen to invisible micro events that are running in the background“.[41] Ein anderes Beispiel wäre Gregor Weichbrodts Loading Book, das ebenfalls einen spinner auf dem Cover trägt und die bereits erwähnten skeleton screens inszeniert, die auf Homepages als Modell von Texten und Bildern angezeigt werden, während die Inhalte geladen werden.[42] Wenn dies dort die kognitive Belastung der User*innen reduzieren und den Eindruck vermitteln soll, dass die Page schneller lädt, als sie es wirklich tut, wird es bei Weichbrodt zu einem „script for a potential book yet to be written or found“.[43]

Beispiele wie diese nehmen sich dem Konzept des Buffering mit detaillierter Aufmerksamkeit an, ohne sich zu zeitdiagnostischen Thesen über eine „ultimately theological situation“ hinreißen zu lassen, wie McCarthy es tut. Gerade im Fokus auf Soziale Medien führt dies zu produktiven Erkenntnissen über deren zeitliche Logiken und ihre Auswirkungen auf die konkrete Gestaltung von Interaktionsmöglichkeiten und Abgeschlossenheitsfiktionen. Dabei ist die Charakterisierung des Bufferings als Gespensterbeschwören nicht zu verstehen als kulturkritisches Bedauern einer Beförderung des Nicht-Realen als Nicht-Authentischem, sondern als Versuch einer Schärfung des Blickes für Übergangsprozesse und Zwischenräume, die mikrotemporalen Strukturen und Narrative von Zeit in den Sozialen Medien.

 

Literatur

[1] Hannes Bajohr/Annette Gilbert: „Platzhalter der Zukunft: Digitale Literatur II (2001 à 2021)«. In: Dies. (Hg): Digitale Literatur II. Sonderband Text+Kritik. München 2021, S. 7-21, hier S. 8.

[2] Ebd., S. 8f.

[3] Ebd., S. 18.

[4] Vgl. Tom McCarthy: Satin Island. London 2015. Dass der Text dabei seinen Status als ›bloßer‹ Roman hinterfragen bzw. erweitern will, wird peritextuell bereits auf dem Buchrücken angedeutet, wenn dort großformatig die Reihung „A TREATISE. AN ESSAY. A CONFESSION. A MANIFESTO. A NOVEL. A REPORT.« aufgemacht wird und alle Textsorten bis auf „A NOVEL« durchgestrichen sind.

[5] Zitiert nach Jonathan Cape: „SATIN ISLAND – Tom McCarthy«. In: Vintage Book Design Tumblr. https://vintagebooksdesign.tumblr.com/post/104244783806/satinisland-tommccarthy, 2015 [zuletzt eingesehen am 2.5.2022].

[6] McCarthy: Satin Island, S. 85.

[7] Hierbei spielt der raunend ahnende Ton des Erzählens – „[I]t dawned on me…« – eine besondere Rolle, die im Hinblick auf die Verfahren zeitdiagnostischer Texte genauer zu untersuchen wäre. Vgl. zum Begriff der ›Bedeutsamkeit‹ aus verfahrenstheoretischer Perspektive Philipp Pabst: Die Bedeutung des Populären. Kulturpoetische Studien zu Benn, Böll und Andersch. 1949-1959. Berlin/Boston 2022, S. 210-221, insbesondere S. 218: „Bedeutsamkeitsfigurationen haben zur Folge, dass die Bedeutungsebene des literarischen Textes eine instabile beziehungsweise eine instabilere Form annimmt. Es handelt sich dabei um übercodierte, aber unterdeterminierte Konzepte, die derart groß dimensioniert sind, dass ihre Inhaltsseite im Unscharfen, im Abstrakten verbleiben muss.«

[8] O.V.: „buffer, n.2«. In: OED Online. https://www.oed.com/view/Entry/24313?result=2&rsk ey=KTbh2F&, 2021 [zuletzt eingesehen am 2.5.2022].

[9] Peter Fischer/Peter Hofer: Lexikon der Informatik. 15. Auflage. Berlin/Heidelberg 2011, S. 714.

[10] Vgl. O.V.: „The Spinning Beach Ball of Death«. In: The X Lab. www.thexlab.com/faqs/sbbod.html, o.J. [zuletzt eingesehen am 2.5.2022].

[11] Vgl. Bill Chung: „Everything you need to know about skeleton screens«. In: UX Collective. https://uxdesign.cc/what-you-should-know-about-skeleton-screens-a820c45a571a, 2018 [zuletzt eingesehen am 2.5.2022].

[12] Vgl. etwa Woojoo Kim/Shuping Xiong: „The Effect of Video Loading Symbol on Waiting Time Perception [Conference Paper]«. In: Aaron Marcus/Wentao Wag (Hg.): Design, User Experience, and Usability: Understanding Users and Contexts. 6th International Conference, DUXU, Held as Part of HCI International 2017, Vancouver, BC, Canada, July 9-14, 2017, Proceedings, Part III. Basel 2017, S. 105-114.

[13] Vgl. etwa Suleiman Ali Shakir: „Stop Using A Loading Spinner, There’s Something Better«. In: UX Collective. https://uxdesign.cc/stop-using-a-loading-spinner-theres-something-better-d186194f771e, 2017 [zuletzt eingesehen am 2.5.2022] oder Liza Dzuiba: „Everything you need to know about Loading Animations«. In: Medium. https://medium.com/@lisadziuba/everything-you-need-to-know-about-loading-animations-10db7f9b61e, 2019 [zuletzt eingesehen am 2.5.2022].

[14] Urs Stäheli: Soziologie der Entnetzung. Berlin 2021, S. 284.

[15] Ebd., S. 285.

[16] Ebd., S. 284.

[17] Ebd., S. 287.

[18] Florian Sprenger: The Politics of Micro-Decisions: Edward Snowden, Net Neutrality, and the Architects of the Internet. Lüneburg 2015, S. 89. Auf diesen wichtigen Aspekt und die Rolle, die ›Mikroentscheidungen‹ in Anlehnung an Sprenger dabei spielen, weist auch Stäheli hin. Vgl. Stäheli: Soziologie der Entnetzung, S. 286.

[19] Zitiert nach Cape: „SATIN ISLAND – Tom McCarthy«.

[20] McCarthy: Satin Island, S. 84.

[21] Hier und im Rahmen der folgenden Überlegungen wird von der manuell zu treffenden Konfiguration des Twitter-Feeds ausgegangen, die einzelne Posts in chronologischer Reihung anzeigt. Die Voreinstellung der Startseite lässt einen Algorithmus die Posts anordnen, der – so die Erläuterung der Plattform – „die besten Tweets zuerst« platziert. Über die Bewertungsgrundlage dieser Aussage ist nicht viel bekannt, vermutlich ist ein Kriterium die Interaktionswahrscheinlichkeit mit den Posts bestimmter User*innen oder zu bestimmten Themen.

[22] Dass derartige Kategorisierungen der Plattformen (Instagram: ›Storys‹ und ›Reels‹; Twitter: ›Fleets‹ und ›Spaces‹) oftmals lediglich Versuche sind, Interaktion herauszufordern, die im Fall des Scheiterns schnell wieder entfernt werden, zeigen ausgerechnet die ›Fleets‹. Als „lower-pressure, ephemeral way for people to share their fleeting thoughts« inszeniert, wurde die Funktion bereits nach wenigen Monaten wieder abgeschaltet. Vgl. Ilya Brown: „Goodbye, Fleets«. In: Twitter-Blog. https://blog.twitter.com/en_us/topics/product/2021/goodbye-fleets, 2021 [zuletzt eingesehen am 2.5.2022].

[23] Zum Begriff des Feed siehe auch den Beitrag von Annekathrin Kohout in diesem Band.

[24] O.V.: „Über deine Startseiten-Timeline auf Twitter«. In: Twitter Hilfe-Center. https://help.twitter.com/de/using-twitter/twitter-timeline, o.J. [zuletzt eingesehen am 2.5.2022].

[25] Stäheli: Soziologie der Entnetzung, S. 286.

[26] Elena Esposito: „Fiktion und Virtualität«. In: Sybille Krämer (Hg.): Medien – Computer – Realität. Wirklichkeitsvorstellungen und Neue Medien. Frankfurt a.M. 1998, S. 269-296, hier S. 269.

[27] Dawid Kasprowicz/Stefan Rieger: „Einleitung«. In: Dies. (Hg.): Handbuch Virtualität. Wiesbaden 2020, S. 1-22, hier S. 10.

[28] Ebd., S. 1.

[29] Gilles Deleuze: Differenz und Wiederholung [1968]. München 1992, S. 264.

[30] Ebd., S. 267.

[31] Jacques Derrida: Marx’ Gespenster. Der Staat der Schuld, die Trauerarbeit und die neue Internationale [1993]. Frankfurt a.M. 2004, S. 63.

[32] Lothar Müller: „Deadline. Zur Geschichte der Aktualität«. In: Merkur 67 (2013), S. 291-304, hier S. 296.

[33] Ebd., S. 294.

[34] Ebd., S. 297.

[35] Ebd., S. 296.

[36] Ebd., S. 297.

[37] Ebd., S. 298.

[38] Vgl. O.V.: „Throbber«. In: Wikipedia. https://de.wikipedia.org/wiki/Throbber, 2021 [zuletzt eingesehen am 2.5.2022].

[39] Diesen passenden Begriff habe ich einem Hinweis von Elias Kreuzmair zu verdanken.

[40] Vgl. Winnie Soon: „The Spinning Wheel of Life«. In: Winnie Soon [= persönlicher Blog]. https://siusoon.net/the-spinning-wheel-of-life/, 2017 [zuletzt eingesehen am 2.5.2022]. Ein Video der Installation ist über die Plattform Vimeo abrufbar: Winnie Soon: „The Spinning wheel of Life (2016, work-in-progress)«. In: Vimeo. https://vimeo.com/163253955, 2016 [zuletzt eingesehen am 2.5.2022].

[41] Winnie Soon: „Microtemporality. At The Time When Loading-in-progress«. In: Olli Tapio Leino/Daniel C. Howe (Hg.): Proceedings of 22nd International Symposium on Electronic Arts (ISEA 2016 Hong Kong). Hong Kong 2016, S. 209-215, hier S. 213.

[42] Gregor Weichbrodt: Loading Book. O.O. [Print on Demand 2018].

[43] O.V.: „Loading Book«. In: Library of Artistic. Print on Demand. https://apod.li/loading-book, 2018 [zuletzt eingesehen am 2.5.2022].

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