Football und Politik
von Louisa Thomas
9.9.2021

Knien oder Nichtknien

[aus: »Pop. Kultur und Kritik«, Heft 15, Herbst 2019, S. 77-83]

Als vor dem Eröffnungsspiel der N.F.L.-Saison 2018 zwischen den Atlanta Falcons und dem Titelverteidiger, den Philadelphia Eagles, die Nationalhymne gespielt wurde, wusste Michael Bennett, dass alle Augen auf ihn gerichtet waren. Footballfans und Journalisten erwarteten gespannt, ob die neue Spielzeit im Zeichen des Wettkampfs stehen oder wieder von der Debatte über Spieler, die während der Hymne gegen Rassismus protestierten, geprägt sein würde. Colin Kaepernick, der Quarterback der San Francisco 49ers, der die Proteste 2016 in Gang gesetzt hatte, war das Gesicht eines aktuellen Werbespots von Nike für die Werbepause des Spiels, dessen Slogan lautete: »Glaub’ an etwas. Auch wenn Du alles dafür opfern musst.« Aber Kaepernick hatte keinen Vertrag mehr für die neue Saison bekommen, die Besitzer der N.F.L. wegen geheimer Absprachen verklagt und sich, von der Nike-Anzeige abgesehen, kaum noch öffentlich geäußert. Damit war Bennett, der Außenverteidiger der Eagles, jetzt einer der bekanntesten Spieler, die die Proteste in Kaepernicks Abwesenheit fortführten.

Bennett hat sich schon immer offen politisch geäußert. Als sein Mannschaftskollege Richard Sherman 2015 die Rhetorik der »Black Lives Matter«-Bewegung kritisierte, verwies Bennett auf einer Pressekonferenz am nächsten Tag unaufgefordert und dezent auf seine abweichende Sicht der Dinge. Er solidarisierte sich mit dem Frauenstreik am internationalen Frauentag und las die Schriften der Kulturwissenschaftlerin und Aktivistin Angela Davis. Aber seitdem er im August 2017 selbst zu protestieren begonnen hatte, wurde das Politische zunehmend persönlich und Bennett daran erinnert, was es heißt, als schwarzer Mann zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein.

Michael Bennett war während des Eröffnungsspiels bewusst, dass viele Leute die Proteste vergessen und sich auf die neue Saison freuen wollten. Aber wenn er jetzt einfach nur schwiege, würde der schleichende Zersetzungsprozess immer weitergehen, Werte wie Stolz und Härte wichtiger scheinen als Empathie und Verletzlichkeit und dasjenige weiter befördert werden, was Bennett in einer für einen N.F.L.-Profi ungewöhnlichen Formulierung als »toxische Maskulinität« bezeichnet hatte. Aber wie konnte er diese Überzeugung vermitteln, wenn er gleichzeitig eine Sportart betrieb, in der es darum ging, die gegnerische Mannschaft unter Einsatz von Gewalt zu besiegen?

Bennett war in der Sommerpause von den Seattle Seahawks zu den Eagles gewechselt und noch dabei, seine Rolle in Philadelphia zu finden. Aber er hatte Glück mit den neuen Mannschaftskollegen. Einer von ihnen, der Abwehrspieler Malcolm Jenkins, ist der Mitbegründer der Players Coalition, die 2017 ins Leben gerufen wurde, um den zunehmenden Aktivismus der N.F.L.-Spieler zu koordinieren. In der Vorsaison hatte Jenkins beim Abspielen der Hymne die Faust gehoben, während einer seiner weißen Mitspieler, der Außenverteidiger Chris Long, den Arm um seine Schulter legte. Bennett ging davon aus, dass Jenkins auch in dieser Saison mit erhobener Faust protestieren würde und wollte sich hinter die beiden stellen, um dasselbe zu tun. Er hatte sich aber nicht abgesprochen, und als die Hymne erklang, sah er, dass Jenkins die Hände hinter dem Rücken verschränkt hielt und Long seine rechte aufs Herz legte. Kein einziger aus beiden Teams protestierte. Als Bennett das merkte, senkte er den Kopf, wandte sich um und überquerte den von dem gerade erst abgezogenen Gewitter noch feuchten Rasen. Kurz vor dem finalen Crescendo der Hymne hielt er an, setzte sich auf das äußerste Ende der Bank der Eagles und band sich die Schnürbänder. Die Saison hatte begonnen.

Im Oktober besuchte ich die Spielerkabine auf dem Trainingsgeländer der Eagles. Bennett stand vor einem Spind voller schmutziger Stollenschuhe und einem Stapel Bücher, darunter »The Revolt of the Black Athlete« des Soziologen und Kaepernick-Beraters Harry Edwards und »Soul of a Citizen« des Aktivisten Paul Rogat Loeb. Und seinem Spindnachbarn Chris Long reichte er eben ein Exemplar von Martin Bubers »Good and Evil«. Nachdem er im Gedränge der Journalisten ein paar Statements über seinen bisherigen Saisonverlauf abgegeben hatte, streifte er ein schwarzes T-Shirt, schwarze Shorts und Lammfellslipper über und setzte einen roten Hut auf, auf dem der Schriftzug »Einwanderer machen Amerika groß« prangte.

Bennett kam 1985 in Louisiana als ältestes Kind von Michael und Caronda Bennett zur Welt, die bei Geburt ihres fünften Kindes gerade einmal 20 Jahre alt war. Als Kind interessierte sich Bennett für verschiedene Dinge. »Aber wenn Du groß und schwarz bist, dann drängen Dich die Erwachsenen zum Sport«, schreibt er in seiner Autobiographie »Things that Make White People Uncomfortable« von 2018. »Aber ich habe gelernt, dass wir, ganz gleich wie viele sportliche Hürden wir nehmen, nie unsere emotionalen Grenzen überwinden können. Sportler vermeiden das D-Wort.« Depression.

Noch im College wurde Bennett selbst Vater. Als seine Tochter Peyton geboren wurde, war er zwanzig und Peytons Mutter Pele neunzehn. Später würde Bennett Peytons Geburt als den Moment bezeichnen, in dem er seine eigene Verletzlichkeit zu akzeptieren gelernt habe. Im Gegenzug erschienen ihm das Gebaren der Trainer und Berater immer dominanter. Als er einmal gegen die Mannschaftsregeln verstieß und unmittelbar nach einem Spiel zum zweiten Geburtstag seiner Tochter aufbrach, wurde er für ein Spiel suspendiert.

Nach dem College bekam Bennet Angebote mehrerer Teams und entschied sich für die Seahawks. Nach ein paar Wochen wurde er aussortiert und schloss sich für drei Spielzeiten den Tampa Bay Buccaneers an. Bei seiner Rückkehr nach Seattle avancierte er aber schnell zum Schlüsselspieler mit den meisten verhinderten Pässen, erfolgreichen Attacken gegen den gegnerischen Quarterback und erzwungenen Ballverlusten. In seiner ersten Saison mit der Mannschaft gewann er den Super Bowl.

Bennett unterschrieb einen mehrjährigen Vertrag in Seattle. Er liebte die multikulturelle Stadt und ihre liberale Atmosphäre. Zusammen mit seiner Frau Pele gründete er eine Stiftung, die sich um gerechte Verteilung von Nahrungsmitteln in Seattle und auf Hawaii kümmerte. Sie bekamen zwei weitere Töchter, Blake und Ollie, und kümmerten sich immer intensiver um die Rechte von Frauen und Mädchen. Bennet unterstützt ein Ernährungsprojekt in einem Eingeborenenreservat sowie Computerkurse im Senegal und organisiert Treffen zur Stärkung des politischen Einflusses junger schwarzer Frauen.

Außerdem wurde Bennett zum Meinungsführer innerhalb der Mannschaft. Als Kaepernick mit seinen Protesten begann, diskutierte Trainer Pete Carroll mit der Mannschaft über den Vorfall. Man überlegte, als gesamtes Team auf die Knie zu gehen. Aber das erste Saisonspiel fiel auf den 11. September, für den eine Reihe militärischer Gedenkveranstaltungen geplant waren. Einige Spieler hatten Bedenken, dass abweichendes Verhalten während der Hymne als respektlos gegenüber den Veteranen betrachtet werden könnte – obwohl Kaepernick selbst immer wieder betont hatte, sein Protest richte sich nicht gegen die Armee. Der Journalist Howard Bryant, Autor von »The Heritage«, einem Buch über schwarze Athleten, Patriotismus und Widerstand, betrachtet daher den 11. September auch in diesem Sinne als Zeitenwende. Bei Sportveranstaltungen werden seither patriotische Botschaften im wörtlichen Sinne an das Publikum verhökert: Die U.S.-Armee zahlte den führenden Sportligen Geld, damit diese in Gestalt von aufwendigen Zeremonien, Schauflügen, überdimensionalen Flaggen und Weißkopfadlern Werbung für die Streitkräfte machen.

Das war nicht immer so: Über die Organisation Athletes for Impact, die Sportler mit Graswurzelbewegungen in Kontakt zu bringen versucht, hatte sich Bennett mit dem früheren Leichtathleten John Carlos angefreundet. 50 Jahre zuvor hatte Carlos zusammen mit seinem Kollegen Tommie Smith auf dem Siegertreppchen der Olympischen Spiele in Mexico City seine schwarzbehandschuhte Faust erhoben, um gegen die Diskriminierung schwarzer Amerikaner zu protestieren. »Als ich ein kleines Kind war, waren Paul Robeson, Jackie Robinson, Joe Louis, Jesse Owens und Jack Johnson meine Vorbilder«, sagt Carlos. Und er glaubt, dass eines Tages Spieler wie Kaepernick und Bennett auf ähnliche Weise verehrt werden.

Die Seahawks diskutierten stundenlang über Kaepernick. Am Ende beschlossen sie, sich mit untergehakten Armen aufzustellen, um ihre Einigkeit zur Schau zu stellen. Für Bennett war dies ein Moment der Hoffnung. Aber nach dem Auftritt der Mannschaft wurde sie von beiden Seiten kritisiert – weil sie für die einen nicht genug und für die anderen bereits zu viel getan hatte.

Während der Saison hatte Bennett eine Einladung der Lehrerin und Antirassismus-Aktivistin Jesse Hagopian erhalten, um auf einer Versammlung zu Bildungsfragen zu sprechen. Sie blieben in Kontakt, und im Sommer meldete sich Hagopian bei Bennett, um ihm zu erzählen, dass sie auf einer Trauerfeier die Familie von Charleena Lyles kennengelernt habe. Lyles hatte den Notruf betätigt, um einen Einbruch zu melden und wurde von sieben Schüssen getroffen, als die Polizei eintraf. Die Beamten gaben an, sie seien mit einem Messer bedroht worden. Bald stellte sich heraus, dass drei der vier Kinder von Lyle ebenfalls in der Wohnung waren und sie selbst schwanger gewesen sei. Bennett und Pele besuchten die Schule, an der Hagopian unterrichtete, um die Familie zu treffen, und brachten Lebensmittel und Spielsachen für die Kinder mit. Sie unterstützen sie mit Sparplänen für Studiengebühren und organisierten eine Benefiz-Tombola in einem nahegelegenen Park. Im August stürmten weiße Neonazis Charlottesville und einer von ihnen überfuhr die Gegendemonstrantin Heather Heyer. Und als Präsident Trump zum Besten gab, er habe auf beiden Seiten anständige Leute gesehen, beschloss Bennett, sich Kaepernicks Protest anzuschließen und blieb beim nächsten Vorbereitungsspiel der Saison während der Hymne sitzen.

Dagegen gab es viel Widerspruch, nicht nur von Footballfans, sondern auch von Familienmitgliedern und Freunden. Aber es warteten noch schwerere Prüfungen auf Bennett. Kurz vor Saisonbeginn machte er zusammen mit Cliff Avril einen Ausflug nach Las Vegas, um den Boxkampf zwischen Floyd Mayweather and Conor McGregor zu sehen. Nach dem Kampf besuchten sie einen Nachtclub in einem der Casinos. Dort stürzte eine Deckenstütze zu Boden und die Gäste gingen in Deckung, weil sie meinten, es würde geschossen. Bennett versteckte sich hinter einem Spielautomaten, und als alle wegliefen, rannte er auch davon. Die Polizei folgte ihm und warf ihn zu Boden. Ein Beamter hielt ihm eine Waffe an den Kopf und drohte »sein verdammtes Hirn wegzupusten«, wenn er sich bewegte. Er wurde zu einem Mannschaftswagen gebracht, wo er immer wieder fragte, warum er festgehalten würde. Erst Minuten später beschlossen die Polizisten, er sei kein Attentäter, und ließen ihn gehen.

Zwei Wochen nach diesem Vorfall kommentierte Bennett ihn auf Twitter. »Mein einziger Gedanke war, dass ich sterben würde, nur weil ich schwarz bin und meine Hautfarbe als Bedrohung empfunden wird«, schrieb er. Einige Leser unterstützten ihn, aber der Widerspruch war lauter. Als das Video der Festnahme veröffentlicht wurde, sah jeder darin das, was er sehen wollte: Diejenigen, die mit Bennett sympathisierten, sahen einen unbewaffneten Schwarzen, der zu Boden gedrückt und mit einer Waffe bedroht wurde. Wer auf Seiten der Polizei war, sah, dass Bennett in einer Situation davongelaufen war, die ein Attentat zu sein schien.

Weitere zwei Wochen später kommentierte Donald Trump den Fall der protestierenden Footballspieler auf einer Parteiversammlung in Alabama. »Würdet ihr nicht auch gerne sehen, wie einer der N.F.L.-Besitzer zu denen, die die Flagge herabwürdigen, sagt: Hol den Hurensohn sofort vom Feld?«, fragte er unter tosendem Applaus. Wie schon in der Vorsaison trafen sich die Seahawks, um zu überlegen, wie sie reagieren sollten. Die schwarzen Spieler erklärten den weißen, sie hätten keine Ahnung, was es bedeute, als Schwarzer in Amerika zu leben. Die weißen Spieler erklärten den schwarzen, dass die Proteste unpatriotisch seien. Am Ende beschloss die Mannschaft, während der Hymne gemeinsam in der Kabine zu bleiben. Und sie veröffentlichte ein Statement zur Unterstützung von Initiativen zur Schaffung einer gerechteren Gesellschaft. Aber für Bennett hinterließ der Tag einen faden Beigeschmack.

»Ich war enttäuscht«, sagte er mir. Seine Mitspieler machten sich Sorgen um ihre Jobs und ihr Image. Er konnte das nachvollziehen, hatte aber zugleich das Gefühl, dass einige seiner Mannschaftskameraden ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nicht gerecht wurden. Über die Einheit, die sie zur Schau stellen, bemerkte er: »Es fühlte sich wie ein Sieg und eine Niederlage zugleich an. Wir stellten uns gegen Trump, aber nicht gegen die Ungerechtigkeit im Land. Wir protestierten nicht gegen die Brutalität. Wir protestierten nicht gegen die Dinge, die Frauen angetan werden. Es war, als wären wir alle nur auf diesen einen Mann fixiert.«

Die Seahawks beendeten die Saison mit neun Siegen und sieben Niederlagen und verpassten die Playoffs. Im März war Bennett gerade in Japan, als er erfuhr, dass er nach Philadelphia verkauft würde. Bennett hat eine hohe Sensibilität für die physischen, emotionalen, psychischen und sozialen Begleiteffekte des Profisports, insbesondere im Fall einer Sportart, zu der Gewalt gehört und die er unter Einsatz von Gewalt betreibt. Er verschließt nicht die Augen vor den Fällen von Gewalt gegen Frauen, die im Umfeld der N.F.L. Aufsehen erregen und in jüngerer Zeit wieder die Nachrichten dominierten. Bennett versteht sich selbst als Feminist: »Es ist wichtig, dass wir uns für Freiheit für Schwarze aussprechen, aber wir können all diese Dinge nicht fordern, wenn wir keinen Respekt für Frauen aufbringen.« Wie schwer es ist, Empathie aufzubringen, wenn man als Profisportler davon besessen ist, seinen Gegner zu schlagen, ist eines seiner Dauerthemen.

Und dennoch wehrt sich Bennett gegen die Sichtweise, American Football widerspreche von seiner Anlage her dem Bestreben nach Frieden. »Es ist nur ein Spiel«. Allerdings eines, in dem viele Spieler viel Wut in sich tragen und kaum über die Fähigkeit verfügen, ihre Verletzlichkeit zu artikulieren – ein Umstand, der durch die Reduktion der Spieler auf ihre statistischen Werte, Gehaltshöhe und Leistungspunkte in Videospielen weiter intensiviert wird. »Wie jedem anderen Geschäft auch, fehlt der N.F.L. die Seele.«

Zwei Wochen nach seinem Wechsel nach Philadelphia erfuhr Bennett von einer Anzeige gegen ihn, weil er während des Super Bowl 2017 beim Versuch, das Spielfeld zu betreten, eine ältere gehbehinderte Dame verletzt haben soll. Die afroamerikanische Frau beschuldigt Bennett, sich in einem Türrahmen an ihr vorbeigedrängt zu haben, wovon sie eine Schulterverletzung davongetragen habe. Als der Polizeipräsident von Houston bei einer Pressekonferenz die Anklage bekannt gab, sprach er über Bennett, als sei dieser bereits verurteilt und nannte ihn »moralisch korrupt«, »moralisch bankrott« und »armselig«.

In der Zwischenzeit hatte sich Bennett wieder einen Stammplatz erobert und startete eine Erfolgsserie mit sechseinhalb erfolgreichen Attacken auf die gegnerischen Quarterbacks in nur sechs Wochen. Als ich Bennett im Sommer fragte, wie es um den Bruch zwischen denjenigen stehe, die der Spielervereinigung nie beigetreten waren, und denjenigen, die sie, wie z.B. Eric Reid, verlassen hatten, sagte er: »Alle wollen letztlich dasselbe.« Das war eine diplomatische Antwort, aber keine ganz zutreffende. Kurz nach meinem Besuch in der Kabine spielten die Eagles gegen die Carolina Panthers, die gerade Reid unter Vertrag genommen hatten. Noch vor dem Münzwurf stellte Reid Jenkins zur Rede und musste zurückgehalten werden. Nach dem Spiel nannte er Jenkins »käuflich« und »neo-kolonial« und fügte hinzu: »Ich glaube, James Baldwin hat einmal gesagt, wer als Schwarzer in Amerika lebt und halbwegs auf seine Umgebung achtet, ist in einem Dauerzustand des Zorns. Ich bin in einem Dauerzustand des Zorns.«

Das war aber nur ein einmaliges Aufflammen der Debatte in einer Liga, die ansonsten weitgehend zur Ruhe gekommen ist. Die Müdigkeit, die Bennett vor dem Eröffnungsspiel beschlichen hatte, ist zur allgemeinen Tendenz geworden. Auf die Knie zu gehen, ist längst kein Lackmustest für politische Gesinnung mehr. Und Trump hat schon seit Monaten kein Wort mehr über die N.F.L. verloren. Bennett blieb noch ein paar weitere Spiele während der Hymne in der Kabine; im Oktober saß er einmal auch auf der Bank, entschied sich dann aber wieder für die Kabine.

Man kann die Liga betrachten und sich fragen, ob die Proteste auch nur den geringsten Einfluss auf ihr Selbstverständnis gehabt haben. Bennett hält dagegen, dass es niemals um das Knien oder Nichtknien allein gegangen sei und sich durchaus etwas verändert habe. Kurz vor Thanksgiving 2018 gaben die Eagles bekannt, einen Fond für sozialen Ausgleich einzurichten, der sich aus Spenden der Mannschaft und einzelner Spieler speist. Bennett gehört zu den sechs Spielern der Eagles, die Teil des Aufsichtsrats des Vereins sind, der bislang bereits 200.000 Dollar an vier Nonprofit-Organisationen in Philadelphia verteilt hat.

»Die N.F.L. ist ein kleiner Ausschnitt der Welt«, sagte er vor Saisonbeginn zu mir. »Wir denken natürlich gerne, es sei der wichtigste Teil der Welt«, fügte er lachend hinzu und dass er es nicht erwarten könne, bis seine Töchter erwachsen seien und – unter Umgehung des ganzen Football-Geschäfts – direkt die Rettung des Universums angehen würden. »Sportler werden der Polizeigewalt kein Ende setzen können. Aber wir Athleten sind eingeladen, mit am Tisch zu sitzen, wenn es um diese Themen geht. Wir können versuchen, einen Beitrag zu leisten, auch im Namen derer, die nicht mit am Tisch sind.«

[Gekürzte Übersetzung des Beitrags »Michael Bennett’s Political Football« aus »The New Yorker« vom 10.12.2018, mit freundlicher Genehmigung. Übersetzung von Nicolas Pethes.]

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