Oink! Oink! Die Schweine der Filmgeschichte
von Hans J. Wulff
27.3.2017

Vieldeutige Wesen

[eine Druckfassung erschien in: Augenblick, 60, 2014, S. 7-25]

„Du bist ein Schwein!“ – eine Beleidigung, die jeder versteht. Mit der man den Beschimpften der Ehrlosigkeit, des Eigennutzes, der Schmutzigkeit seiner Verhaltensweisen bezichtigt. Männer sind Schweine singt die Berliner Punkrock-Band Die Ärzte; und so ist auch der deutsche Verleihtitel Männer sind Schweine der US-Komödie My Best Friend’s Girl (2008, Howard Deutch) eigentlich aggressiv und abwertend – doch im einen wie im anderen Falle ist‘s ironisch gemeint und kann in dieser Allgemeinheit nicht stehenbleiben. Wenn aber Stefan Stolze, der von Götz George gespielte Protagonist des TV-Dreiteilers Das Schwein – Eine deutsche Karriere (BRD 1995, Ilse Hofmann), schon im Titel als „Schwein“ bezeichnet wird, als einer, der mit seiner Skrupel- und Rücksichtslosigkeit Karriere macht, ist die Bezeichnung durchaus ernst gemeint.

Wir kennen das „Frontschwein“ beim Militär, die „Pistensau“ beim Skilaufen; wir kennen das „Schwein“ auch in sexueller Hinsicht, als einen, der sich über alle Ziemlichkeiten und über allen Anstand hinwegsetzt [1]. Doch schon die „Rampensau“ beim Theater meint etwas anderes, einen, der in jeder Situation sich der Öffentlichkeit seines Auftretens gewiss ist (und der dieses genießt). Der „Schweinepriester“ enthält eine vollkommen andere Bewertung als der „Saupreuße“ oder der „Schweinehund“.

Wie soll man das verallgemeinern? Ist das Schwein tatsächlich ein Tier, das nur dazu prädestiniert ist, zum Symbol des Schmutzigen, des Unmäßigen und des Ruchlosen zu werden? Oder wohnt ihm die Vieldeutigkeit inne, die wir schon an den sprachlichen Wendungen beobachten? Man kann den Fokus erweitern und sagen: „Schwein gehabt!“ Und meint dann ganz etwas anderes, als wenn man jemanden als „Schwein“, „Ferkel“ oder „Sau“ tituliert (eigenartigerweise kann man übrigens niemanden als „Eber“ beschimpfen!).

Viel Wissen um das Schwein ist mit Anekdoten garniert, die zumindest auf den ersten Blick zu erklären scheinen, wie das Schwein mit seinen diversen Bedeutungen in Berührung gekommen ist. Es gibt Schweinsfigürchen, die symbolhafte Kraft tragen – das Glücksschwein, das das gute Omen anzeigt, weil das Schwein wohl schon zu Zeiten der Germanen ein Zeichen für Wohlstand und Reichtum und ein Symbol der Fruchtbarkeit und Stärke war (eine Bedeutung, die aus jener Zeit auf uns gekommen ist, sagt die Anekdote).

Wenn zu Silvester ein Glücksbringer überreicht wird, der den Empfänger über das kommende Jahr begleiten soll, ist es oft ein Marzipanschwein (nach dem Motto: Wenn man am Anfang genug zu essen hat, wird es so bleiben!). Das „Schwein gehabt!“ entstammt möglicherweise Wettbewerben des Mittelalters, in denen der letzte ein Schwein als Trostpreis erhielt (so behauptet es zumindest eine Volksetymologie der Redewendung). Und auch das Sparschwein ist verstanden worden als ein Vorbote kommenden Wohlstands, so, wie eine Sau mit einem Wurf von mehreren Ferkeln den Wohlstand des Besitzers nur mehren konnte.

Ganz offensichtlich: Schweine sind vieldeutige Wesen, bedeuten gleichermaßen Glück (zu Silvester) oder Unordnung (wie in der Rede vom „Saustall“ zu beobachten), sind Sinnbilder für Schmutz ebenso wie für Sparsamkeit [2]. Und sie sind eingefasst durch eine Fülle von Geschichten, Erklärungen, historischen Anekdoten, Halbwahrheiten. Das Schnitzel auf dem Tisch und das Schwein im Stall sind nur das eine Ende der Bedeutungsvielheiten, das Schwein als kulturelle Einheit, als Sujet des Wissens, des Erzählens und des Redens ist aber offensichtlich etwas ganz anderes.

Das Feld der Schweinebedeutungen ist komplex, umfaßt nicht nur den Vergleich des Menschen mit Schweinen als Beschimpfung und ist von Beginn an widersprüchlich. Darum lohnt es, genauer hinzusehen. Es geht weder um die Naturgeschichte oder die Ethologie des Schweins; und auch die Geschichte seiner Kultivierung als Haus- und Nutztier hat dafür keine große Bedeutung. Vielmehr geht es um die symbolische Inbesitznahme des Schweins.

Die folgenden Notizen sind auf die Film- und Fernsehgeschichte des Schweins und seiner Rollen und Darstellungen gemünzt – es wird gehen um die Geschichten, die sich um Schweine ranken und in denen sie Haupt- oder Nebenrollen spielen, oder die Beziehungen, die sie zu ihren Besitzern haben. Und natürlich um die Charaktermerkmale, die ihnen zugewiesen werden (und die selten, das kann man schon eingangs der Überlegungen festhalten, mit jenen pejorativen Assoziationen belastet sind, die im beleidigenden Gebrauch des Schweinenamens so vordringlich sind).

Vom Nutztier zum Haustier

Das Schwein mag als Haustier gelten, doch ist es selten individualisiert, es trägt keinen Namen, es teilt nicht die Wohnung. Es ist Haustier, weil es ein Nutztier ist und die menschliche Küche mit Fleisch beliefert [3]. Insofern trägt es materielle Werte. Soziale Werte (wie sie die Freundschaft mit dem Hund umfassen mag), individuelle oder subjektive Bedeutungen (wie sie manchen Pferden in der Beziehung vor allem junger Figuren vielleicht zukommen) und Imagewerte lassen sich mit Schweinen nicht erreichen – mit Ausnahmen.

Natürlich kommt es zur Überschreitung der Regel, die die Anonymität der Beziehungen von Menschen zu Schweinen festlegt – manche Schweine werden tatsächlich zu Haustieren, wie man es von Hunden gewohnt ist [4]. Das Rennschwein Rudi Rüssel trägt einen Namen, es wird in die Familie aufgenommen, die ihren Alltag verändert, sie zieht sogar in eine neue Wohnung (in dem gleichnamigen Film, BRD 1995, Peter Timm). Dass es sich um einen Kinderfilm handelt, mag auch mit dem anarchistischen Witz zusammenhängen, der mit der Umdeutung des Schweins vom Nutz- zum Haustier zusammenhängt (und an dem Kinder so großes Vergnügen haben).

Der Lacher ist dem Film auch in anderen Varianten der Umwertung des Schweins aus Haustier sicher. Schon in Waikiki Wedding (USA 1937, Frank Tuttle) setzt ein Werbeagent zu Werbezwecken (sprich: um aufzufallen!) ein Schwein ein, das die Gewinnerin an einem Schönheitswettbewerb wie einen luxuriösen Hund an der Leine führt [5]. Mit eher schwarzem Humor vollzieht die romantische Komödie Doc Hollywood (USA 1991, Michael CatonJones) den Wechsel eines Schweins vom Nutz- zum Haus- und zurück zum Nutztier: Ein junger Arzt wird in einer Kleinstadt von einem Mann, den er von Zahnschmerzen befreite, mit einem Schwein bezahlt, mit dem er seinerseits die Reparaturen, die eine Werkstatt an seinem Wagen gemacht hatte und die keine Kreditkarten akzeptiert, bezahlt; nach kurzem erfährt er, dass er das Schwein nicht zurückkaufen kann, sondern dass die Garage das Schwein an den Metzger weiterverkauft hat – das Schwein, das der Arzt vorher als „Jasmine“ zu seinem persönlichen Haustier gemacht hatte.

Nutztieraspekte, Schlachtung, Schlachthaus

Natürlich erzählt der Film auch von der Bedeutung der Schweine als Fleischlieferanten. Dramaturgisch besonders interessant sind die Fälle, wenn man das Fleisch heimlich transportieren muss. Eine Episode in Operation Petticoat (Unternehmen Petticoat, USA 1959, Blake Edwards) erzählt davon, dass ein kleiner Trupp von U-Boot-Soldaten Nahrungsmittel für die Besatzung besorgen will; tatsächlich gelingt es, ein Schwein einzutauschen, das man in eine Uniformjacke zwängt, um mit ihm durch die Wachen zu kommen; auch dieses gelingt, das Schwein geht als Funker Hornsby durch, der seinen Rausch ausschlafe (allerdings sagt einer der Militärpolizisten zum anderen, dass der Funker „wie ein Schwein“ ausgesehen habe).

Ein anderes Beispiel ist die Komödie La traversée de Paris (Zwei Mann, ein Schwein und die Nacht von Paris, Frankreich 1956, Claude Autant- Lara), der 1942/43 in Paris zur Zeit der deutschen Besatzung spielt; ein arbeitsloser Taxifahrer übernimmt gelegentlich Transporte für den Schwarzmarkt; ein Metzger übergibt ihm ein schwarz geschlachtetes Schwein in vier Koffern, das nachts quer durch das besetzte Paris transportiert werden muss und dabei natürlich diversen Gefahren ausgesetzt ist.

Gerade in Zeiten des Hungers, der Lebensmittelrationierung und der allgemeinen Armut ist Fleisch ein hohes Gut [6]. Wenn dann auch noch das Halten von Nutztieren unter Strafe steht, entsteht Stoff für Geschichten. Das vielleicht prägnanteste Beispiel ist A Private Function (Magere Zeiten; aka: Magere Zeiten  Der Film mit dem Schwein, Großbritannien 1984, Malcolm Mowbray), der im England des Jahres 1947 spielt; zwar ist der Krieg schon zwei Jahre vorbei, doch ist Fleisch nach wie vor rationiert; als eine Gruppe von Geschäftsleuten anlässlich der Hochzeit von Prinzessin Elizabeth den lokalen Regierungsbehörden imponieren will, indem sie ein großes Fest ausrichtet, auf dem auch das Fleisch des illegal aufgezogenen Schweins Betty kredenzt werden soll; als dieses jedoch gestohlen wird, setzt eine turbulente Kette von Ereignissen ein.

Natürlich ist in der Tradition der Haushaltung von Schweinen die Schlachtung ein entscheidender dramatischer Punkt. Dass sie als Schlachtfest zumindest in Teilen ritualisiert und dem Fest als einer Grundform der Stabilisierung von sozialen Lebensgemeinschaften assoziiert ist, deutet darauf hin, dass hier tiefere Bedeutungen im Spiel sind – mit Elementen des Erntedankfestes, einer Passage und eines Heraustretens aus den Routinen alltäglicher Arbeit. In einer langen Sequenz von Novecento (Neunzehnhundert, Italien 1976, Bernardo Bertolucci) wird ein Schlachtfest als markante Erinnerung an eine Kindheit auf dem Lande inszeniert. Noch weiter geht Emmas Glück (BRD 2006, Sven Taddicken), der die Schlachtung von Schweinen als letzte intime Begegnung der Protagonistin und ihrer Tiere darstellt, ein Moment, der das Töten des Tieres als Augenblick einer fast sakral anmutenden Einheit von Mensch und Tier und als Geste einer großen Dankbarkeit ausgibt.

Dem stehen die Bilder industrialisierter Schweineschlachtung in den Tierfabriken und Schlachthäusern ebenso entgegen wie die Aufnahmen endloser Laufbänder, an denen Schweinehälften durch die Hallen befördert und sukzessive zerteilt werden. Filme wie We Feed the World  Essen global (Österreich 2005, Erwin Wagenhofer) oder Entrée du personnel (IT: Staff Entrance, Frankreich 2011, Manuela Frésil) gehören in einen Kontext ökologisch motivierter Kritik an der Nahrungsmittelindustrie, das fließbandartige Schlachten von Tieren als Metapher für eine tiefe Entfremdung von Mensch und Natur gleichermaßen ausweisend.

Die Rettung vor dem Schlachthaus drängt sich naturgemäß als dramatisches Motiv auf. Vor allem Kinderfilme, die zunächst das Schwein als Protagonisten und Sympathieträger des Zuschauers etabliert haben, spielen sie als finalen Konflikt mehrfach durch. Erinnert sei an Gordy (USA 1994, Mark Lewis), in dem ein Ferkel den Job eines jungen FinanzMagnaten übernimmt; als es von seiner Familie getrennt wird, macht es sich auf die Suche nach ihnen; auf seiner Reise schließt er Freundschaft mit dem Enkel eines reichen Industriellen, hilft ihm, das Familiengeschäft zu erhalten; am Ende rettet es auch seine eigene Familie vor dem Schlachthof [7].

Mit einem ähnlichen Happy-End geht auch Rennschwein Rudi Rüssel (BRD 1995, Peter Timm) aus: Bei einer Tombola gewinnt die Familie Gützkow das Schwein Rudi Rüssel als ersten Preis; den Gützkows wird ihre Stadtwohnung gekündigt; der arbeitslose Archäologe Gützkow wird Platzwart beim örtlichen Fußballverein, weshalb das Ferkel nun mit den Fußballern um die Wette laufen kann; es nimmt an einer Meisterschaft im Schweinerennen teil, die es gewinnt; durch ein Unglück gerät es zum Schlachthof und muss in einer dramatischen Aktion gerettet werden.

Schweinefabriken treten aus dem natürlichen Zusammenhang von Mensch und Natur heraus, die Beziehungen zwischen Betreibern und Tieren gehen in ein kapitalistisch-entfremdetes Verhältnis über. Das Tier wird zur Ware, es wird zum werthaltigen Objekt; die moralisch-ethischen Verpflichtungen, die den Bauer und seine Tiere (zumindest in einer naiv-idealisierten Vorstellung) verbinden, werden durch eine kalte Produktionslogik abgelöst.

Es sind nicht nur industriekritische Dokumentarfilme, die sich dieses Übergangs annehmen [8], sondern mehrfach auch Serienkrimis des deutschen Fernsehens. Ein Beispiel ist Schweineleben (BRD 2008, Eoin Moore) aus der Polizeiruf-110-Reihe, der in einem mecklenburgischen Dorf spielt, in dem ein holländischer Investor will eine riesige Schweinezucht aufbauen will, gegen die sich Naturschützer zur Wehr setzen. Ein anderes Beispiel ist Pfarrer Braun: Schwein gehabt! (BRD 2010, Wolfgang F. Henschel), der mit dem Tod eines Schweinezüchters beginnt und der ebenfalls mit Plänen, auf Usedom eine gewaltige Schweinemastanlage hochzuziehen, zusammenhängt [9].

Böse Schweine

Dass Schweine tatsächlich Allesfresser sind, dass sie sich sogar ihresgleichen einverleiben, ist allgemein bekannt. Als Nebenmotiv bietet sich die Tatsache im Horror- und Krimigenre an, auch wenn es selten genutzt worden ist. Ein frühes Beispiel ist der amerikanische Exploitationsfilm Daddy’s Deadly Darling (USA 1972, Marc Lawrence [10]): Eine junge Frau, die ihren Vater getötet hatte, als er sie vergewaltigen wollte, flieht aus einer psychiatrischen Anstalt und findet Unterschlupf bei einem Farmer und Truck-Stop-Betreiber, der ihm unangenehme Leute aus dem Weg räumt und die Leichen in zerstückelter Form an seine Schweine verfüttert.

Eine einschlägige Szene findet sich auch in Snatch (Snatch  Schweine und Diamanten, Großbritannien/USA 2000, Guy Ritchie), in dem der Verbrecherboss die zerstückelten Leichen seiner Feinde an die Schweine auf seiner Farm verfüttert. Manchmal ist das Motiv, das den Morden zugrundeliegt, nackte Habgier; in dem zur Postkutschenzeit spielenden Film L’auberge rouge (L’Auberge Rouge  Mord inklusive, aka: Das Gasthaus des Schreckens, Frankreich 2007, Gérard Krawczyk) etwa lebt ein Wirt vom Mord an den Reisenden, die in seinen Gasthof einkehren und die er ausraubt und umbringt; die Leichen verfüttert er an Schweine [11].

Eines der wenigen Beispiele aus dem Tierhorror-Genre, in dem Schweine eine Rolle spielen, ist der motivisch der Insel des Dr. Moreau nachempfundene Splatterfilm Squeal (Pigs  Slaughter Farm, USA 2008, Tony Swansey [12]): Eine Rockband, die mit ihrem Auto liegengeblieben ist, wird von einem Schweinemutanten entführt und in einen Zwinger gesperrt; er wurde nach einem wissenschaftlichen Experiment ebenso zu einem Zwischenwesen wie ein Zwerg und eine Frau [13]. Mit der heute höchst modern anmutenden Phantasie, durch Genmanipulation Schweine zu vergrößern und so die drohenden Ernährungsprobleme der Welt zu bekämpfen, hatte übrigens schon Jack Arnolds Tarantula (USA 1955) gespielt.

Killer-Schweine sind filmhistorisch selten, auch wenn der Kampf gegen wilde und mächtige Keiler in vielen Märchen zu den härtesten Prüfungen gehört, denen der Held sich aussetzen kann [14]. Der Klassiker dieser Spielart ist Razorback (Razorback  Kampfkoloss der Hölle, Australien 1984, Russell Mulcahy): Die Titelfigur ist ein pferdegroßes Wildschwein; nachdem ein kleiner Junge und eine Reporterin umgekommen sind, nimmt der Mann der Toten die Jagd auf.

Ein neueres Beispiel ist der südkoreanische Film Chaw (Keiler; aka: Keiler  Der Menschenfresser, Südkorea 2009, Shin Jeongwon), der in einer koreanischen Kleinstadt spielt; nachdem bereits einige Gräber geöffnet und die Leichen verstümmelt und zwei Menschen zerfleischt aufgefunden wurden, wird ein riesiger, mutierter Keiler als Täter identifiziert; ein Jäger erschießt das Weibchen, woraufhin der Keiler ein Dorffest überfällt und zahlreiche Tote hinterlässt.

Auch in Pig Hunt (Pig Hunt  Dreck, Blut und Schweine, USA 2008, James Isaac) tritt ein Riesenwildschwein auf und mischt sich in die Jagd ein, die Hinterwäldler auf eine Gruppe von Jugendlichen machen. In Evilspeaks (Der Teufelsschrei, USA 1981, Eric Weston) findet ein von seinen Kameraden schikanierter Rekrut im Keller der Kapelle der Militärschule ein uraltes Buch mit satanischen Versen, Formeln und Anleitungen zu Teufelsbeschwörungen und schwarzen Messen, das er am Ende in einer infernalischen Rache-Orgie nutzt, um die Schweine der Akademie zu Mörderschweinen zu machen – sie fressen tatsächlich ein Mädchen in einer Badewanne auf.

Magische und phantastische Schweine

Die Geschichte des phantastischen Films kennt eine ganze Reihe kluger, oft sprechender Tiere [15], die ihren Herren helfen, sie retten, ihnen Zugang zu verbotenen oder unzugänglichen Räumen verschaffen. Derartige Helfer-Schweine sind aber außerordentlich selten. Ein Beispiel ist der Animationsfilm The Black Cauldron (aka: Taran and the Magic Cauld­ron; dt.: Taran und der Zauberkessel, USA 1985, Ted Berman, Richard Rich), der in dem Königreich Prydain spielt, in dem ein böser König eine Armee von Untoten aufstellen will, um mit Hilfe eines Zauberkessels die Herrschaft über die Welt zu erlangen; doch der junge Schweinehirt Taran, der ein Schwein mit hellseherischen Fähigkeiten hütet, das den Weg zum Kessel kennt, stellt sich ihm in den Weg.

Es war die Zauberin Circe, Tochter des Sonnengottes Helios und Zauberin, die die Gefährten des Odysseus – mit Ausnahme des Eurylochos, der die Gefahr ahnte – in Schweine verwandelte (so berichtet in der Odyssee). My Brother the Pig (Immer Ärger mit Schweinchen George; USA 1999, Erik Fleming) säkularisiert und modernisiert das Motiv: Eine 13jährige verwandelt eher zufällig ihren kleinen Bruder in ein Schwein; nun muss sie nach Mexiko reisen, weil nur die Großmutter den Zauber wieder rückgängig machen kann, bevor die Eltern aus dem Urlaub zurückkommen.

Anders als etwa die Bären, die eine bis in die Vorgeschichte reichende religiöse Verehrung genossen haben, ist das Schwein in den religiösen Traditionen von keinerlei Bedeutung. In der Filmgeschichte finden sich wenige Beispiele, die aber Erwähnung verdienen. Der Fantasy-Film Sa Majesté Minor (Seine Majestät das Schwein, Frankreich/Spanien 2007, Jean-Jacques Annaud) erzählt von Minor, der bei den Schweinen aufgewachsen ist und sich selbst auch für eines hält; er kann nur grunzen, nicht sprechen; als er wegen eines Angriffs auf die Frau des Metzgers vor Gericht gestellt wird und ihn die Tochter des Stammesführers verteidigt, wird er zwar nicht zum Tode verurteilt, sondern muss als Vogelscheuche auf dem Feld arbeiten; er macht dabei Bekanntschaft mit Nymphen, Zentauren und Satyren; er stürzt und kann zum Erstaunen aller sprechen – die Dorfbewohner halten das für ein Zeichen der Götter, Minor wird zum König der Insel.

Steht hier das Schwein in einer Linie mit den Menschen und kann es sogar Menschen sozialisieren (die Romulus-und-Remus-Geschichte steht deutlich im Hintergrund von Annauds Film), wird in anderen Kontexten das Tier als grotesker Stellvertreter des Menschen gesetzt. Diesen ganz anderen Weg geht der englisch-französische Kriminaldrama The Hour of the Pig (Pesthauch des Bösen, Frankreich/Großbritannien 1993, Leslie Megahey): Er spielt im spätmittelalterlichen Frankreich des 15. Jahrhunderts; ein junger, aus Paris stammender Advokat soll vor einem Provinzgerichtshof ein Schwein verteidigen, das einer Zigeunerin gehört und des Mordes an einem kleinen Jungen angeklagt wurde; zunächst akzeptiert er zynisch seine Aufgabe, doch kommt es zur Aufdeckung eines ganzen Geflechts von Verschwörung und Korruption.

Niedliche und naive Schweine

Es sind vor allem einige Kinderfilme, die Schweine als ebenso arglose wie unbedarfte Protagonisten und als flache Charaktere exponieren. Die Moral von der Geschichte ist dann fast immer greifbar, Skepsis tritt nicht auf. Fast immer geht es um Freundschaften zwischen verschiedenen Tieren. In Charlotte’s Web (Schweinchen Wilbur und seine Freunde, USA 2006, Gary Winick) – nach dem erfolgreichen Kinderbuch gleichen Titels von E.B. White (1952) – etwa rettet eine Spinne (Charlotte) ein Schwein vor dem Kochtopf, indem sie nachts ein Netz über dem Schwein (Wilbur) spinnt, auf dem in Großbuchstaben „TERRIFIC“ zu lesen ist; das Schwein wird vom ganzen Land bewundert, Spinne und Schwein werden gute Freunde [16]. Die höchst naive Geschichte positioniert den Leser bzw. Zuschauer ganz auf Seiten der Tiere, immuisiert vor allem das Schwein gegen alle kulturellen und landwirtschaftlichen Verwertungszusammenhänge.

Etwas anders gelagert ist der Disney-Animationsfilm Piglet‘s Big Movie (Ferkels Grosses Abenteuer, USA 2003, Francis Glebas), in dem „Ferkel“ vier anderen Tieren (Winnie Puuh, Tigger, Rabbit und IAah) dabei hilft, Honig aus einem Bienenstock zu gewinnen; sie nehmen ihn aber nicht in ihren Freundschaftsbund auf, weil er zu klein ist; erst als sie vor den Bienen in Ferkels Haus flüchten, entdecken sie ein Bilderalbum, in dem das kleine Schwein alle gemeinsamen Erlebnisse festgehalten hatte; als dann noch Puuh in Gefahr gerät und Ferkel ihn rettet, wird der Bund der fünf geschlossen und sie feiern ein gemeinsames Fest. Auch hier ist die Moral klar – es geht um soziale Zugehörigkeit und um die Aufnahme in (kindliche) Freundschaftsgruppen.

Babe (Ein Schweinchen namens Babe, Australien/ USA 1995, Chris Noonan, nach dem Kinderbuch The Sheep Pig von Dick KingSmith, 1983) handelt von Bewährung und vom Glück, akzeptiert zu werden: Nachdem Babe seine Eltern durch den Schlachter verloren hat, schließt es Freundschaft mit einer Collie-Hündin, die auf dem Hof als Schäferhund arbeitet; Babe lernt, wie man mit Schafen umgeht; als es ihm gelingt, Viehdiebe vom Hof zu vertreiben, beschließt er, Schäferschwein zu werden; der Bauer ist beeindruckt und meldet das Schwein kurzerhand beim Schäferhundwettbewerb an – Babe gewinnt, ihm wird die Schlachtung erspart bleiben.

Das Sequel Babe: Pig in the City (Schweinchen Babe in der großen Stadt, Australien 1998, George Miller) erzählt die Geschichte nur oberflächlich weiter, setzt ganz andere thematische und moralische Akzente: Nun geht es darum, dass Babe mit der Frau des schwerverletzten Farmers in die Stadt fährt, um Geld für die verschuldete Farm aufzutreiben; dabei geraten sie in eine Pension, in der deren Besitzerin herrenlose Tieren aus der Stadt Asyl gewährt; als auch sie einen Unfall hat, werden die Tiere ins Tierheim gesperrt – Babe befreit sie, alle werden auf seiner Farm unterkommen. Das Helden-Schwein wird hier zur globalen Helferfigur, nimmt Impulse mancher Action-Helden auf (der Regisseur George Miller ist durch die Mad-Max-Filme bekannt geworden).

Wer über die Filmgeschichte der Schweine nachdenkt, muss die unzähligen Zeichentrickfiguren zumindest erwähnen, die in den Studios ersonnen wurden. Man denkt fast automatisch an Porky Pig (Schweinchen Dick), das 1935 von Bob Clampett konzipiert wurde und erstmals im Kurzfilm I Haven’t Got a Hat (1935, Friz Freleng) auftrat; bekannt wurde sie nicht nur durch zahllose Auftritte in Warner-Zeichentrickfilmen der Looney-Tunes-Reihe, sondern auch durch die Porky Pig Show (1964-72); die Figur ist gleichbleibend als freundlich und liebenswert gekennzeichnet; sie stottert, ist schüchtern, naiv und ein wenig dumm.

Auch die Three Little Pigs (die Drei kleinen Schweinchen) aus der Feder Walt Disneys kommen einem in den Sinn; nach dem Vorbild eines englischen Märchens entwarf Disney das Trio mit den Namen Fiddler, Piper und The Practical Pig (Fiedler, Pfeifer und Schweinchen Schlau) für den Film Three Little Pigs (Die drei kleinen Schweinchen, 1933) aus der Silly-Symphonies-Reihe; die Moral von der Geschichte, dass sich Fleiß und harte Arbeit auszahlen, blieb erhalten.

So kindlich-unbedarft viele dieser Schweinefiguren auch wirken, gab es von Beginn an Parodien. Tex Averys MGM-Antinazi-Cartoon Blitz Wolf (USA 1942) etwa machte sich über die Naivität des Drei-Schweinchen-Konzepts lustig, die ihr Land „Pigmania“ gegen „Adolf Wolf“ verteidigen müssen.

Eine prägende Figur der Geschichte der animierten Schweine und keineswegs niedlich oder naiv ist Miss Piggy, die nach einem Auftritt in dem Sketch Return to Beneath the Planet of the Pigs (1975) seit 1976 zum festen Personal von Jim Hensons Muppet Show gehört und die sich schnell von einer Neben- zu einer der tragenden Figuren der Serie entwickelte; sie gehört der ungarischen Mangalica-Rasse an, glaubt sich prädestiniert dazu, ein Star zu sein; sie ist pummelig, kapriziös, manchmal charmant und verführerisch, oft eigensinnig, eingebildet und eitel, mit luxuriösen Kleidern angetan; aber sie wechselt manchmal zu plötzlicher Wut und Gewalttätigkeit; sie ist sterblich in die Froschfigur Kermit verliebt, der sie aber nicht gegenliebt und den sie manchmal höchst gereizt attackiert. Sie trat auch in den Muppets-Filmen auf [17].

Metaphorische und symbolische Schweine

Die wohl bekannteste Allegorie, in der Schweine die Hauptrollen spielen, ist George Orwells Roman Animal Farm, eine Satire auf stalinistische Herrschaftsverhältnisse aus dem Jahre 1945. Die Geschichte bildete die Grundlage für den ersten englischen Animationsfilm Animal Farm (Animal Farm  Aufstand der Tiere; aka: Aufstand der Tiere, Großbritannien 1954, Joy Batchelor, John Halas) sowie die Realfilm-Neuadaptation Animal Farm (Animal Farm, USA 1999, John Stephenson): Erzählt wird die Geschichte einer Revolte einer Gruppe von Tieren gegen ihren grausamen Bauern, der sie unterdrückt und ausbeutet, die ihren Hof selbst regieren wollen; die Unterweisung und Organisation des Gemeinwesens fällt den Schweinen zu; erst wird „Schneeball“ der Anführer und besticht durch seine Klugheit und sein Organisationstalent; doch sein Konkurrent „Napoleon“ lässt Schneeball töten und wird der neue Anführer. Zwar lautet der Wahlspruch der Tiere: „Alle Tiere sind gleich!“ Doch insgeheim gilt: „Einige sind gleicher!“ – zunächst unmerklich und dann mit offener Gewalt entsteht eine Schreckensherrschaft. Am Ende ist kein Unterschied zwischen der Unterdrückung der Tiere am Anfang mehr zu erkennen [18].

Es sind fast immer politische Szenarien, in denen Schweine zu allegorischen Figuren werden. Ein besonderer Fall ist Neil Jordans Film The Butcher Boy (Der Schlächterbursche, USA 1997; nach einem Roman von Patrick McCabe, 1992 [19]), der die Geschichte eines irischen Jungen in den frühen 1960­ern, der in seinem Dorf nach dem Selbstmord der Mutter und dem Tod des alkoholabhängigen Vaters verwahrlost und von allen Dorfbewohnern gemieden wird; nur der Schlachter gibt ihm Arbeit. Der Film erzählt vom Entstehen der Wut und von der zunehmenden Verzweiflung, die den Jungen ergreift und sich in die Bereitschaft wandelt, sich gewalttätig und symbolisch zur Wehr zu setzen. Die englische reiche Nachbarin hatte die Familie des Jungen als „Schweine!“ bezeichnet, sie wird zum Objekt der Angriffe des Jungen. Mit einer Schweinemaske über dem Gesicht dringt er in ihr Haus ein, schreibt in großen roten Lettern „Pig“ über Familienphotos, den Fernseher und die Wände, bevor er in den Flur scheißt. Tote und blutüberströmte Schweine beginnen seine Alpträume zu bevölkern. Am Ende erschießt der Junge die Engländerin mit einem Bolzenschußgerät, wie es auch die Schlachter benutzen.

Der Film setzt das Schwein in vielfältige Beziehungen, die den historischen Ort in einer höchst widersprüchlichen Art mit diegetisch eigentlich unmöglichen Verweisungen markieren – im Fernsehen läuft ein Ausschnitt aus dem Film The Atomic Cafe (1982!), in dem es um Atombombenversuche geht und die Menschen, die dem Fallout ausgesetzt sind, als „Guinea pigs“ bezeichnet werden; und auch das „Pig“, mit dem er die Wohnung der Nachbarin schändet, verweist auf den gegenüber der Handlungszeit des Films viel späteren Mord der Manson-Family an Sharon Tate (1969!). Die Schweine des Films werden zu symbolischen Repräsentanten der irischen lower class, ja sogar der Iren überhaupt; was den Schweinen in den Träumen geschieht, wird zum Bild der historischen Unterdrückung des irischen Volkes.

Auch der schwedische Film Grisjakten (IT: Pig Hunt, Schweden 1970, Jonas Cornell) instrumentalisiert Schweine auf einer allerdings viel schlichteren Ebene als Element einer politischen Satire: Alle Schweine in Schweden sollen ausgerottet werden; zuständig dafür ist ein pedantischer Bürokrat, der sich wundert, dass aus ihm unerfindlichen Gründen die Bauern sich gewalttätig gegen die Arbeit seiner Abteilung wehren – ihnen würde eine Lebensgrundlage entzogen. Rassismus, Gentechnik, Satire: Manche politischen Parabeln gehen noch weiter als Grisjakten, treiben die Geschichten bis in die Burleske und die Groteske hinein. Der sich jüdisch wähnende Titelheld des zutiefst skurril wirkenden Films Leon the Pig Farmer (Großbritannien 1992, Vadim Jean, Gary Sinyor) erfährt zufällig, dass er nicht nur das Ergebnis einer künstlichen Befruchtung ist, sondern zudem auch noch die Spermaproben vertauscht wurden; sein biologischer Vater war Schweinefarmer; Leon verbindet Judentum und Familientradition und geht daran, ein koscheres Schwein zu züchten (an dem auch noch ein Schaf mitwirkt).

Schweine gelten sowohl in der islamischen wie in der jüdischen Welt als unrein, der Verzehr von Schweinefleisch ist verboten, ja, die Tiere dürfen nicht einmal den Boden der Länder betreten. Das vietnamesische Hängebauchschwein, das vom Schiff gefallen ist und das ein palästinensischer Fischer in dem Film Le cochon de Gaza (Das Schwein von Gaza, Frankreich/Deutschland/Belgien 2011, Sylvain Estibal) bei seinem täglichen Versuch, ein paar Fische zu fangen, im Netz gefunden hat, ist ihm von vornherein ein Problem: Er könnte es an die christlichen UNO-Truppen verkaufen – doch die lehnen ab. Zufällig ergibt es sich, dass eine junge russische Jüdin es mit dem Schweineverbot nicht so ernst nimmt, sie sucht einen Eber, mit dessen Samen sie im Lager Schweine züchten kann; der Fischer läßt sich darauf ein, hält das Schwein heimlich auf seinem Schiff, nimmt ihm Samen von Hand ab (nachdem er Bilder von Miss Piggy und anderen weiblichen Schweinen zur sexuellen Erregung an die Wand gepinnt hatte); einmal führt er es sogar in einen Schafspelz verkleidet öffentlich aus; und das Schwein muß Socken tragen, damit es den Boden des geheiligten Landes nicht berührt. Immer ist der Held von Entdeckung bedroht.

Das Schwein ist in dieser Geschichte Katalysator der Geschehnisse und des Nachdenkens über die Beziehungen zwischen den verfeindeten Parteien zugleich. Und es führt den Zuschauer bis an die Grenzen der Groteske. „Dieses Schwein ist eine Bedrohung für unser Land!“, ruft einmal ein israelischer Soldat einer Gruppe bewaffneter Palästinenser zu. „Für unser Land auch!“, antwortet deren Anführer, bis ihn einer seiner Kameraden verwirrt fragt: „Welches Land?“ Das Ende führt die Parteien wieder zusammen: Kriegsversehrte beider Lager feiern ein gemeinsames Fest an einem phantastisch wirkenden Strand, von dem unklar ist, wie genau die Fliehenden dorthin gelangt sind; sie führen dabei trotz der Behinderungen Break-Dances auf – und geben der so versöhnlichen Botschaft der manchmal so bitteren Komödie ein überraschendes, die Widersprüche und Konflikte des Films noch einmal zusammenführendes Gesicht.

Summa und Ausblick

Die Durchmusterung der Schweinefiguren aus der Filmgeschichte, die in einem allerdings erstaunlich großen Korpus nachgewiesen werden konnten, hat gezeigt, dass das Feld der Rollenbilder denkbar heterogen ist. Abgesehen von der körperlichen Erscheinung bzw. vom Körperbild lassen sich weder die Rollen noch die textsemantischen Funktionen, die Schweine im Lauf der Filmgeschichte erfüllen, über einen Kamm scheren. Es ist – wie bei so vielen anderen Gegenständen des kulturellen Wissenszusammenhanges – eine Vielheit der Bedeutungen, auf die wir stoßen, eine Vielheit, die gleichwohl alle vom gleichen Objekt ausgehen bzw. darauf zu verweisen scheinen. Bleibt zu fragen, ob es nur ein Schwein des Wissens gibt oder ob es mehrere sind, eine Familie ähnlicher Konzeptionen, die mit dem gleichen biologischen Körper verbunden sind.

Gleichwohl die Heterogenität der dramaturgischen und bildhaften Vorstellungen des Schweins im Film bei der Durchmusterung des Korpus auf eine ähnliche Vielfalt von Bedeutungen gezeigt werden konnte, wie sie schon eingangs an den sprachlichen und dinglichen Bedeutungen des Schweins erwähnt wurde, bleiben doch mehrere Fragen, denen weiter nachzuspüren bleibt:

(1) Es fällt auf, dass sich die Schweine im Verlauf der Filmgeschichte erstaunlich vermehrt haben: Das Gros der Filme entstammt den Jahren nach 1980, ist zum Teil sogar noch deutlich jünger. Eine einfache Antwort auf die daraus resultierende Frage nach dem Warum? zu finden dürfte schwerfallen. Klar dürfte allerdings sein, dass die meisten der Filme, die sich mit der industrialisierten Schweinehaltung und -schlachtung befassen, sicher in unmittelbarem Zusammenhang mit dem veränderten Umweltbewusstsein stehen. Sie sind Indizien einer umfassenden Ökologisierung öffentlichen Wissens und gehören einem offen ausgetragenen, in sich mehrfach aspektivierten und multithematischen Diskurs um Fragen der Ernährung, der Gesundheit, der Mensch-Natur-Beziehung, des Tierschutzes usw. an.

(2) So sehr nicht nur die narrativen Funktionen von Schweinen als Prot- und Antagonisten, als Katalysatoren, Opfer oder Helfer, als Rebellen usw. sie mit sym- oder antipathischen Emotionen aufzuladen, so sehr sind auch die Potentiale klar, Filmschweine als Symbole zu behandeln (sei es, als Geschöpfe Gottes, die menschlicher Zuwendung bedürfen, sei es, als Figuren in Allegorien und Fabeln). Es geht allerdings vor allem in den Kinderfilmen weniger um die Ausschöpfung dieses semiotischen Potentials – hier stehen die Niedlichkeit der Akteure, die Exklusivität und Extraordinarität als Haustiere und die den Figuren zukommende Naivität und intellektuelle und soziale Unbedarftheit eher im Zentrum der Inszenierung. Es sind aber durchaus Charakteristen, die auch in den Schweinesymboliken eine Rolle spielen (denen die character traits, die sie als antagonale Figuren tragen, scharf entgegenstehen).

(3) Es mag sein, dass die Vorstellung des Schweins als unschuldiger Begleiter und Doppel des Kindes das jüngste der Schweinebilder ist, das erst mit den Cartoons aus der Disney-Fabrik zu semiotischem Leben erweckt wurde. Doch muss es ein Projekt der Kulturgeschichte des Schweins bleiben, dem genauer nachzugehen.

(4) Nationale Besonderheiten sind nicht zu erkennen. Eine Ausnahme mögen die Filmschweine im ostasiatischen, insbesondere im Kontext der japanischen Anime-Filme sein – das war hier kein Thema und bedürfte einer eigenen kulturhistorischen und -vergleichenden Untersuchung.

 

Anmerkungen

[*] Für Hinweise bin ich Christine Noll Brinckmann, Ludger Kaczmarek, Daniel Möhle und Ina Wulff zu Dank verpflichtet.

[1] Erinnert sei an die folgende Anekdote, die genau auf den Vieldeutigkeiten des „Schweins“ aufsetzt: Ein findiger St.-Pauli-Wirt kündigte anfangs der 1960er Jahre für sieben Mark Eintritt „Schweinefilme“ an und hatte ein überfülltes Haus – voller ebenso überraschter wie enttäuschter oder ärgerlicher Gäste, die Filme über die Schweinezucht zu sehen bekamen. Einen Hinweis auf diese fast an ein Happening erinnernde Aktion findet sich in: Der Spiegel, 24, 12.6.1963. Nicht nur mundartlich werden Pornographica bis heute als „Schwein(s)kram“ bezeichnet, Sex- und Pornofilme (vor allem in der konservativen Kritik) als „Schweinefilme“.

Ob man die pejorative Bedeutung des Schweins in sexueller Hinsicht mit der (beobachtbaren), für viele ebenso faszinierenden wie abstoßenden  Hemmungslosigkeit, die die Tiere bei Nahrungsaufnahme und Sexualverhalten zeigen, begründen kann, wie es manchmal in der populären Literatur über die kulturellen und sprachlichen Bedeutungen des Schweins geschieht, sei dahingestellt.

[2] Die Kulturgeschichte des Schweins ist ebenso bunt, vielgestaltig und widersprüchlich wie die Vielfalt seiner Erscheinungen und Rollen im Film. Vgl. dazu etwa Schlieben, Adolf: Das Schwein in der Kulturgeschichte (Wiesbaden: R. Bechtold & C. 1895); Schwein gehabt. Natur und Kulturgeschichte des Schweins (hrsg.v. Sabine Weimbs u. Alfred Hendricks. Gütersloh: Linnemann 2000); Arme Schweine. Eine Kulturgeschichte (hrsg. von der Stiftung Schloss Neuhardenberg in Verbindung mit Thomas Macho. Berlin: Nicolai 2006); Wuketits, Franz M.: Schwein und Mensch. Die Geschichte einer Beziehung (Hohenwarsleben: WestarpWiss. 2011 [Die neue BrehmBücherei. 674.]).

Zu den semiotischen Potenzialen des Schweins ist bislang kaum gearbeitet worden; vgl. dazu Schmauks, Dagmar: „Ringelschwanz und Rüssel. Stilisierungen des Schweins in Werbung und Cartoon“ (in: Image: Zeitschrift für interdisziplinäre Bildwissenschaft, 3, 2006, URL: http://www.gib.unituebingen.de/image/ausgaben?function=fnArticle&showArticle=82), die sich explizit den linguistischen Niederschlägen der kulturell erschlossenen (und oft naturalistisch begründeten) Wissensbestände und ihrer Widerspiegelung in visuellen Schweinedarstellung (ausschließlich in Standbildern) widmet.

[3] Dass es sogar einen steuerlichen Unterschied macht, ob ein Tier als Nutz- oder als Haustier eingestuft wird, zeigt der 10minütige Zeichentrickfilm Pigs Is Pigs (USA 1954, Jack Kinney): Ein Stationsvorsteher bekommt zwei Meerschweinchen (Guinea pigs) angeliefert; als der Besitzer sie abholen will, werden ihm 48 Cent Gebühren berechnet, da es sich um „Schweine“ handele; doch der Besitzer beharrt darauf, dass die Tiere Meerschweinchen und Haustiere seien, die nur 44 Cent kosten dürften, und verweigert die Annahme; der Fall geht durch sämtliche Instanzen, verursacht Unmengen an Papierverkehr und endet schließlich mit der Entscheidung: Meerschweinchen sind Haustiere! In der Zwischenzeit haben die Meerschweinchen allerdings Junge bekommen; statt zwei bevölkern inzwischen eine Million und zwei Meerschweinchen das Bahnhhäuschen; der Besitzer ist verzogen; der Stationsvorsteher läßt die Tiere zu seinen Vorgesetzten transportieren – in Zukunft wird er alle Tiere als Haustiere klassifizieren. Die Kurzgeschichte von Ellis Parker Butler (1902) wurde bereits 1910 und 1914 verfilmt.

[4] Der Übergang ist insbesondere dann markant, wenn das Schwein vorher als Figur in einer Erzählstruktur gefaßt worden war. Ein Beispiel ist Pigby, so der Name eines Schweins aus der Serie Pushing Daisies (2. Staffel, Episode 6: Bad Habits / Schwestern des göttlichen Trüffel, USA 2008), das in seiner ersten Episode als Mörder einer Nonne identifiziert wurde, die in einem Kloster versucht hatte, künstlich weiße Trüffeln zu züchten; in der Folgezeit gehörte Pigby neben Rigby, einem Golden Retriever, zu den Haustieren einer Hauptfigur der Serie.

Eine Individuierung von Figuren erfolgt immer dann fast automatisiert, wenn sie in narrative Strukturen oder in soziale Strukturen der dargestellten Welt eingebunden sind. Ein besonders skurriler Auftritt als Mitspieler oder sogar in einer Kernrolle ist das fernsehsüchtige Schwein „Arnold“, das auf der Farm des Anwalts Oliver Douglas und seiner ungarischen Frau wohnt (in der Serie Green Acres, USA 1965-71).

[5] Ein weiteres Beispiel findet sich in How to Lose Friends & Alienate People (New York für Anfänger, Großbritannien 2008, Robert B. Weide), in dem ein Journalist mit einem Schwein am Halsband (es handele sich um „Babe 3″!) über den roten Teppich auf eine Prominenten-Party zu schmuggeln versucht.

[6] Wenn Schweine noch vor den Menschen an die Essensabfälle gelassen werden (wie in dem 13minütigen brasilianischen Agitprop-Film Ilha das Flores (Insel der Blumen, 1990, Jorge Furtado), so ist dies bis heute eine scharfe Attacke gegen die Mißachtung, die menschlicher Armut entgegengebracht wird, die die Empörung des Zuschauers fast unvermittelt anspricht.

Der Effekt mag auch darin begründet sein, dass das Schwein im gesellschaftlichen Ansehen als schmutziger Allesfresser und als eines der niedersten Tiere gilt. Verwiesen sei auch auf den Beruf des Schweinehirten, der in der Welt der Fiktionen zu den wohl am geringsten angesehenen Tätigkeiten überhaupt rechnet. Adel trifft auf Subproletariat – im Märchen findet sich das Motiv mehrfach. Man denke insbesondere an Die Prinzessin und der Schweinehirt (BRD 1953, Herbert B. Fredersdorf) nach einem Märchen von Andersen (neu als 55minütiger TV-Film adaptiert, Österreich 1970, Florian Lepuschitz; erinnert sei auch an die 14minütige Puppenfilm-Adaption Pasá
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, CSSR 1958, Hermína Týrlová). Verwiesen sei auch auf Swiniopas (Schweinehirt, Polen 2008, Wihelm Sasnal): Ein Schweinehirt fungiert als Mittelsmann zwischen der verdeckten Liebschaft zweier Bauerntöchter, nicht ohne eigene Interessen zu verfolgen, bis ein Landstreicher die Ménage à Trois auflöst. Bice skoro propast sveta (Es regnet auf mein Dorf, Jugoslawien 1968, Aleksandar Petroviƒ) erzählt zugleich eine bizarre Liebesgeschichte und vom Schicksal eines Schweinehirten, der von den Dorfbewohnern geplagt, betrogen und schließlich getötet wird; der Film ist nicht nur als Parabel menschlicher Intoleranz gegenüber Schwachen gelesen worden, sondern auch als harsche Kritik an den sozialen Verhältnissen in einem kommunistischen Staat.

[7] <Bedrohung durch das Schlachten – Flucht – Rettung> ist ein narratives Motiv, das sich mehrfach findet. Ein Beispiel ist Das Ferkel Fritz (BRD 1997, Peter Timm), in dem zwei Kinder, die Urlaub auf dem Bauernhof machen, ein Ferkel in ihr Herz schließen und ihm den Namen Fritz verleihen; sie sind fest entschlossen, das Tier mit in die Stadt zu nehmen; das Ferkel, das ein Ende als Spanferkel fürchtet, nimmt Reißaus; die Kinder folgen, als sie davon hören, und ihnen folgen die Eltern. Am Ende kommen alle Beteiligten zusammen – und das Ferkel kann im Garten der Großmutter weiterleben.

Aus dem negativen Image der Tierschlachtung gewinnt auch Michael Hanekes Film Bennys Video (Österreich/Schweiz 1992) einen kleinen Wirkungs-Impuls, wenn der jugendliche Mörder auf dem Bauernhof von Verwandten eine Schweineschlachtung filmt und – nachdem er das Video unzählige Male angeschaft hat – das auf dem Hof verwendete Bolzenschußgerät weiter  als Mordwaffe benutzt.

[8] Erinnert sei an den 45minütigen WDR-Film Knor  Ein Schweineleben oder 110 Kilo in 25 Wochen (BRD 2003/04, Machteld Detmers): Die holländische Filmemacherin erzählt das Leben eines einzelnen Tieres von seiner Geburt im Zuchtbetrieb über den Mastbetrieb bis zum Schlachthof; Jochen Busse spricht aus dem Munde des Tieres per Voice-Over. Mit dem Problem der Schweineüberproduktion befaßt sich der 45-Minüter Schweine für den Müllcontainer (BRD 2012, Edgar Verheyen). Schweine spielen in der Kritik der Massentierhaltung seit den frühen 1970ern vielfach eine zentrale Rolle. So widmete Bernhard Grzimek einen Beitrag in der 119. Ausgabe seiner Reihe Ein Platz für Tiere (am 13.11.1973) der Schweinezucht; zu erwähnen ist auch Horst Sterns Film Bemerkungen über das Hausschwein aus seiner Reihe Sterns Stunde (Erstsendung 1971), der viel öffentliche Erregung provozierte (später auch als Thema eines Buches: Bemerkungen über das Tier im Handel. Bemerkungen über das Hausschwein. München: Knaur 1989).

Gegen die klare Parteilichkeit dieser Filme fällt die Sachlichkeit älterer Filme über Schweinezucht und -mast deutlich auf (wie etwa in der 44minütigen deutschen Produktion Die Schweinezucht, 1935/1936, in dem 15minütigen DEFA-Lehrfilm Großgruppenhaltung in der Schweinemast, DDR 1963, Ulrich Kluck, oder in dem US-amerikanischen Kurzfilm Suckling Pigs [aka: Hot Meals at All Hours], 1899, über eine Sau und ihre zwölf Ferkel). Hingewiesen sei auch auf den 45minütigen WDR-Dokumentarfilm Arme Sau  Das Geschäft mit dem Erbgut (BRD 2006, Christian Jentzsch) über den Versuch der amerikanischen Firma Monsanto, Teile des Schweineerbgutes für sich patentieren zu lassen.

[9] Die fingierten Fälle korrespondieren durchaus realen Konflikten mit industriell aufgezogenen Schweinezucht-Betrieben; erinnert sei an die Machenschaften des holländischen Tiermast-Industriellen Adrianus Straathof (genannt „Schweinekönig“), der in Ostdeutschland das weltweit größte Netz von Mastbetrieben aufbaut, ohne sich um behördliche Vorschriften oder Abstimmung mit den Nachbarn zu kümmern. Vgl. dazu den Beitrag Es stinkt zum Himmel – Schweinezüchter auf Expansionskurs im MDR-Magazin Exakt (Regie: Thomas Kasper, Sendung: 14.11.2012). Vgl. dazu auch Deggerich, Markus: „Die Spur der Schweine“ (in: Der Spiegel, 3, 16.1.2012).

Gerade in der Tatort-Reihe ist mehrfach über die Nahrungsmittelindustrie als kriminogenes Milieu gehandelt worden. Man denke an Tödliche Häppchen (BRD 2012, Josh Broecker) spielt in einem Schlachthof mit angeschlossener Großküche; es geht um verdorbenes Fleisch. Falsch verpackt (Österreich 2011, Sabine Derflinger) spielt in der Geflügel-Industrie und erzählt von der Umdeklarierung minderwertiger Lebensmittel zu hochwertiger Biokost. Schweinegeld (BRD 2009, Bodo Fürneisen) basiert auf der jahrelangen, mit EU-Geldern subventionierten Verschiebung verdorbenen Fleisches zwischen der Urkraine und Berlin. Es fällt auf, dass die Filme in der Zeit nach der Jahrtausendwende deutlich häufiger werden, was durchaus ein Indiz für das wachsende öffentliche Bewusstsein über die ökologischen Problematiken der Nahrungsmittelindustrie ist. Schon in den 1990ern führte die Tatort-Folge Tödliche Freundschaft (1995, Hermann Zschoche) auf eine Schweinefabrik zurück – man hatte genmanipulierte Schweine gezüchtet und deren Fleisch in einem Altersheim ausprobiert; der der Mörder fällt am Ende übrigens in einen Tank voller Schweinegülle.

[10] Der Film ist unter zahlreichen Filmen in mehr oder weniger gekürzten Fassungen gelaufen; nachweisbar waren: Pigs / Horror Farm / Lynn Hart / The Strange Love Exorcist / The Strange Exorcism of Lynn Hart.

[11] Ein weiteres Beispiel entstammt der US-amerikanischen Serie Deadwood (2004-06), in der der Chinese Mr. Wu eine Schweinezucht betreibt; seine Schweine gelten als Delikatesse, ihr Geschmack kommt dem von Kobe-Rindern nahe – bis sich herausstellt: weil er die Tiere mit Störenfrieden, Landstreichern und anderen füttert, die er in der Nähe seines Gasthauses finden und umbringen kann.

Zu erwähnen ist auch die zweite Episode von Pier Paolo Pasolinis satirischer Polit-Groteske Porcile (Der Schweinestall, Italien 1969), die 1967 in der BRD spielt; ihr Held ist der Sohn eines Industriellen, der Beziehungen zu Schweinen solchen zu seiner politisch aufgeklärten Freundin vorzieht; er wird schließlich von den Schweinen aufgefressen; der Vater vertuscht die Umstände des Todes des Jungen – in der Art, wie mit derartigen Vorfällen im Dritten Reich umgegangen wurde, in dessen Verbrechen er verstrickt war. Zu Pasolinis Film vgl. Brisolin, Viola: „Martyrdom Postponed: The Subject between Law and Transgression and Beyond. Reading Pasolini’s Porcile with Lacan“ (in: Italian Studies 65,1, March 2010, S. 107122) sowie Frey, Mattias: “ReConnecting the Body ‚in‘ to the Body ‚of‘ Pasolini with Porcile (in: Film and Sexual Politics: A Critical Reader. Ed. by Kylo-Patrick R. Hart. Newcastle: Cambridge Scholars Press 2006, S. 128134).

[12] Auch hier sind mehrere Titelvarianten nachweisbar: Squeal  A Twisted Tail of Horror / dt.: Pigs / dt.: Pigs – Slaughter Farm / dt.: Squeal  Die SchweinekillerMutanten.

[13] Mutantenwesen finden sich auch im Anime-Film. Ein Beispiel ist Kurenai no Buta (Porco Rosso, Japan 1992, Hayao Miyazaki), dessen Titelheld ein Mann mit dem Kopf eines Schweines ist; vgl. dazu Moist, Kevin M. / Bartholow, Michael: „When Pigs Fly. Anime, Auteurism, and Miyazaki’s Porco Rosso“ (in: Animation 2,1, March 2007, S. 2742), der den Film in seinen kulturellen wie ästhetischen Kontext setzt.

[14] Man denke nicht nur an das Grimmsche Märchen vom tapferen Schneiderlein, das durch einen schlauen Trick den wilden Eber fing, vor dem sich sogar die Jäger fürchteten (verfilmt: DDR 1956, Helmut Spieß; als Puppenfilm DDR 1964, Kurt Weiler), sondern auch an die antiken Geschichten über Herakles, der den Erymanthischen Eber fangen mußte, oder an das Nibelungenlied, in dem Hagen einen gefährlichen Keiler erlegte. Und auch die Edda kommt in den Sinn, deren Helden täglich den Keiler Sährimnir jagen, der am nächsten Morgen aufersteht und erneut gejagt werden kann und muss.

[15] Eines der wenigen Beispiele ist der TV-Film Tierisch verknallt (BRD 2012, Christian Theede), in dem ein Hund und ein Schwein etwa 25 Minuten lang als Protagonisten agieren; sie wurden als Animationen in den Realfilm eingefügt, aber schon real sprechanimiert.

[16] Das höchst erfolgreiche und immer noch greifbare Buch (geschätzte Auflage: 45 Millionen Exemplare, 23 Übersetzungen) ist bereits 1973 einmal adaptiert worden – in dem Animationsfilm Charlotte’s Web (Zuckermann’s Farm  Wilbur im Glück, USA 1973, Charles A. Nichols, Iwao Takamoto); dazu entstand das animierte Direct-to-Video-Sequel Charlotte’s Web 2: Wilbur’s Great Adventure (USA 2003, Mario Piluso), in dem Wilbur Freundschaft mit einem Schaf schließt und dieses mit den drei Spinnen-Töchtern von Charlotte bekanntmacht; am Ende muss das Schaf, das auf eine andere Farm verkauft wurde, von Schwein und Spinenn gefunden und gerettet werden.

[17] Zur Figur der Miss Piggy vgl. Fisher, Maryanne / Cox, Anthony: „The Uniquely Strong but Feminine Miss Piggy“ (in: Kermit Culture. Critical Perspectives on Jim Henson’s Muppets. Ed. by Jennifer C. Garlen. Jefferson, N.C.: McFarland 2009, S. 181-201) sowie Wasem, Erich: „Miss Piggy und ihr Part auf neoaufklärerischer Bühne“ (in: Medien zwischen Kultur und Kult. Zur Bedeutung der Medien in Kultur und Bildung. Zum 65. Geburtstag von Heribert Heinrichs hrsg. von Rudolf W. Keck u. Walter Thissen. Bad Heilbrunn, Obb.: Klinkhardt 1987, S. 138149). Vgl. auch die parodistische Weiterentwicklung Muppets from Space (Schweine im Weltall, USA 1999, Tim Hill), eine Star-Trek.Verulkung, in der eine Schweinecrew (bestehend aus Captain Link Ringelschwanz, Miss Piggy und dem Wissenschaftsoffizier Dr. Julius Speckschwarte) mit ihrem Raumschiff USS Swinetrek ins All fliegen, um Gonzo zu retten; der Film wurde nach diversen Episoden in der Muppets-Show (seit der 2. Staffel, 1977) konzipiert.

Man könnte eine große Anzahl weiterer und vor allem neuerer Figuren aus Animationsfilmen und TV-Serien auflisten – etwa Hampton J. Pig aus den Tiny Toon Adventures (1990-92), Pumbaa, das Warzenschwein aus dem DisneyFilm The Lion King (König der Löwen, 1994, Roger Allers, Rob Minkoff) und eine der beiden Hauptfiguren aus der Zeichentrickserie Timon and Pumbaa (Abenteuer mit Timon und Pumbaa, 1995-98), Specky, das Sparschwein, aus den der Computeranimation Toy Story (USA 1995, John Lasseter) und ihren Sequels, Fluffy, das Hausschwein von Eric Cartmann aus der US-Serie South Park (1997ff). Auf eine detaillierte Auflistung der verschiedenen Serien und Filme muss ich hier verzichten, zumal die japanische Anime-Tradition – der viele der Beispiele entstammen – nochmals eigene Charakter- und Bildvorstellungen von Schweinen entwickelt hat, die eigene Aufmerksamkeit verdient.

[18] Wenn die Kontrolle durch den Menschen aufgehoben ist und sich eine neue Ordnung des Zusammenlebens der Tiere erst herausbilden muss, müssen Machtkämpfe folgen und es entsteht im schlimmsten Fall Chaos. Der aus Fiktion und Dokumentation gemischte Dokumentarfilm La vie sauvage des animaux domestiques (Die wilde Farm, Frankreich 2009, Dominique Garing, Frédéric Goupil) erzählt von einem Gehöft in Frankreich, das der alte Bauer, der ins Krankenhaus muss, unbeaufsichtigt zurücklässt; die Schweine durchbrechen ihr Gatter und holen ihr Futter bei den Hühnern, der Kater macht sich erst an den Goldfisch, dann an die Hühner heran, der Fuchs entdeckt die Gänse, die Schweine treffen im Wald auf Wildschweine – Chaos bricht aus; erst als die Kinder des Bauern dazukommen, kehrt wieder Ruhe ein. Der Film erzählt von einer Zeit der Aufhebung aller Ordnungen, von einer anarchischen Phase eines ebenso turbulenten wie komischen Dazwischen; die konservative und revolutionsskeptische Botschaft, die der Film auch illustriert, sagt aber, dass die Tiere unter den Bedingungen des Zusammenlebens auf einer Farm neue und eigene Ordnungen nicht finden können.

[19] Vgl. dazu Sweeney, Ellen E.: „Mrs Nugent‘s Little Piggy Went to Town. Abjected Identities and the Traumatic Return in Neil Jordan’s The Butcher Boy“ (in: Cultural Dynamics 15,3, Nov. 2003, S. 267286); Sweeney, Ellen E.: „Pigs! Polluting bodies and knowledge in Neil Jordan’s The Butcher Boy“ (in: National cinema and beyond. Ed. by Kevin Rockett & John Hill. Dublin: Four Courts 2004, pp. 7788 [Studies in Irish Film. 1.]); Eldred, Laura G.: „Francie Pig vs. the Fat Green Blob from Outer Space: Horror Films and The Butcher Boy“ (in: New Hibernia Review 10,3, Autumn 2006, S. 5367); zum weiteren Kontext vgl. Cullingford, Elizabeth: „Virgins and Mothers: Sinead O’Connor, Neil Jordan, and The Butcher Boy“ (in: The Yale Journal of Criticism 15,1, Spring 2002, S. 185-210). Zum Roman vgl. Potts, Donna: „From Tír na nÓg to Tír na Muck: Patrick McCabe’s The Butcher Boy“ (in: New Hibernia Review / Iris Éireannach Nua 3,3, Autumn 1999, S. 8395).

 

Hans Jürgen Wulff ist Professor für Medienwissenschaft an der Universität Kiel.