Ein Blick auf deutsche Zöllner-Serien im Fernsehen
Die Vorstellung eines zusammenwachsenden Europas, eines nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch und nicht zuletzt touristisch zusammenhängenden Staatenverbundes, der nicht mehr auf Abgrenzung denn auf Kooperation gründet, hat die westeuropäischen Länder über viele Jahre begleitet. Allerdings zeigte sich schon bald, dass die nationalen Grenzen auch ein Ort waren, der zu Schmuggel, illegalen Grenzübertritten, Geldwäsche und – zunehmend über die Grenzen der unmittelbaren europäischen Anrainerstaaten hinaus – zunehmend zu Drogen- oder Waffenschmuggel einlädt. Nicht nur, dass die zunehmende Durchlässigkeit der europäischen Grenzen zu einer Entalltäglichung der Erfahrung der Zollkontrolle führt und die Transformation des Zöllners zu einer reinen Nebenrolle bewirkt. Sondern dass zudem vor dem Hintergrund der international sich vernetzenden Handelskontrollen neue Straftaten wie Subventionsbetrug oder Umgehung von Ausfuhrverboten zum klassischen Schmuggel hinzukamen. Und auch die Schmuggler waren nicht nur immer öfter Mitglieder internationaler Verbrechersyndikate (wie der Internationale des Rauschgifthandels, der Mafia usw.), sondern zunehmend auch Wirtschaftskriminelle in Leitungspositionen von Wirtschaftsunternehmen. Die Zöllner-Serien deutscher Produktion können auch als Indikatoren dieser sich wandelnden Grenzkriminalität wie auch der Bilder der Zöllner-Figur gelesen werden (wobei die aktuellen Diskussionen über das Anwachsen der Immigrationskrimninalität bislang noch kaum auch in Serienformaten thematisiert werden).
Taucht der Zöllner in der Handlung vieler neuerer Filme auf, so sucht er nach Drogen oder gefälschten Medikamenten, die verbotenerweise ins Land gebracht werden sollen, man vermutet illegale Waffen in Containern oder verdurstende Menschengruppen in Möbelwagen. Oder er agiert gleich in der Rolle der Grenzpolizei, die am illegalen Übertritt hindern soll (wie in den zahlreichen Filmen, die an der mexikanisch-amerikanischen Grenze spielen) und dabei manchmal ohne Zögern von den Waffen Gebrauch machen (wie in manchen Filmen, die an den Außengrenzen des vergangenen Ostblocks spielen). Deutlich sind die Ziele und Absichten derjenigen greifbar, die versuchen, nationale Grenzen illegalerweise unkontrolliert zu überschreiten – internationale Drogen- und Medikamentenschmuggelkartelle, Waffenschieber, Menschenschmuggler. Gobalisierung hat auch die Vorstellungswelten der Zollkriminalität erreicht, weshalb sogar Sonderkommissionen eingerichtet werden (wie in der ZDF-Serie Eurogang, 1975, in der es u.a. um Kunst- und Diamantenschmuggel geht). Der „kleine Schmuggler“, der versucht, billige Zigaretten, Kaffee, Alkoholika oder Delikatessen unversteuert über die Grenze zu bringen, ist höchstens noch eine Nebenfigur [1].
Das Tagesgeschäft, Waren unter Umgehung der Zollabgaben von einem ins andere Land zu bringen, bleibt in den Kino- und TV-Filmen der letzten Jahrzehnte also meist außer Acht. Es mag die Biederkeit der Waren sein, die geschmuggelt werden, die sie als Gegenstände der Dramatisierung uninteressant macht. Umso überraschender ist die erste nachweisbare Vorabendserie, deren Helden Zollbeamte sind, weil es nicht immer so war: Es geschah an der Grenze ist eine zwölf Episoden umfassende Vorabendserie, die die ARD 1960 als erste Zoll-Serie produzierte. Sie basiert auf tatsächlichen Vorfällen – für die Drehbücher hatte die Oberzolldirektion Freiburg Einsicht in ihre Akten gewährt; in der Rahmenhandlung fragt ein SWF-Reporter einen Zollbeamten, der wiederum den Erzähler des alten Falls abgibt. Alle Folgen spielen nahe dem Bodensee. Meist geht es um Gelegenheits-, nur selten um professionelle Schmuggler, die Genussmittel wie Kaffee, Schokolade, Alkohol oder Zigaretten von der Schweiz in die BRD schaffen. Am Ende jeder Folge wird die Strafe benannt, mit der die Missetat belegt worden ist.
So unspektakulär die Beamten in Es geschah an der Grenze auch sind, so sehr die beiden Grenzpolizisten aus der zwischen Berg- und Heimatfilmmilieu angesiedelten ARD-Reihe Alarm in den Bergen (1963) sich gelegentlich mit Schmugglern herumschlagen müssen, so sehr wird zehn Jahre später in der Tatort-Reihe mit der Figur des Zolloberinstektors Kressin der Zollermittler nach dem Muster der James-Bond-Figur ein ganz anderer Typus entworfen, der eher an den Agenten als an den Beamten gemahnt. Fast unbegrenzte Mobilität (oft mit Sportwagen), auf Genuss aus, eine unersättliche Affinität zu hübschen Mädchen, unkonventionelle Kleidung und Ermittlungsmethoden, abwesende Teamfähigkeit (also: Einzelgänger) – dass diese von Sieghard Rupp verkörperte Type über insgesamt sieben Folgen hinweg (zuzüglich dreier Gastauftritte) von 1971-73 seinem Hauptwidersacher, dem kriminellen Bandenchef Sievers (Ivan Desny), auf der Spur ist, ohne ihn jemals zu überführen oder seiner habbar zu werden: Auch dies erinnert an die dramatischen Strukturen der Bond-Filme.
Es mag kurios anmuten, dass kurz vorher in der DDR der 25-minütige Polizeikrimi Kupferdraht im Eichensarg (aus der Serie Drei von der K., 1969, Staffel 1, Episode 5) über den Schmuggel von Kupferdraht und -schrott nach West-Berlin entstanden war, explizit als Gegenentwurf gegen die Popularität der zeitgenössischen BRD-Krimiproduktionen ausgewiesen. Kurz danach entstanden zwölf 25min-Folgen der Reihe Zollfahndung (1970-71), die von der Arbeit dreier Beamten des ostdeutschen Zolls an der innerdeutschen Grenze erzählten. Meist geht es um Fälle von Grenzschmuggel oder Fluchthilfe. In aller Regel waren die Täter Bürger der BRD. Es ging aber nicht nur um Zollverbrechen, die vom Westen aus geplant und gelenkt wurden, sondern auch um die Sicherheit der DDR-Grenzen. Die Serie basiert – wie schon im Westen in Es geschah an der Grenze – auf der Zusammenarbeit der TV-Produzenten mit der DDR-Zollfahndung. Sie erreichte allerhöchste Popularität mit Einschaltquoten von bis zu 60 %. An den Erfolg von Zollfahndung (die Produktion wurde aus unbekannten Gründen eingestellt) anknüpfen sollte die deutsche Fassung der italienischen 45min-Serie Nucleo centrale investigativo (1974), die vom DDR-Fernsehen 1977 unter dem Titel Zentrale Zollfahndung (allerdings nur fünf von sechs realisierten Folgen) ausgestrahlt wurde. Der Erfolg von Zollfahndung konnte aber nicht wiederholt werden, weil die beiden Beamten, deren Arbeit es war, Schmugglern, die Drogen, Schmuck oder Waffen illegal über die italienische Grenze bringen, das Handwerk zu legen, nie die Nähe zur Realität der Zöllnerarbeit der älteren Serien erreichten – zu sehr nutzte die Serie die Inszenierungs- und Erzählstrategien der italienischen Billigkrimis und -actionfilme der 1970er [2].
Insbesondere der Grenzzoll fußt auf dem Gegenüber zweier Zollstationen, die möglicherweise in Sichtweite voneinander sind, vielleicht sogar im gleichen Ort lokalisiert. Die (auch kulturpolitisch zu denkende) Option, aus diesem nationalen Gegenüber ein Produktionsdoppel zu formen, nutzte erst die deutsch-französische Reihe Achtung: Zoll (1979-81), deren insgesamt 48 Folgen in Blöcke von jeweils vier bis fünf Folgen aufgeteilt waren, die von verschiedenen Sendeanstalten mit wechselnden Teams produziert wurden. Die Folgen waren 25min lang, nur die letzten sechs (die unter französischer Leitung entstanden und einen eigenen Serientitel Opération Trafics trugen) waren 45minütig. Hier ging es um wechselnde Themen (oft um Kleinschmuggel, aber auch um das Verbringen von Gold in die Schweiz oder der Handel mit steuerfreien Waren der in der BRD stationierten US-Truppen). Auffallend ist der Block der vom Südwestfunk produzierten Folgen, die an der deutsch-französischen Grenze spielen und vor allem die Nebengeschichte der Liebe eines deutschen Zollbeamten zur Tochter seines französischen Gegenübers und dessen Vorbehalte gegen „die Deutschen“ erzählt – Geschichten, die in kleinbürgerlichem Milieu spielen und die sogar das so traditionelle Misstrauen der einen gegen die anderen thematisieren. (Ein Spielfilm wie Rien à déclarer / Nichts zu verzollen, Frankreich 2010, Dany Boon, variiert das Thema viele Jahre später an der französisch-belgischen Grenze.)
Basierten alle diese Serien noch auf dem Prinzip der nationalen Märkte, nutzte erst die NDR-Produktion Schwarz – Rot – Gold, die ab 1982 erstausgestrahlt wurde, Themen des internationalen Handels, der Wirtschaftsabkommen der Europäischen Gemeinschaft, der nationalen Subventionierung von Waren als dramatisches Sujet. Die Serie wurde von Dieter Meichsner konzipiert, von ihm stammten auch die Drehbücher. Bis 1996 entstanden achtzehn 90min-Folgen. Im Zentrum stand immer die Zollfahnder-Crew um den Zollamtmann (später Zollamtsrat) Zaluskowski, genannt „Zalu“ (gespielt von Uwe Friedrichsen), der im Zollfahndungsamt Hamburg arbeitet. Jeder des Teams ist rechtlich bewandert, und es gehört zur Dramaturgie der Serie, dass die Rechtsverhältnisse eigens thematisiert werden, sodass gewissermaßen immer auch Aufklärung über spezifische internationale Vertragswerke oder innerdeutsche Maßnahmen zum Schutz des Binnenmarktes betrieben wird. Subventions- und Steuerbetrug werden ebenso zum Thema wie das traditionelle Motiv des Schmuggelns (manchmal in Kombination mit Handelsverboten, denen etwa Waffen unterliegen). Wie nahe die Serie an der Realität des internationalen Handels orientiert war, illustriert die fünfte Folge Um Knopf und Kragen (1984), gegen die die Firma Georg Haupt Bekleidungswerke GmbH in Lippstadt eine einstweilige Verfügung erwirkt hatte, die eine Wiederholung (und später auch die Aufnahme in eine DVD-Box) der Folge untersagte. Grund: Meichsner hatte einer Firma, die unter Umgehung des Welttextilhandelsabkommens mit über die DDR in die BRD verbrachten Hemden handelte, den Namen „Haupt“ gegeben (die Verfügung ist heute aufgehoben).
Schwarz – Rot – Gold war Höhepunkt der Dramatisierung der Arbeit der Zollbehörden – und gleichzeitig ihr Endpunkt. Heutige Serien sind von anderer Art, haben vor allem den aufklärerischen Impetus, den noch Schwarz – Rot – Gold gehabt hatte, aufgegeben: Es sind geskriptete Realitydramen wie die RTL2-Serie Die Zollfahnder – Hart an der Grenze (2011, 8 Folgen) über klassische Grenzkontrollen, das Festsetzen von Waffenschmugglern oder Menschenhändlern u.a.m., die Vox-Reihe Zoll im Einsatz (2008-10, 12 Folgen) vor allem über die Arbeit von Zöllnern auf Flughäfen und Autobahnen, in Zügen, aber auch auf Baustellen bei der Suche nach Schwarzarbeit, die Sat1-Dokumentarreihe Seuchen im Gepäck – Die Veterinäre vom Zoll (2009) über die Kontrollen von Zoll-Veterinären („tierärztliche Grenzkontrollstelle“) auf dem Frankfurter Flughafen oder die Kabel1-Serie Achtung Kontrolle! (2008-12), die z.T. Zollkontrollen behandelt. Auch ausländische Produktionen folgen dem neuen Format: Ein Beispiel ist die australische Dokumentar-Produktion Border Security: Australia’s Front Line (2004ff, bislang 217 Folgen), die unter dem Titel Achtung, Zoll! Willkommen in Australien auch im deutschen Privatfernsehen ausgewertet wurde (2011) – hier geht es um die ganze Breite der alltäglichen Verstöße gegen Zollbestimmungen, Verstöße gegen Quarantänebestimmungen, Schmuggel von Bargeld und Drogen oder auch illegale Einreiseversuche. Von ähnlichem Zuschnitt ist die kanadische Produktion Border Security: America’s Front Line (Border Patrol Canada – Einsatz an der Grenze, 2012-16, gelaufen auf Pro7) über die Arbeit von Zöllnern an der kanadisch-amerikanischen Grenze.
Der korrupte Zollbeamte betritt erst spät die Bühne der dramatischen Rollen. In dem Tatort-Krimi Schmuggler (BRD 2012, Jürgen Bretzinger) bedarf es des Mordes an einem überaus korrekten Zollbeamten, dass die Ermittler der Korruption von Zöllnern an der deutsch-schweizerischen Grenze auf die Spur kommen.
In über fünfzig Jahren deutscher Serienproduktion ist der Zollbeamte als dramatische Figur immer mehr in den Hintergrund geraten. Zugleich mit dem Zusammenwachsen der europäischen Länder, müsste man hinzufügen: Je mehr die Zollkontrolle aus dem Alltagsleben des Grenzübertritts verschwindet, je mehr sich der Zollbeamte aus dem Handlungskreis nachbarschaftlicher und dörflicher Nähe entfernt und zu einer Funktionsfigur an den großen Grenzstationen wird (darin dem Bahn- und Flughafenpersonal ähnlich), desto mehr verlagern sich die Zollvergehen in eine Sphäre des Kriminellen, die sich gegen die Dramatisierung in Serienform sperrt. Die Zollbeamten verschwinden deshalb nicht vom Bildschirm, aber sie werden zur Personnage von Dokumentationen, Alltagsbeobachtungen, Dokutainment-Formaten [3].
Heute übernehmen Polizeikommissare sogar am Bodensee die Aufgaben der Zöllner, die etwa in der Tatort-Folge Schmuggler (2012) Rauschgift- und Geldschmugglern auf die Spur kommen; die Kommissariate der Schweiz und der BRD kooperieren oder bilden sogar gemeinsame Einsatzgruppen, Zöllner sind nur noch in Nebenrollen (in Schmuggler als korrupte Beamte) präsent. Zollvergehen – gleichgültig, ob es um Rauschgift-Schmuggel, um Müll-Tourismus oder um Menschenhandel geht – sind ebenso internationalisiert worden wie die Ordnungskräfte. Auch Subventions- und Steuerbetrügereien sind aus dem Blick geraten und spielen höchstens noch am Rande der Krimiwirklichkeiten eine Rolle, sind auch dann nur als innernationale Straftaten von Interesse, wenn sie überhaupt erwähnt werden (wie etwa in wenigen Fällen der Reihe Wilsberg, 1995ff, in der ein Steuerprüfer ein enger Freund der Titelfigur ist – ein Finanzbeamter, kein Zöllner!).
TV-Serien nehmen Themen der Realität auf, reflektieren und dramatisieren sie. Ändern sich die äußeren Verhältnisse, verlieren auch einst wichtige Funktionsrollen ihre Bedeutung. Die Geschichte der Zöllner-Serien lässt sich so auch lesen als Indikator der Veränderungen des innereuropäischen Personal- und Warenverkehrs in den letzten Jahrzehnten (einschließlich der Entkriminalisierung des „Schmuggels der kleinen Leute“, sei es von Kaffee, Butter oder Zigaretten). So marginal der Blick auf die Zöllner-Serien auf den ersten Blick auch erscheinen mag: Er öffnet auch einen Blick auf die kognitive, juristische und politische „Realität Europa“.
Chronologische Seriographie der im deutschen Fernsehen ausgestrahlten Zoll-Serien (Stand: 2022)
Es geschah an der Grenze (BRD 1960) /// 12 Folgen, jew. 25min
Alarm in den Bergen (BRD 1963) /// 13 Folgen à 25min
Zollfahndung (DDR 1970-71) /// 12 Folgen + Pilotfolge, jew. 25min
Tatort: Kressin (BRD 1971-73) /// 7 Folgen, jew. 90min
Nucleo centrale investigativo / Zentrale Zollfahndung (Italien 1974) /// 6 Folgen (5 davon in der DDR ausgestrahlt), jew. 45 min
Eurogang (BRD 1975) /// 6 Folgen à 60min
Achtung: Zoll (BRD/FRankreich 1979-81) /// 48 Folgen, davon 42 à 25min, Folgen 43‑48, französische Produktion (OT: Opération Trafics) à 45min
Schwarz – Rot – Gold (BRD 1982-96) /// 18 Folgen, jew. 90 min
Die Gang (BRD 1997ff) /// 13 Folgen, à 60min
Border Security: Australia’s Front Line [Achtung, Zoll! Willkommen in Australien] (Australien 2004ff) /// 217 Folgen, jew. 25min
Achtung Kontrolle! (BRD 2008-12) /// 1052 Folgen, jew. 40-75min
Zoll im Einsatz (BRD 2008-10) /// 12 Folgen (Pilot + 11 Folgen), Dokusoap.
Seuchen im Gepäck – Die Veterinäre vom Zoll (BRD 2009) /// 3 bzw. 6 Teile
Die Zollfahnder – Hart an der Grenze (BRD 2011) /// 8 Folgen à 45min
Border Security: America’s Front Line [Border Patrol Canada – Einsatz an der Grenze] (Kanada 2012-16) /// 93 Folgen, jew. 30Min
Border Control ‑ Spaniens Grenzschützer [span.: Control De Fronteras: España] (BRD/Spanien 2017-20) /// 135 Folgen in 7 Staffeln; dokumentarische Reihe [4]
100% Berlin (BRD 2022ff /// Dokutainment, ausgestrahlt in Doppelfolgen à 45min, 8 Folgen
Anmerkungen
[1] Der vorliegende Bericht basiert auf den explizit im Zoll-Milieu angesiedelten TV-Serien BRD- und DDR-deutscher Herkunft (und z.T. auch deutscher Verwertung). Filme aus anderen Serien (v.a. Kriminalserien wie Tatort oder Polizeiruf 110) werden nur gelegentlich erwähnt, wenn sie ein Zoll-Thema behandeln. Auch Spielfilme wie Sündige Grenze (BRD 1951, Robert Stemmle) über Schwarzmarktschmuggel an der deutsch-belgisch-holländischen Grenze, Ware für Katalonien (DDR 1958, Richard Groschopp) über den Schmuggel von optischen Geräten aus der DDR nach Spanien oder die Ohnsorg-Theaterverfilmung Schmuggelbrüder (BRD 1970, Günther Siegmund) über die Scherze, die zwischen einer Schmuggler-Kneipe und dem Zollamt direkt gegenüber ausgetauscht werden, bleiben unerwähnt. Ausgespart blieben auch die meisten Filme, die an der Ost-West-Grenze spielen, weil hier nicht Zöllner, sondern Grenzsoldaten bzw. -polizisten zum Einsatz kamen. Ein neueres Beispiel ist der Tatort-Film Grenzfall (Österreich 2015, Rupert Henning) über einen Mord an der tschechisch-österreichischen Grenze aus dem Jahre 1960.
[2] Der Zoll spielt in der Vorstellungswelt der „Nation“ und der „nationalen Sicherheit“ geradezu eine Schlüsselfunktion: als Kontrolle und Überwachung des internationalen Warenverkehrs sowie der Mobilität kriminogener Akteure, als Teil der nationalen Steuer- und Abgabenhoheit, als Beschützer heimischer Märkte und als Wächter für die Einhaltung von Patentrechten und Markenprodukten. Viele der Aufgaben des Zolls treten in Produktionen seit den 1970ern zurück, werden den Erzählmotiven des Krimis beigeordnet. Manchmal rücken die Gattungen in unmittelbare Nähe (wie in der 45-Minüter-Serie WaPo Bodensee, 2017ff, in der die Wasserschutzpolizei neben ordnungsamtlichen Aufgaben gleich auch Zollvergehen verfolgt, zusammen mit den Schweizer Kollegen). Dass in dieser Verschiebung der dramatischen Akzente der internationale Drogenhandel zum wohl wichtigsten Such- und Fahndungsgegenstand zollaffiner Serien wird (zusammen mit den globalisierten Netzwerken der Drogenhändler, vor allem der Mafia), ist aus Sicht der Serien- bzw. Krimidramaturgie sowohl in der BRD wie der DDR nur naheliegend. Allerdings ist die Verfolgung dieser Straftaten fast immer den Polizeibehörden überantwortet, der Zoll spielt oft keine Rolle mehr.
[3] In den letzten beiden Jahrzehnten ist der Zoll ein beliebtes Sujet des deutschen Reality-TV, des Docutainment und der beobachtenden Dokumentation geworden. Meist handelt es sich um halblange Formate (45-60min); und es mag deren geringer Kostenaufwand sein, der diese Zoll-Dokus vor allem im deutschsprachigen Privatfernsehen hervorbrachte.
Eine kleine Auswahl:
— 2011 / Ein endloser Kampf – Zollbeamte auf der Jagd nach Schmugglern und Schwarzarbeitern, 105min, P: Vox.
— 2011 / Schmuggeln zwecklos! Zöllner filzen sich durch, 44min, P: ProSieben.
— 2015 / Auf Streife ‑ Die Spezialisten: Best of Zoll, 50min, P: Sat1.
— 2017 / Der Zoll – Kampf gegen den Schmuggel, 45min, P: Welt.
— 2018 / Achtung Zollfahnder – Jagd auf Schmuggler, 55min, P: NTV.
— 2018 / Deutschland, Deine Ämter ‑ Die Fahnder vom Zoll, 30min, P: ZDF.
— 2018 / Der Wasserzoll – Kontrolleinheit See im Einsatz, 50min, P: Welt.
— 2018/ Der Zoll – Im Visier: Schmuggler, Dealer, Waffenschieber, 50min, P: Welt.
— 2018 / Zugriff Spezialeinheit – Der Zoll auf Verbrecherjagd, 55 min, P: NTV.
— 2018 / Zugriff ‑ Das Zoll Spezialkommando, 30min, P: SWR/ARD.
— 2021 / Der Zoll – Auf Schmugglerjagd, 55min, P: Bild-TV.
— 2022 / Kokain für Deutschland – Koksen, Dealen, Schmuggeln, 45min, P: ZDF-Info.
— 2023 / Bundespolizeit im Einsatz: Grenzschutz hautnah, 50 min, P: NTV.
— 2023 / Wie geht das? Mit dem Zoll auf Streife, 29min, P: NDR.
— 2023 / Zoll im Einsatz: Drogen, Schmuggel, Schwarzarbeit, 30min, P: ZDF.
[4] Nach gleichem Muster entstanden:
— Border Control: Europas Grenzschützer (Control De Fronteras: Europa), Spanien/BRD 2020, bisher 20 Folgen in 1 Staffel, à 30 min.
— Border Control Poland (Border Control: Polens Grenzschützer), Polen 2021, 8 Folgen, 1 Staffel, à 35 min.
— Border Control Italia (Border Control: Italiens Grenzschützer), Italien 2022, 14 Folgen, 1 Staffel.
Erwähnt sei auch die in der BRD bislang nicht ausgestrahlte Serie Border Control: Sweden, Schweden 2013, 14 Folgen.