Populärkultur, »Resistance«, »kultureller Radikalismus« und »Selbst-Bildung«
von Kaspar Maase
7.6.2021

Anmerkungen zur Entwicklung eines Forschungsansatzes

1. Vorbemerkungen

Dieser Aufsatz geht der Debatte über Widerstandspotenziale populärer Kultur nach. Der erste Teil verfolgt ideengeschichtliche Konstellationen, in denen die Fragestellung entstand und bis heute steht. Dann wird vorgeschlagen, die verschiedenen Dimensionen von „resistance“ zu systematisieren. Der dritte Abschnitt geht auf die Entwicklung und Kritik des Ansatzes in den Cultural Studies ein. Das führt im vierten Teil zur Frage, welche Rolle in der Diskussion „kultureller Radikalismus“ (Winfried Fluck) gespielt hat und weiter spielt. Der fünfte Teil führt das Konzept der Selbst-Bildung ein; der sechste erörtert, wie die politische Relevanz von Populärkultur eingeschätzt wurde und wie der „resistance“-Ansatz fortentwickelt werden kann.

Den Bezugspunkt bildet „resistance“ in einem spezifischen Sinn: wie das Konzept in den britischen Cultural Studies geprägt wurde. Das setzt in dreifacher Hinsicht einen Rahmen für diesen Beitrag. Zum einen bewegen wir uns innerhalb der Interessengegensätze von „the people“ und „the power bloc“; zweitens geht es um deren kulturelle Dimension; und drittens werden kulturelle Machtausübung und oppositionelle Praktiken aus der Perspektive von „the people“ betrachtet mit der Absicht, deren Ermächtigung zu fördern.
Ebenso vielstimmig und widersprüchlich wie die Anliegen, die von „the people“ artikuliert werden, sind die Vorstellungen politischer und wissenschaftlicher Akteure davon, was denn genau „resistance“ ausmache. Dennoch ist die Erwartung verbreitet, Forschung aus der Perspektive von „the people“ müsse widerständiges Fühlen, Denken, Handeln befördern. In dieser Situation scheint es angebracht, sich dem Thema – im genannten Rahmen! – induktiv, nicht normativ, zu nähern. Deswegen beziehen sich die folgenden Überlegungen auf Texte und Quellen, in denen kulturelle Praktiken als kritisch, widerständig, oppositionell, ermächtigend – als „resistance“ – interpretiert werden. Dabei sind Selbstbeschreibungen aus dem Kontext von „the people“ und (das steht hier im Mittelpunkt) aus der Cultural Studies-Perspektive ebenso relevant wie Quellen aus der Sicht des „power bloc“, die bestimmten kulturellen Praktiken widersetzliche Qualität zuschreiben.

Welche Ausdrucks- und Verhaltensformen nämlich in einer Gesellschaft als widerständig gelten – und damit auch widerständig wirken können! –, ist in erster Linie Ergebnis wechselseitiger Wahrnehmung und Gegenstand praktischer Aushandlung. Keine kulturelle Form ist als solche, kontextunabhängig, oppositionell und fordert etablierte Machtstrukturen heraus. Im Gegenteil: Der unablässige Zyklus von rebellischem Ausbruch, erschreckter Reaktion, Kommerzialisierung und letztlich Verwandlung des zeitweilig Umstrittenen in eine von vielen ästhetischen Unterscheidungen auf dem Markt (worauf ein neuer Ausbruch in anderen Formen erfolgt) bildet in der Populärkulturforschung wie im Erinnern der Akteure geradezu das Standardmodell.

Populäre Kultur bezeichnet in diesem Aufsatz, als Arbeitsdefinition, kommerzielle Produkte und Angebote, die von Menschen aus allen sozialen und Bildungsschichten zu Unterhaltung und Vergnügung genutzt und deswegen geschätzt werden. Das bedeutet: Im Zentrum stehen Massenkünste wie Film und Musik, Computerspiel, Tanz und populäre Literatur. Populärkultur schließt – das ist essenziell – die Praktiken des Umgangs mit Angeboten und der Nutzung durch das Publikum gleichrangig ein;[1] dazu gehören ganz wesentlich Aktivitäten zur Deutung und Umdeutung der Kulturwaren. Anders: Populärkultur wird nicht von „the people“ produziert oder kontrolliert, sondern von den Kulturindustrien[2] – die Nutzer verfügen aber in dieser Konstellation über erhebliche Spielräume bei der individuellen wie kollektiven Aneignung und damit beim eigentlich kulturellen Inwertsetzen der Waren.[3]

Wie sie diese Spielräume wahrnehmen und praktisch nutzen (können), welche Lesarten sie bevorzugen und welche für sie nicht einmal vorstellbar sind, das hängt allerdings ab von sozialen Bedingungen und Subjektivitätsmodellen, die in der kapitalistischen Spätmoderne die Empfindungs-, Vorstellungs- und Handlungspotenziale von „the people“ erheblich einschränken. Deshalb steht im logischen Zentrum der Debatte um „resistance“ die Frage: Welcher Art sind die Spielräume, die sich Akteure durch eigensinnige Aneignung populärer Kultur erschließen, und welches Potenzial entsteht hier für Aktionen, die effektiv in Richtung einer „Gesellschaft der Gleichen“[4] führen?

Allerdings ist das hochdifferenzierte Feld der Populärkultur für einen einzelnen nicht mehr wirklich zu überschauen, und dasselbe gilt für die einschlägige Wissenschaft und für die (heute weltweit betriebene) kritische Populärkulturforschung. Nur mit viel Glück entkommt man der Gefahr, Eulen nach Athen zu tragen, und stets wird man einzelne Richtungen unangemessen behandeln. In dieser Situation versteht sich der vorliegende Beitrag als Input zu einer unabschließbaren Diskussion.

2. Kunst als Praxis der Freiheit und Traditionen linker Massenkulturkritik

Einen wichtigen Kontext der Debatte bildet die Idee der Autonomie der Kunst.[5] Seit dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts richtete sie sich zum einen normativ an die Kreativen; sie sollten ihr Werk von außerkünstlerischen Interessen freihalten. Zum anderen trat man so kommerziellen und institutionellen Tendenzen entgegen, das Kunstschaffen religiösen, moralischen, politischen etc. Vorgaben oder auch dem vermuteten Käufergeschmack anzupassen, gar unterzuordnen. Das war eine Reaktion auf die beschleunigte Vermarktlichung der Künste wie auf staatliche Pressionen mit antirevolutionärer Stoßrichtung.

Vielfalt und Widersprüchlichkeit der Auslegungen des Autonomieanspruchs können hier nicht entfaltet werden. Doch darf man zumindest für die bürgerliche Öffentlichkeit in Deutschland im 19. Jahrhundert die massive Präsenz, wenn nicht Dominanz eines Diskurses konstatieren, der Autonomie zur (inneren) Freiheit der Kunst erklärte und diese als Modell, wenn nicht gar „Grundlage für die politische Freiheit“[6] sah. Und wirklich ist beispielsweise Schillers These, dass die „ästhetische Stimmung des Gemüts“ – weil sie vernünftige Distanz zu den empfundenen Zwängen der unmittelbaren Alltagsrealität einschließt – „der Freiheit erst die Entstehung gibt“,[7] für unser Thema durchaus relevant. Seine zentrale Metapher vom „ästhetischen Spiel“ verweist deutlich auf die Intention, mental und praktisch Abstand zu schaffen zur Welt der bürgerlichen Zwänge.

Als nach dem Ersten Weltkrieg (und verstärkt nach den Erfolgen des italienischen und deutschen Faschismus) das Verhältnis von Arbeiterbewegung und kommerzieller Populärkultur unter Begriffen wie Massenkultur und Massenkunst[8] kritisch thematisiert wurde, war auch diese jedem Gebildeten vertraute Denktradition im Spiel. Herbert Marcuses Abrechnung mit dem „affirmativen Charakter“ des bürgerlich-humanistischen Kulturverständnisses, das „das Reich der eigentlichen Werte und Selbst-Zwecke der gesellschaftlichen Nutz- und Mittel-Welt entgegenhält“,[9] trägt doch dessen anhaltender Faszination Rechnung. In Walter Benjamins Modell der „zerstreuten“ Rezeption von medial vermittelter Massenkultur, die die Unterwerfung unter die Aura von Originalen überwinde,[10] hört man das Echo von Schillers „Spieltrieb“. Und auch Adornos verzweifelte Hoffnung, Kunst könne durch Negation eine nicht verdinglichende Kritik am Leiden im Monopolkapitalismus gelingen, baut auf der Autonomie-Idee auf. Kunst werde „zum Gesellschaftlichen durch ihre Gegenposition zur Gesellschaft, und jene Position bezieht sie erst als autonome. Indem sie sich als Eigenes in sich kristallisiert, anstatt bestehenden gesellschaftlichen Normen zu willfahren und als ‚gesellschaftlich nützlich‘ sich zu qualifizieren, kritisiert sie die Gesellschaft, durch ihr bloßes Dasein“.[11]

Zugleich standen die Anfänge des Nachdenkens über Populärkultur und „resistance“ in der Zwischenkriegszeit noch in der massenkulturkritischen Tradition der westeuropäischen Arbeiterbewegungen. Darin verbanden sich zwei Perspektiven. Zum einen nahm man die kommerzielle wie die vom religiösen und politischen Establishment verbreitete Populärkultur gleichermaßen als ideologische Waffe gegen die Entwicklung proletarischen Klassenbewusstseins wahr. Zum anderen interpretierte man diese Massenprodukte als Teil der Mechanismen kultureller Ungleichheit, die das Volk von den Schätzen der wahren, großen Kultur fernhielten. Dem lagen, insbesondere im deutschen Sprachraum, ästhetische Maßstäbe zugrunde, die sich am klassischen Kunst-Kanon orientierten. Von dieser Position aus war es schlicht undenkbar, dass Groschenhefte, Unterhaltungskino oder Schlagermusik ernsthafte ästhetische Qualitäten haben oder gar wie Kunst ihren NutzerInnen Möglichkeiten zu distanzierender Betrachtung und freiem Spiel der Vorstellungskraft eröffnen könnten.[12]

Vor diesem Hintergrund eröffnete Walter Benjamins Sicht auf „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ einen umwälzenden neuen Denkansatz. Er manifestierte sich in der positiven, zumindest offenen Sicht auf den Film als paradigmatische Populärkunst der Gegenwart und auf dessen als ausgesprochen souverän betrachtetes Massenpublikum. Hier wurde erstmals „resistance“ als eigensinnige Aktivität von Nutzern aus der Arbeiterklasse denkbar. Allerdings entschied Benjamin sich angesichts des faschistischen Vormarschs für die eher konventionelle, auf ideologische Botschaften und ihre intellektuellen Produzenten zielende Losung einer „Politisierung der Kunst“.[13]

Dies war dann auch die Linie, der nach dem Zweiten Weltkrieg, im Kontext der Propagandaschlachten des Kalten Krieges, sozialistische und radikale Intellektuelle folgten. Ihr Widerstand gegen kommerzielle Massenkultur vereinte die beiden traditionellen Motive, den politischen Kampf gegen für gefährlich gehaltene Botschaften und die kulturelle Abwehr von geschmackszerstörender „Un“- oder „Antikunst“. Hinzu kamen in Europa „national“ argumentierende Kampagnen gegen „amerikanische Unkultur“, die quer durch alle politischen Lager Gegner von Popmusik, Jazz und Hollywoodfilmen in einem rassistisch unterfütterten konservativen Antiamerikanismus vereinten.[14] Auf der Linken wurde in den 1960ern aus der „amerikanischen“ dann „imperialistische Massenkultur“.

Gleichzeitig begann allerdings ein Wandel, der in Westdeutschland eng mit den Protestbewegungen dieser Jahre verbunden war und den Blick auf kommerzielle Populärkultur dauerhaft veränderte. Bereits der Rock’n’Roll und zeitkritische Hollywoodfilme hatten seit der Mitte der 1950er intensive Resonanz in zunächst kleinen Gruppen von OberschülerInnen und StudentInnen aus bürgerlichen Familien gefunden. In den 1960ern begannen Studierende literatur- und kunstwissenschaftlicher Fächer, sich kritisch mit bürgerlichem Kulturverständnis auseinanderzusetzen; das war hochpolitisch, weil es den Anspruch auf gesellschaftliche Überlegenheit und Führung unterminierte, den das Bürgertum aus der Verfügung über eine um Hochkulturtraditionen zentrierte Bildung ableitete.

Die jungen Intellektuellen wandten sich nicht nur als Nutzer, Fans und Aficionados, sondern auch analytisch Genres der Populärkultur zu, deren Publikum bisher im wesentlichen unterbürgerlichen Schichten zugeordnet wurde. Durchaus mit dem Interesse, den eigenen, aus herkömmlicher Sicht illegitimen Geschmack zu nobilitieren, suchten sie in Filmen, Kriminalromanen oder Rockmusik nach Elementen von Auflehnung, Subversion, Widerstand. Neben der kritischen Forschung zur Populärkultur (in der Bundesrepublik nun oft unter dem Etikett „Trivialkultur“) etablierte sich in den 1960ern eine Linie, die entsprechendes Material auf seine politische wie ästhetische Progressivität hin untersuchte, zunehmend unter dem positiven Label „Pop(kultur)“.[15]

3. Kunst und Widerstand: Systematisches

Damit ist der historische Überblick an dem Punkt, wo die britischen Cultural Studies und ihr Konzept von „resistance“ auch in Westdeutschland rezipiert wurden. Man kann vier wesentliche Argumentationslinien unterscheiden, wie populäre Kunst und Praktiken ihrer Nutzer sich zu widerständigen Impulsen verbinden. Aus der deutschen Perspektive und aus Gründen der Systematik (bekanntlich ein Lieblingsmodus deutscher Autoren) nehme ich einen Aspekt hinzu, der in den Cultural Studies nach meiner Kenntnis allenfalls am Rande behandelt wurde: der fiktionale Charakter von Kunst und die Potenziale ästhetischer Erfahrung und Imagination, die damit eröffnet werden. Selbstverständlich schließen die verschiedenen Dimensionen einander nicht aus; vielmehr verbinden und überschneiden sie sich vielfältig.

A) Distanzierung mittels Fiktionalität
Die ästhetische Debatte hat im Kontext der Kunst-Autonomie seit dem 19. Jahrhundert immer wieder die Frage aufgeworfen, ob und wie die fiktionale Struktur von Kunstwerken eine grundlegende Distanz erzeuge gegenüber dem, was alltagssprachlich „Wirklichkeit“ oder „Leben“ heißt. Zwar wurde das meist auf die Position der KünstlerInnen bezogen; doch ist in unserem Zusammenhang zu fragen, ob die ästhetische Erfahrung der Nutzer Praktiken der Distanzierung einschließt. Distanz meint hier: Verlust der Selbstverständlichkeit, der Alternativlosigkeit in dem Sinn, dass Gegebenes fragwürdig wird, wie auch in dem Sinn, dass Anderes vorstellbar und imaginiert wird. Es öffnen sich Denk- und Gefühlsräume für bisher Unbekanntes, für Alterität und Utopien, zumindest aber für Empfindungen von Unzufriedenheit, Mangel und Leiden, die von unterdrückerischen Ordnungen verursacht werden.

Bisher wurde selten gefragt, ob Praktiken des Massenkunstgebrauchs vergleichbare kritische Perspektivierungen und Überschreitungen des status quo erzeugen können; schaut man jedoch auf die Weisen der „resistance“, die Populärkulturnutzung häufiger zugeschrieben werden, so scheint die Hypothese durchaus fruchtbar.

B) Inhalte, Aussagen, Botschaften
Sozialistische Organisationen und radikale Bewegungen haben sich von Anfang an mit der sie umgebenden Populärkultur auseinandergesetzt. Sie attackierten, was sie für Propaganda der Mächtigen hielten, versuchten deren Unwahrheit zu entlarven und förderten kulturelle Akteure, von denen sie ideologische Unterstützung erwarteten – meist in Form nichtkommerzieller Aktivitäten etwa von Lieder- und Filmemachern oder alternativen Theatergruppen. Die Diversifizierung des Kulturmarktes führte dazu, dass oppositionelle Bewegungen auch im kommerziellen Angebot Tendenzen entdeckten, die sie im Sinne ihrer politischen Ziele zu stärken suchten, bis hin zur Entwicklung eigener kulturpolitischer Strategien.

Alle politischen Akteure entwickelten solche Praktiken; sie gehören bis heute zum Alltagsgeschäft von Interessengruppen, die ihre Sichtweisen und Forderungen verbreiten. Hier liegt letztlich der harte Kern der heute enorm ausdifferenzierten Deutungspraktiken und Deutungskämpfe, die die kulturelle Produktion öffentlich begleiten und geradezu einhüllen. Werbetexte für Bestseller gehören ebenso dazu wie Film- und Literaturbesprechungen, wie die PR-Kampagnen, die transmedial Events begleiten (z.B. TV-Serien oder neue Computerspiele) und die heute in den sozialen Medien ein unüberschaubares Spiel der Reaktionen auslösen – schließlich immer wieder Versuche, im nationalen Maßstab unerwünschte Botschaften und kulturelle Formate zu skandalisieren.
Kulturforschung untersucht derartige Praktiken, Diskurse und Netzwerke kritisch. Sie ist aber gut beraten, sich nicht selbst in Auseinandersetzungen um Inhalte und vermutete Effekte einzumischen – etwa mit Aussagen dazu, was hier „wirklich widerständig“ sei und was nicht. Die Neigung dazu ist allerdings auch gering, weil spätestens seit den 1980ern KulturwissenschaftlerInnen aller Disziplinen davon ausgehen, dass Texte und Praktiken populärer Kultur keine eindeutigen Aussagen und Botschaften übermitteln. Deren Interpretation und Bewertung wird nach allgemeiner Auffassung gesellschaftlich ausgehandelt; dabei nehmen neben einflussreichen Medien aktive Publika eine Schlüsselstellung ein, und deren Interpretationen fallen ebenso vielfältig und heterogen wie unvorhersehbar aus.

C) Lustvolle Selbstermächtigung zu eigensinnigen Lesarten
Zu unterscheiden von den öffentlichen, meist medial kommunizierten „semiotic wars“ sind alltagsintegrierte Praktiken der Deutung, Umdeutung, Parodie oder Weiterverarbeitung, die NutzerInnen ausführen und die einen wesentlichen Teil ihres Vergnügens an Populärkultur ausmachen.[16] Die Subkulturforschung des Centre for Contemporary Cultural Studies (CCCS) beleuchtete Objekte und Verhaltensweisen der Konsum- und Medienwelt, die das Material für symbolische Entwendungen und Verkehrungen lieferten. Im Anschluss an den Sammelband Resistance Through Rituals von 1976[17] standen für Dick Hebdige,[18] Paul Willis, Jim Clarke, später dann John Fiske und andere derartige semiotische Aktionen im Zentrum populärkulturbezogener „resistance“, da sie ins Feld der Praktiken und Lesarten gesellschaftlicher Hierarchisierung eingreifen. Widerständig können solche Aktivitäten laut Fiske sein, weil sie hervorgehen aus dem Zusammenstoß hegemonialer Urteile, Normen, Subjektivierungsappelle usw. mit den alltäglichen Erfahrungen von Menschen, die zu „the people“ zählen; denn diese Kategorie vereint in ständig wechselnden Allianzen durchaus heterogene Gruppen von Menschen, insoweit sie entlang der Achsen von Klasse, Geschlecht und sexueller Orientierung, Ethnizität, Bildung, Migrationsstatus usw. zu den Benachteiligten, Ausgegrenzten, Machtlosen gehören.[19]

Fiske verwies in seinen Arbeiten[20] auf eine ganze Reihe entsprechender Aneignungen, die hegemoniale Subjektivierungsansprüche und Legitimationen in Frage stellen, lächerlich machen, direkt attackieren, ins Leere laufen lassen, mit oppositionellen Identifikationen konfrontieren. Jugendliche parodieren Werbetexte durch obszöne Umdichtung; Seifenopern dienen Frauen zur Feier weiblicher Abweichung; Aborigines identifizieren sich mit kämpfenden Indianern in US-Western, auch und gerade wenn die als „Wilde“ dargestellt werden; Wrestling-Shows liefern jede Menge Material, um sich vom leistungsgesellschaftlichen Mythos des Sports als fairer Wettbewerb abzusetzen und bürgerlich kontrollierte Körperlichkeit karnevalesk zu verlachen.

Derartige Produktion und Zirkulation von als antihegemonial klassifizierten Bedeutungen spielt sich unter Einzelnen ab, in Familien, Freundeskreisen, peer groups und sozialen Kleingruppen. Fiske charakterisiert solchen Widerstand als „mikropolitisch“: Hier würden hierarchische Ordnungen und Machtbeziehungen delegitimiert, spielerisch umgekehrt und eventuell auch im eigenen Alltag zugunsten der Untergeordneten verändert; das bewirke konkrete Machtverschiebungen. Wie weit die reichen und wie stabil sie sind, ist bis heute theoretisch umstritten und nach Meinung vieler Kritiker empirisch nicht eindeutig belegt.

D) Infragestellung der Autorität der Hochkultur
Einen Fokus der Populärkulturforschung bilden Praktiken, die als Herausforderung für die bürgerliche kulturelle Ordnung verstanden werden. Deren hegemoniale Diskurse schreiben nämlich der Hochkultur einen besonderen Status als die bei weitem wertvollste Formation kultureller Praxis zu – und denen, die den entsprechenden Geschmack zeigen, den legitimen Anspruch auf geistige und politische Führung.[21] Allgemein ist damit die Einhaltung von Regeln „zivilisierten, kultivierten“ Verhaltens im kulturellen Feld gefordert und speziell Respekt, wenn nicht gar Demut gegenüber den Institutionen, Aufführungen und Akteuren anerkannter Kunst. Publika sollen Wertschätzung und Anerkennung für die Autorität der ernsten Künste, der Künstler und hochkulturellen Wissens zeigen.
Vor diesem Hintergrund richtete man erhebliche Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Typ von Praktiken: Aktionen und Inszenierungen, von denen die etablierte Öffentlichkeit urteilte, dass sie sich über alle Regeln angemessenen Verhaltens in Kulturveranstaltungen hinwegsetzten und den gebotenen Respekt vor der Institution Kunst (Peter Bürger) verweigerten. Das waren Bühnenshows von Rockbands ebenso wie Publika und Liebhaber der Popmusik, denen jegliche Selbstkontrolle zu fehlen schien. Gerade Fans, so hat beispielsweise Henry Jenkins gezeigt,[22] verlassen immer wieder die passive Position des dankbaren Konsumenten und entwickeln selbständig mehr oder minder heterodoxe Vorstellungen von populären Texten. Die verwirklichen sie durch Veröffentlichung von Fan Fiction in eigenen Netzwerken; sie missachten Eigentumsrechte (copy rights und Markenschutz) und üben Druck aus auf Medienunternehmen, etwa den Fortgang von Serien betreffend. Derartige eigensinnige Praktiken demonstrieren für Jenkins und andere die Fähigkeit, nicht autorisierte Lesarten kultureller Waren „von unten“ in Umlauf zu bringen und werden als Beispiele für „resistance“ und Selbstermächtigung gegen die Allmacht der Kulturindustrien und gegen das passivierende bürgerliche Kunst-Regime interpretiert.

E) Umkehrung kultureller Hierarchien
Ein Basiselement in der Geschichte der Populärkultur bilden staatliche und informelle Versuche, sie zu unterdrücken und zu stigmatisieren. Ziel derartiger Kampagnen war es nicht allein, entsprechende Werke und Aktivitäten zu verhindern oder in den Untergrund zu drängen; mindestens gleichrangig war nach Meinung einer ganzen Reihe von PopulärkulturforscherInnen beabsichtigt, Vergnügungen, ästhetische Wertmaßstäbe und Wissen der ArbeiterInnen und anderer Gruppen, die heute als „bildungsfern“ oder „educationally deprived“ etikettiert werden, zu delegitimieren oder zu kriminalisieren.[23] Im Lauf des 20. Jahrhunderts, so wird es hier gesehen, haben die culture wars gegen Populärkultur und ihr Publikum an emotionaler Temperatur verloren und weitgehend das juristische Terrain verlassen; auf der Ebene von „Geschmacks“kämpfen, die im Sinne Bourdieus der Distinktion und der Legitimierung des kulturellen Kapitals der „Gebildeten“ dienen, werden sie jedoch mit erheblicher Energie fortgeführt.

Aus dieser Perspektive konnte „resistance“ die Form annehmen, an illegitimen Vergnügen festzuhalten, indem man sich Repressivmaßnahmen wie Zensur, Verboten und Strafen individuell oder in Gruppen Gleichgesinnter entzog, sie austrickste oder ins Leere laufen ließ. Ebenso gab es Taktiken des Protests und Versuche, die kulturellen ‚Oberlehrer’ lächerlich zu machen. In dem Maße, wie insbesondere neue Formen der Popmusik und ihrer Tänze (die oft aus den USA den Weg nach Europa fanden) als Herausforderung und Bedrohung europäischer Hoch- und Bildungskultur perhorresziert wurden, bekam jedes Engagement für derartige Genres einen politischen Subtext: Es verweigerte sich der hegemonialen Hierarchie und beharrte praktisch auf dem Wert und der Anerkennung des eigenen „subalternen“ Geschmacks.[24] So konnten Auftritte umstrittener Musiker, „wilde“ Tanzveranstaltungen und euphorisierende Massenkonzerte den Charakter von Demonstrationen annehmen, die ein Ende von Diskriminierung und Verachtung forderten und die Gleichrangigkeit der Populärkultur und ihrer Anhänger mit dem tradierten Kanon beanspruchten.

4. „Resistance“ im historischen Kontext: Mikropolitik und deren Kritik, kulturelle Wende und kultureller Radikalismus

Die Grundlinien des skizzierten Modells von Populärkultur und/als „resistance“ wurden in den 1970ern und 1980ern entwickelt und seither in empirischen Studien angewendet. Rückblickend muten manche Interpretationen überzogen und manche Hoffnungen auf Transfers aus dem Alltag in die Veränderung gesellschaftlicher Machtverhältnisse naiv an. Doch wäre es unhistorisch und unproduktiv, den Ansatz in Bausch und Bogen abzutun. Vielmehr soll hier ganz kurz an einige kulturwissenschaftliche Einsichten erinnert werden, die in den vergangenen fünf bis sechs Dekaden gewonnen wurden und hinter die es aus der Sicht dieses Autors kein Zurück gibt.

Stark vereinfacht kann man sagen, dass im Lauf der 1970er Debatten auf der Linken und im „westlichen Marxismus“ zwei Dogmata überwanden. Die Orthodoxie behauptete bis dahin: Massenkultur wird produziert von einer kapitalistischen Industrie; deswegen werden ihre Inhalte und Wirkungen niemals die kapitalistische Ordnung ernsthaft in Frage stellen. Das Dogma der Frankfurter Schule lautete: Die Kulturindustrie ist Teil eines totalen Verblendungszusammenhangs; die Unterhaltungswünsche der Massen und die Imperative monopolkapitalistischer Unternehmen verbinden sich und halten so den Kreislauf eines entfremdeten und selbstzerstörerischen Systems in Gang. Wachsendes wissenschaftliches Interesse an der konkreten Nutzung populärkulturellen Materials führte jedoch unaufhaltsam weg von derart pauschalen Annahmen; nach vorne trat die Frage, wie mediale Texte Bedeutungen und Lesarten transportierten und kommunizierten und was deren NutzerInnen aus den Bedeutungsangeboten herauslasen.

Interessanterweise gab es kaum Studien zu den Produktionsprozessen; wer die konkreten Medientexte in welchen Arbeitsformen erstellt, welche Interessen, Spielräume, Widersprüche und Inkonsistenzen dabei im Spiel sind – das wurde ganz selten empirisch betrachtet. Das hing gewiss damit zusammen, dass die einschlägigen Unternehmen und Institutionen wenig Wert auf Transparenz legten und keine kritische Beobachtung ihrer Praktiken wünschten. Doch fehlte das Thema überhaupt in den Programmen akademischer Forschung; man konzentrierte sich hier in Empirie und Theorie auf Fragen der (massenhaften) Rezeption. Das Paradigma der Linken, das sich damals entwickelte, hat Stuart Hall 1981 mit Bezug auf Antonio Gramscis Hegemoniekonzept geradezu klassisch formuliert. Populärkultur wurde verstanden als „battlefield”, als Feld, „where this struggle for and against the culture of the powerful is engaged”, als „arena of consent and resistance”.[25]

Auf dieser Basis wurde das Konzept der „resistance“ in und gegen Populärkultur entwickelt. Die Arbeiten von Dick Hebdige, Paul Willis, John Fiske und Henry Jenkins beispielsweise galten vielen als wegweisend. Ideen von Michel de Certeau[26] aufgreifend und Kultur als alltagseingebundene Praxis verstehend, verbanden sie empirisches Material und das Modell von aktiven und gewieften Nutzern, um ein vielfältiges Panorama von popularen Taktiken des Widerstehens und sich Widersetzens zu zeichnen. Fiske etablierte das Vergnügen als grundlegendes Motiv der RezipientInnen und argumentierte, dass oft gerade abweichende, oppositionelle oder schlicht eigenwillige Lesarten von populären Texten – die allerdings mit ihren Vorgaben solche Bedeutungsproduktion ermöglichen oder anregen müssen! – dieses Vergnügen für „the people“ erzeugten.

Diese Arbeiten haben wesentlich dazu beigetragen, dass heute die Frage nach jenen Praktiken, in denen der Alltagshistoriker Alf Lüdtke den „Eigensinn“[27] der gewöhnlichen Nutzer am Werk sieht, zum Standard empirischer Kulturforschung gehört. Allerdings gab es bald Kritik, die die politische Qualität und das Machtpotenzial der widerständigen Praktiken und Vergnügen à la Certeau und Fiske in Frage stellte. Der Vorwurf des „cultural populism“[28] meinte, dass der „resistance“-Ansatz die kritisch-politische Substanz derartiger Nutzungen quantitativ wie qualitativ völlig überzeichne und damit die reale Macht der Kulturkonzerne und der von ihnen verbreiteten hegemonialen Ideologie ebenso herunterspiele wie die Beschränkungen, die das Alltagsleben der Subalternen einer kritischen, auf die eigenen Interessen bezogenen Dekodierung der massenmedialen Texte auferlege. Insbesondere die ökonomischen Grundlagen der ideologischen Apparate und ihres Einflusses, so hieß es, gerieten völlig aus dem Blick.

Es ist klar, dass Urteile über das Konzept der „resistance“ und über die mikropolitischen Potenziale von Alltagspraktiken wesentlich bestimmt sind durch die dahinter stehenden Annahmen über das Funktionieren von Macht und Herrschaft in kapitalistischen Gesellschaften der Gegenwart. Sieht man die Bastionen der Herrschaft grundlegend in der privaten Verfügung über die Produktionsmittel und in der Staatsgewalt oder in den kulturellen Strukturen des Alltags, die Lebensführung und Vergnügen unmerklich auf die aktive Einpassung in die Dominanz des „power bloc“ ausrichten?[29] Dabei scheint es weder sinnvoll, beide Ebenen des Politischen gegeneinander auszuspielen, noch sie einfach getrennt zu analysieren. Fiske betont, dass die Untersuchung von Alltags- und Populärkultur nur mikropolitische Auseinandersetzungen im Spannungsfeld von „the people“ und „power bloc“ erfasst und dort auf mögliche „(micro)redistribution of power“ zugunsten Subalterner aufmerksam macht.[30] Populärkultur in diesem Sinne könne nur „progressive“ sein, nicht „revolutionary“ oder „radical“.[31] Deswegen sei „[t]he forging of productive links between the resistant tactics of the everyday and action at the strategic level […] one of the most important and neglected tasks“.[32]

Dieses Monitum verweist bis heute auf eine Schwachstelle der gesamten radikalen und postmarxistischen Theoriearbeit. Solange dazu kaum empirisch gegründete Studien vorliegen (und man fragen muss, ob die von Fiske angesprochene Verknüpfung überhaupt empirisch operationalisierbar ist), kann man in den Augen dieses Autors zur Veränderungsenergie von widerständigen Praktiken im Feld der Populärkultur nur Hypothetisches oder Spekulatives, bestenfalls Plausibles sagen. Das ist nicht wenig und schon gar nicht überflüssig, aber doch vom politischen Anspruch gerade der Cultural Studies her unbefriedigend.

An dieser Stelle sind Überlegungen von Winfried Fluck zum „kulturellen Radikalismus“ im Gefolge der Protestbewegungen der 1960er und 1970er Jahre gut geeignet, das Ausgeführte in übergreifende Entwicklungen kritischer Theoriebildung einzubetten und die Idee der „resistance“ wie deren Kritik selbst zu historisieren. Die erwähnte Wende von einem deterministischen Verständnis der Kultur als ökonomisch bestimmter und beherrschter „Überbau“ zu Kultur als Kampffeld folgte im Verlauf der 1970er nicht nur einer intellektuellen (und generationellen)[33] Dynamik, sondern auch einer politischen. Die „1968er“-Bewegungen hatten gehofft, grundlegende Veränderungen zu bewirken. Nach dem Scheitern dieser Erwartungen setzte sich in der Linken zunehmend die Einschätzung durch, die unerwartete Stabilität der spätkapitalistischen Ordnung beruhe vor allem auf ihren tief gestaffelten und die Menschen bis ins Innerste ihrer Identität prägenden kulturellen Herrschaftsmechanismen.[34] Es kam, so Winfried Fluck, zu „einem radikalen Paradigmenwechsel bei der Analyse gesellschaftlicher Machtstrukturen“.[35]

Man kann auch die bemerkenswerte Resonanz für die Cultural Studies in diesem Zusammenhang sehen. Während allerdings dort die mikropolitischen Freiräume eigensinniger Aneignung durch Subalterne im Zentrum standen, dominierte in den postmodernen Kulturwissenschaften ein „kultureller Radikalismus“: An die Stelle einer vor allem durch ihr materielles Repressionspotenzial und dessen ökonomische Fundierung definierten Macht trat „das Konzept einer strukturellen Gewalt […], die keinen politischen Akteur mehr hat und sich statt dessen in diskursiven Strukturen und rhetorischen Formen kultureller Konsensbildung manifestiert.“[36]

5. Dezentrierung des Subjekts, Selbst-Bildung und die Ungewissheit des Sozialen

Die Stärke dieser Ansätze lag theoretisch wie empirisch in der „Dezentrierung des Subjekts“, in der Untersuchung der Prozesse, wie Menschen sich praktisch zu anerkannten („handlungsfähigen, kompetenten, kultivierten“ etc.) Subjekten machen, indem sie sich in ihrem alltäglichen Tun hegemoniale Subjektideale, Verhaltensnormen, Routinen usw. aneignen. Der Schwerpunkt lag dabei auf Subjektformen, Subjektkulturen und Subjektformationen,[37] die durch hegemoniale Diskurse reguliert werden. Damit trat an die Stelle der im liberalen Weltbild vorausgesetzten Autonomie von Subjekten, die der Welt handlungs- und entscheidungsfähig gegenübertreten, nicht selten die scheinbare Unhintergehbarkeit und Ultrastabilität von Diskurssystemen und kulturellen Strukturen als Orten und Kräften sozialer Macht. Eine derartige Sichtweise musste sich kritisch gegen „resistance“-Konzepte wenden; denn die zu eigensinniger Nutzung fähigen und disponierten Subjekte waren im Rahmen kulturalistischer Subjektivierungstheorien nicht denkbar. Es konnte sich aus dieser Perspektive allein um Selbsttäuschung handeln, die den Akteuren verbarg, dass sie ihr Vergnügen der Abweichung an einer im System vorgegebenen Subjektposition genossen.

Freilich gab es durchaus Ansätze, die wie Ernesto Laclaus Hegemonie- und Diskurstheorie,[38] Judith Butlers performativ gedachtes Subjektivationskonzept[39] oder Andreas Reckwitz‘ praxeologische Subjekttheorie[40] nach der Möglichkeit von Abweichung, Subversion, Veränderung fragten und auf Reibungen, Lücken, Widersprüche hinwiesen. Empirische Studien, die dies weiter konkretisiert hätten, blieben im poststrukturalistischen Denkfeld jedoch Mangelware.[41] Und ethnographisch vorgehende Arbeiten, die wie Hebdige, Willis oder Jenkins das transgressive Potenzial von Populärkulturnutzung zu zeigen suchen, galten dem kulturellen Radikalismus schnell als unterkomplex und nicht auf dem Stand kritischer Kulturwissenschaft.

Mittlerweile mehren sich jedoch Warnungen, dass die deterministische, auf ein geschlossenes hegemoniales Kultursystem hinauslaufende Lesart das machtanalytische Potenzial der Subjektivierungsperspektive zu verspielen drohe.[42] „Wenn Individuen in einem starken, kausalen Sinn durch Konventionen, eine gemeinsame Rationalität oder die Ordnung der Sprache determiniert aufgefasst oder in ihnen Nebeneffekte von Emergenzprozessen gesehen werden, ist die Frage nach ihrer Subjektivierung letztlich überflüssig.“[43] Denn eine entscheidende Voraussetzung dafür, ein „anti-deterministisches“, letztlich herrschaftskritisches Interesse in der Untersuchung von kulturellen Praktiken dezentrierter Subjekte zum Tragen zu bringen, bestehe in der „Anerkennung der Ungewissheit des Sozialen“.[44]

Was damit gemeint ist, können nach dieser Auffassung insbesondere praxeologisch orientierte Studien sichtbar machen, die ethnographisch die „situative Emergenz von Handlungsspielräumen in praktischen Vollzügen“[45] herausarbeiten. Handlungssituationen seien innerhalb von Praxiskontexten nie eineindeutig bestimmt, nie lückenlos durch das Zusammenspiel von Subjektivitätsformen und Anerkennungsbestrebungen vorgegeben. Immer wieder stießen Subjektivierungsabsichten auf unvorhergesehene Widerstände, die Irritationen hervorrufen und im Praxiskontext zu Handlungen und Reflexionen jenseits des Eingespielten auffordern. Solche Situationen würden, wenn daran mehrere kollaborierend beteiligt sind, von den Beteiligten auf unterschiedliche Weise interpretiert, und die voneinander abweichenden Interpretationen würden ausgetauscht.[46] Immer wieder eröffneten sich so ungeplante Handlungsdynamiken, die zu Abweichung und gegebenenfalls zum Überschreiben und Verändern von Subjektivierungsprogrammen führen können.

Aus der Sicht dieses Autors ist hinzuzufügen, dass Identitätsbildung auch „misslingen“ und zu hegemonial nicht anerkannten Subjektivitäten führen kann; die können aber sozial nicht völlig ausgeschlossen, isoliert und damit unwirksam gemacht werden. Das heißt: Wenn die konkreten Praktiken der alltäglichen Lebensführung, beruflichen Arbeit, der Kooperation usw. (auch des Populärkulturgebrauchs)[47] die sozialen Felder vorgeben, in denen Subjektivierung stattfindet, dann erscheinen dort auch die für Neues, Abweichendes, Resistentes offenen Praxiskonstellationen. Deswegen hat eine an Widerstand interessierte Forschung genau hier ihre Gegenstände.

6. Offene Fragen

Man kann jetzt einige offene Fragen einer empirischen Populärkulturforschung mit Interesse an „resistance“ formulieren. Etwa: Wie sehen die anerkannten Weisen des Populärkulturgebrauchs in legitimen Subjektformen aus? Was ist ihr hegemonialer Effekt? In welchen Subjektivierungspraktiken werden sie angeeignet? Vor allem: Kann man mikropolitische Machtverschiebungen als Veränderungsimpulse gegenüber gouvernementalen Subjektivitätsmodulen wie Heteronormativität, Anstrengungsbereitschaft, Selbstoptimierung, Gesundheitsverantwortung u.ä. empirisch plausibel machen?

Insgesamt ist das Publikum der Populärkultur allerdings (im deutschen Kontext deutlich stärker als etwa im amerikanischen) ein eher sperriges Material für anerkannte Subjektivitätsformen. Wie werden Massen von „couch potatoes“, „Killerspielfans“, „UnterschichtfernsehzuschauerInnen“, „Internetsüchtigen“ und anderen Negativfiguren des öffentlichen Kulturdiskurses argumentativ und praktisch in akzeptable Subjektivitäten umgewandelt oder zumindest entschärft?[48] Offenbar steckt hier ein erheblicher Widerspruch zwischen verbreiteten Alltagspraktiken wie Entspannen, Abschalten, Tagträumen[49] usw. einerseits und Anforderungen an Bildung, Kultiviertheit und Kreativität andererseits. Hochkulturansprüche haben weiterhin Leitfunktion für anerkannte Subjektivitätsformen, können aber die genannten Praxisformen nur schwer integrieren. Bisher zeigen Subjektivierungstheorien erhebliche Defizite bei der empirischen Fassung von Subjektivitätsformen für jene (großen!) sozialen Gruppen und Praktiken, die als kulturell minderwertig gelten. Wie sich die Sache für die Identitätsbemühungen der Betroffenen aus deren Sicht darstellt, dazu liefern neuere Ethnographien erste, wenig auf populäre Künste fokussierte Befunde.[50] Hier ist weiter zu forschen.

Bis heute ist es nicht gelungen, das Interpretament der „Mikropolitik“ schlüssig mit Konzepten der Selbst-Bildung zu verknüpfen oder in anderen Theoriekontexten die Transfers ins makropolitische Feld empirisch zu operationalisieren. Da ist nach über 40 Jahren die Frage nach dem „resistance“-Potenzial populärer Kultur noch einmal grundsätzlicher zu stellen. Auch die Weichenstellung hin zur Populärkultur als Kampffeld wurde nämlich anscheinend vom kulturellen Radikalismus in eine andere als die ursprüngliche Richtung umgelenkt. Zunächst ging es bei der Aktualisierung von Gramscis Hegemoniekonzept keineswegs um Popkultur, sondern um gesellschaftliche Machtkonstellationen. Wer die wegweisenden Aufsätze von Stuart Hall[51] nachliest, wird feststellen: Ihn interessierte bei der Analyse von Encoding/Decoding und bei der Bestimmung von „popular culture“ als Kampffeld nicht Fiktionales und Unterhaltendes; er sah nicht Massenkunstnutzung im Zentrum semiotischer Kämpfe, sondern jene gesellschaftlichen Diskurse, die die herrschende Hegemonie über „the people“ im Feld der Makropolitik selbst organisierten.[52]

Rückblickend muss man wohl konstatieren, dass viele in den 1970ern und 1980ern Homogenität und Machtpotenziale der Kulturindustrien als übermächtig betrachteten. Daraus folgte der Fokus auf widerständige Nutzung: Weder untersuchte man die Möglichkeit einer Veränderung der Informationspolitik und der Unterhaltungsproduktion noch fragte man nach Massenkunst, die der Hegemonie des „power bloc“ offen zuwiderlief. David Hesmondhalgh kommt jedoch in seiner umfangreichen Untersuchung der Kulturindustrien zu einem differenzierten Ergebnis. Viele Unternehmen sind politisch konservativ ausgerichtet und versuchen, die Zirkulation (d.h. die Massenrezeption) ihrer Produkte entsprechend zu kontrollieren; die Kreativen verfügen aber über erhebliche Autonomie, und ihre Texte bilden ein breites, widerspruchsvolles und mehrdeutiges Feld von Rezeptionsangeboten. „These modes of thought and feeling are hardly ever directly subversive of oppressive economic and political power [… yet] they reflect and reinforce the fact that the naturalisation of existing power relations is never complete.” Fragen müsse man allerdings, ob die Medien ebenso liberal seien bei „the provision of information that provides an analysis of overall power relations“.[53]

Hesmondhalgh spricht hier eine wichtige Unterscheidung an, die bisher kaum kulturwissenschaftlich thematisiert wurde: die zwischen (vereinfacht) als politisch markierter Information und Argumentation einerseits, als fiktional oder inszeniert markierter Unterhaltung andererseits. Faktisch bezog sich die ganze „resistance“-Debatte auf letzteres. Wie „the people“ Nachrichten und politische Dokumentationen decodieren, blieb ein Randthema der Kommunikationswissenschaft.

Kritische Populärkulturforschung wird jedenfalls nicht überflüssig, und sie wird über neue konzeptionelle Zugriffe nachdenken. Aus europäisch-ethnologischer Sicht scheint eine Umkehr des bisherigen Ansatzes vielversprechend. Da standen im Zentrum der Untersuchung eher zufällig gewählte Nutzer, die eigensinnig mit Populärkultur umgingen. Zukünftig könnte man nach dem Prinzip des theoretischen Sampling Untersuchungsgruppen wählen, die für die Frage nach „resistance“ a priori höhere Relevanz haben: AktivistInnen, die sich in Bewegungen und Projekten engagieren, die kritisch gegen den „power bloc“ gerichtet sind.[54] Von solchen Engagierten ist, als Forschungshypothese, anzunehmen, dass sie sich aktiv gegen hegemoniale Deutungsangebote der Populärkultur wehren. Welche Vergnügungen und Massenkünste sie nutzen, welche davon Widerspruch auslösen und wie sie die praktische Auseinandersetzung damit als Teil ihrer Selbst-Bildung verstetigen, wäre (nicht zuletzt im Vergleich mit Befunden bisheriger Forschung etwa zu Fans) eine viel versprechende Fragestellung.

Abschließend komme ich auf die eingangs angerissene These zurück, dass Kunst den Nutzern ermöglicht, Distanz zur gelebten Wirklichkeit zu gewinnen und – in ästhetischem Erleben und sinnlicher Erkenntnis – deren Selbstverständlichkeit und Alternativlosigkeit zu bezweifeln. Allerdings hat die Kunsttheorie diese Qualität bisher nur Werken des Kanons und der angeblich ernsthaften, anspruchsvollen, auf der Höhe des ästhetischen Reflexionsniveaus der Moderne sich bewegenden Kunst zugeschrieben; Populärkultur fiel nicht unter diese Kriterien.[55] Für diese Sicht gibt es durchaus ernst zu nehmende Argumente, und die werden auch von ForscherInnen vertreten, die diskutieren, ob populäre Kunst eine spezifische ästhetische Struktur habe und besondere Rezeptionsweisen verlange.[56] Tatsächlich interessieren sich beispielsweise Unterhaltungsanalysen kaum einmal für Infragestellung des status quo oder Alteritätserfahrung. Die ForscherInnen sehen Distanz, spielerische Haltung, Nicht-ernst-Nehmen im Umgang mit den ästhetischen Texten, aber keine veränderte Einstellung zur sozialen Realität.[57] Ein Typ von Erfahrung, wie ihn die Autonomieästhetik für ihr Distanzierungsmodell voraussetzt, gilt bei Populärkultur nur als Grenzfall.[58]

Allerdings ist die empirische Grundlage für derartige Verallgemeinerungen wenig belastbar. Andere Studien zur Populärkulturrezeption deuten nämlich darauf hin, dass in der Aneignung Distanz und Alternativen zur eigenen Lebensführung einen bedeutenden Platz einnehmen und qualitative Veränderungen in der Subjektivierung möglich sind.[59] Das ist zumindest ein Hinweis darauf, dass auch die empirische Untersuchung ästhetischer Erfahrungen von Massenkunst Potenziale für anti-hegemoniale Selbst-Bildung aufdecken könnte.

Fassen wir zusammen. Aus der Sicht dieses Autors gibt es Anlass, die bisherigen Debatten zu „resistance“ und Populärkultur wie zur Dezentrierung des Subjekts mit einer gewissen Nüchternheit zu betrachten. Die Vermittlung des mikropolitischen Veränderungspotenzials zu Aktionsformen, die Macht und Hegemonie des „power bloc“ einschränken sollen, ist weiterhin ausgesprochen unklar. Da scheinen Forschungslinien, die direkt auf „Analysen makropolitischer hegemonialer Konstellationen“ zielen, Vorzüge zu haben.[60]

Doch stellen die bisherigen Forschungen zu „resistance“ keine Irrwege oder Sackgassen dar; sie schufen Voraussetzungen für eine Weiterentwicklung empirischer Studien zur Mikropolitik der Populärkultur. Themen und Fragestellungen sind hier in Bewegung. Untersuchungen zum Massenkunstgebrauch von AktivistInnen könnten Zugänge eröffnen zur alltäglichen Praxis, sich in einer vorherrschend hegemonial encodierten populärkulturellen Umgebung selbst-bildend zu bewegen. Und in Verfolg eines egalitären „ästhetischen Regimes“[61] ist zu fragen, ob sich Distanzierungs- und Alteritätspotenziale in der Massenkunst erkennen lassen und in welchen Praktiken ästhetischer Erfahrung sie selbst-bildend angeeignet werden.

Anmerkungen

[1] Vgl. zur Position des Autors Kaspar Maase: Unscharfe Begriffe, Unterscheidungen und Familienähnlichkeiten. Zur kulturwissenschaftlichen Theoretisierung des Populären. In: Ines Keller, Fabian Jacobs (Hg.): Das Reine und das Vermischte – 15 Jahre danach. Münster, New York: Waxmann 2015, S. 99-111; Ders.: Populärkultur – Unterhaltung – Vergnügung. Überlegungen zur Systematik eines Forschungsfeldes. In: Christoph Bareither, Kaspar Maase, Mirjam Nast (Hg.): Unterhaltung und Vergnügung. Beiträge der Europäischen Ethnologie zur Populärkulturforschung. Würzburg: Königshausen & Neumann 2013, S. 24-36.
[2] Der Begriff wird hier, im Plural, nicht wertend wie in der Kritischen Theorie (vgl. Heinz Steinert: Kulturindustrie. 3. überarb. Aufl. Münster: Westfälisches Dampfboot 2008) verwendet, sondern empirisch-analytisch wie bei David Hesmondhalgh: The Cultural Industries. 3. Aufl. Los Angeles: Sage 2013.
[3] Das wurde grundlegend entwickelt von John Fiske: Understanding Popular Culture. Boston: Unwin Hyman 1989, insbes. Kap. 2, S. 23-47. Eine aktuelle Fortschreibung gibt John Storey: Cultural Theory and Popular Culture. An Introduction. 6. Aufl. Harlow: Pearson 2012.
[4] Pierre Rosanvallon: Die Gesellschaft der Gleichen. Hamburg: Hamburger Edition 2013.
[5] Vgl. Friedrich Wolfzettel, Michael Einfalt: Art. „Autonomie“. In: Ästhetische Grundbegriffe. Bd. 1. Stuttgart, Weimar: Metzler 2000, S. 432-479; Jürgen Fredel: Art. „Autonomie der Kunst“. In: Historisch-Kritisches Wörterbuch des Marxismus. Bd. 1. Hamburg: Argument 1994, Sp. 774-779; Michael Müller u.a.: Autonomie der Kunst. Zur Genese und Kritik einer bürgerlichen Kategorie. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1972.
[6] Max Fuchs: Kunstfreiheit und Kunstautonomie – Facetten einer komplexen Leitformel. In: Hildegard Bockhorst, Vanessa-Isabelle Reinwand, Wolfgang Zacharias (Hg.): Handbuch Kulturelle Bildung. München: kopaed 2012, S. 193-198, Zit. S. 196; verfügbar unter https://www.kubi-online.de/artikel/kunstfreiheit-kunstautonomie-facetten-einer-komplexen-leitformel [28.5.2021].
[7] Friedrich Schiller: Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen (1795). 26. Brief. In: Ders.: Werke in drei Bänden. Bd. II. München: Hanser 1984, S. 510.
[8] Vgl. Thomas Hertel: Von der „Massenzivilisation“ zur „Kulturindustrie“. Theodor W. Adornos Zuwendung zur „Massenkultur“-Thematik. In: Nobert Krenzlin (Hg.): Zwischen Angstmetapher und Terminus. Theorien der Massenkultur seit Nietzsche. Berlin: Akademie Verlag 1992, S. 118-148, bes. S. 119-126.
[9] Herbert Marcuse: Über den affirmativen Charakter der Kultur (1936). In: Ders.: Kultur und Gesellschaft I. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1965, S. 56-101, Zit. S. 63.
[10] Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit. Zweite Fassung (1936). In: Ders.: Gesammelte Schriften I.2. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1974, S. 471-508, hier S. 503-505.
[11] Theodor W. Adorno: Ästhetische Theorie (= Gesammelte Schriften Bd. 7). Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1970, S. 335.
[12] Vgl. Brigitte Emig: Die Veredelung des Arbeiters. Sozialdemokratie als Kulturbewegung. Frankfurt, New York: Campus 1980; Mirjam Storim: Ästhetik im Umbruch. Zur Funktion der ‚Rede über Kunst‘ um 1900 am Beispiel der Debatte um Schmutz und Schund. Tübingen: Niemeyer 2002, S. 151-167; Jens Wietschorke: Schundkampf von links. Eine Skizze zur sozialdemokratischen Jugendschriftenkritik vor 1914. In: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur 34, 2009, 2, S. 157-175; Kaspar Maase: Was macht Populärkultur politisch? Wiesbaden: VS Verlag 2010, S. 88-91.
[13] Benjamin, Kunstwerk, S. 508.
[14] Vgl. etwa Uta G. Poiger: Jazz, Rock, and Rebels. Cold War Politics and American Culture in a Divided Germany. Berkeley: University of California Press 2000; Kaspar Maase: BRAVO Amerika. Erkundungen zur Jugendkultur in der Bundesrepublik der fünfziger Jahre. Hamburg: Junius 1992.
[15] Vgl. Thomas Hecken: Pop. Geschichte eines Konzepts 1955–2009. Bielefeld: transcript 2009; Ders.: Avant-Pop. Von Susan Sontag über Prada und Sonic Youth bis Lady Gaga und zurück. Berlin: Posth 2012.
[16] Die Verknüpfung von „resistance“ und „pleasure“ hat vor allem John Fiske entfaltet. Vgl. Ders., Understanding, Kap. 3, S. 49-70.
[17] Stuart Hall, Tony Jefferson (Hg.): Resistance through rituals: youth subcultures in post-war Britain. London: Routledge 1976. Einen Überblick gibt Rainer Winter: Die Kunst des Eigensinns. Cultural Studies als Kritik der Macht. Weilerswist: Velbrück Wissenschaft 2001, S. 98-126.
[18] Programmatisch: Dick Hebdige: Subculture: The Meaning of Style. London: Methuen 1979.
[19] Vgl. Fiske, Understanding, Kap. 2; dichte und differenzierte Darstellungen des Fiskeschen Ansatzes geben Eggo Müller: „Pleasure and Resistance“. John Fiskes Beitrag zur Populärkulturtheorie. In: montage/av 2, 1993, 1, S. 52-66, und Winter, Kunst, S. 163-281.
[20] Vgl. neben Fiske, Understanding, v.a. John Fiske: Power Plays, Power Works. London, New York: Verso 1993.
[21] So sehen es zumindest viele Theoretiker der Populärkultur, und sie berufen sich dabei oft auf Pierre Bourdieu: Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1982.
[22] Vgl. Henry Jenkins: Textual Poachers. London: Routledge 1992; Ders.: Fans, Bloggers, and Gamers. Exploring Participatory Culture. New York, London: New York University Press 2006.
[23] Vgl. etwa Andrew Ross: No Respect. Intellectuals and Popular Culture. New York, London: Routledge 1989; Thomas Hausmanninger: Kritik der medienethischen Vernunft. Die ethische Diskussion über den Film in Deutschland im 20. Jahrhundert. München: Fink 1993; Maase, Was macht Populärkultur?; Ders.: Die Kinder der Massenkultur. Kontroversen um Schmutz und Schund seit dem Kaiserreich. Frankfurt, New York: Campus 2012, insbes. S. 244-255, 312-324.
[24] Vgl. etwa Hall/Jefferson, Resistance; Paul Willis: Profane Culture. London: Routledge and Kegan Paul 1978; Heinz-Hermann Krüger (Hg.), „Die Elvis-Tolle, die hatte ich mir unauffällig wachsen lassen“. Lebensgeschichte und jugendliche Alltagskultur in den 50er Jahren. Opladen: Leske + Budrich 1985; Maase: BRAVO; Ders.: „Rhythmus hinter Gittern“. Die Halbstarken und die innere Modernisierung der Arbeiterkultur in den fünfziger Jahren. In: Ders.: Das Recht der Gewöhnlichkeit. Über populäre Kultur. Tübingen: TVV 2011, S. 145-188; Mark Fenemore: Sex, Thugs and Rock’n’Roll. Teenage Rebels in Cold-War East Germany. New York, Oxford: Berghahn 2007; Florence Tamagne, Le ‘blouson noir’. Codes vestimentaires, subcultures rock et sociabilités adolescentes dans la France des années 1950 et 1960. In: Isabelle Parésys (Hg.): Paraitre et apparances en Europe occidentale du Moyen-Age à nos jours. Lille: Presses Universitaires du Septentrion 2008, S. 99-114.
[25] Stuart Hall: Notes on deconstructing “The Popular”. In: Richard Samuel (Hg.): People’s History and Socialist Theory. London: Routledge & Kegan Paul 1981, S. 227-240, Zit. S. 237, 239.
[26] Michel de Certeau: Kunst des Handelns. Berlin: Merve 1988.
[27] Vgl. Alf Lüdtke: Eigen-Sinn. Fabrikalltag, Arbeitererfahrungen und Politik vom Kaiserreich bis in den Faschismus. Hamburg: Ergebnisse 1993. Allerdings betont Lüdtke an seinen Befunden, dass es beim eigensinnigen Handeln im Alltag entscheidend darum ging, „bei sich selbst‘ und ‚für sich selbst‘ zu sein“ (ebd., S. 148), und dass dies die Frage nach dem politischen Potenzial solcher Praktiken erheblich kompliziert. Vgl. dazu Thomas Lindenberger: Eigen-Sinn, Herrschaft und kein Widerstand, Version: 1.0. In: Docupedia-Zeitgeschichte, 02.09.2014; verfügbar unter https://docupedia.de/zg/Eigensinn [28.5.2021].
[28] Vgl. Jim McGuigan: Cultural Populism. London, New York: Routledge 1992; Robert E. Babe: Cultural Studies and Political Economy. Toward a New Integration. Lanham, MD: Rowman & Littlefield 2009.
[29] Zu den Debatten über das Verhältnis von Mikro- und Makropolitik vgl. Oliver Marchart: Cultural Studies. Konstanz: UVK 2008, Kap. 6, S. 219-253.
[30] Fiske, Understanding, S. 161.
[31] Ebd., passim.
[32] Ebd., S. 162. Vgl. insgesamt das Kap. 7, S. 159-194.
[33] Vgl. Rolf Lindner: Die Stunde der Cultural Studies. Wien: WUV 2000, S. 15-47.
[34] Vgl. Moritz Ege: Birmingham – Tübingen. Cultural Studies und Empirische Kulturwissenschaft in den 1970er Jahren. In: Historische Anthropologie 22, 2014, 2, S. 149-181, insbes. S. 168 f.
[35] Winfried Fluck: Die Wissenschaft vom systemischen Effekt. Von der Counter-Culture zu den Race, Class, and Gender Studies. In: Rainer Rosenberg, Inge Münz-Koenen, Petra Boden (Hg.): Der Geist der Unruhe. 1968 im Vergleich: Wissenschaft – Literatur – Medien. Berlin: Akademie Verlag 2000, S. 111-124, Zit. S. 115; verfügbar unter http://www.jfki.fu-berlin.de/en/v/publications_fluck/2000/fluck_wissenschaft_effekt/Fluck_Wissenschaft_Effekt.pdf [28.5.2021].
[36] Ebd., S. 116. Vgl. auch Winfried Fluck: Resistance! Cultural Studies and the Question of Cultural Change. In: REAL – Yearbook of Research in English and American Literature 20, 2005, S. 11-26; verfügbar unter http://www.jfki.fu-berlin.de/en/v/publications_fluck/2000/fluck_resistance/Fluck_Resistance.pdf [28.5.2021].
[37] Vgl. Andreas Reckwitz: Subjekt. Bielefeld: transcript 2008.
[38] Vgl. Ernesto Laclau: Politics and Ideology in Marxist Theory. London: New Left 1977; Ders., Chantal Mouffe: Hegemony and Socialist Strategy. Towards a Radical Democratic Politics. London, New York: Verso 1985.
[39] Vgl. Judith Butler: Das Unbehagen der Geschlechter. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1991; Dies.: Psyche der Macht. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2001.
[40] Vgl. Andreas Reckwitz: Das hybride Subjekt. Eine Theorie der Subjektkulturen von der bürgerlichen Moderne zur Postmoderne. Weilerswist: Velbrück Wissenschaft 2006.
[41] So Thomas Alkemeyer: Subjektivierung in sozialen Praktiken. Umrisse einer praxeologischen Analytik. In: Ders., Gunilla Budde, Dagmar Freist (Hg.): Selbst-Bildungen. Soziale und kulturelle Praktiken der Subjektivierung. Bielefeld: transcript 2013, S. 33-68, hier S. 39 f. Dieses Defizit mag auch damit zusammenhängen, dass nicht nur Reckwitz, wie er einschränkend feststellt, sich „auf die dominanten Subjektformen in der Moderne, die mit dem erfolgreichen Anspruch kultureller Hegemonie auftreten“ konzentriert hat (Reckwitz, Hybrides Subjekt, S. 28; Hervorh. im Orig.). In Subjektkulturen subalternen und prekären Charakters, die nach hegemonialen Maßstäben scheitern oder nicht genügen, muss diese Erfahrung in der Identitätsbildung verarbeitet werden; ohne diese Spannung zu untersuchen, sind Aussagen zur Stabilität von Subjektordnungen nur begrenzt valide.
[42] Vgl. neben Fluck, Systemischer Effekt, und Fluck, Resistance!, die Beiträge im Band von Alkemeyer u.a., Selbst-Bildungen.
[43] Alkemeyer, Subjektivierung, S. 35.
[44] Ebd., S. 36.
[45] Ebd., S. 47.
[46] Während bisherige Subjektivierungsanalysen einzelne Individuen fokussieren, geht der Selbst-Bildungsansatz davon aus, dass an Identitätsarbeit Praktiken der Anerkennung durch andere wesentlich beteiligt sind. Vgl. Norbert Ricken: Anerkennung als Adressierung. Über die Bedeutung von Anerkennung für Subjektivationsprozesse. In: Alkemeyer/Budde/Freist, Selbst-Bildungen, S. 69-99.
[47] Die Deutschen verbringen inzwischen knapp 10 Stunden täglich mit überwiegend unterhaltend genutzten Medien. Vgl. Media Perspektiven Basisdaten 2014, S. 66.
[48] Zum Versuch, Massenkunstkompetenzen als Element selbstunternehmerischer kognitiver Fitness zu deuten, vgl. Kaspar Maase: Radioten, Glotzer, Unterschichtfernsehen? Zu den Bildungseffekten von Massenmedien. In: Nikolaus Buschmann, Ute Planert (Hg.): Vom Wandel eines Ideals. Bildung, Universität und Gesellschaft in Deutschland. Bonn: Dietz 2010, S. 125-141, hier S. 136 f.
[49] Eine nach Mehrheitsverständnis „unnütze“ kulturelle Praktik utilitaristisch zu legitimieren versucht Heiko Ernst: Innenwelten. Warum Tagträume uns kreativer, mutiger und gelassener machen. Stuttgart: Klett-Cotta 2011.
[50] Vgl. Stefan Wellgraf: Hauptschüler. Zur gesellschaftlichen Produktion von Verachtung. Bielefeld: transcript 2012; Götz Bachmann: Kollegialität. Eine Ethnographie der Belegschaftskultur im Kaufhaus. Frankfurt, New York: Campus 2014; Moritz Ege: „Ein Proll mit Klasse“. Mode, Popkultur und soziale Ungleichheiten unter jungen Männern in Berlin. Frankfurt, New York: Campus 2013; Ove Sutter: Erzählte Prekarität. Autobiographische Verhandlungen von Arbeit und Leben im Postfordismus. Frankfurt, New York: Campus 2013.
[51] „Encoding and Decoding in the Television Discourse“ erschien 1973 als CCCS Stencilled Paper no. 7 am Birmingham Centre for Contemporary Cultural Studies; gedruckt in überarbeiteter Fassung unter dem Titel „Encoding/Decoding“ als Kapitel 10 in Stuart Hall, Dorothy Hobson, Andrew Lowe, Paul Willis (Hg.): Culture, Media, Language. London: Hutchinson 1980, S. 128-138.
[52] In „Notes on Deconstructing ‚The Popular‘“ ging es Hall (wie Raymond Williams und Richard Hoggart) um „popular traditions and practices” (235), um die Denk- und Handlungsmuster der Subalternen, ihre Selbstbilder und Wertorientierungen. Von kommerzieller Unterhaltung und Vergnügung war keine Rede. Hall interessierte, mit welchen Aussagen und welchen diskursiven Verknüpfungen ein politischer Akteur in der Arena öffentlicher Auseinandersetzung erreicht, dass man ihn als Kraft akzeptiert, die für „the people“ spricht. „That is why ‚popular culture‘ matters. Otherwise […] I don’t give a damn about it“ (so der Schlusssatz, S. 239).
[53] Hesmondhalgh, Cultural Industries, S. 384.
[54] Falls es solche Untersuchungen bereits gibt, sind sie dem Autor nicht bekannt geworden.
[55] Auch Fluck, Resistance!, folgert zwar aus der poststrukturalistischen Debatte, dass „aesthetic experience […] becomes the only remaining hope left for cultural transformation“ (22), erörtert Populärkultur aber nicht.
[56] Vgl. Kaspar Maase (Hg.): Die Schönheiten des Populären. Ästhetische Erfahrung der Gegenwart. Frankfurt, New York: Campus 2008; Ders.: Geschmack und Qualität. Probleme der Wertung populärer Kultur in Alltag und Wissenschaft. In: Ders., Christoph Bareither, Brigitte Frizzoni, Mirjam Nast (Hg.): Macher – Medien – Publika. Beiträge der Europäischen Ethnologie zu Geschmack und Vergnügen. Würzburg: Königshausen & Neumann 2014, S. 50-65.
[57] Vgl. etwa Hans-Otto Hügel: Ästhetische Zweideutigkeit der Unterhaltung. Eine Skizze ihrer Theorie. In: Ders.: Lob des Mainstreams. Zu Begriff und Geschichte von Unterhaltung und populärer Kultur. Köln: Halem 2007, S. 13-32; Brigitte Frizzoni, Ingrid Tomkowiak (Hg.): Unterhaltung. Konzepte – Formen – Wirkungen, Zürich: Chronos 2006; Kaspar Maase: Selbstfeier und Kompensation. Zum Studium der Unterhaltung. In: Ders., Bernd Jürgen Warneken (Hg.): Unterwelten der Kultur. Themen und Theorien der volkskundlichen Kulturwissenschaft. Köln: Böhlau 2003, S. 219-242.
[58] Vgl. exemplarisch Michael Fuhr: Populäre Musik und Ästhetik. Die historisch-philosophische Rekonstruktion einer Geringschätzung. Bielefeld: transcript 2007.
[59] Vgl. etwa Paul Willis (unter Mitarbeit von Simon Jones, Joyce Canaan und Geoff Hurd): Jugend-Stile. Zur Ästhetik der gemeinsamen Kultur. Hamburg: Argument 1991; Alexander Geimer: Filmrezeption und Filmaneignung. Eine qualitativ-rekonstruktive Studie über Praktiken der Rezeption bei Jugendlichen. Wiesbaden: VS Verlag 2010; Lothar Mikos: „Es wird dein Leben!“ Familienserien im Fernsehen und im Alltagsleben der Zuschauer. Münster: MakS 1993.
[60] Vgl. dazu Marchart, Cultural Studies, Kap. 6; Zit. S. 244.
[61] Vgl. das Gespräch mit Jacques Rancière in: Ders.: Ist Kunst widerständig? Berlin: Merve 2008, S. 37-90, insbes. S. 40-43.

 

[Überarbeiteter Vortrag auf der Tagung „Resistance. Subjects, Representations, Contexts“, Oldenburg 6.-8.11.2014; englische Fassung erschienen unter dem Titel „Popular Culture, ‘Resistance’, ‘Cultural Radicalism,’ and ‘Self-formation’ – Comments on the Development of a Theory” in Martin Butler und Paul Mecheril (Hrsg.): Resistance: Subjects, Representations, Contexts. Bielefeld: transcript, 2017]

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