Die Quizshow
von Thomas Hecken
4.2.2025

Von »Professor Quiz« bis zu »Wer stiehlt mir die Show?«

[aus: »Pop. Kultur und Kritik«, Heft 20, Frühling 2022, S. 64-70]

Die Idee, ein Quiz im Fernsehen zu veranstalten, liegt nicht auf der Hand. Im Alltag stellt man kaum Wissensfragen, die über den Nahbereich hinausgehen. Konfrontiert wird man mit ihnen überwiegend in schulischen oder universitären Prüfungen und in der Berufsausbildung. Freiwillig setzt sich kaum jemand gerne diesen Situationen aus, es sei denn, er steht auf der anderen Seite, die ihn mit der Macht ausstattet, die Fragen zu stellen und über die Richtigkeit der Antworten zu befinden. Zu den ersten Quizshows im US-amerikanischen Radio gehörten denn auch Sendungen, in denen die Situation verkehrt wurde: Die Zuhörer bekamen Geld dafür, wenn sie eine Frage stellten, die von den Experten nicht beantwortet werden konnte. Eine Sendung hieß »Professor Quiz« (1936-1948, erst bei CBS, später bei ABC), der Star der Sendung Dr. Craig Earl. Der Abstand zum schulischen Ernst wird durch die amüsante Anmaßung des Showbusiness, es verfüge über Titelrecht und einen eigenen Quizprofessor, stark vergrößert. Die wohl vom Sender ungeahnte Pointe, dass Dr. Earl nicht einmal über einen Universitätsabschluss (nur über ein abgebrochenes Theologie-Studium) verfügte und seinen alten Namen aufgegeben hatte, um ein neues Leben zu beginnen, fügt sich bestens ein. Nach einigen Jahren wurde aufgedeckt, dass es sich um einen Arthur Earl Baird handele, der eine neue Identität angenommen habe, um keine Unterhaltszahlungen an seine frühere Frau zahlen zu müssen. So zumindest steht es in den Quellen, die heute das Wissen über den schillernden Prof. Dr. Quiz darstellen.

Haben die Menschen vor uns nur gelebt, um Stoff für solche Anekdoten zu liefern? Angesicht der mittlerweile unzähligen Quizformate darf man ergänzen: Sie haben ebenfalls gelebt, um zu Fragegegenständen für Prüfungen aller Art zu werden. Dieser Stoff reicht aber nicht aus. Neben der Frageform ist in dem frühen Quiz bereits die Geldzahlung Teil der Show. Sie bildet auch den entscheidenden Faktor, um die Radiosendung von der Herausforderung und zugleich Feier des Prüfungsberechtigten – des Professors, des Experten, des Gebildeten – zu lösen. Die Antwort, weshalb man sich freiwillig einer Examination aussetzen sollte, die einem nicht ein für die berufliche Laufbahn möglicherweise wichtiges Zertifikat einbringt, lautet: um Geld zu gewinnen. Dem Antrieb allein, sein eigenes laienhaftes Wissen öffentlich unter Beweis stellen zu wollen, wird offenbar von den Organisatoren der Sendungen misstraut.

Geld dürfte auch eine weitere Rolle bei der Ausstrahlung gespielt haben: Die Sendungen können kostengünstig produziert werden. Ein Problem der Radio-Show liegt darin, über wichtige Bestandteile der Revue nicht zu verfügen, bloß über Musik und gesprochene Texte; Akrobatik, Tiere, Tänze, Clowns, Halbnackte, Filmclips, aufwendige Kostüme, die u.a. die Bühnenshows der 1920er und 1930er Jahre bestimmen, fallen notwendigerweise weg. Die Lösung spart aber grundsätzlich viel Geld: Alle Attraktionen der Welt sind über das Wort zugänglich. Teils schon die Frage, sodann die richtige Antwort ruft sie herbei: historische Dramen, exotische Orte, berühmte Persönlichkeiten, eigenartige Kreaturen, sensationelle Begebenheiten – Acapulco, Kobra, Rasputin, Elektrizität, Romeo und Julia – das ist richtig, 25 Dollar!

Darum ist es bemerkenswert, dass die Quizshow auch Teil des Fernsehprogramms wird, wenn dank der neuen massenmedialen Technologie alle Formen der Revue jederzeit wieder sichtbar zur Verfügung stehen. Nicht einmal eine Spezialisierung auf Sex-and-Crime-Themen findet im TV-Fragespiel statt, ein Beweis der Unbedenklichkeit der Massenunterhaltung. Das Quiz bleibt unverändert dezent, wenn auch nicht bildungsbeflissen. Verschwunden sind ebenfalls Sendungen wie »Spelling Bee«, die mit ihren Rechtschreibfragen teilweise an das etwas ältere Kreuzworträtsel anschlossen und daran erinnerten, dass all die Worte, welche die Welt bedeuten, aus ein paar Handvoll Buchstaben bestehen.

Dank des ungeheuren Erfolgs des Fernsehens steigen mit den Produktionskosten auch die Möglichkeiten, die Gewinne der Teilnehmer zu erhöhen. Vorläufiger Höhepunkt: »The $64.000 Question« (1956-58, CBS). Die Summe verdoppelte sich ungefähr von Runde zu Runde: Für die erste richtige Antwort 64, für die letzte 64.000 Dollar; nach gewonnenen 512 Dollar (Runde 4) mit der Gefahr, nach einer falschen Antwort die zuvor eingespielte Summe zu verlieren (vorletzte Runde: 32.000 Dollar). Nach Runde 7 (4.000 Dollar) gab es immerhin beim Geldverlust als Trostpreis einen neuen Cadillac. Das Risiko musste man aber nicht in Kauf nehmen, sondern konnte auf jeder Gewinnstufe aus dem Quiz aussteigen. Bereits nach gut zwei Jahren wurde die Sendung eingestellt, weil Ermittlungen liefen, ob es bei verschiedenen Shows zu Absprachen zwischen Produzenten und Teilnehmern gekommen war.

Bis dahin konnte sich »The $64.000 Question« mitunter an die Spitze der Einschaltquoten setzen, eine Art TV-Beweis für die These, dass die Mitratenden zu Hause vor dem Bildschirm eine größere Spannung verspüren, wenn es um hohe Summen geht – obwohl sie diese selbst gar nicht erlangen können. Bleibt nur die Frage, ob das Zuschauerinteresse sich stärker der Hoffnung verdankte, der Kandidat könnte siegen oder scheitern.

Die bis heute auf einigen Sendern weltweit laufende Show »Who Wants to Be a Millionaire?« (Debüt in Großbritannien bei ITV 1998, Übernahmen des Formats in über 150 Ländern) nimmt die Hochpreis-Idee wieder auf. Legt man die Kaufkraft zugrunde, ist die Summe nicht weit von der aus »The $64.000 Question« entfernt. Andere Versuche, das einfache Ratespiel interessant zu gestalten, sind höchstwahrscheinlich noch reicher an Zahl als die Lizenzen des mehrjährigen »Millionaire«-Marktführers: kurze Ratefristen, spezielle Kategorien, Teams, Gegnerschaften, Raten gegen Experten, Kinder-Quiz, Prominenten-Quiz, Quizmaster raten selbst usw. Beinahe alle Show-Produzenten teilen hingegen die Überzeugung, das Quiz müsse in einem technologisch avancierten, am besten futuristischen, zumindest sterilen Studio stattfinden. Die Angst, man könne in die Nähe der Prüfungssituation aus der Schule geraten, scheint also doch vorhanden zu sein; wenn schon die Struktur übernommen wird, soll wenigstens rein gar nichts an Schulräume erinnern.

Stärker wird der Bruch mit der Schule, mit der Autorität des Fragestellers und Beurteilers der Antworten aber erst vollzogen, wenn das Quiz nach Phänomenen fragt, die nirgendwo zum Wissensschatz gerechnet werden, weder in der Uni noch einer Jugendszene. Das Quiz dient dann dazu, abseitige und/oder lustige Dinge und Ereignisse zu benennen und in den meisten Fällen auch zu präsentieren. So wird es wieder zum Varieté, in der Gegenwart selbstverständlich nicht zu einer Bühnenschau, sondern zu einer Ansammlung von Social-Media-bewährten Videos, zu einer ›Best-of-Timeline‹, deren Elemente im Zuge von Frage-Antwort-Spielen aufeinander folgen.

Sogar »2021 – Das Quiz«, mit Moderator Frank Plasberg, einem ›Garanten öffentlich-rechtlicher Diskussionskultur und kritischen Journalismus‹, reiht sich hier ein, das vergangene Jahr kann man so als Ansammlung von Skurrilitäten Revue passieren lassen. Frage: »Bei einem Jagdausflug in den Bergen Wyomings stieß der US-Amerikaner Dylan Schilt auf a) einen Elch auf Skiern, b) ein Eichhörnchen im Röckchen, c) ein Schneemobil mit einem Murmeltier am Steuer, d) eine Kamera mit dem Selfie-Video eines Bären«. Antwort: d) – gezeigt wird eine Aufnahme, die ein Bär ausgelöst hat, als er den Gegenstand in die Klauen bekam. Ganz ohne politischen Bezug kommt die Sendung aber letztlich nicht aus, Videos mit kleinen, amüsanten Versehen von Regierenden sind natürlich auch aufzutreiben. Wenigstens die Betitelungen sorgen hier für den üblichen öffentlich-rechtlichen Tenor: Boris Johnson (dem etwas stärkerer Wind bei der »Einweihung des nationalen Polizeidenkmals« ein paar Probleme mit seinem Schirm bereitet) kommt in der Rubrik »Lacher des Jahres« vor, Angela Merkel (die Schwierigkeiten hat, beim »Empfang der Ehrendoktorwürde an der Johns-Hopkins-Universität« eine Schärpe umzulegen) in »Menschen des Jahres«, soviel Parteilichkeit muss in der ARD dann doch sein.

Wenn sie nicht rein albern ist (wie in dem Eichhörnchen- und Murmeltier-Beispiel aus dem Jahresquiz), trägt die Variante, der Frage gleich vier Antwortmöglichkeiten zuzuordnen, einiges zur Attraktivität der Shows bei. Wenn man die Antwort nicht weiß – und wer kennt schon alle Wikipedia-Artikel mit ihren Abermilliarden an Informationen auswendig –, bleibt der für Kandidaten wie Zuschauer viel interessantere Weg, sie sich einigermaßen planvoll und überlegt zu erschließen. Die alte Standardkritik an Quizsendungen – Wissen werde mit einer Ansammlung beziehungsloser Tatsachen verwechselt, es fehle die Bildung – konnte zwar nie so richtig überzeugen – auf Leute, die gut argumentieren können, aber über geringe Lexika- und Nachrichtenkenntnisse verfügen, trifft man nur äußerst selten –, sie hat sich aber bei den Sendungen mit Antwort-Angeboten recht häufig von vornherein erledigt.

Je nach Frage und offerierten Antwortmöglichkeiten ergibt sich aufseiten der Kandidaten ein großes Tableau, das von sicherem Wissen über halbwegs plausible Ausschlussverfahren bis hin zum Zufallstreffer reicht. Die Quiz-Sendung ist deshalb zu einigen Teilen ein Ratespiel, vorausgesetzt, der Kandidat ist gewillt, ein Risiko einzugehen. Sieht die Abfolge der Fragen und Gewinne einigen Raum für Spekulationen und Abstürze vor, verwandelt sich die Sendung für den Betrachter in ein psychologisches Drama, bei dem er Mut, Selbstüberschätzung, Anmaßung, Angst der Protagonisten studieren kann. Zum Mitraten, Mitfiebern tritt die Menschenbeobachtung hinzu oder setzt sich an ihre Stelle. Das Quiz wird so zur Inspektion und Verhaltenslehre.

Durch relativ niedrige Gewinnsummen und eine entspannte Atmosphäre, die von sehr routinierten Moderatoren wie z.B. Kai Pflaume und Jörg Pilawa hergestellt wird, will und kann das Quiz dem entgehen. Die Betonung beim Ratespiel liegt nun auf der letzten Silbe; die Welt mit ihren Tatsachen und Fragen ist hier in erster Linie da, um Kommunikation ohne Untiefen zu garantieren, die Sache bzw. die Sendung kommt auch ohne Drama, Expertentum, starken Willen oder Erfolgsdrang aus bzw. voran.

Wichtig sind Sympathieträger, die mit angenehmer, nicht zu expressiver Mimik und Gestik und amüsanten Pointen dem Ganzen erst Charme und Leben verleihen. Ein Übermaß an Fragen, die ein oder zwei Mal vorgelesen werden müssen, eine komplizierte Ratedramaturgie sowie ein enger Zeittakt stören nur. Das Quiz bietet im besten Fall einigen Raum, damit sich Moderatoren und Kandidaten entfalten können. Die Fragen wiederum wirken im besten Fall anregend, sodass die Leute nicht über sich selbst und ihre Ansichten berichten müssen, sondern sich unbeschwert Assoziationen und Pointen hingeben können.

Eine bemerkenswerte Mischung bietet die deutsche »Who Wants to Be a Millionaire?«-Fassung an (RTL, läuft seit 1999, immer noch sehr erfolgreich, z.B. am 6.1.2022 bei einer Extra-Ausgabe insgesamt fast 5 Millionen Zuschauer, die im Schnitt einschalteten, macht einen Marktanteil von 19,2 %; bei den 14- bis 49-Jährigen immerhin 18,3 %). »Wer wird Millionär?« besitzt einen äußerst routinierten Moderator, Günther Jauch, der dennoch nicht nur für Entspannung sorgt. Die Fragen sind auf den mittleren Stufen oft recht einfach, weil sie aber nicht skurril ausfallen, ist es peinlich, sie falsch zu beantworten (Studenten liefern zuverlässig solche zwiespältigen TV-Highlights). Licht- und Soundregie sollen Dramatik erzeugen, weil die Show aber bereits sehr lange läuft, agieren viele Kandidaten im Gefühl höchster Vertrautheit. Die durchschnittlichen Gewinnsummen sind eher bedeutungslos (16.000, 32.000 Euro), die Aussicht auf mögliche große Summen bringt aber ein gewisses Hochgefühl hinein (wenn man auch anmerken muss, dass die 500.000 oder 1.000.000 Euro nach zwei Jahrzehnten vielleicht an Glanz, ganz sicher aber an Wert verloren haben; in Berlin z.B. kann man für den Höchstgewinn gerade mal noch eine 80-Quadratmeter-Neubauwohnung kaufen).

Da die Sendung den Kandidaten für die Beantwortung der Fragen kein Zeitlimit setzt, fungiert sie nicht nur als Quiz, sondern auch als Panorama des Deutschen. Wo sieht man sonst über derart lange Zeiträume (oft eine halbe Stunde lang) Rentner, Pfleger, Büroangestellte, Handwerker, Kleinunternehmer etc.? So relativiert sich auch die Gewinnsumme, 16.000 Euro oder 32.000 Euro stellen für einige von ihnen hohe Beträge dar. Meist soll das Geld für Fernreisen oder ein neues Auto eingesetzt werden, schlechte Nachrichten für Fridays for Future. Die Auswahl der Kandidaten geht offenkundig nicht auf ein Bestreben der Produktionsfirma zurück, die Geldgewinne niedrig zu halten; auch Unidozenten und Hobbyenzyklopädisten besitzen wahrscheinlich keine höheren Gewinnchancen. Die Fragen sind breit gestreut, Politik, Erdkunde, Boulevard, Garten, Formel 1, Fußball, Bestseller, Statistiken, Tiere usw. Das Ideal der Sendung ist der dem Praktischen nicht abgeneigte Zeitungsleser, der zudem historische Sachbücher liest oder entsprechende TV-Dokus schaut. Wohl genau der Typus, den Politiker meinen, wenn sie vom ›bürgerlichen Wähler‹ sprechen. Der ältere Bildungsbeflissene ist hier ebenso überfordert wie die jüngere Social-Media-Generation.

Auch beim jüngsten Quiz-Erfolg »Wer stiehlt mir die Show?« (Pro7, läuft seit 2021, mitunter in der für die Werbung wichtigen Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen mit Einschaltquoten um die 20 %) ist das nicht anders. Insgesamt gibt es bei der Show von Joko Winterscheidt (zusammen mit überwiegend bekannten Kandidaten aus Film, Musik, Social Media und TV) mehr Popmusik-Fragen als üblich, aber auch viele klassische Quiz-Themengebiete kommen zur Sprache. Die alten wie die neuen Fragen werden teils mit bewährten Gestaltungsmitteln (verfremdete Songs müssen erkannt, Lückentexte aufgefüllt, Personen bildhaft elementweise erschlossen werden), teils mit neuen Showelementen präsentiert (Anleihen an Social-Media-Design, gespielt wird nicht um Geld, sondern um die Moderationsrolle). »Kultur«-Fragen nach Beethoven, Warhol, Napoleon etc. können dort bislang nur von älteren, öffentlich-rechtlich ausgebildeten Prominenten wie Thomas Gottschalk und Anke Engelke erfolgreich beantwortet werden. Die anderen Kandidaten wie Elyas MʼBarek, Shirin David, Riccardo Simonetti, Palina Rojinski müssen (nur) hier zurückstecken, ebenso aber auch der jeweils unbekannte Mitspieler (zuletzt etwa eine Radiomoderatorin); diese No-Name-Repräsentanten sind nicht allein bei den »Kultur«-Fragen, sondern auch in den meisten anderen Spielrunden unterlegen, an Charme und Witz ohnehin.

Das ist keine Überraschung mehr. Da sich schon seit vielen Jahren zahlreiche TV-Akteure ebenfalls den Spielaufgaben stellen, ist mehr oder minder amtlich, dass die Fernsehstars in vielfacher Hinsicht zu den ›Besten der Nation‹ gehören, ihren Anhängern überlegen. Günter Jauchs Intelligenz-Überprüfungsshow »Bin ich schlauer als …?« hat sogar repräsentativ den Nachweis erbracht, dass Verona Pooth, Oliver Pocher u.a. bei IQ-Test-Aufgaben besser abschneiden als die Mehrheit der Deutschen. Die ›hohe/niedrige Kultur‹-Unterscheidung wird so durch die früher gerne der ›low‹ bzw. ›popular‹ oder ›mass culture‹ zugeschlagene TV-Unterhaltung für die handelnden Personen zugleich dementiert (bei den Stars) und nahegelegt (bei der Mehrheit der Zuschauer), zumindest was den nach einem bekannten Verfahren messbaren Intelligenzgrad anbelangt. Nur Moderator Jauch selbst lag genau in der Mitte (besser als 51 % der Deutschen), vielleicht auch ein Grund für seine anhaltend hohen Sympathiewerte bei einem großen Publikum.

Bei »Bin ich schlauer als …?« taucht wegen des repräsentativen und naturwissenschaftlichen Anspruchs sogar die alte Ausgangsfigur des Massenmedien-Quiz, der Professor, wieder auf. Nun wenig showgemäß aber kein Hochstapler, sondern ein Neurobiologe, Direktor des Zoologischen Instituts der TU Braunschweig. Das hat es seit den Tagen von Wim Thoelkes »Der große Preis?« (ZDF, 1974 bis 1992) derart exponiert wohl nicht mehr gegeben, als in der Schlussrunde der vor allem in den 1970er Jahren am Donnerstagabend äußerst publikumsträchtigen Sendung (bis 60 % Einschaltquote) die Kandidaten ihr Fachwissen unter akademischer Aufsicht bewähren mussten (unter den Quiz-Juroren Hans-Otto Hügel, Professor für Populäre Kultur).

Das führt zur abschließenden Frage: Wer entscheidet darüber, ob die Fragen richtig oder falsch beantwortet wurden? Augenscheinlich der Moderator, allerdings ist er bloß Gefangener der Vorgaben. Um für Richtigkeit zu garantieren, bleiben nur die einfachen Tatbestände übrig: Eigennamen, statistische Daten, Teile von Gesetzen, Klassifikationen und Nominaldefinitionen; die große Welt der historischen Ursachen, Motive, Wahrscheinlichkeiten, bedeutenden Zusammenhänge muss versinken, um das Quiz ordnungsgemäß auferstehen zu lassen. Darüber wacht die Redaktion.

Aber wer wacht über sie? Wer ist die Autorität? Eine Anekdote kann im Falle von »Wer wird Millionär?« Auskunft geben. Gefragt wurde 2005 für 500.000 Euro nach: »Welcher Nobelpreisträger für Physik war mehrfacher Fußballnationalspieler seines Landes?« Antwortmöglichkeiten: Gustav Hertz, Niels Bohr, Pierre Curie, Henri Becquerel. Als richtige Antwort wurde »Niels Bohr« benannt. Belegbar sei aber nur, heißt es, »dass der Bruder Harald Bohr Fußball-Nationalspieler für Dänemark war. Beide Brüder waren erfolgreiche Vereinsfußballer. Der dänische Verband erklärte, für die Zeit Anfang des 20. Jahrhunderts keine Aufzeichnungen mehr zu haben. Möglicherweise beruht die Information, dass auch Niels Bohr Nationalspieler war, auf der Meldung einer dänischen Tageszeitung anlässlich der Nobelpreis-Verleihung an Niels Bohr. Eine der Quellen für die WWM-Redaktion war (neben der Brockhaus-CD-ROM) Wikipedia. Im Anschluss an die strittige Frage wurde dort der Eintrag zu Niels Bohr geändert. Der Kandidat wurde erneut eingeladen.« Und »nach der ›Niels-Bohr-Frage‹ wird die Wikipedia von der WWM-Redaktion jedoch nicht mehr als Quelle zugelassen.« Woher diese Auskunft stammt? Natürlich von Wikipedia. Ob sie als Material für eine neue Frage taugt – worauf beruht die TV-Rateshow, a) auf Brockhaus, b) auf Wikipedia, c) auf Universitätsdozenten, d) auf Professor Quiz –, kann darum nicht sicher gesagt werden.

 

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