Der Making-of-Film
von Hans J. Wulff
7.2.2023

Aufklärung als Promotion

Wenn ein Zauberer seine unfasslichen Tricks vorführt, eine Dame verschwinden lässt oder ein Kaninchen aus dem Hut hervorholt, das dort nicht drin gewesen sein kann, dann erwacht in jedem Zuschauer eine tiefe Neugierde daran, sich zu fragen, wie der Künstler das gemacht hat. Natürlich: Zuallererst muss der Trick gelingen und der Zuschauer ob der Unmöglichkeit des Geschehens nicht nur staunt, sondern auch überrascht ist – immerhin scheinen Gesetze der Physik oder der Wahrnehmung alltäglichen Geschehens außer Kraft gesetzt zu sein! Aber danach, schon wenn der Beifall dokumentiert, dass es tatsächlich gelungen ist, die Wahrnehmung irritiert zu haben, erhebt sich die Frage: Wie hat der Zauberer es angestellt? Der Zuschauer weiß, dass er in seiner Alltagswelt ist und dass er seinen Wahrnehmungen trauen kann; doch für den Moment einer Überraschung ist diese Sicherheit außer Kraft gesetzt: Man wurde in eine Illusion gelockt und ist dem Zauber aufgesessen!

Dass das Kino als die vielleicht perfekteste Illusionsmaschine von Beginn an mit diesem Doppel von Überraschung und Nachfrage gespielt hat, stellt nicht nur unter Beweis, dass das Illusionieren einer der basalen Prozesse ist, auf den die Inszenierung abzielt. Eine Explosion – und das Auto, das gerade noch auf der Straße gefahren ist, ist verschwunden: Es kommt auf das Genre an, ob die momentane Überraschung in Schreck mündet oder ins Lachen; in beiden Fällen erhebt sich der Zuschauer über die Annahme, der Film zeige die normale Wirklichkeit, sondern er gliedert sich in den Fluss der Emotionen ein, der den Genuss der Erzählung eigentlich erst ausmacht. Und selbst wenn einer mit dem Pferd eine vierzig Meter hohe Klippe hinab ins Wasser springt, kann es das Ende des Bösewichts bedeuten oder die finale Rettung des Helden – die Frage aber bleibt: Wie ist‘s gemacht? Wie kann es sein, einen solchen Stunt auszuführen, ohne dabei ums Leben zu kommen?

Dass es eine enge Beziehung der Zauberer und dem Kino gibt, mag man an der Tatsache festmachen, dass sich eine ganze Reihe von Illusionisten und Zauberkünstlern auch des frühen Films angenommen haben. Artistische Leistungen (wie in Slapstick und Vaudeville) ebenso wie die Mittel der Erzeugung von Horroreffekten (wie in Horrorshow und dem Grand-Guignol-Theater als Bühnen-Formate erprobt) – es ist eine ganze Reihe von Künsten, die im Kino fortleben und die mit der ambivalenten Position des Zuschauers zwischen Illusion, Staunen und Wissen über den Aufführungscharakter spielen.

Die paratextuellen Felder des Kinos

Es ist die Zweistimmigkeit der Rezeption aller Überraschungs- und Staunensstrategien, die die Kinorezeption von Beginn an begleitet hat. Doch es lohnt, noch einen Schritt weiter zurückzugehen. Wenn man den Fokus nicht auf die Herstellung von Filmen beschränkt, sondern auch andere Sujets – den Bau von Brücken, die Konstruktion von Impfstoffen, die Erfindung künstlicher Lebensmittel usw. – in den Blick nimmt, stößt man auf eine elementare Neugierde, die durch „Machen-Filme“ bedient werden. Viele Kleinfilme der Sendung mit der Maus gehen auf die Frage ein, die viele Kinder auch im Alltag stellen: Wie geht das? Wie ist das gemacht? Es mag diese elementare Neugierde sein, für die schon früh Filme entstanden wie der One-Reeler How Motion Pictures Are Made and Shown (USA 1912, P: Edison), der die Arbeiten im Studio, die Arbeit der Kamera, die Aufnahmen und sogar die Arbeiten im Kopierwerk zeigt; und auch die Gattung des Films-im-Film entstand früh, man denke an Charlie Chaplins Filme Behind the Screen (USA 1916) über einen Studioarbeiter, der einer jungen Frau (Edna Purviance) Arbeit verschafft, obwohl das Studio bestreikt wird, oder der eher unerhebliche  How to Make Movies (USA 1918) über eine Begehung des Chaplin-Studios – Filme, die nicht nur eine Geschichte erzählen, sondern darüber hinaus das Filmhandwerk vorstellen, die Vielfalt der beteiligten Gewerke, die involvierte Technik und gelegentlich sogar dramaturgische Überlegungen, ohne sich allerdings den besonderen Bedingungen der Produktion einzelner Filme zuzuwenden (Hediger 2005, 333).

Je aufwendiger die Produktionen (und ihre Kosten) wurden, je mehr sich die Genres herausbildeten und je ausgeprägter die Starverehrung wurde, desto mehr entstand eine Parapresse des Films, die über neue und laufende Filmprojekte berichtete, Personen des Films porträtierte, immer wieder auch technische Innovationen und die Tricks des Films thematisierte. Die Geschichte des Making-Ofs kann nur als eine mediengenealogische Entwicklung entworfen werden, die ihre Anfänge nicht nur in der Fachpresse des Films, sondern vor allem in ihren Publikumszeitschriften aufsuchen muss. Natürlich steht hier weniger ein aufklärerischer Impetus zur Diskussion, sondern vielmehr ist der werbliche Charakter der meist illustrierten Berichte zu erkennen (weshalb sich auch die Sensationalität der Produktion, der Aufwand, der getrieben wurde, die Präsentation technischer Innovationen sich neben boulevardesk aufbereiteten Personalia finden).[1]

Über die auch den zeitgenössischen Zuschauern durchaus erkennbaren werblichen Interessen, unter denen Produktions- und Drehberichte entstanden, umweht das Machen des Films aber weiterhin ein Geheimnis. Schon terminologisch deutet die Wendung „Behind the Scenes“, die seit den 1910ern in zahllosen Publikationen verwendet worden ist (und die sich bis heute vor allem in Buchtiteln findet, die die Produktion einzelner Filme darzustellen versprechen), darauf hin, dass der interessierte Leser Aufklärung erwartet über Prozesse, die – sozusagen unsichtbar – hinter den Kulissen der Studios ablaufen. Zum Teil sind es Sensationsbedürfnisse, die auch ins Vorfeld der Skandale der Filmgeschichte gehören; aber es sind auch Interessen am Technischen, an den Machtverhältnissen in den Studios, an Details der Inszenierung. „Hinter den Kulissen“ verspricht Blicke auf eine verborgene Welt; es nimmt nicht wunder, dass in den letzten Jahrzehnten sich die einschlägigen Untersuchungen über die Geschlechterordnung des Hollywoodsystems insbesondere gehäuft haben – dem aufklärerischen Impuls folgend, der fast allen Formen des Making-Ofs auch unterliegt.[2]

Filmische Paratexte einzelner Filme finden sich seit den 1920ern in den Wochenschauen – kurze Filmschnipsel, die kommende Filme ankündigen, an die Produktionsstandorte gehen, oft an die Konventionen des Kulturfilms erinnernd. Schon in den 1920ern begann eine Diskussion darüber, ob derartige Einblicke in die Produktionspraxis nicht die Intensität des Kinoerlebnisses schmälerten, weil sie eine Desillusionierung von Film und Kino betrieben (Hediger 2005, 134f). Eine Sonderrolle nimmt der Neunminüter How Walt Disney Cartoons Are Made (USA 1937), der einen Blick hinter die Arbeiten an dem Disney-Film  Snow White and the Seven Dwarfs (USA 1937, David Hand […]) nimmt, dabei alle Abteilungen berührend, die an einem Zeichentrickfilm beteiligt sind; der Film wurde als „Kulturfilm“ im Vorprogramm von Kinos eingesetzt. Andere Zehnminüter über Großproduktionen folgten (Hediger 2005, 337).[3]

Obwohl long-métrage-Making-Ofs erst viele Jahre später entstanden, setzten die Disney-Studios mit dem 74 Minuten langen The Reluctant Dragon – Behind the Scenes at Walt Disney Studio (USA 1941, Alfred L. Werker […]): Der in ganzer Länge inszenierte Film ist keine Dokumentation der tatsächlichen Produktionsprozesse, sondern eine – durchaus unterhaltsame und gleichzeitig lehrreiche – Geschichte über den seinerzeit berühmten Humoristen Robert Benchley (der sich selbst darstellte), der versucht, seine Geschichte des „widerwilligen Drachens“ (reluctant dragon) Walt Disney als Konzept für einen Zeichentrickfilm zu präsentieren; es sind Zufälle, manchmal humoristische Einlagen, die ihn in die Abteilungen des Studios führen – in jedem entsteht gerade eine neue Produktion, die später tatsächlich auch in die Kinos kam; und am Ende kommt er zu Walt Disney selbst, der den 20-Minüter The Reluctant Dragon (USA 1941, Hamilton Luske) gerade beendet hat und Benchley zu einem Screening des Films einlädt (der Film läuft sodann in ganzer Länge).

In der Geschichte der Langfilm-Making-Ofs blieb The Reluctant Dragon ein früher Vorläufer, dem sich erst viel später andere Filme zugesellten. Einer der bekanntesten ist sicherlich Making of a Legend: ‚Gone With the Wind‘ (Der Film, der zur Legende wurde: ‚Vom Winde verweht‘, USA 1988, David Hinton) – passend zum USA-Neustart der restaurierten Fassung des Films am 3.2.1989. Dass es ausgerechnet der erfolgreichste Film der US-Filmgeschichte war, der mit seinen zahllosen Begleit-Anekdoten, historischen Verweisen und nie erfassten Seh-Erfahrungen von Zuschauern mit einem Making-Of geehrt wurde, das zudem die Kino- und folgende Videoauswertung stützte, nimmt angesichts der sich massiv verändernden Verwertungsketten der Filmindustrie nicht wunder. Auch diese Entwicklung erschließt sich erst, wenn man das ökonomische System ‚Filmindustrie‘ als Teil der Formengeschichte mitdenkt.[4]

Mit der Aufkunft des Fernsehens in den späten 1940ern und frühen 1950ern entstand eine neue Präsentationsform für den Making-Of-Promofilms – als Mischung der TV-Formate Reportage, Boulevardbericht und Bildungsprogramm. Manche sprechen sogar davon, dass erst jetzt „das Making-Of-Feature als neue Plattform der Promotion eines Filmes entdeckt“ (Rauscher 2007, 412) worden sei.[5] Für die Authentifizierung sorgten zunehmen die Filmemacher selbst; es entstanden sogar erste Parodien auf die Making-Ofs (berühmt sind Alfred Hitchcocks Pseudo-Featuretten etwa zu seinen Filmen Psycho [1960] oder The Birds [1962]); ein bemerkenswertes Kuriosum ist sicherlich der 45-Minüter The Making of ‚Star Wars‘ (Krieg der Sterne, USA 1977, Robert Guenette), in dem R2-D2 und C-3PO die Herstellung des Films moderieren, der sie selbst berühmt machte und überhaupt erst in die Welt brachte.

Fast alle diese Filme sind TV-Produktionen und wurden im Fernsehen ausgewertet. Doch nicht nur Filme wurden mit Making-Ofs bedacht, sondern zunehmend auch TV-Produktionen und -Serien (wohl parallel zur Entstehung TV-orientierten Fantums). Die Produktion dieser TV-Filme übernahmen oft kleinere Firmen (Böhnke 2005, 217; Steinhart 2018, 101ff), in denen das später so standardisierte dramaturgische Misch-Programm von Interview, Beobachtung, Einspiel von Szenen usw. entwickelt wurde. Im Lauf der 1970er wurden die Making-Of-Features länger, viele wuchsen auf 30 Minuten Länge an; ein bekanntes Beispiel der Zeit ist der 35-Minüter Making ‚The Shining‘ (USA 1980, Vivian Kubrick).

Damit wuchs den Making-Ofs eine kulturelle Grundfunktion zu – sie wurden zu einem konventionalisierten Instrument der Zirkulation kulturellen Wissens. Es waren in diesen Jahren die „Leuchttürme“ der Populärkultur, die mit eigenen Filmen bedacht wurden, die sie zugleich auszeichneten und die deren Präsenz im kulturellen Gedächtnis unterstrichen – Filme wie Steven Spielbergs Jaws (1975) in der Videoproduktion The Making of Steven Spielberg’s ‚Jaws‘ (USA 1995, Laurent Bouzereau, 125min), Francis Ford Coppolas The Godfather-Trilogie (1972-90) in dem pünktlich zum Start des dritten Teil entstandenen The Godfather Family: A Look Inside (USA 1990, Jeff Werner, 73min) oder der James-Bond Film Thunderball (1965) in Behind the Scenes with ‚Thunderball‘ (Großbritannien 1995, John Cork, 57min). Diverse Filme waren auf der Grenze zur populären Musik angesiedelt, adressierten wohl eher ein musikophiles als cineastisches Publikum; man denke an Filme wie The Making of ‚Thriller‘ (USA 1983, Jerry Kramer, 70min) über das Michael-Jackson-Video gleichen Titels oder an Inside the Labyrinth (USA 1986, Desmond Saunders, 57min) über den gleichzeitig gedrehten Film mit David Bowie.

Auch die Gedächtnisinstrumente der populären Kulturen gehören dieser selbst zu – für die Gattungsgeschichte des Making-Ofs ein gewichtiger Schritt, weil das Genre sich zumindest partiell aus dem Dominat des Film-Marketing löst. Das aber nur am Rande.[6]

Die DVD und die Zeit der Bonus-Tracks

Erst in den 1980ern – folgend der Einführung der Videokassette als Verbreitungsmedium von Filmen – und vor allem in der zweiten Hälfte der 1990er – nach der Standardisierung der DVD (1995) und ihrer Markteinführung in den Folgejahren – kommt es zu einem explosionsartig anwachsenden Produktionsvolumen der Making-Of-Industrien: Die enorme Speicherkapazität der DVD gestattete es, nicht nur einen Film, sondern auch eine ganze Reihe von Bonus-Tracks unterzubringen, eine Zusatzausstattung, die bereits zu Zeiten der Videodisc- und der Laserdisc-Auswertung von Filmen in den frühen 1990ern häufiger angeboten wurde.[7] Auch die theoretische Beschäftigung mit dem Textformat der Making-Ofs ist wohl ursächlich mit ihrer Präsenz auf den DVDs zu begründen – in den Jahren um 2005 entsteht eine ganze Reihe von Arbeiten, die sich mit den Strukturen und Leistungen der Making-Ofs beschäftigen (und dabei auch die ersten „Faking-Ofs“ thematisieren, einer Spielart der Making-Ofs, die in der Tradition der dokumentarischen Mockumentaries stehen – die ihrerseits „Dokumentarfilme“ über erfundene Sujets mittels der dokumentarischen Stilistiken imitieren und parodieren).

Bemerkenswert ist, dass sich die Bonus-Filme zur konventionellen Ausstattung der DVD (zumindest neu produzierter Filme) entwickelt haben. Damit werden eine ganze Reihe von Paratexten des Films zugleich zugänglich. Und schon in der Anlage der DVD wird der Vorgriff auf Nutzungsformen sichtbar, der in die gewohnte Rezeption im Kino und im Fernsehen eingreift. Man könnte die These formulieren, dass die DVD ein Dispositiv möglicher Besichtigungen des Films – der weiterhin natürlich den Primärtext der DVD bietet – vorformatieren könnte.[8] Abgezielt ist unter Vorgabe dieser These auf ein Ensemble von Zuwendungsweisen, die erst durch die DVD ermöglicht werden und die das Interesse von Cinephilen am Making-Of von Filmen oder von Blicken hinter die Kulissen der Produktion (der bekannte look behind the scenes) aus der schriftlichen Begleitpublizistik von Filmen in eine audiovisuelle Form erweitern und vielleicht sogar in Teilen überführen. Die „Philologisierung der Filmrezeption“, über die man auch spekulieren könnte, würde dadurch erheblich relativiert.

In eine ähnliche Richtung argumentiert Volker Wortmann, der festhält, dass die DVD-Editionen von Filmen „diverse Zugänge zum Werk [öffneten] und […] den jeweiligen Referenzfilm mit multiplen Diskursschichten“ anreicherten (2010, 98). Folgerichtig nimmt er die Making-Ofs als Beiträge zu weit über die Thematisierung von CGI-Tricks und die Authentizität des Dargestellten hinausweisende Diskursivierungsformen von Filmen (oder sogar von Film im allgemeinen) – wiederum mit dem Nebeneffekt, dass die Produzenten mittels der Making-Ofs die Interpretation der Filme beeinflussen (vgl. Wortmann 2010, 99) oder dieses zumindest können. Wortmanns Argumentation würde dazu führen, die Beziehungen zwischen Film und Making-Of nicht nur als referentielle Beziehung aufzufassen, sondern das Making-Of als einen Interpretation instruierenden Metatext zu seinem Objekt anzusehen. Filme bieten ein Geflecht von Themen und Diskurs-Ankern an, das in den filmischen Paratexten immer schon einen Echoraum gefunden hat, der allerdings unübersichtlich, zerstreut und oft für den einzelnen unerreichbar ist. Und der in sich differenziert ist, sich an Fachleute und Wissenschaftler ebenso wendet wie an Fans und Interessierte. Hedigers These, dass „Technik, Stars, industrielle Produktion und Autoren“ (2005, 332) die bevorzugten Themen von Making-Ofs seien, greift darum zu kurz, weil er die durch die DVD ermöglichte Nähe und Zugänglichkeit ganz verschiedener paratextueller Stimmen nicht notiert.

Aaron Barlow hat 2005 in seinem Buch The DVD Revolution darauf hingewiesen, dass die Vielfalt der DVD-Extras noch in der Entwicklung begriffen sei und dass es noch Jahre brauchen werde, bevor ein Katalog von DVD-Features in die Lage käme, Vollständigkeit anzustreben. In einem ersten Versuch (Barlow 2005, 78f; zit. n. Distelmeyer 2007, 398) unterscheidet er zwölf Kategorien:

  1. Audiokommentare
  2. Technische Informationen
  3. Historische Informationen
  4. Interviews
  5. Making-Of und weitere Dokumentationen bezüglich der Film- oder der DVD-Produktion
  6. Dokumente zur Filmproduktion (Memos, Briefe, Foto-Galerien, Verträge, Storyboards etc.)
  7. Spiele
  8. Deleted Scenes
  9. Alternative Versionen (z.B. alternative Enden und Anfänge, bzw. komplette Versionen)
  10. Musik(-Videos) und Soundtracks
  11. Newsreels, Kurzfilme, Cartoons, Trailer
  12. Zusätzliche Feature-Filme

Andere Textsorten wie gag reels, easter eggs (also Zusammenschnitte von Filmpannen, Outtakes, nur dem Connaisseur zugänglichen Anspielungen), Video- und Computer-Spielen treten dazu. Sichtbar wird eine Fülle von Sekundärtexten, die in unterschiedlichster Beziehung zum Haupttext stehen; und es wird sichtbar eine unübersehbare Fülle, die den Zugriff auf den einen oder anderen Begleittext oder -service motivieren könnte. Vielfach bieten die DVDs außerdem ein Versprechen auf „Interaktivität“ und „Gestaltungsvielfalt“ an, auf eine interaktive Beziehung von DVD-Nutzer und technischem Medium ausgreifend.[9]

Wendet man die Metapher des „Dispositivs“ in der Fassung von Foucault auf die DVD und ihre Nutzungsoptionen an, dann stellt sich auch die Frage nach den im Dispositiv geronnenen Machtverhältnisse. Dann erweist sich die in der DVD- und Blue-Ray-Werbung so zentrale Behauptung der „Selbstermächtigung“ des Zuschauers (Distelmeyer 2012, 55) als ambivalent, weil sie nicht ohne deren gleichzeitige Machtlosigkeit zu haben ist. Für‘s erste wirft die Kopräsenz von Film und Paratexten verschiedenster Art die Frage auf, ob weiterhin der Film als „Primärtext“ dieses Textverbundes angesehen werden kann, zumal die geschnittenen Szenen, alternative Enden und ähnliches seine Rolle als definitives Produkt des Herstellungsprozesses in toto relativieren. Es ist die Frage des „authentischen Originals“, die sich in der Filmgeschichte allerdings angesichts der diversesten Schnittversionen, der Varianz von Farbe und Schwarzweiß, der Seitenverhältnisse u.a.m. von Beginn an stellen. Natürlich steht zweitens die DVD im Rahmen juristischer Ordnungen (sichtbar an der Geltung von Regionalcodes, an Kopierschutz, am Hinweis auf begrenzte Nutzungsrechte) ebenso wie unter ökonomischem Diktat (manifestiert z.B. als Zwangstrailer, die der eigentlichen Nutzung des Films zwangsweise vorgeschaltet sind). Es waren vor allem die Überlegungen Jan Distelmeyers, die neue Präsentation von Filmen auf DVD und Blu-Ray in den Horizonten der Dispositiv-Theorie auszuloten, die die DVD als „Technologie des flexiblen Kapitalismus“ (2012, 219) zu bestimmen sucht und das im Dispositiv konstituierte Konzept des Subjekts in den Dimensionen von „Flexibilität“, „Risiko“ und „Aktivität“ (ebd.) bestimmt.

Selbstmanagement von Rezeptionserlebnissen unter Vorgabe der DVD-Extras

Ob man Distelmeyers Überlegungen folgen will oder nicht, so stellt sich zum einen die Frage nach den empirischen Implikationen der Radikalisierung der Dispositiv-Metapher – angesichts bis heute nicht vorliegender Studien zum tatsächlichen Umgang von Nutzern und DVD-Filmen – ebenso wie nach der Generierung von Modellen, die die Diversifikation von Nutzungsmustern erfassen können. Klar ist, dass der DVD-Konsum im heimischen Umfeld stattfindet (wenngleich die Mobilisierung der Zuschauorte nach der Entwicklung von portablen Computern seit den 2010ern vor allem auf Reisen in Bahn und Flugzeug inzwischen normale Alltagsrealität ist). Man könnte – Distelmeyers eher theoretische Überlegungen missachtend – meinen, dass der Zuschauer mit der DVD in einen bis dahin ungekannten Freiheitsgrad der Benutzung gehoben wird, der ihm im Kino und auch im Fernsehen nicht zugänglich gewesen ist. Die DVD erweist sich in dieser Hinsicht als ein Feld optionalen Handelns im Umgang mit dem Film, aus dem je nach Motivation und situativen Gegebenheiten eine freie Kombination hergestellt werden kann, in der auch das Making-Of seinen Platz einnehmen kann (als Hintergrundinformation, als Hommage an die Personen des Films usw.). Man könnte auch der These nachgehen, dass die DVD (und neuerdings das Internet) als „Hilfsmittel“ einzuschalten, um die Zuschauer mit den neuen Auswertungswegen vertraut zu machen, anknüpfend auch an Nutzungsgewohnheiten von Fernsehen und Video. Gleichzeitig wird die Spektakularität des Dargestellten mit der Intimität und der „Unperfektheit“ häuslichen Medienkonsums vermählt, so dass zwei Rezeptionsmodi – der Film als (öffentliches) Kinoereignis und als (private) TV-Rezeption gleichzeitig angesprochen werden.[10]

Das Fehlen empirischer Untersuchungen, die Diskussion von Mustern der Nutzung oder der jeweils konkreten Verläufe von Zugriffen auf die DVD erstaunt auch aus dem Grunde, weil die Produktion diverser DVD-Extras auf Annahmen beruht, die die für den Zuschauer erreichbaren Gratifikationen ebenso betreffen wie die kognitiven und emotionalen Effekte, die deren Kenntnis beeinflussen können.  Es sind Wissenseffekte, aber es sind auch möglicherweise negative Auswirkungen auf die Intensität des eigentlichen Rezeptionsprozesses – eine Unklarheit, die schon in den 1910ern diskutiert wurde.

Die Mehrzahl der heute veröffentlichten DVDs enthält auch Making-Ofs. Und: Sie gehörten zu den ersten Beigaben, die mit der DVD angeboten wurden. Ihre Popularität basierte auf der Annahme der DVD-Produzenten, dass sie – wie andere Beigaben – die Anerkennung der Nutzer erhöhten und zudem das Verständnis der Filme erhöhten (vgl. dazu etwa Parker/Parker 2004, 14f). Auch wenn sie mit einem wohlfeilen Informations- und sogar Bildungswert der Making-Of-Beigabe argumentierten, ist die Annahme aber letztlich ökonomisch motiviert. Wenn es richtig ist, dass die Making-Ofs bis dahin erkennbar zu den werblichen Paratexten eines Films gehörten (und oft zur Bewerbung kommender Kinostarts diente, also motivationale Kontexte ähnlich denen der Trailer ansprachen), muss man auch in der Zeit der DVD die Frage nach den affektiven Funktionshorizonten von Zuschauern oder Nutzern stellen, die sie erschließen resp. denen sie zugehören.

Ich hatte eingangs die Annahme geäußert, dass Making-Ofs auf eine elementare Neugierde des Wie-ist‘s-gemacht gründeten und dass sie in Verbindung mit einer ganzen Teilgruppe der Behind-the-Scenes-Berichterstattung vor allem über die verwendeten Special-Effects stünden. Man würde dann dem Staunen über die gelungene Illusion ein Staunen über die Kunst der Illusionisten zur Seite stellen. Es ist aber vor allem gegen derartig hinter die Künste der Illusionshandwerke blickende Filme (und Berichte) aber auch schon früh eingewendet worden, dass sie zu einer Entzauberung des Films bzw. des Rezeptionserlebnisses beitrügen.[11]

Nichole Jean Evans geht in einem kleinen Aufsatz (2010) davon aus, dass gerade die „Verzauberung“ – die an Zauber oder Magie gemahnende in der Rezeption dominant versprochene Illusionierung – des Hollywood-Kinos der 1970er und 1980er mit den Making-Ofs gebrochen würden, allerdings nur auf den ersten Blick: Tatsächlich und paradoxerweise bliebe die magische Affizierung von Szenen aber bewahrt (2010, 588). Und sie behauptet weiter, dass es eine implizite Aufgabe der Making-Ofs sei, die illusionistischen Grenzen zwischen dem Film und seinem Making-Of einerseits zu durchlöchern, andererseits zu bewahren (durch die Verwendung von stills, von unbrauchbaren oder misslungenen Varianten der schließlich verwendeten Szenenaufnahmen, durch die Unterbrechung des Berichts durch Interviews etc. [vgl. 2010, 593]). Viel vorsichtiger argumentiert Matthias  Christen (2011), der nicht „rückhaltlose Transparenz“ als intentionalen Kern der Making-Ofs ausmacht – „dann würden sie den Film entzaubern“ –, sondern das Bemühen, „die Leistung der Beteiligten herauszustreichen und sujet- und genretypische Gefährdungssituationen zu authentisieren“ (2011, 96). Man mag die Bemühungen der Warner Bros., jede Art von Making-Ofs vor dem Start des zweiten Harry-Potter-Film zu unterdrücken, um die „Magie“ des  Films nicht zu verletzen, als Hinweis darauf nehmen, dass an der Vermutung zumindest bei Produktionen, deren Wirkungsästhetik in der gelingenden Illusionierung gründet, etwas dran ist.[12]

Eine wirkungspsychologische Untersuchung der Effekte von Making-Ofs auf die Rezeption des Films ist allerdings bislang rein spekulativ; so kursiert die These, dass Informationen, die die Authentizität einer Filmdarstellung unterstreichen, die Intensität der Illusionsempfindung sogar stärkten (also die Wirkungsmacht der Stunts, aber nicht der Tricks herauskehrten). Generalisierbar sind diese Vermutungen nicht – es findet sich auch die gegenteilige Behauptung, dass Filmfehler oder humoristische Darstellungen ernster Charaktere negativen Einfluss hätten.[13]

Paratextualität

Schon die Untersuchungen zum Zapping als einer Form der Fernsehrezeption deutet darauf hin, dass die in fast allen texttheoretischen Entwürfen so klare Vorstellung des Textes als einer wohlgeformten, semantisch teilautonomen Einheit sich von den Aneignungsweisen deutlich unterscheiden können. Rein formal gehören Making-Ofs zu den Paratexten von Filmen, sie bilden mit einer ganzen Reihe anderer Textsorten eine Art Feld sekundärer Texte ausbilden, die sich alle referentiell auf einen Primärtext beziehen. Sind Paratexte verschiedenster Art (und zudem noch in verschiedenen Medien) nun eine Textfamilie, die semantisch erst erschlossen wird, wenn sie in Bezug zu ihren Primärtesten gestellt werden? Oder sind sie Material für ein buntes Feld von Nutzungsweisen, die aus dem semantischen Dominat der Paratextualität ausscheren und auch ganz anders genutzt werden können? Werden sie vielleicht manchmal zu Paratexten eines anderen Feldes, das gar nicht vom Primärtext regiert wird, sondern von Kernen anderer Art? Von kulturellen Wissenseinheiten, wie es Personalia sein können, technische Innovationen und ähnlichem? Ich hatte oben schon von einem Feld paratextueller Gebrauchsweisen gesprochen – eine Sichtweise, die sich aus der engen Solidarität von Primär- und Sekundärtext löst und das paratextuelle Verhältnis selbst dann als nur eine Option der Aneignung ansieht, wenn der Bezug zum Primärtext explizit benannt ist.

Der Zuwendungsmodus kann also variieren, je nachdem, welcher thematische und semantische (und meist auch motivationale) Kern der Rezeption unterliegt oder unterlegt wird. Hier geht es dann allerdings nicht mehr um Illusionierung, die als primärer Aneignungsmodus der Rezeption von Primärtexten unterstellt wird[14], sondern um eine andere textmodale Fixierung des Textes (der auch „Paratext“ im genannten Sinne sein könnte, aber eben auch Dokument einer Fan-Verehrung, Erklärung und Illustration von Stunt-Szenen oder ein Blick in die traditionellen Sitten etwa der Voodoo-Kulte [in dem das Intro zum Film eher stört]).

Making-Ofs als Quellen und als Texte

Es ist gerade die Offenheit der Nutzungen der Making-Ofs und der Bedeutungshorizonte, die in ihnen angelegt sind, die es nötig machen, ihren Wert als filmhistorische Quellen zu befragen. Einige Skepsis ist angebracht, auch wenn mehrfach die These geäußert worden ist, dass Making-Ofs (neben anderen Feature-Formaten) populäre Geschichtsschreibung des Films betrieben. Ist sie ernst zu nehmen? Oder sollte man sie gleich mit dem Verdikt „pseudodokumentarischer Werbefilm“ (Knapp/Hampel 2006, 151) wegwischen?

Projekthaftigkeit und Teleologie

Tatsächlich ist eine summarische Kategorisierung sicher von der Hand zu weisen, es muss fallweise nach dem Quellenwert gefragt werden. Viele Making-Ofs enthalten Interviews mit Beteiligten, die erst nach den Dreharbeiten entstanden, ein dokumentarisches Verfahren, das an Methoden der oral history erinnert. Gerade darum aber: Will man Making-Ofs als Quellen auswerten, bedarf es genauer Quellenkritik und Quellenskepsis, weil das Erzählte oft genug zur Anekdote und zur summarischen Aussage geworden ist, aber nicht dem Jetzt der Produktion entstammt. Die Nähe vieler Elemente der Making-Ofs zu Klatsch, zur Hagiographie einzelner Figuren (vor allem der Regisseure und der Schauspieler), die Funktionen der Filme als Teil von Werbung und Marketing gilt es auszuklammern (bzw. einzeln zu identifizieren und zu relativieren); die Unsicherheit der Verifizierung der Aussagen ist gleich unter mehreren Aspekten problematisch – weil die Statements der Beteiligten in mehr oder weniger großem Abstand zu den tatsächlichen Arbeiten am Film gewonnen werden (und das Geschehen essentialisieren und anekdotisieren oder es sogar mit Erfundenem durchsetzen), weil sie mit den Selbstdarstellungsstrategien der Befragten zusammenhängen und weil sie sich natürlich in das dramaturgisch-intentionale Gerüst der Making-Ofs eingliedern. Manchmal ist von retrospektiven Making-Ofs die Rede, die erst nach Abschluss der Arbeiten am Film kompiliert werden (und die darum oft den inzwischen vorliegenden Film als teleologisches Ziel der Arbeiten behandeln).

Die Arbeit an einem Film ist Arbeit an einem Projekt, das am Ende den Film – der bis dahin nur als Plan, als Projektion seines Finales und Abschlusses existiert; das Teleologische ist essentielles Bestimmungselement des Projekts, weshalb das finale Objekt für die retrospektiven Erzählungen ein narrativer Perspektivpunkt ist, der sich quasi natürlich anbietet. Darum auch ist die Erzählung von Widerständen, Unglücken, fatalen Entwicklungen, die dem Anschluss des Projektes entgegenstehen, ein Thema retrospektiver Making-Ofs, das eine innere Dramatik besitzt, die Erzählung werden kann. Ein Beispiel ist etwa Lost Soul: The Doomed Journey of Richard Stanley’s Island of Dr. Moreau (USA 2014, David Gregory) über die Arbeiten an John Frankenheimers The Island of Dr. Moreau (D.N.A. – Experiment des Wahnsinns, USA 1996), der von Konflikten über das Drehbuch berichtet, von katastrophalen kreativen Entscheidungen, von allgemeiner Interesselosigkeit der Crew an Stoff und Film und wetterdingten Verschiebungen und Veränderungen der Dreharbeiten handelt. Die Widernisse, die der Durchführung des Projekts entgegenstanden, mündeten trotzdem in den schließlich vollendeten Film ein, und sie sind der Kern der Erinnerungserzählungen an die Dreharbeiten, die zu success stories werden – darin unterschieden sich Making-Ofs nicht von retrospektiven Erzählungen über einen Hausbau.

Figuren im Licht

Andere Projekte, andere Erzählungen. Und andere Dramaturgien der Making-Ofs. Oft feiern sie die „großen Figuren“, denen Leitungsfunktionen ebenso zugeordnet werden wie Entscheidungen über die ästhetischen Qualitäten des finalen Films. Auch hierzu ein Beispiel: Robert  Altman wird  in Luck, Trust & Ketchup: Robert Altman in Carver Country (USA 1993, John Dorr, Mike Kaplan) in Relation zu seinem Schauspieler-Ensemble durchgängig als  paternale  Figur  gezeichnet.  Mit  Zuwendungen  und  charmanten  Zurückweisungen legt er für die Schauspieler des Episodenfilms Short Cuts (USA 1992) lediglich den Rahmen ihrer  künstlerischen  Entfaltungsmöglichkeiten  fest  und  erfährt  dafür  in  zahllosen Interviews überbordende Verehrung (berichtet nach Wortmann 2010, 103).

Auffallend ist also die Auswahl der Sprechenden, die in Making-Ofs zu Wort kommen. Es sind durch die Bank die sichtbaren Figuren (die Schauspieler), selten die Produzenten, manchmal Kameraleute und Cutter. Schon die Drehbuchautoren sucht man meist vergebens – und erst recht das unsichtbare Personal bleibt im Off der Darstellung. Darin ähnelt das Making-Off der Öffentlichkeitsarbeit für Filme (wer steht nach der Uraufführung auf der Bühne? Wer steht der Presse Rede und Antwort), arbeitet der Präsentation der Filmindustrie für die filminteressierten Publika zu. Die „Making-Of-Stars“ sind zugleich die autoritativen Stimmen, die von den Arbeiten am Film erzählen können, die über die Figurenkonzeption etwas sagen können, vielleicht auch über die visuelle Gestaltung. Von der Vielzahl der Gewerke, die in eine Filmproduktion involviert sind, erfährt man im Abspann der Filme, aber nicht in ihrer öffentlich zugänglichen Präsentation (von der Verleihung spezieller Auszeichnungen abgesehen). Wer auf den roten Teppich und die Bühne vor der Leinwand darf, gehört zum öffentlichen Gesicht eines Films – und notwendigerweise spielt er eine Doppelrolle, als Regisseur und Regisseursdarsteller, als Schauspieler und Schauspielerdarsteller. Er ist an der Imageproduktion des Films ebenso beteiligt wie der seiner eigenen Images. Allerdings gilt die Doppelgesichtigkeit der Auftritte selbst für Making-Ofs, die tatsächlich während der Dreharbeiten entstehen. Das wohl bekannteste Beispiel ist der Regisseur Terry Gilliam, der in dem spielfilmlangen Making-Of Lost in La Mancha (USA 2002, Keith Fulton, Louis Pepe) von Beginn an nicht nur der Regisseur des geplanten Films war, sondern auch den Regisseur spielte; an vielen Details ist sichtbar, dass er sich seiner Rolle in Lost in La Mancha bewusst war – bis ans Ende der Dreharbeiten, die wegen Flugzeuglärms, katastrophaler Wetterbedingungen, der Erkrankung des Hauptdarstellers und finanzieller Probleme abgebrochen werden mussten.[15]

Es ist diese Mélange von professioneller Rolle, Selbstdarstellung, der Funktionen in der Außendarstellung eines Films, die in jeder Auswertung von Making-Ofs (auch bei schriftlichen Äußerungen in Interviews, Behind-the-Scenes-Büchern und ähnlichem) reflektiert werden muss. Die so sinnfällig scheinende Autorität, mit der sich Personen wie Regisseure zu einem Film oder zu den Arbeiten an demselben äußern können, ist also durchaus brüchig. Zur Autorisierung vor allem von Deutungsangeboten werden manchmal auch Filmkritiker und -wissenschaftler herangezogen. Doch das ist selten und wird wohl nur in der Produktion von Sondereditionen von Filmen eingesetzt. Weil man meist auf einen Stamm von „äußerungsbefähigten Personen“ zurückgreift, mutet das Ende von Truffauts La nuit américaine bis heute wie eine augenzwinkernde Stellungnahme zur öffentlichen Präsentation der Macher eines Films an – hier ist es der Requisiteur, dem das letzte Statement vor der Presse zugestanden wird.

Der Mythos der kollektiven Kreativität

Die Beschränkung der Personnage der an einer Filmproduktion Beteiligten ist sicherlich den Vorgaben der Filmmarketing zu verdanken, doch steht sie der oft gleichzeitig behaupteten These, dass Filme auf eine kollektive Kreativität gründeten, also – anders als viele Werke der Bildenden Kunst, der Literatur usw. – nicht auf individuelles Schöpfertum zurückgeführt werden dürften. Ob man die Annahme als „Kollektivität“, „Kooperativität“ oder „Kollaborativität“ auslegt, ist dahingestellt – jedenfalls sind ganze Gruppen von Beteiligten involviert, die ihren Beitrag zur Gestaltung des finalen Objekts beitragen. Allerdings: Die Redeweise steht zumindest in kollaborativen Kunstformen wie dem Film der Vorstellung eines Autors als Zentrum der Schöpferkraft und als letzte ästhetische Kontrollinstanz über allen Prozessen der Produktion entgegen, weil sie die Gestaltungsleistungen aller Beteiligten (und aller beteiligten Gewerke) in Augenschein zu nehmen verspricht. Die Kollektive, die in der Filmproduktion kooperieren, sind naturgemäß in den verschiedenen Stadien der Produktion verschieden – am Drehbuch sind andere beteiligt als an der Dreharbeit oder am Schnitt usw. Und manche sind nur äußerst kurzfristig an der Arbeit beteiligt. Von den vielen anderen, die außerhalb der eigentlichen Produktionscrew stehen und dennoch Impulse gegeben haben, die sich ins Endprodukt oder die Organisation der Arbeiten ausgewirkt haben, ist noch gar nicht die Rede.

Für jede Art empirischer Auslotung der Implikationen der Kollaborativitätsannahme – als teilnehmende Beobachtung der Dreharbeiten etwa, mittels solcher Mittel wie Drehberichten oder Drehbuch- und Produktionstagebüchern – wird es äußerst schwierig sein, die Impulse zu isolieren und zu nominieren, die von jeweils einzelnen (oder Gruppen) ausgehen und in die endgültigen Gestaltungsentscheidungen eingehen. Für Making-Ofs, die sich tatsächlich der Option der Herstellung „rückhaltloser Transparenz“ (Christen 2011, 96) zur Entzauberung der Arbeitsabläufe unterwirft, könnte die Frage nach der „relativen Autorschaft“ eines der Themen sein, denen die Produktionsbeobachtung zu folgen sucht. Allerdings sind mir Filme, die die Arbeit einzelner Gewerke oder Personen folgen, die nicht dem Stamm der meist als kreative Zentren gewerteten Regisseure oder Autoren folgen, nicht bekannt geworden. Werden sie überhaupt erwähnt, dann als Experten, die über die Probleme der Produktion berichten, die sie mithilfe ihres Expertenwissens schlussendlich überwinden konnten. Der meist als konfrontativer Zusammenschnitt aus Film- und Making-of-Szenen kreiert so einen Einblick in die Produktion, der „Respekt für das Können, den Mut und den Aufwand wecken [soll], den alle Beteiligten für die Herstellung des Films und damit zugunsten des Publikums betrieben haben“ (Christen 2011: 98). Auch in dieser Sicht stehen Krisen der Produktion, einzelne Probleme der Inszenierung, äußere Widrigkeiten  im thematischen Fokus von Making-Ofs, nicht das handwerklich-geübte und reibungslose Ineinandergreifen der Arbeit einzelner Gewerke.

Noch radikaler löst sich die Rede vom kollektiven Körper von der Vorstellung eines einzelnen Schöpfers, der für die ästhetische Gestalt des Produkts zeichnet. Das Modell einer kollaborativen Kunstproduktion und einer kollektiven Kreativität entstand in den Avantgarde-Theorien anfangs des 20. Jahrhunderts und wurde vor allem in der Theatertheorie ausentwickelt (vgl. Ragaglia 2008). Wortmann (2008, 48, passim) verwendet das Bild des „kollektiven Körpers“ als metaphorische Bezeichnung des Zentrums des Making-Ofs ansieht, der in der Praxis der Making-Ofs allerdings nur hintergründig verzeichnet wird. Und es ist natürlich kein „Körpern aus Körpern“ (wie in Theater und Tanz naheliegenderweise angenommen werden kann), sondern in der Produktion von Filmen als soziale Einheit konstituiert (Wortmann spricht sogar davon, dass der Regisseur in diesen Darstellungen „konstitutives Phantasma kreativer Prozesse“ lediglich metaphorischen Wert habe und der wirklichen Aufklärung des Zuschauers im Weg stehe [2008, 50]). Und angesichts der oft jahrelangen Arbeit an Filmprojekten stellt sich natürlich auch die Frage, ob sie als soziales Kollektiv, als Kollektiv der an der kreativen Arbeit Beteiligten oder als formale Gruppierung professionell Zusammenarbeitender gefasst werden kann – eine Frage, die sicherlich von Fall zu Fall unterschiedlich zu beantworten ist; und welche hierarchischen Strukturen die sozialen Beziehungen in allen drei Fällen regulieren, ist ebensowenig zu generalisieren.

Autorenschaft

Für die meisten Making-Ofs ist die Frage der Autorenschaft schon im Vorfeld beantwortet: Es ist der Regisseur, der die Ziele setzt, der Entscheidungen fällt, der die Arbeitsschritte organisiert. Wenn man so will, gliedern sich die Making-Ofs dem Theorem der Autorentheorie unter, die in den 1950ern formuliert und breit kommuniziert wurde: Ihr zufolge tragen Filme die Handschrift ihrer Regisseure, die in eine ähnliche Position des „Autors“ gegenüber den Texten geraten wie in anderen Künsten auch, in Sonderheit populärer Produktionen des Theaters und der Musik, die kooperativ und kollaborativ entstanden sind, und dagegen eine auch filmhistoriographische Sicht propagiert, die Werke als Ausdruck eines Personalstils zu lesen – eine Sichtweise, die auch viele Making-Ofs vereint.[16] Die Making-Ofs treten so in einen populären cineastischen Diskurs ein, der die komplexe Arbeitsteiligkeit der Filmproduktion in die viel einfachere Vorspiegelung eines schöpferischen (und kontrollierenden) Subjekts eintauscht. Natürlich lassen sich nicht alle Making-Ofs über einen Kamm scheren; deutlich dem Autorenprinzip verhaftet sind etwa der schon erwähnte Luck, Trust and Ketchup (1993) über Altmans Short Cuts (1992) oder der ebenfalls schon genannte Hearts of Darkness (1991) über Coppolas Apocalypse Now (1979), der vor allem von der Aneignung und Veränderung des ursprünglich von John Milius und George Lucas konzipierten Drehbuchs durch Coppola erzählt, der damit auf die unzureichende Finanzierung, die negative Presse über den Film, die Unvorbereitetheit des Stars Marlon Brando und ähnliches reagierte. Andere Filme dagegen rücken die Frage nach der schöpferischen Rolle des Autors in den Hintergrund (wie etwa Shadowing ‚The Third Man‘ [USA  2005, Frederick  Baker], ein retrospektives Making-Of zu Carol Reeds The Third Man [Großbritannien 1949], der zwar auch mit Interviews arbeitet, aber vor allem den historischen Drehort ‚Wien‘ ins Zentrum der Darstellung rückt).

So sehr die Arbeit an einem Film Projektcharakter hat (und insofern auf zukünftige Arbeitsschritte und anstehende Entscheidungen ausgerichtet sein muss wie auch auf die Probleme der zeitlichen Koordination der beteiligten Gewerke), so sehr verschiebt sich in den Making-Ofs die Perspektive: Das Teleologische mag als Erzählperspektive erhalten bleiben, doch muss es für die meist retrospektiven Blicke auf die Produktion aus dem pragmatischen Demnächst der Produktion in die Funktion des Ziels der Erzählung treten.

Die Dissertation von González (2008) nimmt die Making-Of-Erzählung als eine eigenständige kommunikative Form, die dazu dient, kollaborative Kreativität in Erzählung umzuwandeln. Er unterscheidet in seiner „rhetorischen Analyse“ dazu drei Strategien – eine „mythische“, die sich darum bemüht, den dramatischen Aufbau des Films für den Zuschauer als Reise in die erzählte Welt und ihre Differenzierungen lesbar zu machen, eine „historisierende“ Methode, die die Arbeit am Film im Horizont (vor allem von generischen) Vorläufern, traditionellen Praktiken der Filmindustrie und der beteiligten Personen zu lokalisieren versucht, dabei immer im Auge, worin sich Innovationen und Besonderheiten gegenüber den traditionellen Praktiken bestimmen lassen, sowie einer „symbolischen“ Sicht, in der es um die Strategien von Filmmachern geht, kollaborative Arbeitsumgebungen zu schaffen, die die Beteiligten in einer „Vision“ vereinigt, die erst gemeinsame Kreativität konstituieren kann. Mit González‘ Überlegungen löst man das Making-Of aus einer allzu simplen Bindung an den Ausgangstext und stellt die Making-Of-Erzählung in ein viel breiteres Bezugsspektrum als die Arbeiten nur auf das Teleologische zu beziehen und sie auch nicht in Selbstdarstellung und Marketing aufzulösen.

Ausblick

Gleichwohl die Filterung der Inhalte durch den zeitlichen Abstand zum Geschehen ebenso wie die narrative Anlage der Making-Of-Filme klar ist, bleibt die Frage, welchen Wert im jeweiligen Fall die Making-Ofs für eine Historiographie des Films oder der Produktion im Allgemeinen haben können (vgl. Göttel 2019, 135).[17] Vonderau macht einen klaren Schnitt zwischen „wissenschaftlicher Produktionsforschung“ und den populären, filmindustriell lancierten Darstellungen von Filmproduktion, zwei Feldern der Untersuchung, die nur auf den ersten Blick den gleichen Gegenstand verfolgen, tatsächlich aber unterschiedlich sind – im ersten Fall um die Beschreibung und Erfassung von Strukturen, Strategien und Institutionen der Filmproduktion, im zweiten um die (wissenssoziologische) Vermittlung von „Bildern der Produktion“ für ein breites Publikum (Vonderau 2013, 24; Steinhart 2018, 113ff).

Gerade im Hinblick auf letzteres sind die Making-Ofs ein Instrumentarium eines gesellschaftlichen Lernprozesses, weil sie Bilder der Filmproduktion anbietet, die an Traditionen des Alltagserzählens über Projekte anknüpft, die Produktion von Filmen an die Mythen und Vorstellungen der Kunstproduktion annähert, die Kollaborativität des Filmemachens zumindest tendenziell an die künstlerische Leistung und Verantwortung einzelner Beteiligter (insbesondere des Regisseurs) anknüpft usw. Die Produktion wird oft als „Abenteuer“ entworfen, als kollektive Reise, als Konflikt zwischen den Kreativen und den Vertretern der Industrie inszeniert; und manchmal wird sogar in die Interpretation des Films und seiner Geschichte ausgegriffen, die erst dem Werk, nicht aber der Produktion zukommen kann. Sicherlich wissen die meisten Zuschauer um die industriellen Produktionsweisen, die Standardisierung nicht nur der Produktion, sondern auch der Produkte, die Arbeitsteiligkeit, die Dutzende von Gewerken und oft Hunderte von Beteiligten in einem Projekt zusammenführt – und doch können sie dieses Wissen gegen die Erwartung der Besonderheit, ja der Einzigartigkeit des Films-in-Rede immunisieren. Der angekündigte oder der bereits gesehene Film bleibt ein Einzigartiges, ein Besonderes – und es ist die Aufgabe der Making-Ofs, gerade diesen Charakter herauszustreichen. Zentral bleibt das Rezeptionserlebnis, es ist der Fluchtpunkt auch des Redens über das Machen.

 

Anmerkungen

[1] Einen viel spezifischeren thematischen Zugriff haben die oft als Synonym von Making-Ofs bezeichneten filmischen behind-the-scenes docs, die versprechen, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen – zumeist sind damit die Tricks und Illusionen der Illusionsmaschine Kino gemeint. Die behind-the-scenes photos sind meist Aufnahmen am Set, die die Figuren nicht im Rahmen der Filmillusion zeigen, sondern außerhalb dieser – während der Pausen, im Kostüm auf dem Fahrrad, Gesamtaufnahmen des Szenenaufbaus etc. Erwähnt seien schließlich die behind-the-scenes books, die bis heute erscheinen und sich der Produktion einzelner Filme, aber auch der Arbeitsweisen der Filmindustrie in einem allgemeineren Sinne annehmen.

[2] Wortgeschichtlich gilt festzuhalten, dass neben der Redeweise special trailer (Hediger 2001, 133) die Bezeichnung Featurette der Vorläuferterminus der erst viel später etablierten Rede vom Making-Of gewesen ist: „While a number of terms have been applied to the promotional film (e.g. making-of documentary, behind-the-scenes documentary, promo film), filmmakers and journalists working in the pre-DVD era seem to use the term featurette most consistently“ (Steinhart 2008, 1, Anm. 1). Zur Vorgeschichte der Making-Of-Filme vgl. darüber hinaus Arthur (2004), Hediger (2001, 133ff, 2005, 333ff) oder Wortmann (2010, 99f). Außerdem sei verwiesen auf Film-im-Film-Spielfilme wie La nuit américaine von Truffaut, die manchmal genaue Blicke in Produktionsabläufe gestatten; vgl. dazu Wortmann (2010, 101f).

[3] Eine nützliche, die Verwertungsketten bedenkende Unterscheidung ist die zwischen bei Tobias Betz sogenannten „werblichen Making-Ofs“ – über Tricks, die Drehberichte, den Requisitenbau, Pressekonferenzen zum Dreh und ähnliches –, die im Vorfeld der Auswertung des Films meist als kurze Nachrichtenschnipsel (in Wochenschauen, in der TV-Ära auch in TV-Boulevardsendungen u.ä.) eingesetzt werden. Sie gehören der Vorwerbung des Films an. Dagegen setzen die Making-Ofs im engeren Sinne die Kenntnis des finalen Films voraus (Betz 2016, 23); sie finden sich auf den DVD-Editionen der Filme. Filmwerbung dient nicht nur dazu, einen Film ins kollektive Bewusstsein (oder zumindest das der Kinogänger) zu heben, sondern auch, die schließliche Aufführung des Films in den Rang eines erwarteten Events zu heben.

[4] Ähnliche Zusammenhänge stellen sich zwischen Hearts of Darkness – A Filmmaker’s Apocalypse (USA 1991, Fax Bahr, George Hickenlooper, Eleanor Coppola) und dem weltweiten Neustart von Coppolas Apocalypse Now (1979) im Jahre 1992 her. Nicht alle Making-Ofs der Zeit lassen sich allerdings aus diesem Zusammenhang erfassen; so erweist sich Burden of Dreams (Die Last der Träume, USA 1981, Les Blank) als Dokumentarfilm in einem ganz anderen Sinne. Auch L‘Intervista (Fellinis Intervista, Italien 1986, Federico Fellini) zeigt sich als melancholisch-essayistische Hommage an die Cinecittà-Studios; die Dreharbeiten zu einem Film nach Kafkas Amerika sind nur vorgetäuscht, ein Film-im-Film nur der Behauptung nach.

[5] Zu den TV-Formen der Featurette in den 1960ern vgl. v.a. Steinhart 2018; vgl. auch Griffin 2005. Manchmal ist die zunehmende Produktion von Making-Ofs auch mit der Musealisierung des Kinos zusammengebracht worden, die den Film, der bis dahin eine „transitorische Kunst“ gewesen sei, dauerhafter und tiefer zugänglich machte; vgl. etwa Wortmann 2010, 95f.

[6] Allerdings bleibt die Frage zu stellen, ob (zumindest die neueren) Making-Ofs auch dazu dienen, das populäre Wissen über Filme um das Anekdotische anzureichern (eine mnestische Spur, die im Gedächtnis oft viel stabiler ist als reine Information). Um der Frage nachzuspüren, wären aber nicht nur umfangreichere Inhaltsanalysen nötig, sondern auch empirische Arbeiten über aktive Filmerinnerung.

[7] Die Terminologie ist schwankend; zwar hat sich Bonus-Tracks (im Deutschen: Bonus, Bonus-Material, Extras u.ä.) eingebürgert, doch finden sich auch Formulierungen wie DVD-Beigaben. Vgl. Caldwell 2008; vgl. zudem Bertellini/Reich 2010, die von „DVD supplements“ sprechen, Evans (2010), der sie als „DVD extras“ bezeichnet, oder Voigts-Virchow (2007), der Audio-Kommentare und andere textbezogene Beigaben als „paratracks“ an die Texttheorie Genette‘scher Prägung anzugliedern sucht. Oft ist auch von DVD-add-ons die Rede.

[8] Die These findet sich abgemildert auch bei Paech (2004, 214).

[9] Vor allem Distelmeyer (2007, 393ff) stellt seine Überlegungen zu den Interaktivitätsangeboten der DVDs unter das Vorzeichen einer „Annäherung des populären Films an die Game-Erfahrungen seines Publikums“ (ebd., 393), was den Horizont der textformativen und kommunikativen Qualitäten der Making-Ofs deutlich einschränkt.

[10] Vgl. zu dieser These Skopal (2007, 186, passim) – er betrachtet die DVD als „an old media‘s ‚augmentation‘“, letzten Endes, um die traditionelle Filmindustrie zu stabilisieren; vgl. dazu allgemeiner Caldwell 2002, 287ff. Vgl. auch Steinhart (2018, 99, passim), der darauf hinweist, dass vor allem die Entwicklung der TV-Featuretten der 1960er eine Reaktion auf die sich verändernden Rezeptionsgewohnheiten des (amerikanischen) Publikums gewesen sei.

[11] Vgl. auch Hedigers These, dass Making-Ofs als „öffentliche Geheimnisse“ vermarktet würden, den Zuschauer dazu anleitend, sich als dessen Teilhaber zu fühlen und so „ein persönliches Verhältnis zu einem Film  aufzubauen“ (Hediger 2005, 332).

[12] Vgl. einen Bericht in Welt am Sonntag, 3.11.2002.

[13] Vgl. Betz (2016, 5) oder Kaufmann (2011, 205ff). Vgl. auch den Hinweis auf einen paradoxen Effekt, der darauf beruht, dass die Kenntnis über die technische Maschinerie der Tricks die Intensität des Rezeptionserlebnisses sogar erhöhe, weil sie dessen in der Illusionierung erlebte Emotionalität kognitiv einklammere und den Zuschauer der Fingiertheit des Gesehenen versichere (was dazu führen kann, dass der Auftritt von Dämonen mit Lachen beantwortet wird; vgl. Hediger 2001, 136). Zwar ist mehrfach über paradoxale Rezeptionseffekte – etwa im Feld der Angstlust-Phänomene – gearbeitet worden, doch sind mir keine Arbeiten zu derartigen emotional-kognitiven Effekten der Making-Ofs bekannt geworden.

[14] Tatsächlich sind Making-Ofs von Dokumentarfilmen selten – eine Tatsache, die in den meisten Arbeiten zum Making-Of übersehen wird. Dabei ist – vor allem im ethnographischen Film – die Aushandlung der Rollenbeziehungen von Filmern und Porträtierten vor und während der Dreharbeiten essentieller Teil der Arbeit. Eines der wenigen Beispiele, in dem das Making-Of nicht nur als methodische und thematische Einlage eingesetzt wird, sondern der die Abwesenheit historischen Materials, das für die Gestehung des Films eigentlich nötig gewesen wäre, ist The Act of Killing (Großbritannien/Dänemark/Norwegen 2012, Joshua Oppenheimer), ein Dokumentarfilm über die Verantwortlichen an Massakern in Indonesien aus dem Jahre 1965.

[15] Dass der Film The Man Who Killed Don Quixote (Spanien […] 2018, Terry Gilliam) Jahre später doch noch realisiert wurde, war zu Zeiten des Making-Of nicht absehbar.

[16] Vgl. Wortmann 2010, 100f; vgl. zur Skepsis gegen diese These ebd., 104f, sowie Frisch/Wortmann 2006.

[17] Parker (2011, 26) notiert den möglicherweise hohen Wert von Making-Ofs als Quellen, als Dokumente der zeitgenössischen Organisationsformen, der historischen Überlegungen zu Form und Adressierung des Zuschauers usw., die Making-Ofs also selbst als Texte und nicht als Quellen nehmend; vgl. ebd. einige Überlegungen zur Programmatik von DVD-Editionen (27ff: „The Evolution of the Special Edition DVD“). Ein Beispiel ist der 68-Minüter A Better Man: The Making of ‚Tootsie‘ (USA 2008, Charles Kiselyak), der nicht nur Produktionsdetails verrät und einige Aufnahmen der Dreharbeiten vorstellt, sondern der sich auch der historischen Bedeutung des Films und seines Umgehens mit Geschlechterstereotypen annähert.

 

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