Künstlerschallplatten
von Maike Aden
31.8.2020

Selbstermächtigende Musikkultur

Vinylmania

Wenn der Satz „Todgesagte leben länger“ jemals Gültigkeit hatte, dann in Bezug auf die Vinylschallplatte. Seit Mitte der 1990er Jahre erlebt sie trotz – oder vielleicht gerade wegen – des triumphalen Erfolgs digitaler Medien ein unaufhaltsames Comeback. Und es sind mitnichten nur Nostalgiker*innen, die sich für sie begeistern. Urheber*innen dieser Renaissance sind die DJ*anes des Rap, Hip-Hop und Techno, die sie auf ihrem Plattentellerinstrument pitchen, matchen, juggeln, spinnen, scratchen, sampeln und mehr. Seither lässt sich in der ganzen Welt eine regelrechte Vinylmania beobachten, wie Paolo Campana in seinem gleichnamigen Film eindrucksvoll dokumentiert.[1] Profis und Liebhaber aller Musiksparten schätzen die Klangqualität der Platte, die so viel reicher ist, als die der (wieder vom phonografischen Markt verschwundenen) CD und erst recht als die komprimierende Streamingformate. Zudem kann bislang kein digitaler Datensatz die langlebige Archivierungsfunktion einer Schallplatte, im Prinzip sogar mit einer Stecknadel abhörbar, ersetzen. Eine nahezu fetischistische Aufmerksamkeit für die Gesten and das taktile Vergnügen beim Auflegen haben ebenso dazu beigetragen, dass die Schallplatte Kultstatus erreicht hat. Und zwar nicht nur bei Enthusiasten aus den Bereichen Pop, Jazz, Klassik oder den musikalischen Experimentalkulturen, sondern vor allem auch unter bildenden Künstler*innen.

Jede*r kennt die Cover der Platten der Beatles, Black Flag, Talking Heads, Rolling Stones, The Who, Sonic Youth, von Bobby O, Diana Ross oder Patty Smith, die von Künstlern wie Roy Adzak, Peter Blake, Richard Hamilton, Roy Lichtenstein, Robert Mapplethorpe, Raymond Pettibon oder Andy Wahrhol gestaltet wurden. Sie sind heute äußerst begehrte Sammlertrophäen. Daneben gibt es tausende solcher von Künstlern in eindrucksvolle Kunstwerke transformierte Alben. Viele davon schützen im Inneren Platten mit spannenden Experimenten.

Instrument und Medium

Schon im 19. Jahrhundert hatte Thomas Edison, der Erfinder des Grammophons, vorgemacht, wie sich Tonaufnahmen auf Schallplatten, damals aus Wachs, für Klangmanipulationen eignen. Wie ein DJ avant le lettre mischte und überlagerte er seine Aufnahmen, variierte Abspielgeschwindigkeiten, fügte fremde Soundeffekte hinzu und spielte seine Platten sogar rückwärts ab.[2] In den 1920er Jahren erkannte Laszlo Moholy-Nagy die künstlerischen Möglichkeiten solcher Ansätze, um eingefahrenen Hörgewohnheiten zu verändern. In Versuchsreihen experimentierte er mit Einritzungen und -bohrungen auf Schallplatten zur Produktion absichtsloser Klangimprovisationen.[3] Er erklärte die Schallplatte zum produktiven Instrument einer von Notenschrift und Interpretation unabhängigen Komposition. Interessant sind auch seine Ideen zum emanzipatorischen Potenzial der Schallplatte: Zwölf Jahre vor Erscheinen von Walter Benjamins legendärem Aufsatz Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit (1935) erkannte er, dass Kompositionen auf Schallplatten relativ leicht und relativ günstig einem breiten Publikum zugänglich gemacht werden können. Anders als die Kritiker massenindustrieller Vervielfältigungstechniken wie Theodor W. Adorno[4] oder später Jacques Attali,[5] kreidete er ihnen nicht das Verschwinden des Live-Erlebnisses an, sondern begriff sie als Möglichkeit der Erweiterung eines elitären Kunstbegriffs.

Audiokunst

Die Offenheit für neue Klänge jenseits bereits kultivierter Kanäle war mit den historischen Avantgarden entstanden. Sie transformierten die Hörerfahrungen angesichts der technologischen, medialen und ideologischen Umwälzungen Anfang des 20. Jahrhunderts und schufen im wahrsten Sinne des Wortes Un-Erhörtes. Die russischen und italienischen Futuristen verschrieben sich körperlichen Klängen und Rhythmen, neuen Notationen und bahnbrechenden Geräuschinstrumenten. Die Künstler*innen des Dada verlachten mit gattungssprengenden Aufführungen das Konventionelle einer zweckrational bestimmten Welt und Sprache und schufen semantisch nicht zu identifizierende Stücke, die irgendwo zwischen Sprache und Geräusch, Vortrag und Gesang, Performance und Tanz schwebten. Der ihnen nahe stehende Musiker Erwin Schulhoff komponierte 1912 In Futurum, ein Stück der Stille vierzig Jahre vor John Cage.

In Kreisen der bürgerlichen Musikkultur wurde eine solche ‚Befreiung‘ der Töne, die natürlich auch eine des Denkens war, zumeist mit Türen schlagenden Protesten oder ganz einfach mit Abschalten des Programms quittiert. Als Ferruccio Busoni 1907 Vorschläge unterbreitete, die unterentwickelten „architektonische[n], akustische[n] und ästhetischen Dogmen“[6] der Tonkunst mit Mikrotönen, neuen Tonsätzen, elektrisch erzeugten Klängen u.v.m. zu erweitern, schrieben sich selbsternannte „Retter der Musik“ wie Hans Pfitzner die Finger wund, um vor Verfall und Dekadenz solcher „Umstürzler“ zu warnen. Dabei war nicht Zerstörungswille die treibende Kraft der Neuerer. Die großartigen Kompositionen der okzidentalen Musikkultur wurden nicht in Frage gestellt. Es ging ganz einfach um die „Erweiterung des musikalischen Alphabets“,[7] wie Edgar Varèse 1916 erklärte. Das Regelsystem der Kunstmusik war seit dem 10. Jahrhundert mit der anwachsenden Herrschaft der Diatonik, wie Max Weber 1921 anhand vieler Beispiele analysiert, immer enger geworden, was seiner Meinung nach in Konformität und Abstumpfung des melodischen Gehörs mündet.[8] Die normativen Prinzipien des klassischen Musikbetriebs mit seinen Aufschreibe- und Tonartensystemen, seinen Instrumentationen und Aufführungsritualen fanden freilich weiterhin ihre gewohnte Fortschreibung in den Konzerthallen, Akademien, Handbüchern und Medien.

Ab den 1930er Jahren entwickelten Pioniere wie Pierre Schaeffer, Edgard Varèse, Yves Klein und viele andere aus dem Umkreis der Lettristen, Klangpoeten, der Beat-Generation, Performance- und Konzeptkunst, des Wiener Aktionismus, der Fluxusgruppe und vieler weiterer Kunstbewegungen diese Ansätze in ungeahnte Richtungen weiter. Mit unbändigem Interesse am Experimentieren und Entwickeln nutzten sie jede technische und stimmliche Möglichkeit zur Erforschung neuer Dimensionen akustischer Phänomene und Ereignisse. Alles Hörbare wurde erkundet: von der kaum wahrnehmbaren Stille über das reduzierte Säuseln und Wispern bis hin zum geräuschvollen Lärm und ohrenbetäubenden Krach und Getöse. Eine Wirklichkeit brach sich Bahn, die die Behauptung einer wohldefinierten Harmonie in dieser Welt zertrümmerte.

Die Grundmuster und Bedeutungsgewebe dieser Harmonie sind die des westlichen Musikbetriebs. Auf breiter Ebene haben sich die durch sie geprägten Hörgewohnheiten bis heute zwar nur graduell verändert. Die ethnozentrische Erzählung jedoch, welche die Position der klassischen Musik an der Spitze einer Pyramide aller anderen Musikformen und -stile behauptete, verstummt mittlerweile zunehmend, selbst in bürgerlichen Kreisen. Mit ihrer Entthronung ist endlich auch das Konstrukt einer kontextlosen, ausschließlich in der Zeit sich entfaltenden Musik zerbröselt. Treibende Kraft dabei waren vor allem bildende Künstler*innen, die das Korsett musikalischer Regeln hinter sich ließen. Aber auch einige visionäre Dichter*innen und Musiker*innen, sogar Architekt*innen und Ingenieur*innen erforschten die neuen klanglichen Phänomene und Prozesse, die bis dahin ausschließlich Musikern vorbehalten waren. Nicht nur unser konventionelles Verständnis von Musik, bildender Kunst und Poesie hat sich damit verändert, sondern mit ihm auch unsere Beziehung zur Wirklichkeit. Ein Sensorium für die hörende Erfahrung und Deutung der Räume der Umwelt, hat das Primat einer rein visuellen und intellektuellen Durchdringung der Wirklichkeit relativiert. Diese Offenheit für die Resonanzen zwischen uns und der Welt ermöglicht das, was Martin Heidegger „hörendes Denken“[9] genannt hat. Hörendes Denken lässt sich kaum auf eine begrenzende, schematische Deutung eingrenzen, denn Schwingungen sind ganz offenkundig immer in Bewegung. Vielmehr entfaltet es sich – und zwar als Anerkennung, Vorstellung, Andacht, Zuneigung oder Einbildung von Erscheinungen.

Eine selbstermächtigende Musikkultur 

Seit den 1950er Jahren wählen viele Künstler*innen die Schallplatte als Produktions- und Vertriebsmedium ihrer akustischen Kunstprojekte. Viele davon erscheinen in eher kleinen Editionen im Selbstverlag, aber man findet auch Großauflagen bekannter Verlage und mittlerweile auch zahlreiche Wiederauflagen. Dass Vinylplatten unter Künstler*innen so anhaltend beliebt sind, hat vielfältige Gründe. Die eingangs erwähnten Eigenschaften wie Klangqualität, Langlebigkeit und Ökobilanz gehören fraglos dazu. Aber auch ihr autonomer Status in Bezug auf die zunehmend mächtiger gewordene, massentaugliche Musikindustrie ist ein wesentlicher Grund für das Interesse der Künstler an der Schallplatte. Es ist kein erklärtes Ziel, den Musikbetriebsmainstream zu meiden, aber es ist ganz einfach höchst selten, dass künstlerische Audioexperimente ihren Weg in die kommerziellen Produktions- und Vertriebskanäle finden. Laurie Andersons Oh Superman (1981) ist eine rühmliche Ausnahme.

Die Schallplatte ist – neben der Kassette während der 1960er und 70er Jahre – ein ideales Medium, dessen Herstellung, Gestaltung und Vertrieb sich relativ günstig in eigener Verantwortung von den Künstler*innen selbst oder von unabhängigen Initiativen, Galerien und Verlagen organisieren lässt. Ihre Weitergabe oder ihr Tausch wurde vielfach im privaten und kollegialen Rahmen über Mund-zu-Mund-Propaganda organisiert. Eine immens wichtige Distributionsmöglichkeit war die Post. Als seinerzeit günstiges Kommunikationssystem diente sie einer nahezu global agierenden Netzwerkszene (manche sprechen vom ersten World Wide Web) dem Austausch von Kunst und Information jenseits der Grenzen kommerzieller und politischer Systeme. Erst mit der Eröffnung von Gelbe Musik 1981 in Berlin entstand auch ein kleiner Laden, der sich auf den Vertrieb von Tonträgern von Künstlern spezialisiert hatte.

Es ist sicherlich keine allzu kühne Behauptung, dass wir uns um die Zukunft der Künstlerschallplatte keine Sorgen machen müssen. Ein kaum zu unterschätzendes Lebenselixier dürften die Strukturen netzbasierter Kommunikationssysteme sein. Da Produktion, Verbreitung und Rezeption von Platten an keinen bestimmten Kontext gebunden sind, bleiben sie das Medium der Wahl für alle, die eine Alternative zu den digitalen Online-Diensten suchen. Zwar ist anzunehmen, dass die Plattformen auch weiterhin als schnelle, einfache Publikationsmöglichkeit von Audiodateien genutzt werden. Aber deren technischen Formate befriedigen nicht alle Ansprüche. Darüberhinaus verlangen sie ihren Nutzer*innen den Klick zur Zustimmung ihrer Geschäftsbedingungen ab, die schon aufgrund ihrer Intransparenz nicht jede*r akzeptieren mag. Immer öfter werden die kommerziellen Wertschöpfungsprozesse beanstandet, welche die Betreiber mit den eingestellten Werken und ihrer Rezeption im Hintergrund betreiben. Nicht zuletzt stimmen viele nicht mit den Kriterien der Sichtbarmachung überein, die im Großen und Ganzen auf Einfachheit und Beliebtheit setzen. Nicht jede*r will sich auf diese Weise ins Programm eines Larry Page einfügen, der ganz ungeniert verkündet, „das Wissen der Welt organisieren“[10] zu wollen – und das auch tut. Gedrucktes, Gepresstes und Geformtes nehmen sich demgegenüber immer noch wie paradiesische Inseln einer selbstermächtigenden Kultur aus.

Gespannt darf man auf die akustischen Publikations- und Austauschstrategien sein, nachdem die Regierungsapparate im „Krieg“ (Emmanuel Macron) gegen die gegenwärtige Pandemie die Mobiltelefon- und Internettechnologien in Anschlag gebracht haben, um uns im Namen von Gesundheit und Sicherheit zu beobachten und zu verwalten.[11] Erste Initiativen der Distanznahme zum ‚technodigitalen Regime‘ der E-Mail-, Facebook-, Instagram-, Whatsapp-, Skype- oder Zoomkommunikation sind, man glaubt es kaum, Mail Art Aufrufe! Die Wiederbelebung einer seit den 1980er Jahren vollkommen uninteressant gewordene Bewegung mag etwas hilflos erscheinen, aber der Künstler Jason Pickleman besteht darauf: “Mail art is perfect for right now.”[12] Printed Matter in New York z.B. betitelt einen Call mit „We live in real time“ und schreibt: „In our digital age there are countless ways to engage with artists and art movements around the globe, but we thought we’d go analog—back to printed matter!…“[13] Es bleibt abzuwarten, ob hier tatsächlich überzeugende künstlerische Konzepte und -formate entstehen. Festzustellen ist aber, dass sich in solchen Initiativen eine Sensibilität für die materialisierte Form des Objekts manifestiert. Ebenso scheint es ein Bedürfnis nach der Aneignung und selbstbestimmten Gestaltung von Räumen der Kommunikation und Kooperation zu geben, die vorerst eben nur jenseits der algorithmisch gesteuerten Dispositive zu haben sind.

Die Schallplatte als Kunstwerk

Ein anderer Grund für die Beliebtheit von Schallplatten unter Künstler*innen ist zweifellos das Format ihres Covers. 30 x 30 cm scheint ein hochattraktiver Rahmen für künstlerische Ausdrucksformen zu sein. Neben den eingangs erwähnten Ikonen sind es tausende weiterer Alben von Pop bis Neuer Musik, die von Künstlern als Kunstwerke konzipiert wurden. Ob bewusst einfach oder enorm aufwendig, immer heben sie sich von den immer gleichen Musikerporträts, Konzertaufnahmen, romantischen Landschaften oder Abbildungen alter Gemälde auf herkömmlichen Platten ab.

Ein eindrucksvolles Beispiel ist die puristische Werkserie Sol LeWitts auf den Covern von Philip Glass‘ Music In 12 Parts (1974). Die Entsprechung zur in sich geschlossenen, nicht-erzählerischen Musik des Minimalisten Philip Glass könnte bestechender kaum sein. Und doch hat die Serie an sich einen eigenen Wert. Im Gegensatz dazu haben die Arbeiten von Künstlern wie Joseph Albers, John Baldessari, Salvador Dali, Damien Hirst, Fernand Léger, Joan Miro, Pistoletto, Arnulf Rainer, Roman Signer, Victor Vasarely oder Tom Wesselmann keine offensichtlichen Berührungspunkte mit der Musik auf den Platten. Wie kreativ diese Künstler das quadratische Format auszufüllen wissen, bleibt faszinierend. Wenn dagegen Aufnahme und Hüllengestaltung in der Hand einer*s Künstler*in oder Künstler*innengruppe liegen, bildet sich oft ein einheitliches Ganzes. Das Portfolio-Album Expériences musicales (1961) des genialen Dilettanten Jean Dubuffet ist ein solches Beispiel. Auf den sechs Plattenhüllen finden sich meisterhaft ausgeführte Lithographien des Künstlers. Beide, seine Lithographien wie seine Improvisationen führen den Bruch mit der von ihm so bezeichneten „organisierten Langeweile“ der sterilen westlichen Kultur vor Augen und vor Ohren. Bilder und Musik bleiben dennoch jeweils eigenständige Kompositionen. Parallelen im Charakter von Kunst und Klang ergeben sich auch bei Dieter Roth. Um die Alben umfangreich zu gestalten, experimentierte er mit dem Druck von Polaroids, Skizzen, Schrift und Farbe. Der Gestaltungsprozess war ebenso schranken- und stillos wie es der Selten gehörten Musik (1973-79) entsprach, die er mit seinen Freunden aufführte und ungekürzt herausgab. Beim Hören wie auch beim Betrachten der Cover, Innenseiten, eingelegten losen Blätter und austauschbaren Label ergeben sich die spannendsten Momente oft gerade aus dem, was traditionellerweise als misslungen, gescheitert, nicht gekonnt oder sinnlos verworfen wird. Und doch illustrieren weder die Kunstwerke das Klangexperiment, noch umgekehrt das Klangexperiment die Kunstwerke.

 

Tausende Künstler ließen sich aufführen, deren Platten akustische und visuelle Kunstwerke auf solche Weise vereinen. Um ein paar der bekannteren Namen zu nennen: Karel Appel, Robert Barry, Harry Bertoia, Joseph Beuys & Henning Christiansen, George Brecht, Pol Bury, Henri Chopin, Club Moral, Hanne Darboven, Die tödliche Doris, Peter Downsbrough, Harald Falkenhagen, Terry Fox, Katharina Fritsch, John Giorno, Brion Gysin, Rodney Graham, Dorothy Iannone, Thomas Kapielski, Martin Kippenberger, Yves Klein, Ferdinand Kriwet, Christina Kubisch, Roman Opalka, Nam June Paik & Charlotte Moormann, A.R. Penck und viele, viele mehr (s. untenstehender Link). Es gibt auch Künstler, die wie Eduard Bal, Milan Knizak, Christian Marclay, A.R. Penck, Robert Rauschenberg oder Hans Schabus aus den Platten ganz besondere Multiples bzw. Unikate gemacht haben. Manche Plattenwerke enthalten bebilderte Broschüren mit Texten oder Plakaten der Künstler*innen oder anderen Publikationen wie Karten, Sticker oder multiplizierte Objekte. Beigelegt sind z.T. auch originale Objekte oder Manuskripte von Hand oder mit der Schreibmaschine geschrieben und vervielfältigt. Einige Arbeiten sind als Bücher, Zeitschriften, Schachteln oder Kataloge konzipiert, die Künstlerschallplatten unterschiedlichen Formats, Flexi- oder Picturediscs enthalten. Künstler*innen haben alle nur erdenklichen Möglichkeiten der Veröffentlichung erkundet und realisiert. Was sie eint ist, dass sie den Fetisch des Originals hinter sich gelassen und den Zugang zu Werken der Kunst erschwinglich gemacht haben.

Da hier nur wenige Werke genannt werden können und die Beschreibungen zudem sträflich knapp gehalten sind, sei ergänzend folgender Link empfohlen: http://forschung-kuenstlerpublikationen.de/mobile/Werke.html?calendar[date]=2020-03-00&v=8141532262957951350. Hier dokumentiert das Zentrum für Künstlerpublikationen Bremen mehr als zweihundert Digitalisate von Künstlerschallplatten des 20. Jahrhunderts aus der Sound Collection Guy Schraenen, der international bedeutendsten und umfangreichsten Sammlung von Künstlerschallplatten. Eine reiche Fundgrube, die neben Hörbeispielen und Abbildungen von Plattenhüllen auch Werkinformationen und Biografien der Künstler*innen bereitstellt.

Anmerkungen

[1] Paolo Campana: Vinylmania. Das Leben in 33 Umdrehungen pro Minute: Link zum Film: https://www.youtube.com/watch?v=1oGf8Da8TX0 (10.5.2020).
[2] Vgl. Mathew Rubery Thomas Edison’s Poetry Machine; in: Interdisciplinary Studies in the Long Nineteenth Century, (18). k.S. Online: http://doi.org/10.16995/ntn.678 (10.5.2020).
[3] Vgl. László Moholy-Nagy: Produktion-Reproduktion; in: De Stijl N°5-7, 1922.
[4] Theodor W. Adorno: Über den Fetischcharakter in der Musik und die Regression des Hörens (1938); in: Rolf Tiedemann (Hg.): Theodor W. Adorno. Gesammelte Schriften, Band 14, Frankfurt/M. 1973, S. 40 ff.
[5] Vgl. Jacques Attali: Bruits. Essai sur l’économie politique de la musique recension, Paris 1977. Engl.: Noise. The Political Economy of Music, Minnesota 1985.
[6] Vgl. Ferruccio Busoni: Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst, Triest 1907, S. 4.
[7] Varèse sagte eigenen Angaben zufolge in einem 1916 im New Yorker Morning Telegraph publizierten Interview: „Notre alphabet musical doit être enrichi;…“ Edgard Varèse: o.T.; in Jean Petit (Ed.): Le Poème électronique. Le Corbusier, Paris 1958, p. 191.
[8] Vgl. Max Weber: Die rationalen und soziologischen Grundlagen der Musik (1921), in: Max Weber Gesamtausgabe. Band I/14 Tübingen 1972.
[9] Vgl. Martin Heidegger: Holzwege (1950); in: Martin Heidegger, Gesamtausgabe Vol. 5, ed. Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt/M. 2002, S. 267.
[10] Larry Page; zitiert nach Jeanette Hofmann: Zukunft der digitalen Bibliothek; in: Aus Politik und Zeitgeschichte, hgg. Von der Bundeszentrale für politische Aufklärung, Nr. 42-43, 12.10.2009. Online: http://www.bpb.de/apuz/31691/zukunft-der-digitalen-bibliothek, o.S. (5.5.2020).
[11] Vgl. Paul B. Preciado: Vom Virus lernen; in: HAU3000. Positionen, Projekte, Publikationen, Online: https://www.hebbel-am-ufer.de/hau3000/vom-virus-lernen/ (10.5.2020).
[12] Zit. Nach: Taylor Dafoe: Mail Art, a Quirky Pursuit That Hasn’t Been Popular Since the ’60s, Is Suddenly Having a Renaissance Amid the Worldwide Lockdown; in artnet news, 1.5.2020. Online: https://news.artnet.com/art-world/mail-art-renaissane-1850670?utm_content=from_&utm_source=Sailthru&utm_medium=email&utm_campaign=EUR%20May%205%20AM&utm_term=EUR%20Daily%20Newsletter%20%5BMORNING%5D (10.5.2020).
[13] Ebd.

Quellen

Ferruccio Busoni: Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst, Triest 1907 

Max Weber: Die rationalen und soziologischen Grundlagen der Musik (1921), in: Max Weber Gesamtausgabe. Band I/14 Tübingen 1972

László Moholy-Nagy: Neue Gestaltung in der Musik; in: Der Sturm, 7, 1923

Edgard Varèse: o.T.; in: Jean Petit (Ed.): Le Poème électronique. Le Corbusier, Paris 1958

Hans Pfitzner: Futuristengefahr (1907); in: Ders.: Gesammelte Schriften Band 1, Augsburg 1926

Taylor Dafoe: Mail Art, a Quirky Pursuit That Hasn’t Been Popular Since the ’60s, Is Suddenly Having a Renaissance; in: Artnet News 1.5.2020. Online: https://news.artnet.com/art-world/mail-art-renaissane-1850670 (10.5.2020)

Jean Dubuffet (1945); zit. nach Fondation Jean Dubuffet: Dubuffet musicien. Online: https://www.dubuffetfondation.com/focus.php?menu=37&lang=fr (10.5.2020)

Martin Heidegger: Holzwege (1950); in: Martin Heidegger, Gesamtausgabe Bd. 5, hgg. Von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt/M. 2002

Larry Page; zitiert nach Jeanette Hofmann: Zukunft der digitalen Bibliothek; in: Aus Politik und Zeitgeschichte, hgg. Von der Bundeszentrale für politische Aufklärung, Nr. 42-43, 12.10.2009. Online: http://www.bpb.de/apuz/31691/zukunft-der-digitalen-bibliothek, o.S. (5.5.2020)

Paul B. Preciado: Vom Virus lernen; in: HAU3000. Positionen, Projekte, Publikationen, Online: https://www.hebbel-am-ufer.de/hau3000/vom-virus-lernen/ (10.5.2020)

Taylor Dafoe: Mail Art, a Quirky Pursuit That Hasn’t Been Popular Since the ’60s, Is Suddenly Having a Renaissance Amid the Worldwide Lockdown; in artnet news, 1.5.2020. Online: https://news.artnet.com/art-world/mail-art-renaissane-1850670?utm_content=from_&utm_source=Sailthru&utm_medium=email&utm_campaign=EUR%20May%205%20AM&utm_term=EUR%20Daily%20Newsletter%20%5BMORNING%5D (10.5.2020)

Forschungsplattform des Zentrums für Künstlerpublikationen: Sound Collection Guy Schraenen: http://forschung-kuenstlerpublikationen.de/Sound-Collection.html (10.5.2020)

 

Dr. Maike Aden ist Kunst- und Musikwissenschaftlerin. Sie lebt in Paris und arbeitet im akademischen Feld sowie in Ausstellungs- und Archivinstitutionen.

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