Shadeshifter
von Lisa Andergassen
9.3.2020

Konstruktionen von Gender und Schwarzsein in »Black Emanuelle«

[Zuerst erschienen in: I. Ritzer und H. Steinwender (Hrsg.), Politiken des Populären, Neue Perspektiven der Medienästhetik, Wiesbaden: Springer Verlag, S. 249-268]

Einleitung

Ein Flugzeug startet in die Nacht. Schnitt auf das Bild eines nackten, vollbusigen Models, das uns, halb seitwärts gewandt, sich auf einem Flokati räkelnd, anblickt. Zoom out und Zoom in auf eine Frau im weißen Kostüm, die das Magazin mit dem Bild des nackten Models zusammenfaltet und es neben sich auf den gelben, gepolsterten Sitz legt. In der Reihe neben ihr sehen wir ein knutschendes Pärchen, das gerade dabei ist, sich gegenseitig die Schlaghosenreißverschlüsse zu öffnen.

Die Frau sieht interessiert zu. Schnitt auf dieselbe Frau in einem abgedunkelten Schlafzimmer, die dabei ist, sich selbst zu befriedigen. Der Titel des Films wird über der Schlafzimmerszene eingeblendet: „Black Emanuelle“.

Zurück im Flugzeug steht die Frau, die wir als die titelgebende Protagonistin des Films erkannt haben, auf und geht auf der Suche nach einer Stewardess durch die Gänge. Männer verschiedener Hautfarbe blicken ihr nach. Die Titelmelodie wird eingespielt. Am Ziel angelangt, wird sie von einem jungen Priester in Zivil auf Suaheli angesprochen, was sie mit einem: „I am afraid that is not my language“, quittiert. „It isnt’t mine either“, antwortet der Priester, und weiter: „I hope you’re not offended I took you for an African.“ Nach kurzem Small Talk verrät Emanuelle ihm ihren Beruf: „I am a photographer.“

Emmanuelle (Emanuela) von Just Jaeckin, kam 1974 in die Kinos. Basierend auf dem erotischen Roman Emmanuelle von Emmanuelle Arsan (alias Marayat Rollet-Andriane) von 1959, begleitet er die titelgebende Protagonistin (gespielt von Sylvia Kristel) auf eine erotische Reise zu ihrem Diplomatengatten nach Bangkok. Der Film war trotz negativer Rezensionen ein immenser Kassenerfolg, was nicht nur zu seiner internationalen Distribution führte, sondern weltweit Filmemacher zu Nachahmungen motivierte (Chaffin-Quiray 2004, S. 143). In Italien besetzte der Regisseur Adalberto „Bitto“ Albertini die Hauptrolle seines Filmprojektes mit der als Tochter einer Indonesierin und eines Niederländers auf Java geborenen Laura Gemser, die als Schauspielerin, Modedesignerin und Model gearbeitet hatte, strich ein „m“ aus dem Titel, um Copyright-Fragen zu umgehen, und ergänzte ihn um ein Adjektiv, das direkt auf den Körper der Hauptdarstellerin verwies. Mit Emanuelle nera (Black Emanuelle; 1975; R: Bitto Albertini) war der Grundstein für eine ganze Reihe von Filmen gelegt, die auf Joe D’Amatos (alias Aristide Massaccesi) Konto gehen, der mit Emanuelle nera: Orient Reportage (Black Emanuelle 2. Teil; 1976) das erste Sequel der italienischen Version des Softcore-Streifens schuf. Unter seiner Regie entstanden vier weitere Emanuelle-Filme: Emanuelle in America (Black Emanuelle – Stunden wilder Lust; 1977); Emanuelle, perché violenza alle donne? (Emanuela – Alle Lüste dieser Welt; 1977); Emanuelle e gliultimi cannibali (Nackt unter Kannibalen; 1977); La via della prostituzione (Sklavenmarkt der weißen Mädchen; 1978). Regisseur Joe D’Amato erweiterte den von Albertini angelegten Plot, der die Genres des Mondo- und Softcore-Films vermischte, um klassische Exploitation-Elemente, die eher einer „scream-queen“ gerecht werden, als einer „porn-diva“ (Mendik 2004, S. 147).[1]

Hier zeichnet sich bereits ab, dass die Black-Emanuelle-Reihe, die (wie viele andere Filme auch) als Rip-off eines teurer produzierten Vorgängers begann, Themen und Ästhetiken hervorbrachte, die sich von dem Referenz-Film unterschieden. Im Falle von Bitto Albertinis Emanuelle nera müssen Überlegungen zur spezifischen Bedeutungsproduktion in italienischen und post-kolonialen Kontexten sowie in den 1970er Jahren aktuellen Diskursen um freie Liebe und Feminismus verortet werden. Dies werde ich im Folgenden tun.

Eine italienische Lösung

Italien brachte nicht nur international gefeierte Werke des Autorenkinos wie Roma città aperta (Rom, offene Stadt; 1945; R: Roberto Rossellini), La dolce vita (Das süße Leben; 1960; R: Federico Fellini) und Il gattopardo (Der Leopard; 1963; R: Luchino Visconti) hervor, sondern war auch das Zentrum des europäischen Exploitation-Films und der B Filmproduktion. Dieser Produktionsmodus begann in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre mit der Nachahmung von US-Produktionen, schwang sich jedoch bald zu einer eigenen Ästhetik und seriellen Produktionszyklen auf, zu denen (oft europäisch koproduzierten) Serien von Pepla (Sandalenfilme), Italowestern und Poliziotteschi (Polizei- bzw. Polizistenfilme) ebenso zählen wie eigenständigere (Sub-)Genres, darunter Giallo, Mondo-Film und die spezifischen Variationen von Gothic-Horrorfilmen, bis hin zu gänzlich  exploitativen  Mini-Zyklen  wie  Nunsploitation-[2],  Kannibalen- und Zombiefilmen, die meist mit sehr kleinen Budgets verwirklicht wurden. Insbesondere in den 1970er Jahren, als soziale Umbrüche und Wellen von politischer und sozialer Gewalt das Land erschütterten, sich die Zensurgesetze lockerten und man sich in den Filmstudios auf das Bedienen von Nischenpublikum zu konzentrieren begann (Shipka 2011, 114),[3] wurde in Italien eine Reihe der krassesten Repräsentation von Gewalt und Pornografie geschaffen.

Eines der extremsten Beispiele ist Porno Holocaust (Insel der Zombies; 1980), der u. a. eine Szene beinhaltet, in der eine Frau zum Analsex mit einem Zombie gezwungen wird. Der Regisseur dieses Films ist Joe D’Amato, derselbe Mann, dessen Name eng mit der Black-Emanuelle-Reihe verbunden ist. D’Amato, der sein Handwerk bei der Produktion von Italowestern, Decamerotici[4] und Horror-Filmen[5] gelernt hatte, wurde wie viele andere auf den Stoff aufmerksam, als die französische Emmanuelle-Version 1974 ein Vielfaches ihres Produktionsbudgets einspielte. Wie auch Albertini bediente er sich eines bewährten italienischen Erfolgsrezeptes: „If a given film proved successfully entertaining or titillating, a series (or, in Italian, ‚filone‘) of copycat ‚quickies‘ were hurriedly cranked out and distributed to take advantage of the short lived trend“ (Mendik 2004, S. 126). Sich für den Plot sowohl an der Romanvorlage als auch an der französischen Produktion bedienend, lieferte Emmanuelle das perfekte Material für die Mischung aus Mondo-Film, Soft- bzw. Hardcore-Pornografie und Horrorelementen, für die die Black-Emanuelle-Reihe Synonym werden sollte.

Der Mondo-Film baut zwar auf der Travelogue-Tradition auf, ist aber als Genre eine italienische Erfindung, die mit Mondo Cane (1962; R: Gualtiero Jacopetti, Paolo Cavara und Franco Prosperi) begründet wurde. Die Filme sind im Kern „Shockumentaries“ (Shipka 2011, S. 59), die in pseudo-wissenschaftlicher Manier vorgeben, den Zuschauer über von der westlichen Norm abweichende soziale bzw. sexuelle Praktiken aufzuklären. Das Genre ist dabei nicht nur explizit ausbeuterisch und auf schockierende Effekte ausgerichtet, sondern auch systematisch rassistisch und reproduziert eine westliche Weltanschauung mit allen dazugehörigen Macht- und Blickverhältnissen: Die europäischen „Experten“ generieren durch ihren Blick von außen stets eine Kategorie von ethnisch und sozial Anderen.[6] Immer auf der Suche nach dem nächsten Spektakel, vermischen die Filme Exotik mit Sex und ergehen sich in „obessions with documenting images of primitive black sexuality and its associated links with ‚savagery‘“ (Mendik 2004, S. 149). 

Dieser Verschmelzung von exotischen Kulissen und dem Ausstellen von als „pervers“ markierten sexuellen und sozialen Praktiken werden wir in den Black-Emanuelle-Filmen immer wieder begegnen. In der Tat ist as Reisepensum von Emanuelle beeindruckend. Während ihrer französischen Vorgängerin pro Film ein Land genügt, um ein ausgefallenes Setting für ihre erotischen Begegnungen zu schaffen,[7] wird Emanuelle um den ganzen Globus geschickt. Insbesondere natürlich in Emanuelle, perché violenza alle donne?, wo ihre Nachforschungen sie von Amerika nach Indien und Italien führen von dort aus in den Iran und nach China und wieder zurück in die USA. Die Dreharbeiten fanden jeweils vor Ort statt, also nicht im Studio, was die Produktionskosten in die Höhe trieb. Zuschauer und Protagonisten haben allerdings kaum Zeit, sich auf die jeweiligen Städte oder Standorte einzulassen. Zu schnell finden die Szenenwechsel statt und zu sehr werden die jeweiligen Örtlichkeiten zu einem „pictoresque display“ (Mendik 2004, S. 149), einzig dazu da, dem Plot einen attraktiven Hintergrund zu liefern. 

Ähnlich exzessiv wie der Verschleiß exotischer Locations, ist die Aneinanderreihung schockierender, gefährlicher und gewalttätiger Situationen, in die Emanuelle gerät: Im Laufe der Filmreihe beobachtet sie die Versteigerung weißer weiblicher und männlicher Sklaven (wovon letztere kurioserweise im Hilton Hotel in downtown New York stattfindet); schleicht sich in einen Harem ein, in dem eine der Konkubinen ein Pferd manuell befriedigt; wird von einem obdachlosen Mann zum Oralsex gezwungen; von einer Kobra angegriffen; fast von einem stark entstellten Mann vergewaltigt; Opfer mehrerer Gangbangs; muss sich Kannibalen im Amazonas erwehren; wird Zeugin einer Folterszene, in der eine Frau sowohl von einem Schäferhund als auch einer Schlange penetriert wird und zum Drehort eines Snuff-Films verschleppt.[8]

Orgien von Gewaltdarstellungen und das Abdriften ins Monströse, so eine Argumentationslinie, sind wichtige Bedeutungsproduzenten innerhalb der italienischen Kulturproduktion und fungieren letztlich als Übertragungshandlungen wie Danny Shipka (2001, S. 21) anmerkt: „Italians have a propensity of transforming their social deviants into monsters, which stems back to the earliest of Italian literary traditions. […] Reconceived monsters throughout each period of Italian history have signified major changes in the evolution of Italian art and philosophy.“ Sich auf Luigi Barzinis ironische Nationalstudie The Italians (Die Italiener; 1964) stützend, geht Shipka sogar so weit zu behaupten, dass die Vorliebe italienischer Filmemacher für gewalttätige Fantasien in der nationalen Psyche begründet sei: „Italians fear sudden and violent death. Italy is a bloodstained country. Almost every day of the year jealous husbands kill their adulterous wives and their lovers, about as many wives kill their adulterous husbands and their mistresses“ (2011, S. 21) – eine These, die ich hier nicht ausreichend überprüfen vermag, die ihren Widerhall aber in dem Ausruf des Giallo-Filmemachers Lucio „violence is Italian art“ findet, wie Shipka (2011, S. 21) anmerkt, und die sich mit Blick auf die Gewaltverherrlichungen während des historischen Faschismus und der ihm nahestehenden künstlerischen und sozialen Strömung des Futurismus weiterdenken ließe.

Neben dieser scheinbar tief in der italienischen Kultur verankerten Tradition der Gewaltdarstellung ist auch die spezifische Kolonialgeschichte des Landes von Bedeutung, um den Kontext zu verstehen, in dem Emanuelle nera entstand. Denn wie Karen Pinkus beschreibt, gibt es Hinweise auf post-koloniale Zusammenhänge, die ein Grund dafür sind,[9] dass eine indonesisch-niederländische Schauspielerin, die durch den Titel der Reihe als „Black“ markiert wird, in die Fußstapfen der weißen Niederländerin Sylvia Kristel treten konnte. Im italienischen Kontext ist der „schwarze“ Körper gleichzeitig als Objekt der Abneigung und Anziehung konnotiert.[10]

Um den Truppen, die Mussolini in die afrikanischen Kolonien entsandt hatte, den Aufenthalt fernab der Heimat attraktiver erscheinen zu lassen, wurde der Körper der afrikanischen Frau als explizit erotisches Objekt konstruiert: „The primary thrust of the regime’s propaganda effort was to move the troops ‚down there‘ (laggiù, a spatial pointer used to refer to Africa that might also be a euphemism for the female genitalia), and one incentive was an erotic figuration of the black female body“ (Pinkus 1997, S. 138). Dabei war besonders wichtig herauszustellen, welche spezifischen physischen Eigenschaften die als begehrenswert markierten Frauen nicht aufwiesen: „Important is precisely what she is not, namely a ‚Hottentot Venus‘ type, ‚pathologically‘ endowed with steatopygia, or aportruding buttocks“ (1997, S. 138). Die somalische Frau schien dieser Beschreibung ex-negativo am ehesten zu entsprechen: „Of all the African women encountered by the Italians on their many misadventures ‚down there‘, it was almost universally agreed that the Somalis were the most desirable, in a sense because their beauty was believed to be only an exaggeration of white-ness, and not a ‚degenerate‘ opposite of it“ (1997, S. 138).

Durch diese – aus Perspektive der Italiener – Aufwertung des Körpers der Somalierinnen war es möglich, sexuelle Verbindungen zwischen „schwarz“ und „weiß“ gutzuheißen und als „gesund“ zu bewerten. Diese Sicht auf die Dinge ist auch in aktuelleren Kontexten noch vorhanden, wie sich an Äußerungen ablesen lässt, die sexuelle Begegnungen der Kolonialisten mit den „eingeborenen“ Frauen als Beweis für eine nicht-rassistische Haltung der Italiener geltend machen wollen: „Responding to a reader, [Journalist Indro] Montanelli asserts, ‚Let’s not demonize colonialism‘, because both ‚racism and anti-racism are made in bed‘“ (Aden 1997, S. 106).

Hier haben wir es einerseits mit einer immens ignoranten Haltung zu tun, die verschleiert, dass jede Begegnung des weißen Mannes und der schwarzen Frau nur innerhalb der Strukturen stattfinden konnte, die sich aus den unterschiedlichen Machtpositionen der kolonialisierenden Truppen und der kolonisierten Frauen ergaben und nicht selten zu sexueller Gewalt führten. Die Äußerung verdeutlicht aber auch, dass der „myth of positive encounter between white male and black female“ (Pinkus 1997, S. 138) noch lange anhielt bzw. anhält. Diese kulturell verankerte Aufwertung bestimmter schwarzer Körper mag einer der Gründe sein, warum Laura Gemser als Sexsymbol aufgebaut werden konnte. Allerdings ist auch diese positive Zuschreibung (die ja ohnehin immer nur von einer Position der Superiorität aus vorgenommen werden kann) alles andere als ungebrochen. Denn auch wenn die Titelheldin in der Reihe selbst als „racially other“ definiert wird, die selbst vorrangig Sex mit weißen Europäer*innen oder Amerikaner*innen hat, fällt ihr doch die Aufgabe zu, dem europäisch-westlichen Publikum eine „Erkundung“ der „presumed monstrous nature of black [oder auch ‚ethnic‘, L.A.] sexuality“ (Mendik 2004, S. 148) zu ermöglichen.

Wie Richard Dyer in The Matter of Whiteness (2005) bemerkt, zeichnet sich die Repräsentation von „white“ durch die Abwesenheit einer Bezugnahme aus. Bei Kurzbeschreibungen von Filmplots wird demnach nur das Schwarzsein benannt: „Comedy in which a cop and his black sidekick investigate a robbery“ (2005, S. 10). Weißsein erscheint als neutrale, „non-raced“ Folie (2005, S. 9), vor der sich das Schwarze als Differenz abhebt. Folgerichtig kommt die französische Version des Emmanuelle-Films ohne das Adjektiv im Titel aus, das einen Hinweis auf die Hautfarbe der Protagonistin gibt. Und das, obwohl der Film auf einem Roman beruht, der von einer Französin thailändischer Herkunft  geschrieben wurde und starke autobiografische Züge trägt. 

Die internationale Titelgebung Black Emanuelle funktioniert also einerseits als Abgrenzung von der französischen Version und deren Hauptdarstellerin Sylvia Kristel und stellt der weißen Norm mit der indonesisch-stämmigen Laura Gemser ein „exotisches“ Pendant gegenüber. Gemsers Hautfarbe ist zwar, wie die Beschreibung des Black-Emanuelle-DVD-Boxsets von Severin Films (2007) verkündet, „not actually black“, ihr als schwarz oder zumindest ethnisch markierter Körper schließt jedoch an eine lange Tradition der Sexualisierung desselben an.[11]  Sie ist „scrumptious nontheless“ (Dalton 2017). Bereits in der eingangs beschriebenen Exposition des Films wird Gemser (im Vorspann als Emanuelle geführt) qua Titeleinblendung über ihren nackten Körper nicht nur als „black“ markiert, sondern auch als Inkarnation der Marke Emmanuelle angerufen, wodurch ihr Schwarzsein untrennbar mit einem sexuellen Versprechen verbunden wird.

In diesem Kontext wird ein von Karen Pinkus beschriebenes italienisches Werbeposter aus den 1930er Jahren auf besondere Art und Weise interessant. Auf der Illustration von Gino Boccasile ist eine als schwarz markierte Person zu sehen, deren Kopf sich bei näherem Hinsehen als Kaffeebohne herausstellt. Die Person proklamiert „Il caffè sono io“ („Der Kaffee bin ich“). Der Körper der abgebildeten Person fällt also mit dem feilgebotenen Produkt zusammen. In Emanuelles Fall verschmelzen „Schwarzsein“ und „Sexysein“ untrennbar miteinander. Wäre ihr ein Slogan mitgegeben, müsste dieser folgerichtig lauten: „Il sesso sono io“ („Der Sex bin ich“).

Diese Verknüpfung spiegelt sich auch auf der Filmebene wieder, beispielsweise wenn Karin Schubert in der Rolle der Gloria Emanuelle bei einer der inszenierten Feierlichkeiten, bei denen „Eingeborene“ ihre Tänze aufführen, lüstern ins Ohr flüstert „I love black skin“. Damit wird Gemsers Körper nicht nur auf ihre Hautfarbe reduziert und sexualisiert, sondern auch eine klare Differenzierung zwischen Emanuelle und ihren weißen Bekannten vorgenommen. Ähnlich aufschlussreich ist die an sie gerichtete Frage: „How do you feel going to bed with a white man?“ Gemeinsamkeiten zwischen sich und Emanuelle herstellend, thematisiert der thailändischen Prinz (gespielt von Ivan Rassimov) ihre Sexualität als von der weißen/westlichen abweichend: „You are different. You understand how to control your ecstasy. You’re capable of letting the pleasures enter all your senses. You live them with your entire body. Not just with those few erotic zones, westerners conceive the lovemaking.“ Diese Zuschreibungen, die auf der einen Seite reduktionistisch sind, eröffnen Emanuelle aber auch Möglichkeiten. So gelingt es ihr, sich in La via della prostituzione in einen Sklavenhandel-Ring einzuschleichen, weil es ein „opening“ gibt „for a classy, exotic girl“ – Anforderungen also, denen sie genügt. 

In Emanuelle e gli ultimi cannibali kann sie die weiße Tochter des Expeditionsleiters retten, indem sie sich als Wassergöttin des amazonischen Stammes ausgibt, der sich anschickt, sein Opfer zu verspeisen: „As I look very much like them, they will believe their water god has come to receive their sacrifice.“

In einer anderen Szene in Emanuelle nera kommt die Protagonistin mit einem kenianischen Jungen ins Gespräch. Sie als Teil  einer westlichen Expedition erkennend, richtet er sich an Emanuelle: „How come you have color like mine?“, woraufhin sie antwortet: „In some places they sell it in buckets and spray cans.“ Als der Junge weiter wissen möchte, was passiert, wenn sie sich wäscht, verrät sie: „Don’t tell anybody, but I never wash.“ Emanuelles Hautfarbe erscheint hier interessanterweise als Option, als Zustand, den man künstlich herbeiführen muss (indem man sich mit Farbe einsprüht) und dann ebenso künstlich aufrechterhalten (indem man sich nicht wäscht), dem man sich aber auch wieder entledigen kann (indem man sich wäscht).

Emanuelles  Schwarzsein  wird  also  nicht  grundsätzlich  als  das fremde „Andere“ definiert, sondern ist kontextabhängig und muss immer wieder neu verhandelt werden. Je nach Zusammenhang wird sie entweder als westlich geprägte Amerikanerin adressiert, oder aber es wird ihre ethnisch begründete Andersartigkeit unterstrichen: Sie ist schwärzer als die Deutsche Karin Schubert und weißer als der kenianische Stammesangehörige (in Emanuelle nera); gerade schwarz genug, um sich als Wassergöttin des amazonischen Stammes auszugeben (in Emanuelle e gli ultimi cannibali); und gerade weiß genug, um in einer Hardcore-Szene von einem hellhäutigen Stand-In ersetzt zu werden (in Emanuelle, perché violenza alle donne?). Sie selbst gibt sich mal als Jamaikanerin aus, unterstreicht jedoch andere Male ihre amerikanische Herkunft und stellt selbst dabei einen Abstand zu den als primitiv markierten Zusammenhängen her: So zeigt sie sich nach der Landung in Nairobi verwundert über die Architektur der Stadt: „All this concrete. It’s not that I expected straw huts, but this comes as a surprise.“ Oder wenn sie die Einladung des jungen Priesters aus der Anfangssequenz, ihn im „Busch“ zu besuchen mit der Begründung ablehnt: „I love my luxuries too much.“

So entsteht ein Zustand des Dazwischen, der dazu führt, dass Emanuelle sich von einer Situation in die nächste bewegen kann, ohne jemals als Fremdkörper aufzufallen: Sie tanzt zu afrikanischen Trommeln unter freiem Himmel ebenso selbstverständlich wie zu Beduinen-Musik in einem Zelt oder zu zeitgenössischer Popmusik in einer römischen Villa. Dabei ist ihr als schwarz markierter Körper, dessen genaue Herkunft im Ungewissen bleibt, eine Art „shadeshifter“, der es ihr erlaubt, sich problemlos in der jeweils von ihr bereisten exotischen Umgebung zu assimilieren, oder sogar ganz in ihr aufzugehen: In Emanuelle nera hat die Titelheldin, unter dem Einfluss eines drogenhaltigen Getränks und lauter Trommelmusik, öffentlichen Sex mit einem der Stammesangehörigen.[12] Eine Szene die verdeutlicht, dass in Emanuelle „natürlich/primitives“ Potenzial schlummert, das von den rituellen Praktiken kenianischer Stammesangehöriger aktiviert wird, oder anders gesagt, ihr „body literally becomes invaded by the primitive forces surrounding her“ (Mendik 2004, S. 155).[13]

 Emanzipatorische Unterströmungen?

Auffällig oft werden in den Black-Emanuelle-Filmen Themen angesprochen, die einen feministischen Unterton haben. In jedem der sechs Filme der Albertini/D’Amato-Reihe  bekommt  die  Titelheldin  schon  zu  Beginn  des Films Gelegenheit, ihr Konzept von Freiheit bzw. „freier Liebe“ zu propagieren. Sei es in Emanuelle in America: „Marriage would be a crime, not madness. A crime against freedom. Which is a must for both of us“; oder in Emanuelle nera: Orient Reportage: „Life is too short to settle down.“ Männern, die sie drängen, ihnen zu folgen oder sich an sie zu binden, entgegnet sie spöttisch: „You are such a bore.“ In Emanuelle, perché violenza alle donne? lässt sie sich sogar – angesteckt von der Arbeit eines hochrangigen Entwicklungshelfers sowie einer befreundeten investigativen Journalistin – zu einer Art politischem Statement hinreißen: „In our days a free woman who is in the position to express herself must become involved with the problems a woman has always had to face, she continues to be the victim of male sexual violence.“

An anderen Stellen stellt Gemsers Emanuelle ihre Unabhängigkeit in den Vordergrund: „I learned a long time ago to make my own decisions. Live my life the way I want it.“ Sie nimmt zudem Bezug auf zeitgenössische feministische Anliegen: Auf die Frage ihrer Geliebten Deborah „Do you never wear a bra?“, antwortet sie in Emanuelle nera – Orient Reportage: „I burnt it!“ Dass sie ausgerechnet als Fotografin arbeitet, ist auf vielen Ebenen interessant, vor allem aber in Bezug auf weibliche Selbstbestimmung.[14] Denn der Beruf des Fotografen wird traditionell mit dem überlegensten aller Sinne, dem als männlich attribuierten Sehsinn in Verbindung gebracht (Classen 2003). Der Blick durch die Kamera produziert ein objektivierendes Blickregime, das sich auch in filmischen Narrativen wiederfindet, in denen weibliche Darstellerinnen für den männlichen Blick konstruiert werden.[15]

Emanuelle erscheint hier allerdings, zumindest auf der Handlungsebene, nicht nur als Objekt des (männlichen) Blicks, sondern gibt ihn auch zurück und wird als eine Art weibliches Pendant zu David Hemmings’ Modefotografen in Blow Up (1966; R: Michelangelo Antonioni) aufgebaut.

In Emanuelle in America werden wir in der Anfangssequenz Zeuge eines Modeshootings, bei dem Emanuelle nackte Models in Szene setzt, indem sie ihnen kurze Anweisungen zuruft. Nach Ende des Shootings greift sie einem der unbekleideten Modelle an den Hintern und bemerkt: „You have lost some weight recently.“ Auch wenn die damit einhergehende Frage ein Gespräch einleitet, das für den weiteren Filmverlauf relevant sein wird, ist diese Geste des „Hintern-Grapschens“ doch eine männlich konnotierte, die meist nicht mit Einverständnis der so angefassten Frau durchgeführt wird und dreht die Rollenverteilung hier klar um. Emanuelle richtet ihren Blick im Verlauf der Reihe nicht nur offen auf andere, oftmals ohne dass diese sich dessen bewusst sind. Dabei dienen ihr Schmuckstücke wie Armbänder und Halsketten, also typisch weibliche Attribute, als Verstecke für ihre Kamera.[16] In Emanuelle nera: Orient Reportage bekommt diese spezifische Nutzung von Schmuckstücken sogar einen weiteren symbolischen Wert,  als Emanuelle inkognito in einem Harem recherchiert. Das Armband, das jede Konkubine zwecks Zuweisung einer Nummer tragen muss, wird als versteckte Kamera zur Waffe, die gegen den Unterdrücker (den Haremsbesitzer) selbst gerichtet wird.

Diese Inszenierung von Emanuelle als autonom und unabhängig überrascht besonders, wenn man die Rollenzuschreibungen mit jenen in der französischen Version von 1974 vergleicht. In Emmanuelle, der stärker der Romanvorlage verpflichtet ist und der durchaus Anziehungskraft auf ein weibliches Publikum ausübte (mutmaßlich aus Interesse der Frauen an dem „glossy“ Stil und den exotisch-luxuriösen Spielorten), begegnen wir einer Emmanuelle, die vor allem Ehefrau ist. Während Gemsers „schwarze“ Emanuelle aus beruflichen Gründen in den „Orient“ reist, folgt Kristels Emmanuelle ihrem Mann nach Bangkok. Er ist es auch, der sie zu ihren sexuellen Abenteuern erst animiert: „I have so many things to learn. Because I haven’t yet become the woman you deserve“, raunt Emmanuelle ihm bei einem romantischen Abendessen zu. Ganz eindeutig in der Rolle der Schülerin, welche der Anweisungen eines Mentors bedarf, sieht Emmanuelle den Mehrwert ihres erotischen Lernprozesses darin, zu einer optimierte Partnerin für ihren Mann zu werden.

Entsprechend geht Emmanuelle sehr unerfahren und naiv an die Dinge heran. Zu Beginn lässt sie sich noch eher spielerisch vereinzelt von ebenfalls weißen reichen Frauen verführen, die im wahrsten Sinne des Wortes nichts Besseres zu tun haben und ihre Tage mit Sport, Sonnenbädern, Partys und eben auch Sex füllen. Zuerst eingenommen von dem Leben zwischen Ennui und Lustprinzip, das dahinplätschert und zu nichts verpflichtet, wird Emmanuelle jedoch bald auf den Boden der Tatsachen zurückgeworfen, als sie sich in die selbstständige Archäologin Bee verliebt, die ihre Gefühle nicht erwidert und Emmanuelle mit einem gebrochenen Herzen zurücklässt. Bezeichnenderweise ist einer der Gründe, warum sie sich überhaupt für Bee interessiert, deren Berufstätigkeit: „You’re the only one I know who works“, konstatiert sie auf einer Party.

Sich dem Herzschmerz hingebend, wird sie von ihrem Gatten väterlich belächelt und schließlich dazu gedrängt, das Liebes-Hang-over zu überwinden, indem sie ihren Horizont von dem älteren und sexuell erfahrenen Mario (Alain Cuny) erweitern lässt. Ein Mann, der auf ihr Bitten, sie nach Hause zu bringen, antwortet: „But your husband isn’t home, he entrusted you with me“, und sie letztlich in eine Situation manövriert, die sie nicht mehr kontrollieren kann. In einer Opium-Höhle, in die Mario Emmanuelle bringt, kommt es schließlich zu ihrer Vergewaltigung, die von Mario aufmerksam beobachtet wird. Die Vergewaltigung, an der er als Komplize beteiligt war, wird nie thematisiert und hält Emmanuelle auch nicht davon ab, gleich im Anschluss daran konsensuellen Sex mit einem Thailänder zu haben, der sich zuvor per Boxkampf das Vorrecht für den Beischlaf erkämpfen muss.

Emmanuelle ist hier die weiße privilegierte Frau, deren erotische Eskapaden mit ihrer Reise beginnen: Wie sie immer wieder betont, war sie ihrem Mann in Paris treu, hat dann jedoch im Flugzeug Sex mit zwei ihr unbekannten Männern. Hier wird ein Bruch zwischen der vertrauten und der „exotischen“ Umgebung markiert, der noch weiter unterstrichen wird, wenn Emmanuelle sich in Thailand als Fremdkörper in der neuen Umgebung wiederfindet. Als ihr Mann sie kurz nach ihrer Landung für einen Moment im offenen Cabriolet warten lässt, erlebt sie die sie um Geld anbettelnden Menschen als Furcht einflößende Gestalten, derer sie sich ohne ihren Mann nicht erwehren kann.

Im Gegensatz dazu ist die italienische Emanuelle finanziell unabhängig, unerschrocken, selbstständig und passt sich ihrer jeweiligen Umgebung problemlos an. Wo ihre französische Vorgängerin die Schülerin erfahrener Männer ist, fungiert sie als Lehrerin und führt vor allem junge Frauen in die „Geheimnisse der Liebe“ ein. Was sich die eine erarbeiten muss – sexuelle Freizügigkeit und Sexpositivismus – ist für die andere ein „natürlicher“ Zustand.

Letztlich aber sind beide Versionen sexueller Befreiung vor allem Mittel zum Zweck, möglichst viel nackte Haut zu zeigen. Sie machen die beiden Protagonistinnen auf verschiedene Weise zur ultimativen Männerfantasie: die ätherische französische Emmanuelle, die als Jungfrau in die Ehe ging und unter der Anleitun ihres Mannes bzw. anderer erfahrener (meist männlicher) Personen sexuelle Abenteuer erlebt, um ihren Mann eine bessere Gefährtin sein zu können. Und die toughe italienische Emanuelle, die autonom, ungebunden, niemandem zu etwas verpflichtet ist und jede ihr angetane Gewalt mit einem Schulterzucken abtut.

Conclusio

Wie ich gezeigt habe, kann die Bedeutungsproduktion der Emanuelle-Reihe nich außerhalb ihres italienischen Kontextes gedacht werden. Spezifische filmische Traditionen und Produktionszusammenhänge verwandelten den französischen High-gloss-Softcore-Film, der zumindest im ersten Teil nah an der Romanvorlage bleibt, in eine Exploitation-Version, in der Gewalt und makabre Darstellungen von Verfall und Tod zum Selbstzweck werden und in der die Sexszenen in ihre Funktion als Publikumslockmittel noch übertroffen werden.

Die Instrumentalisierung des französischen Vorgängerfilms als Referenz gestattete es den italienischen Filmemachern, sich von der Romanvorlage zu entfernen und eine eigene Interpretation der erotisch/exotisch Reisenden zu schaffen. Die schwarz markierte Titelheldin vereinigt paradoxe Eigenschaften: Sie erscheint als westlich geprägt und mit einer „natürlichen“ Nähe zum „Primitiven“ ausgestattet. Einerseits als sexpositive, selbstständige Frau dargestellt, die als Fotojournalistin anderen ihren Blick aufzwingt und sie für ihre eigene Karriere nutzt, wird Emanuelle immer wieder auf ihr prekäres Frau-Sein zurückgeworfen und sieht ihren meist nackten Körper nicht nur dem voyeuristischen Begehren des Zuschauers ausgesetzt, sondern muss immer wieder auch (sexuelle) Gewalt über sich ergehen lassen. Die als feministische Statements eingeführten Äußerungen über freie Liebe und Gleichberechtigung, die lose auf gesellschaftliche Diskurse der Zeit referieren, haben vor allem die Funktion, Emanuelle mit dem nötigen Durchhaltevermögen auszustatten, das es ihr erlaubt, sich auf immer neue Sexpartner einzulassen und der gegen sie gerichteten Gewalt mit einem sturen Stoizismus zu begegnen, der auf der narrativen Ebene als „Stärke“ und „Autonomie“ ausgelegt wird.

Emanuelles Schwarzsein erscheint in diesem Kontext als flexible Kategorie, die auf der Ebene der Narrative Handlungs- und Erfahrungsräume eröffnet. Andererseits ist der Umstand, dass sie zur Projektionsfläche für eine Verquickung von krassen Sex- und Gewaltfantasien wird, ebenfalls genau diesem Status als Minorität geschuldet, für den letztlich gilt: „[It] did create opportunities for filmmakers to put her in a variety of distinctly misogynistic situations, much more blatantly and violently than perhaps some of the classical Italian actresses would have been involved in“ (Shipka 2011, S. 157).

 

Lisa Andergassen ist freie Autorin, Übersetzerin und Dozentin und promoviert zur Figur der sich selbst-objektivierenden Frau im Spannungsfeld zwischen feministischer Theorie und Pornografie. Sie ist Mitherausgebern des 2014 erschienenen Sammelbandes „Neue Perspektiven auf Pornografie und Gesellschaft“ (Bertz & Fischer).

 

Anmerkungen

[1] Zu den unterschiedlichen Versionen der Emanuelle-Rip-offs siehe Shipka (2011, S. 168–170) und Chaffin-Quiray (2004, S. 143).

[2] Diesem Sub-Genre trägt auch einer der zahlreichen Emanuelle-Filmen Rechnung: In Suor Emanuelle (Die Nonne und das Biest; 1977, R: Giuseppe Vari) ist Laura Gemser als Nonne zu sehen, die (natürlich) im Laufe des Films durch zwei lüsterne Frauen vom rechten Weg des Zölibats abgebracht wird.

[3] Zu den Produktionsweisen und Genrezyklen des italienischen Populärkinos der 1950 bis 70er Jahre siehe z. B. Steinwender (2012); zum Einfluss der realen politischen Gewalt dieser Jahre auf das italienische Populärkino siehe im vorliegenden Band den Aufsatz von Steinwender zum Poliziottesco.

[4] Eine Form der erotischen Komödie, die sich von Pier Paolo Pasolinis Il Decameron (Decameron; 1971) ableitet und typischerweise zu Zeiten der Renaissance oder des Mittelalters spielt.

[5] Zeitweise auch hochkarätig besetzt, wie im Falle von La morte ha sorriso all’assassino (Die Mörderbestien; 1973), in dem Klaus Kinski in einer Hauptrolle zu sehen war.

[6] Zum Mondo-Film siehe ausführlich Ritzer (2007); ferner zum verwandten filone des Söldnerfilms Ritzer (2014).

[7] Beispielsweise Thailand in Emmanuelle und die Seychellen in der ersten Fortsetzung Emmanuelle: L’antivierge Emmanuelle 2 (Emanuela 2. Teil – Garten der Liebe; 1975; R: Francis Giacobetti).

[8] Die Snuff-Film-Szene aus Emannuelle in America gelangte zu einiger Berühmtheit, da Joe D’Amato die 8mm-Ästhetik des – Mitte der 1970er Jahre noch weitestgehend unbekannten – Phänomens so aufwendig kopierte, dass viele Zuschauer und Zuschauerinnen die Sequenz für einen echten Snuff-Film hielten. Die extremen Gewaltdarstellungen führten dann auch dazu, dass eine der Darstellerinnen den Regisseur wegen „extreme mental cruelty“ (Shipka 2011, S. 159) verklagte, was jedoch nicht zu einer Verurteilung führte.

[9] Ein weiterer, nicht Italien-spezifischer Grund ist die Tatsache, dass sich die US-amerikanische Blacksploitation-Produktion Mitte der 1970er Jahre auf ihrem Höhepunkt befand und sicher Einfluss auf die Titelgebung und internationale Vermarktung als Black Emanuelle hatte.

[10] Zur anti-essenzialistischen Theorie von blackness in (post-)postkolonialer Perspektive siehe ausführlich den Beitrag von Ivo Ritzer in diesem Band: Kulturwissenschaft (re)Assigned.

[11] Wie Sanders L. Gilman in ihrer Studie zu Stereotypen von „Sex, Race and Madness“ zeigt, geht dieses „labeling of the black women as more primitive and therefore more sexual intensive“ bis ins frühe 18. Jahrhundert zurück (Gilman 1985, S. 83).

[12] Interessanterweise besteht Emanuelle nach diesem Ereignis darauf, dass sie sich, von den Trommeln verführt („I can still hear the drums in my head“), atypisch verhalten hat: „This woman wasn’t Emanuelle.“ Der Grat zwischen freiwilliger Assimilierung und der Invasion ihres Körpers scheint hier sehr schmal zu sein.

[13] Wie in der Szene, in der Emanuelle sich als Wassergöttin eines amazonischen Stammes ausgibt, wird sie auch hier von den „Eingeborenen“ umringt, die sie als eine der ihren anzuerkennen scheinen.

[14] Wie Xavier Mendik (2004, S. 155) bemerkt, steht die Fotografin Emanuelle in einer Travelogue-Tradition, die es dem westlichen Blick erlaubt, in exotische Gefilde vorzudringen und dabei spezifische Machtstrukturen zu generieren.

[15] Dieser Umstand wurde natürlich, wenn auch um einiges komplexer, von Laura Mulvey in Visual Pleasure and Narrative Cinema (1975) beschrieben.

[16] Dass hier Erinnerungen an James Bond wachgerufen werden, ist wahrscheinlich kein Zufall, sondern ein weiteres Beispiel für die erfolgreiche Inkorporierung zeitgenössischer filmischer Strömungen in das filone Black Emanuelle/Emanuelle nera.

Literatur

Aden, Mohamed. 1997. Italy: Cultural Identity and Spatial Opportunism from a Postcolonial Perspective. In Allen und Russo 1997, a. a.O., S. 101–115.

Chaffin-Quiray, Garett. 2004. Emmanuelle Enterprises. In Mathijs und Mendik 2004, a. a. O., S. 134–145.

Classen, Constanze. 2003. Der duftende Schoß und das zeugende Auge: Gendercodes, Sinne und Verkörperung. In Sinne und Erfahrung in der Geschichte, hrsg. Wolfram Aichinger et al., 75–90. Innsbruck: Studienverlag.

Dalton, Trinie. 2017. Editorial Review. https://www.amazon.com/Black-Emanuel- les-Box-Vol-1/dp/B000MQ55X4 [Zugegriffen: 03.07.2017].

Dyer, Richard. 2005. The Matter of Whiteness. In White Privilege: Essential Readings on the Other Side of Racism, hrsg. Paula S. Rothenberg, 9–14. New York: Worth Publishers.

Gilman, L. Sander. 1985. Difference and Pathology. Stereotypes of Sexuality, Race, and Madness. Ithaca: Cornell University Press.

McClintok, Anne. 1995. Imperial Leather. Race, Gender and Sexuality in the Colonial Context. London und New York: Routledge.

Mendik, Xavier. 2004. Black Sex, Bad Sex: Monstrous Ethnicity in the Black Emanuelle

Films. In Mathijs und Mendik 2004, a. a. O., S. 146–159.

Mulvey, Laura. 1999. Visual Pleasure and Narrative Cinema. In Film Theory and Criticism: Introductory Readings, hrsg. Leo Braudy und Marshall Cohen, 833–44. New York: Oxford University Press.

Pinkus, Karen. 1997. Shades of Black in Advertising and Popular Culture. In Allen und Russo 1997, a. a. O., S. 134–155.

Ritzer, Ivo. 2007. Mondo Jacopetti: Die beste aller Welten als Welt der Hunde. Testcard 12 (16): 140–147.

Ritzer, Ivo. 2014. Ein entbehrliches Genre? Aspekte der medienkulturellen Rekurrenz von „Minigenres“ am Beispiel des Söldnerfilms. In montage AV 23 (1) 2014: 80–99.

Shipka, Danny. 2011. Perverse Titillation. The Exploitation Cinema in Spain and France 1960–1980. Jefferson: McFarland.

Steinwender, Harald. 2012. Sergio Leone – Es war einmal in Europa. Berlin: Bertz+Fischer.

 

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