Zehn Jahre »Pop«-Zeitschrift
von Thomas Hecken
2.5.2023

Anfang und Verlauf

Mit dieser Website pop-zeitschrift.de und dem dazugehörigen Heft „Pop. Kultur und Kritik“ sind wir nun seit gut zehn Jahren publik. Das ist eine passende Gelegenheit, kurz auf die Anfänge zurückzublicken, denn bei einem Projekt aus dem wissenschaftlichen Bereich sollten sogar die frühen Texte dem Ausspruch ‚Nichts ist älter als die Zeitung von gestern‘ entgehen.

Allerdings trifft der Satz auf uns vielleicht doch zu, denn bei der Printausgabe bilden Texte im üblichen wissenschaftlichen Format – lange Einleitung, Verbeugung vor der ein oder anderen Autorität, Darlegung der gewählten (angeblichen) Untersuchungsmethode, mehr oder minder ausführliche Detailanalyse – die Ausnahme. Der Anspruch war von Anfang an, auch für Leute zu schreiben, die nicht an Unis angestellt sind und z.B. im journalistischen Bereich arbeiten oder noch ein Studium absolvieren. Erreicht werden sollte das durch aktuelle Themen, kürzere Texte und Darstellungen, die rasch die Thesen und Untersuchungsergebnisse präsentieren, ohne den Weg dorthin zu dokumentieren.

Es kann also sein, dass die Texte sich gar nicht von Feuilletonartikeln oder kulturinteressierten Blogposts unterscheiden, auch wenn die allermeisten Artikel bei uns von Mitgliedern literatur-, medien- und sozialwissenschaftlicher Institute stammen. Die Hoffnung bei Gründung war natürlich, dass sie wenigstens teilweise zu anderen Betrachtungen und Befunden gelangen, sonst hätte ja gleich die Lektüre von „Faz“, „Art“, „Der Spiegel“ empfohlen werden können. Doch wer weiß?

Und: Wer soll darüber richten? In diesem Fall lässt sich das ausnahmsweise präzise sagen: Sie. (Oder in der Sprache des Marketings, zu der Jubiläumsartikel zweifellos zählen: Du.) Darum stellen wir ab der nächsten Woche nach und nach alle Beiträge des ersten Hefts zur Überprüfung auf unsere Website (wer nicht warten möchte und ein paar Klicks nicht scheut, kann schon hier PDFs der Artikel im Druckformat online lesen sowie herunterladen).

Wer sich auch oder vor allem für den Beginn der Website, auf der viele weitere Artikel stehen, interessiert, kann bereits hier ans Ende herunterscrollen, dort stehen alle Angaben mitsamt Links zu den ersten Beiträgen.

Zu den frühen Artikeln auf der Website zählt ein Beitrag, der das Programm und Selbstverständnis der „Pop“-Zeitschrift umreißt. Stark konturiert fiel das aber nicht aus, wie besonders diesem Absatz abzulesen ist, in dem angegeben wird, dass die Zeitschrift keine (reine) Pop-Affirmation betreiben wird: „Kritik an verschiedenen Pop-Phänomenen wird sich allein schon deshalb ergeben, weil Herausgeber und Mitarbeiter der Zeitschrift weder eine verschworene Gemeinschaft bilden noch eine wissenschaftliche Methode oder außerwissenschaftliche Zielsetzung teilen. Nicht einmal ein gemeinsamer Gegenstand darf zwingend vorausgesetzt werden. Interessieren sich die einen hauptsächlich für Pop-Fragen im strengen Sinne, wollen sich die anderen keineswegs davon abhalten lassen, unter dem Pop-Titel auch wichtige Aspekte der modernen Massenkultur zu untersuchen und zu kommentieren. Deshalb stehen in unserem ersten Heft und auf der Website Beiträge zu Lady Gaga, der Fantômas-Serie, zu Hypnagogic Pop und Facebook neben Artikeln zu Themen, die wohl kaum jemand zum engeren Pop-Bereich zählen wird – Artikel etwa zur Libyen-Berichterstattung, zu Feelgood-Movies und zur Finanzkrise.“ (Der komplette Artikel „Vorstellung der ‚Pop‘-Zeitschrift“ steht hier.)

Wer aber nicht nur lesen will, für den gibt es in Zusammenarbeit mit dem SFB 1472 und dem Museum Ludwig am 24. Mai eine Jubiläums-Veranstaltung in Köln zum Thema „Pop heute“ (hier das Programm der Veranstaltung).

Ob unsere Website und Printausgabe auch unter „Pop heute“ fallen, muss allerdings von vornherein bezweifelt werden, denn das Schreiben über Pop führt keineswegs zwangsläufig zu einer Pop-Schreibweise. Zumindest für diese Erkenntnis haben wir in den letzten zehn Jahren hinreichend Belege erbracht.

Die andere Erkenntnis ist weniger überraschungsfrei. Vor ca. zwölf Jahren, als das Zeitschriftenprojekt dem Verlag Transcript vorgestellt wurde, war zwar längst klar, dass es genügend Leute aus dem wissenschaftlichen und feuilletonistischen Raum gibt, die über Pop-Themen schreiben (möchten). Die meisten von ihnen wollten aber über Themen des Avant-Pop schreiben, nicht selten gepaart mit einer ausgesprochenen Abneigung, sich über ‚Charts-Pop‘, ‚Mainstream‘, ‚Kommerzielles‘, ‚Neoliberales‘ etc. anders als forciert kritisch oder bemüht originell zu äußern (hier ein Artikel zum ‚Avant-Pop‘ aus den Anfangstagen unserer Website).

Darum war von vornherein abzusehen, dass sich auch die „Pop“-Zeitschrift stärker in diese Richtung neigen wird. Ein bewusster Versuch, das zu ändern, ist nicht unternommen worden; im Gegenteil; die Zeitschrift besteht zum größten Teil aus Kolumnen-Artikeln, bei denen die Themenwahl sehr weitgehend keinen redaktionellen Vorgaben unterliegt.

Deshalb lassen sich bei der Lektüre von Zeitschrift und Website kleine Trends im Bereich wissenschaftlichen und feuilletonistischen Schreibens über Pop wahrscheinlich ganz gut feststellen. Wenn nicht alles täuscht, hat sich wenigstens eine kleine Änderung ergeben: Vor allem bei denen – insbesondere den jüngeren –, die über Social-Media-Phänomene schreiben, ist der Zug zum Avant-Pop nicht mehr so stark ausgeprägt wie bei den (früheren) Verfechtern des ‚Diskurs-Pop‘. Eine kleine Überraschung ist das schon, denn der ‚Komplexität‘, der ‚Subversion durch Affirmation‘, der ‚Originalität‘ etc. lässt sich auf diesem Wege nur schwer Tribut zollen.

Ob sich das auch bald auf die Betrachtungen und Analysen zur Musik, zu TV-Serien, zum Marketing, zur Mode usw. auswirkt, werden wahrscheinlich die zukünftigen Artikel in der „Pop“-Zeitschrift und auf pop-zeitschrift.de rasch zeigen. Allerdings sollen Printausgabe und Website nicht um dieses Ziels willen betrieben werden, das ist höchstens ein Nebeneffekt. Alles hängt ganz einfach daran, ob sich weiterhin genügend Leute finden lassen, die wissenschaftliche und essayistische Artikel zur Popkultur gerne schreiben und lesen. Falls Sie bis zu diesem Schlusssatz gekommen sein sollten, stünden die Chancen dafür gar nicht mal so schlecht.

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