2000er-Sensibilität
von Elena Beregow
18.3.2025

Trends, die nicht vergehen

[aus: »Pop. Kultur und Kritik«, Heft 20, Frühling 2022, S. 19-26]

Endlich sind die späten Neunziger und frühen Nuller Jahre als ernstzunehmende Referenz in die Popgeschichte eingegangen. Vielleicht hat es diesen Abstand von zwanzig Jahren gebraucht, um jene Zeit zwischen 1997 und 2003 und ihre Künstlerinnen aus dem Dunst von »Trash«-Mottopartys zu befreien, auf denen »Baby One More Time« ironisch mitgegrölt wird – begleitet von ausladend-schrillen Gesten, damit auch wirklich alle mitkriegen, dass man es nicht ernst meint.

Dass die Mode der 1990er und 2000er Jahre rehabilitiert wird, ist schon seit längerer Zeit zu beobachten. Dabei hat es viele Jahre bauchfreier Croptops und übergroßer Baumwollhoodies, Minihandtaschen, Gelnägel, Bucket Hats, Spaghettiträger, Buffalos, Tattooketten, Bandanas, Slipkleider und Mittelscheitel mit symmetrisch platzierten Haarspangen gebraucht, um nun auch die verschriensten aller Nullersymbole – messerscharfe Mikro-Augenbrauen und hüftig sitzende Hosen zu hoch sitzendem Tanga – zurückzubringen. Aktuell erhalten diese Looks, die nach wie vor häufig als modische Verbrechen geschmäht werden, immerhin eine ebenso leidenschaftliche Verteidigung. »Iʼm going to start a petition to bring back skinny eyebrows. I think theyʼre the reason why the girlies were so fine in the 2000s«, erklärt @happistarr1 auf TikTok, nachdem Bella Hadid den ersten Schritt zur »Ultimate Skinny Brow Muse« (»Vogue UK«) gemacht hatte. Die heutigen Verfechterinnen der Zweitausender-Renaissance gehören vor allem den Alterskohorten an, die in oder kurz nach der referenzierten Zeit geboren wurden, also den späten Millenials und Zoomern. Ihr Umgang mit dieser Zeit und ihrer Mode und Musik ist denn auch weniger anfällig für die reflexhafte Gleichsetzung von 2000ern und »Trash«.

Das gilt auch für die Popmusik, in der sich ein neuer Umgang mit den Neunzigern und Nullern im Stilverbund mit deren Soundcharakteristika abzeichnet. 2018 sang Charli XCX in fast zwanzigjährigem Jubiläumsabstand mit Autotune-Stimme »I just wanna go back to 1999«,  begleitet von zeittypisch peitschenden Eurodancebeats und DJ-BoBoesken Keyboardanschlägen. Im Video zum gemeinsam mit Troye Sivan aufgenommenen Song »1999« spielen die beiden Rose und Jack am Bug der Titanic und kehren als Figuren im Videospiel The Sims wieder, Charli posiert mal als Steve Jobs mit klobigem PC, mal als alle Spice Girls gleichzeitig, Troye wahlweise als Eminem oder alle Backstreet Boys gleichzeitig. Kurz vorher, 2017, errichtete Kim Petras im Video zu ihrem Bubblegum-Popsong »I Don’t Want It At All« einen Paris-Hilton-Schrein und stolzierte im charakteristischen Partygirlgestus der frühen Nuller – als Sugarbabe in Bonbonfarben, mit Lolli im Mund und behängt mit Einkaufstüten, die Kreditkarte »declined« – durch eine digital verfremdete Shoppinglandschaft. In diesen Beispielen werden die 90er und 00er Jahre im plakativen Modus ironischer Beschwörung herbeigesehnt, ganz im Geiste diverser populärer 00er-»Throwback«-Accounts auf Instagram wie sainthoax oder She’s Vague. Hier werden alte Bilder von Paris Hilton und Nicole Richie, Lindsay Lohan, Britney Spears und Christina Aguilera ausgegraben – nicht nur um ihre legendären Looks zu ehren, sondern auch, um sie nachträglich als Ikonen gegen ›slut shaming‹ und misogyne Doppelstandards zu feiern. Denn trotz Girlpower-Ästhetik mussten weibliche Popstars sich in dieser Zeit u.a. in Interviews noch einen Sexismus gefallen lassen, der in diesem offen aggressiven Ton heute selbst oder vielleicht gerade im Mainstream auf großen Gegenwind stoßen würde. Doch auch wenn man in diese popfeministische Party der Nuller intuitiv ohne zu zögern einzustimmen geneigt ist, wird im Modus der nostalgischen Beschwörung schnell eine andere, subtilere Linie der Nullersensibilität verdeckt; eine, die gänzlich auf jene Throwback-Übersteigerung verzichtet. Besonders prägnant wird sie derzeit von zwei Popkünstlerinnen artikuliert: Lorde auf ihrem Album »Solar Power« und Billie Eilish auf ihrer Platte »Happier Than Ever«, die im Sommer 2021 etwa zeitgleich erschienen sind.

Im Song »Mood Ring« singt Lorde: »I can’t feel a thing, I keep looking at my mood ring / Tell me how I’m feeling / Floating away, floating away«. Der ›mood ring‹ gehörte zur festen Ausstattung der frühen Nuller Jahre und hatte die magische Fähigkeit, die Stimmung der Trägerin in ihren Wechseln farblich zu dokumentieren. Bei Lorde soll dieses vergessene Accessoire nun dabei helfen, einer typischen Millenialbefindlichkeit beizukommen: innerer Leere und Apathie. Lordes Song ist eine Hymne für die privilegierten »sad girls«, die jene Taubheit mit Sonnengruß 1 und 2, Microgreens, Astrologie, Skincare, CBD, Moon Juice und Kristallen zu kurieren versuchen, und macht sich einerseits über die Wellnessideologie lustig, die vorgaukelt, dass das funktioniert, transportiert aber zugleich jene abgelöschte Self-Care-Sensibilität als Stimmung (›mood‹), und zwar in einer Präzision, die jede einfache parodistische Distanz aufhebt. Lorde weiß, wovon sie spricht – zumal nach fast eineinhalb Jahren Pandemie.

»Don’t you think the early 2000s seem so far away?«, fragt sie am Ende der ersten Strophe und holt einen ganz bestimmten Strang der Nuller als Soundatmosphäre in die Gegenwart zurück. Eine melodische Akustikgitarre mit festem Anschlag und nostalgischem Riff, zurückhaltend blecherne RnB-Drumbeats und hoher gehauchter Gesang lassen Natalie Imbruglia (»Torn«), All Saints (»Pure Shores«), Jennifer Page (»Crush«), S Club 7 (»Bring It All back«) und die frühe Nelly Furtado (»I’m Like A Bird«) buchstäblich durchscheinen. Denn nicht zufällig kreisen all diese Songs um Sonne, Licht, Luft und Strand, womit der Zentraltopos von »Solar Power« benannt ist. »(B)right, forward, shimmery acoustics« nennt Lorde das selbst. Dieser optimistisch-unbeschwerte Nullersound steht nun nicht im einfachen Kontrast zur Stimmung in »Mood Ring«, die »as dark as my roots« ist – eine Anspielung auf den dunklen Haaransatz der blondierten Protagonistin, mit dem Zusatz »if I ever let them grow out« –, sondern beides wird konsequent zu einer Nostalgie verwoben, die letztlich richtungs- und ortlos ist. Zu dieser Entgrenzungswirkung trägt die dritte Referenz im Video bei, die das ganze Album prägt; nämlich die 1960er Jahre als New-Age-Ära von »love and light«. Man sieht Lorde mit anderen jungen erwachsenen Frauen in blassgrünen Gewändern in einem lichtdurchfluteten Raum liegen, der ausgekleidet ist mit beigem Leinen, umgeben von Büchern, Spiegeln, Federn, Steinen, Pflanzen, Chiasamen und Kristallen. Man sieht sie yogische Ornamente bilden, sich die Haare kämmen, durchweg ungeschminkt und ernsthaft, was das Ganze nicht glamourös, sondern eher therapeutisch wirken lässt. Da liegt unverkennbar eine Selbsthilfegruppe zusammen, die mit den transgressiv-spirituellen Bemühungen der Hippies nichts gemein hat; was sie daraus allenfalls als Inspiration zieht, sind beruhigende Farben und hautfreundliche Stoffe, Atem- und Rückenübungen, Meditation als Schadensbegrenzung – mit der Pointe, dass die Lichttherapie trotz aller Versuche die Seele nicht erreicht hat. Ein vielgelikter Kommentar auf YouTube bringt es auf den Punkt: »I think this song is brilliant in how it combines making fun of superficial new-ageist nonsense, but the undertones of a genuine depression are also felt. This is a solid exercise in post-irony, and a very convincing musical piece, what with the modulations, crescendos, musical jokes; you know it’s good.«

Auf den ersten Blick mag Billie Eilishs Album »Happier Than Ever« zur – wenn auch gebrochenen – Helligkeit von »Solar Power« im Kontrast stehen. Der Grundton in Soundsprache wie visueller Ästhetik ist dunkel, ja düster, die Videos spielen nachts auf der Straße (»NDA«), nachts im Regen (»Happier Than Ever«), in einer leeren Mall ohne Tageslicht (»Therefore I Am«), statt Kristallen gibt es Pornografie zur Ablenkung (»Male Fantasy«). Das Album ruft ein anderes vergessenes Genre der frühen Nuller wach: den Pop Punk. Nach ihren Einflüssen gefragt, nennt Billie Eilish Britney Spearsʼ »Baby One More Time«, hebt aber vor allem Avril Lavigne mit ihrem Debütalbum »Let Go« von 2002 hervor; was durchaus bemerkenswert ist, weil die beiden in den frühen Nullern gegeneinander ausgespielt worden sind, indem man Avril Lavigne als »anti-Britney« titulierte. Schnell fallen einige Parallelen zwischen Billie Eilish und Avril Lavigne auf: Das jugendliche Alter von 16 (Eilish) bzw. 17 Jahren (Lavigne) bei erster Platte und großem Erfolg, weite Klamotten, lange glatte Haare zu androgynen Looks, modische Versatzstücke aus Emo-Goth-Skate-Punk-Styles, die rotzige und zugleich verletzliche Selbstinszenierung. Wo Lorde noch ihre kindlichen Erinnerungen an das Popsommergefühl der frühen Nuller mobilisiert, verbindet Billie Eilish, Jahrgang 2001, zumindest keine generationelle Nostalgie mit dem Album Lavignes, das ein Jahr nach ihrer Geburt erschien. Und doch hat besonders ein Song darauf, der Eingangstrack »Losing Grip«, einen herausgehobenen Status, wie Eilish im Interview erklärt: »I’ve never heard a sound like that in my life. There is no other song like this. There’s no other song. I’m telling you, this song does not get old. I was with all my homies two years ago and we would just scream this song wherever we went. God. Every time I hear that beginning, I’m like, ›Okay, let’s get ready. Okay.‹«

Und tatsächlich ziehen sich Sedimente dieses Songs durch das neue Album Eilishs, was den Aufbau und das Texting der Stücke betrifft. In »Losing Grip« singt Lavigne: »Why should I care? / Cause you werenʼt there when I was scared / I was so alone«. In »Lost Cause« singt Eilish: »Like I don’t really care right now, but maybe that’s fine / You weren’t even there that day / I was waiting on you«. Auf das verzweifelte Warten folgt in beiden Songs die wütende und darin ermächtigende Einsicht, allein zu sein, die Eilish im Song »Happier Than Ever« zur bombastischsten Abrechnung der jüngeren Popgeschichte ausbaut. Weil sich die spätjugendliche Verletzlichkeit besonders wirksam in schweren Rockgeschützen entlädt, muss sie in »Happier Than Ever« die konventionellen Pop-Punk-Grunge-Einlassungen verfremden, um daraus etwas Neues zu machen, und das gelingt mit übersteuerten Drums und absurd verzerrten Gitarren, die wie eine Naturkatastrophe klingen, im Video illustriert durch einen Orkan mit Starkregen.

Gemeinsam ist Billie Eilish und Lorde, wie selbstverständlich sie zwei unterschiedliche, aber gleichermaßen vergessene bis belächelte Nuller-Subgenres rehabilitieren und dabei in einen distinkten Gegenwartssound überführen. Avril Lavigne, die anders als viele der obengenannten Nuller-Acts nach über 20 Jahren immer noch aktiv und erfolgreich ist, gilt inzwischen als »Godmother of Pop Punk« (»The Forty-Five«), die neben Eilish auch vielen aktuellen Gen-Z-Popkünstlerinnen wie Olivia Rodrigo, Maggie Lindemann, Chloe Moriondo und WILLOW als erklärte Inspiration dient. Im Juli 2021 war sie zum ersten Mal auf TikTok zu sehen, verkleidet als sie selbst vor zwanzig Jahren, wie sie ihre Lippen zu »Sk8er Boi« bewegt, im Hintergrund der inzwischen 53-jährige ›sk8er boi‹ Tony Hawk in Aktion auf der Halfpipe, mit Avril-Krawatte um den Hals. Lavigne war zu Beginn der Nuller Jahre eine der ersten Frauen, die sich im Mainstreampop im Genre Pop Punk durchsetzen konnte. Trotz seiner Popularität hatte es immer einen schlechten Ruf. Wenn man sich auch nur in der Nähe von Hardcore- und Punksubkulturen bewegte und herauskam, dass man heimlich Bands wie Blink-182, Green Day, Sum 41, Good Charlotte oder eben Avril Lavigne hörte, war es sofort vorbei, die Verachtung für solche Pseudos war größer als für alle Britney-Spears-Fans zusammen. Neben dem gängigen Sellout-Vorwurf lag dies auch daran, dass die Zielgruppe letztlich die gleiche war – teenage girls –, die sich im Fall der Pop-Punkerïnnen erdreistete, sich der gleichen Accessoires zu bedienen wie die ›echten‹ Punks und Skater, ohne – so die Unterstellung – das Geringste davon zu verstehen. Diese Haltung, die im halbironischen Slogan »Destroy Pop Punk« (»The Effort«) ihren Ausdruck findet, hat die Band Man Overboard vor einigen Jahren zur Abänderung der Botschaft in »Defend Pop Punk« veranlasst, die einem seither regelmäßig als T-Shirt-Aufdruck begegnet, etwa bei Finn McKenty vom YouTube-Kanal »Punkrock MBA«. Jene Verteidigung folgt einer ähnlichen Intuition wie Martin Büssers leidenschaftliches Plädoyer für den Emo – ebenfalls einer Subkultur der frühen Nuller mit teils ganz ähnlichem Sound wie dem Pop Punk, die vor allem für ihre Weichheit, Verletzlichkeit und Effeminiertheit gehasst wurde. Genau das hatte schon in den 80er Jahren den Twee als Gegenbewegung zum Männlichkeitspathos im Punk hervorgebracht – eine Spielart des Postpunk und Indie, deren Provokation gerade in ihrem Süß-, Brav- und Verträumtsein bestand.

Dass der Pop Punk in der aktuellen Popmusik ein großes Comeback erlebt, ist nicht zuletzt auch Travis Barker, dem Schlagzeuger von Blink-182, zu verdanken, der zahlreiche Produktionen von und Kollaborationen mit jüngeren (Machine Gun Kelly, Mod Sun) bis sehr jungen Künstlerïnnen (XJDN, Nascar Aloe), teils im Zwischenfeld von Pop Punk und Rap, realisiert. Ende 2021 hat er zusammen mit Avril Lavigne die Single »Bite Me« veröffentlicht, die an ihren frühen Stil anschließt, diesen aber mit dem typisch hymnischen Pop-Punk-Brett verknüpft, einem sehr cleanen Teppich aus verzerrten Gitarren und Barkers maximalistischem Schlagzeug. Ein YouTube-Kommentar zum Video wurde zu Recht fünfzehntausend Mal geliked: »Reminds me of 2002, getting home from school and watching MTV. Good vibes«. Er verweist auf eine Form der selbstreferentiellen Wiederverwertung, die im Modus des nostalgischen Rückblicks den Retrowert des eigenen Werks ausschöpft. Wenn Lavigne sagt »Iʼm excited to be 20 years in and still rocking!« (»The Forty-Five«), dann klingt das unausweichlich so, als würde sie bald in Rente gehen, dabei ist sie gerade mal 37. Noch offensiver wird diese Selbstkonservierung von Gwen Stefani betrieben, die die 2000er-Ästhetik zwischen Pop, Rock und Ska ebenfalls wesentlich mitgeprägt hat und regelmäßig auf den einschlägigen Throwback-Accounts auftaucht. Im Video zu ihrer Single »Let Me Reintroduce Myself« rekonstruiert sie all ihre ikonischen Outfits seit den späten 1980er Jahren noch einmal – wie Avril Lavigne vollständig ohne körperliche Alterserscheinungen – und singt: »Not a comeback, Iʼm recycling me / Itʼs not a comeback, you feel that new energy«.

Jenes Selbstrecycling macht nur in einem Rezeptionskontext Sinn, in dem die Zitate verstanden werden und die Pop-Erinnerung erfolgreich in Gang setzen. In dieser Weise wird Pop über seine Alterungsprozesse erschlossen; in seiner notwendigen Spannung von Flüchtigkeit und Konservierung. Comebacks haben – und deshalb grenzt sich Stefani davon ab – oft etwas Trauriges an sich. Sie sind aber nicht zuletzt eine Reaktion auf entsprechende Forderungen von nostalgischen Fans, die den Stars rückmelden, dass es an der Zeit wäre. Im deutschsprachigen Kontext zeigt sich das derzeit nirgends so deutlich wie am kurzen Comeback der No Angels, die kürzlich zwanzig Jahre nach ihrer Gründung den Debütsong »Daylight in your Eyes« von 2002 in einer Jubiläumsversion neu aufgenommen haben. Dass man sich überhaupt noch an die No Angels erinnert, daran hat mit Sicherheit der erfolgreiche Nuller-Throwback-Account Galeria Arschgeweih einen Anteil. Die »Neigungsgruppe deutsche Popstars« bespielt ihre über eine halbe Million Follower mit Mem-Videos, in denen aus Castingsendungen bekannte Bands und Persönlichkeiten aus Reality-TV-Formaten zu sehen sind – neben den No Angels z.B. Monrose, Sarah Connor, Kader Loth, Naddel, Juliette Schoppmann und Jeanette Biedermann.

Vielleicht ist der Account so erfolgreich, weil die Clips einerseits von großer Albernheit geprägt sind und mit Variationen der immergleichen Scherze übers Saufen, den Fuckboy und den tristen Bürojob arbeiten, das aber mit so großer Feinfühligkeit und Treffsicherheit tun, dass sie erstaunlicherweise nie ermüden. Die Nullersensibilität funktioniert hier über eine Haltung, die die Betreiberïnnen von Galeria Arschgeweih im Interview mit der »Vogue« folgendermaßen bestimmen: »Glamour, Contenance und eine spitze Zunge«. Ihre Herstellung lebt von der zwar humoristisch überdrehten, aber in gewisser Weise spürbar aufrichtigen – und darin postironischen – Identifikation mit Kader Loth und anderen. Im Interview heißt es programmatisch: »Diese allgemeine – und vielleicht auch sehr deutsche – Haltung, alles, was irgendwie Pop ist oder war, direkt mit ›Trash‹ gleichzusetzen, lehnen wir grundsätzlich ab […]. Für uns sind die Popstars in unserem Insta-Feed kein ›Trash‹, sondern pures Gold.« Oder mit Susan Sontag gesprochen: »Camp is a tender feeling«. So treffen sich Galeria Arschgeweih, Lorde und Billie Eilish am Ende doch noch – vereint in emphatischer Nullersensibilität.

 

 

 

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