Pop, emphatisch. Rezension zu Jens Balzers »Pop und Populismus«
von Niels Penke
31.7.2019

Wer oder was ist verantwortlich? Pop?

Niemand kann von Populismus sprechen, ohne nicht auch die Abbreviatur Pop mitaufzurufen. Doch was diese beiden, meist eher diffus denn klar definierten Phänomene über drei Buchstaben hinaus gemeinsam haben, wirft immer wieder Fragen auf. So auch im Buch über Pop und Populismus, in dem Jens Balzer das Spannungsverhältnis über die Verantwortung in der Musik angeht.  

In zehn Kapiteln führt Balzer einen bunten Reigen heterogener Phänomene aus der Welt der Pop-Musik vor, die in den letzten Jahren viel diskutiert wurden, weil die öffentlichen Aktivitäten ihrer Interpretïnnen weit über die Musik hinaus Anstoß erregt haben. Zunächst geht es dabei um Sexismus, Homophobie und Antisemitismus, deren Ventilation am Beispiel von Rappern wie Kollegah, Farid Bang und Bushido reflektiert werden. Auch den Einsatz für den Erhalt der Heimat durch Andreas Gabalier und Frei.Wild verortet Balzer in einem breiteren Kulturkampf, in dem sich traditionalistische Streiter gegen die vermeintliche „Meinungsdiktatur“ und ihre hyperkulturellen Umerziehungsprogramme befinden. Diesen rechtspopulistisch gelabelten Künstlern wird mit Feine Sahne Fischfilet eine Band gegenübergestellt, die auch für die Bestandssicherung einer – allerdings eher offen als exklusiv entworfenen – ‚Heimat‘ eintritt. Welche ‚emanzipatorischen‘ Potentiale Pop trotz dieses Rollbacks noch zu entfalten in der Lage ist, wird in zwei Kapiteln zur ‚Selbstermächtigung‘ am Beispiel von Planingtorock sowie den Bewegungen #timesup und #metoo bzw. den daran beteiligten Künstlerïnnen diskutiert.

Balzer beginnt sein Buch, das zum Teil auf frühere Essays zurückgeht, mit einem emphatischen Plädoyer. Auch wenn er selbst skeptisch ist, ob „Verantwortung überhaupt eine Kategorie (ist), die man an Kunst und ästhetische Phänomene herantragen kann“, gesteht er Pop eine große, menschen- und darüber wirklichkeitsverändernde Kraft zu. Zugleich nimmt er die Pop-Kritik in die Pflicht. Sie müsse genauer hinhören, gerade auch bei missliebigen Figuren und ihrer Musik, von denen in Pop und Populismus vor allem die Rede ist. Denn genau dort werden Versäumnisse und Verantwortungslosigkeit benannt; man habe es sich leicht gemacht und bei politisch problematischen, aber ästhetisch uninteressanten Künstlerïnnen zu lange weggesehen oder geschwiegen. Ganz so, als hätte die eine kritische Rezension zur rechten Zeit dem Aufstieg Gabaliers oder der Verbreitung antisemitischer Hip-Hop-Videos Einhalt gebieten können. Doch dies ist nicht das einzige Moment in Balzers Buch, in dem ein Auseinanderfallen von fundierter Fachkritik in Redaktionsmedien und einer Logik des Populären, die nach quantitativer Beachtung verfährt, sichtbar wird. Dass einige Dinge nicht nur Veränderungen erfahren haben, sondern massiv ins Rutschen gekommen sind, drückt sich auch insgesamt in Balzers Vorstellungen von Pop und Populismus aus. Dieser Pop sieht sich einer starken Konkurrenz ausgesetzt, die ihm in Gestalt von immer männlicheren und autoritäreren Musikern, eben von Populisten, entgegentritt – allerdings auf dem angestammten Terrain des Pop und, wie es scheint, mit denselben ästhetischen Mitteln.

Zunächst entwickelt Balzer einen Pop-Begriff, der noch fest in der Subversion verwurzelt ist. Der ‚wahre‘ Pop stehe „auf der Seite der Aufrechten“, sei tendenziell links und ein „Medium der Schwachen und der Minderheiten, der Emanzipation“, er verspreche „die Utopie einer grenzenlosen Geschwisterlichkeit“ im Zeichen von Hybridität, Flexibilität und den „Wonnen des unendlichen Werdens“. Planingtorock ist ein Beispiel dafür, wie sich das auch unserer Tage noch ästhetisch überzeugend umsetzen lässt. Balzer geht von einem sehr emphatischen Pop-Verständnis aus, das sich nicht nur über endlose Transgression und Emanzipation bestimmt, sondern auch ästhetisch weit gefasst wird. Doch so weit dieser Pop auch reichen mag, er sieht sich in den letzten Jahren stark durch eine Tendenz zur „Verrohung“ herausgefordert, die von einem popmusikalischen Populismus befördert werde. 

Populismus definiert Balzer primär über den rhetorischen Dreischritt von Grenzüberschreitung, Relativierung und Selbstviktimisierung. Er betrachtet Bushido und Kollegah dabei als Vorreiter, deren Öffentlichkeitsverhalten einige Strategien des politischen Populismus vorweggenommen habe. Während Pop ein weltanschaulicher wie ästhetischer Fortschritt inhärent ist, stellt der Populismus in Balzers Lesart eine gegenläufige Bewegung dar. Dieser Populismus wird entsprechend durch eine Begriffspalette gekennzeichnet, die seit Jahrhunderten zur Stigmatisierung des Populären herangezogen wird: Er sei stumpf, grob, reaktionär und betreibe die bereits genannte umfassende „Verrohung“. Ein spürbarer Effekt dieser Verrohung sei eine Verschiebung des ‚Mainstream‘, die sich zum Beispiel in einer zunehmenden Akzeptanz für die ‚Brutalisierung‘ und ‚Maskulinisierung‘ ausdrückt.

Besonders der letzte Punkt wird durch Balzers Material überdeutlich. Alle verhandelten Musiker sind – meist selbsternannte – Alphatiere mit ironiefreier Boss-Mentalität, deren eklatante Schwächen dort offenbar werden, wo nicht mehr eingeübte Posen, sondern von außen kommende Argumente in den Fokus rücken und die vertretenen Inhalte reflektiert wissen wollen. Auf diese Einwände kennen die Kritisierten aber keine anderen Antworten als die Behauptung des altbewährten ‚Missverständnisses‘ oder die Einnahme einer Opferrolle, die sich zu Unrecht einer konzertierten Hetz-Kampagne von Medien, Linken oder Feministïnnen ausgesetzt sieht.

Sind sich alle hier versammelten Rocker, Rapper und Volksmusiker darin ähnlich, sticht eine nicht unwesentliche Differenz zwischen Kollegah und Andreas Gabalier ins Auge: der allgegenwärtige Bezug auf Volk und Heimat, als deren idealer Repräsentant Mountain Man Gabalier sich fortlaufend inszeniert. Insofern ist Gabalier auch weit enger mit dem parteipolitischen Populismus verwandt. Versteht man den Repräsentanzanspruch (etwa mit Jan-Werner Müller) als ein wesentliches Kennzeichen des Populismus, dann operiert der populistische HipHop ohne eine solche Stellvertreterposition zu behaupten. Wie dann allerdings das Verhältnis zum populus bestimmt sein soll, wird nicht thematisiert.

Auch scheint es weniger die Verkehrung von Ästhetik und Politik zu sein, die alle von Balzer unter Populismus-Verdacht diskutierten Musiker eint, sondern dieselbe Strategie einer willkürlichen Moralisierung zu Zwecken der Kritikabwehr. Sie bestechen durch eine argumentative Flexibilität von Trickster-Figuren, die mit den, wie auch immer gearteten, argumentativen Grundlagen ihres als liberal-konformistisch Pappkameraden vorgestellten Gegenübers spielen können. Toleranz, Vorurteilslosigkeit, Gewaltverzicht und dergleichen halten als beliebiger rhetorischer Vorwand her, um den Kritikerïnnen inkonsistente Positionen und unfaire Perspektiven zu unterstellen. Möglich sind solche Aussagen, weil die tricksterartigen Sprecher nicht an einen gemeinsamen Common Ground glauben. Von diesen Akteuren Verantwortung einzufordern ist daher schwierig, denn die rhetorische Strategie der Entantwortung gehört zu ihrem Basisinventar. Verantwortung können nur jene Schaltstellen übernehmen, die für die grundlegenden Entscheidungen verantwortlich sind: Plattenfirmen, die Öffentlichkeit herstellen und Distribution gewährleisten, sowie die Plattformen, über die die hohen Beachtungserfolge erzielt werden. Von diesen egalitären Haltungen YouTubes, Spotifys oder Facebooks liest man wenig; gleichwohl sind im Zusammenhang mit dem mittlerweile abgeschafften Echo-Musikpreis Ansätze zur Kritik an der selbstgewählten Unmündigkeit der Musikindustrie festzuhalten.

Dabei irritiert es auch, wenn Balzer sich erst über die „Verrohung“ des Pop wundert, die mit Bushido und Kollegah virulent geworden sei. Denn, je nachdem wie weit man Pop dehnen möchte –  und Balzer hat in früheren Veröffentlichungen[1] einen ähnlich weiten musikalischen Pop-Horizont beschrieben wie Diedrich Diederichsen –, dann wären bereits viele frühere Bands und Musikerïnnen in Punk, Industrial, Death, Black Metal usw. zu finden, die in ähnlicher oder noch weit drastischerer Weise ebenfalls misogyne, homophobe, antisemitische oder andere menschenverachtende Positionen in Lyrics, Videos und Coverdesigns kultiviert haben, jedoch insgesamt weniger Aufmerksamkeit erfahren haben.

Wie es mir scheint, liegt darin das eigentliche Problem der hier als problematisch angesprochenen Musiker – es ist die Beachtung, die sie für ihre Musik und die diskriminierenden Texte erfahren. Die Beachtung durch ein großes Publikum, das sich entweder nicht um die völkischen Untertöne Gabaliers und die sexistischen Rollenvorstellungen Kollegahs kümmert, oder schlimmer noch, diese sogar teilt und gutheißt. Darum ist es auch ganz egal, ob es einen spezifischen Pop der ‚Neuen Rechten‘ gibt, in dem, wie Balzer schreibt, „nichts ‚Eigenes‘, ‚Originäres‘ oder gar ästhetisches Interessantes heran[wächst]“, denn es braucht diesen neurechten „Plunder“ gar nicht, „um Parolen darin zu betten“, wenn Versatzstücke derselben Weltanschauungen um ein Vielfaches resonanzreicher in Gangsta-Rap und ‚VolksRock’n’Roll‘ untergebracht werden können. Insofern braucht etwas nicht ‚neu‘ oder gar ‚innovativ‘ zu sein, wenn es auf eine hinreichend große Resonanz stößt, durch die es legitimiert wird. Gegen diese überwältigende Popularität hat die Kritik jedoch argumentativ einen schweren Stand.

Doch um diese Form der Masse durch eine andere zu bezwingen, sie schlichtweg quantitativ zu übertreffen, fehlt es an den entsprechenden Gegengewichten. Denn auch der „gute“ Pop habe, so Balzer, das „Dogma der Identität“ entdeckt und vertrete zunehmend die Vorstellung eines „unantastbaren Erbes einer mit sich selbst identischen kulturellen Tradition“, worin er eine Konvergenz von emanzipatorischen und reaktionären Bestrebungen erblickt. Wo „Pop auf der einen Seite verroht und sich in amoralischer Verantwortungslosigkeit suhlt“, greife unter dem Stichwort der cultural appropriation „auf der anderen Seite ein immer strikter werdender moralischer Rigorismus aus“, der die freie künstlerische Entfaltung einschränke. Während durch die populistischen Musiker eine „Vergröberung“ befördert werde, die es mit sich bringt, bestimmte Dinge „endlich wieder sagen“ zu dürfen, gehe die „Verfeinerung“ mit einer Vielzahl an restriktiven Sprachregelungen, ja Redeverboten einher.

So schwierig die Argumentation bei einigen der referierten Beispiele sein mag, hat man es doch mit grundverschiedenen Phänomenen auf zwei unterschiedlichen Ebenen zu tun: sind das eine privilegierte Akteure, die als weithin sichtbare Musiker (oder Politiker) von der Bühne herab ihr Publikum monologisch adressieren und es im Zweifelsfall einfach „nicht so gemeint“ haben wollen, wie es verstanden worden ist, meinen es die Kritikerïnnen der cultural appropriation ernst. Dieser Ernst mag nicht mit den spielerisch-libertären Idealvorstellungen von Pop kompatibel sein, wie Balzer sie postuliert. Gerade darin aber zeigen sich die blinden Flecken eines allzu emphatischen Pop-Begriffs, der von der Faktizität seiner emanzipatorischen Potentiale überzeugt ist.

Pop tritt in diesem Verständnis nicht mit dem Ziel einer allversöhnenden Universalität an, sondern er hat diese immer schon erreicht – unabhängig davon, ob sich tatsächlich alle gleichermaßen inkludiert und gleichberechtigt sehen. Auch die angestrebte Globalität ist ein Moment des Pop, das als – westliches und weißes – Form- und Stilprinzip als Teil einer Maschinerie betrachtet werden kann, die sich alles einverleibt, es transformiert und dabei zu allermeist jene profitieren lässt, die diese Aneignung vollziehen. Ein Verfahren, dass zumindest strukturell imperialistisch verfährt. Genau diese Logik verbindet die von Balzer behandelten ‚protektionistischen‘ Haltungen. Doch während Gabalier und Frei.Wild Defizienzerfahrungen der Moderne moralisieren, spielen ökonomische Interessen und Verwertungslogiken in ihren lyrischen Gesellschaftsanalysen keine Rolle. Ihre Versuche, über die Ablehnung von Hybridität so etwas wie Einfachheit und Verstehbarkeit herzustellen, sind die Vorbehalte aus post-kolonialer Perspektive anders motiviert und verweisen darauf, dass das Ideal der transgressiven Herrschaftsfreiheit von Pop eine Bias besitzt, die nur selten sichtbar und expliziert wird. Diese Positionen haben aber mit den geschilderten populistischen Sprechweisen ansonsten wenig gemeinsam. Außer dass sie Fragen stellen und Probleme aufwerfen, wo Pop eine harmonische Welt im ewigen Konsens beschreiben soll. Doch ohne genauer ausgearbeitetes theoretisches Fundament und begriffliche Differenzierungen wird es analytisch in diesen Zusammenhängen bisweilen unscharf. 

Dies gilt auch für das Verständnis von Populismus. Zweifellos gibt es bei Kollegah, Farid Bang und Bushido ähnliche rhetorische Tricks der Entantwortung, der Viktimisierung und der Täter-Opfer-Umkehr, die mit misogynen, homophoben und antisemitischen Äußerungen hervortreten, die auch von Politikerïnnen rechtspopulistischer Parteien zu hören sind. Allerdings fehlt bei den Rappern jeder Bezug auf ein national eingehegtes Volk, das von korrupten Eliten getäuscht werde, für das man, wie alle rechtspopulistischen Bewegungen, als Sprachrohr und einzig legitimer Interessenrepräsentant auftritt. Populismus erscheint durch die hier versammelten und ansonsten sehr instruktiv dekonstruierten Musiker als unerwünschte Verfallsform von Pop. Als eine Form, die Grenzen einzieht und die es schwachen Männern gestattet, sich über die Herabwürdigung anderer als groß und stark gebärden zu können, und, die das Spiel um Provokation und Tabubruch auf unliebsame Themen verlagern.

Provokation und Tabu – auch dieses Begriffspaar geistert als wichtige Ingredienz von Pop wiederholt über die Seiten. Doch ihre Wandlungen bleiben un(ter)thematisiert. Wie kann Pop denn weiterhin provozieren, wo vieles, was in früheren Jahrzehnten noch Anstoß erregte – ein Hüftschwung, sexuelle Anspielungen und Drogenbezüge etwa – längst normalisiert ist. Grenzüberschreitung und Tabubruch jedenfalls richten sich nicht länger gegen den „guten Geschmack“, weil es ohnehin nicht mehr klar ist, worin ein solcher ‚guter‘ Geschmack eigentlich bestehen soll. Auch die gute „alte Spießigkeit“ mit den Tugendidealen einer patriarchalen Bürgerlichkeit hat als Feindbild ausgedient.

Alle von Balzer verhandelten Provokationen zielen stets auf Fragen der In- und Exklusion. Wer gehört mit welcher festgelegten Rolle wohin, wer mit welcher Wertigkeit wo dazu, und wer nicht mehr. Oder konkreter: Gehören Frauen ihrer Natur gemäß zurück an den Herd, sind Homosexuelle richtige Menschen, wie stark dürfen die Grenzen der Heimat gesichert sein, und muss man Israel noch auf der Landkarte abbilden? Das Spiel mit der Auslotung und Überschreitung von Grenzen jedenfalls beherrschen alle der von Balzer behandelte Provokateure. Mit dem Unterschied, dass ihre Grenzüberschreitungen zugleich auch als Grenzziehung funktionieren, die hier ein- und dort ausgrenzen und sich im Widerspruch zu demokratischen Grundsätzen bewegen. Auch die Forderung nach Autorität, die zumeist für sich selbst als tonangebendes Alphatier reklamiert wird, das einer willfährigen Masse diktiert, bricht kein Tabu. Sie provoziert jedoch Entrüstung, und Aufmerksamkeit. Und dadurch, dass genau dies, diese falsche Popularität, nicht sein soll, verfestigt sich der Eindruck, dass in Balzers Buch mit Populismus das unliebsame Populäre bezeichnet wird. Als The Pop That Should Not Be.   

Kann der ‚guter‘ Pop daher ein geeignetes Mittel sein, um die Welt zu ‚retten‘?[2] Die Erwartungen an das, was Musik vermag, scheinen sehr hoch, wenn wir es mit einer immer stärkeren „Polarisierung der Gesellschaft“ zu tun haben. Wie faszinierend schlicht nimmt sich dieser sozialen wie medialen Radiation gegenüber die Hoffnung auf „eine schöne, gute und wahre Popkultur“ aus, „die sich mit ästhetischen Mitteln an der Erschaffung von solidarischen Verhältnissen versucht“, in denen „alle gemeinsam die Freiheit feiern, miteinander verschieden und darin doch einig zu sein: das ist die popkulturelle Utopie der Solidarität.“

Solche Utopien wurden auch vor und jenseits von Pop formuliert; zumeist hatten sie einen wirklichkeitsverändernden Anspruch und sahen dieses Ziel am ehesten in einer sozialistischen Gesellschaft realisierbar. Was vermag demgegenüber das Momenthaft-Utopische des Pop, wenn soziale Dauerzustände außerhalb des Events weiterhin über jene Dynamiken und Ungleichheiten bestimmen, die sich als Probleme in vielen Songtexten wiederfinden? Was vermag ein solcher Song, wenn sich, wie Balzer ja schreibt, im Großen eine „Dialektik der Entsolidarisierung“ vollzieht, und diese sich darin äußert, dass Feindbilder immer offensiver angegangen und alte Solidaritäten aufgekündigt werden? Balzer jedoch vertritt entgegen dieser Dynamiken die Hoffnung auf ein solidarisches Miteinander, das dafür sorge, dass sich im Zeichen von Pop alle als „Freunde und Freundinnen“ begegnen können. Darin steckt auch die Hoffnung, dass Pop ‚wieder‘ so wirken könne, wie er von einigen Aficionados erlebt worden ist.

Hart formuliert könnte man aber auch sagen: die Hoffnung auf die Wiederbelebung der Überzeugungskraft eines emphatischen Verständnisses von Pop. Ein Verständnis freilich, das viele, wie es scheint, nie geteilt haben. Vor dem Hintergrund dieser Begeisterung liest sich Pop und Populismus als ein Dokument der Nostalgie, dessen Verfasser kopfschüttelnd registriert, dass die alten Gewissheiten verschwunden sind, der aber nicht akzeptieren will, dass Pop vielleicht doch nur ein Arsenal von Stilverfahren ist, dessen sich auch jene aufmerksamkeitsträchtig bedienen können, die nicht mehr alright, sondern alt-right sind.  

 

Jens Balzer: Pop und Populismus. Über Verantwortung in der Musik. Hamburg, Edition Körber 2019, 208 Seiten, 17€.

 

Anmerkungen

[1] Vgl. Jens Balzer: Pop. Ein Panorama der Gegenwart. Berlin: Rowohlt, 2016. Das Buch spannt den Pop(musikalischen)-Rahmen von „Helene Fischer bis Sunn O)))“.

[2] Vgl. Superformy: Pop Will Save the World (https://www.youtube.com/watch?v=UHqOSG9tUMo)