Gut gelaunter Supermann: Rezension zu Jörg Scheller, »Arnold Schwarzenegger oder Die Kunst, ein Leben zu stemmen«
von Thomas Hecken
28.10.2013

»Oftmals ist das Triviale nur trivial in seiner Isoliertheit und theoretischen Unerschlossenheit.«

In seinem dem Veröffentlichungstitel nach nicht mehr als Dissertation zu erkennenden Buch ordnet Jörg Scheller Schwarzenegger als »faszinierend intertexuelle, ästhetisch hochinteressante Figur ein, die der Trivial- oder Massenkunst zuzurechnen« sei (S. 19). Forschungsleitend ist Schellers Diktum: »Oftmals ist das Triviale nur trivial in seiner Isoliertheit und theoretischen Unerschlossenheit« (S. 20).

An Entschlossenheit, Schwarzeneggers »Werk«, das Schauspielerei, Bodybuilding, Politik umfasst, mit dem Rüstzeug zahlreicher kulturwissenschaftlicher Theorien zu traktieren, mangelt es Scheller selbst nicht. In seinen Referenzen auf große und mittelgroße Theoretikernamen ist sein Buch dann wieder als Dissertation erkennbar. Ungewöhnlich für die Textsorte ist aber der mitunter pointierte Stil Schellers und seine Neigung zum klaren, nicht verdrucksten Urteil.

Im großen Rahmen ordnet Scheller Schwarzeneggers Werk in jener Postmoderne ein, die Kunst und Leben, hohe und niedrige Kunst auf spektakuläre Weise miteinander zu verbinden trachtet. Mit seinem Bodybuilding sei Schwarzenegger in den 1970er Jahren zu einem »der prominentesten Vermittler zwischen Subkultur und Mainstream« aufgestiegen (S. 43). Durch die Überbetonung und Verkünstlichung des Körpers habe Schwarzenegger das Muskuläre von jedem semantischen Kern der Ertüchtigung und Kampfesbereitschaft gelöst – ganz im Sinne des Camp wird Schwarzenegger deshalb zur »exaltierten ästhetizistischen Person« erklärt (S. 54).

Im Sinne zeitgenössischer Oberflächlichkeit, die ihre Tiefenlosigkeit bewusst ausstellt, stuft Scheller ebenfalls Schwarzeneggers Hollywood-Filme ein, nicht nur die späteren selbstironischen Produktionen, sondern auch die pädagogisch und ideologisch umstrittenen. »Das eigentlich modernistische Element des Actionfilms aber ist seine Idiotie. Nur ein Narr kann ihn als mimetisches Genre interpretieren. Gerade durch Stumpfsein und Übertreibung stellt er seine Gemachtheit offen zur Schau, bekennt er sich zur Selbstreferentialität: Er zeigt das, was nur durch und mit ihm möglich ist; nicht das, was auch ohne möglich wäre oder faktisch ist.« (S. 187)

Postmodern wiederum agiere Schwarzenegger bei der Aneignung und Neukombination abendländischer und anderer Mythen, die er ihres Bildungsgehalts, aber auch ihres volkstümlich- und monotheistisch-hegemonialen Kerns entleere. Scheller kommt darum zu dem Schluss: Das »Fantasma der homogenen Rasse sowie den völkischen Ewigkeitskult, der schwerlich mit der permanenten Evolution des Kapitalismus und seiner Moden zu vereinbaren ist, finden wir weder beim Bodybuilder Schwarzenegger noch beim Unternehmer Schwarzenegger, noch beim Schauspieler Schwarzenegger, noch beim Politiker Schwarzenegger. Er ist ein Mann der ›shopping malls‹ und der ›skyscraper‹, ein Kumpel der Hedge-Fonds-Manager, ein Liebhaber des glitzernden schnelllebigen Konsums.« (S. 163)

Mit der postmodernen Variante des autoritären Gebarens, das Schwarzenegger kultiviert, kann Scheller darum auch politisch halbwegs seinen Frieden machen. Ganz allgemein ist Scheller der Auffassung, dass zum »Pluralismus« nicht die radikaldemokratische »Abschaffung von Hierarchien und Stolz« gehöre, sondern die »neidlose Anerkennung jener Hierarchien«, die nicht gewaltsam zustande gekommen sind (S. 174f.).

Trotz offenkundig libertärer Auffassungen kann Scheller umso mehr zu dieser halb meritokratisch, halb konservativen Anschauung gelangen, als er zu wissen glaubt, dass in einem konsumistischen Kapitalismus, der mit liberaler Demokratie verbunden wird, der »epische Glamour« des herkulischen, aber schwertlosen Schwarzenegger keinen großen Schaden anrichten könne.

Man sieht, Scheller denkt trotz seiner ironisch-postmodern-pluralistischen Angänge gern in großen Kategorien, er liebt das Pathos der Bekundungen und unerschrockenen Bilanzen. Das reduziert beträchtlich seine Bereitschaft, den kleinen Schaden, den Figuren wie Schwarzenegger anrichten, darzustellen. Beredt ist Scheller vor allem darin, Schwarzenegger auf Mittelmaß zu bringen – »ein Mann ohne erkennbare Talente im engeren Sinne« außer dem, ein Image zu bilden. Da aber »Pop auch in der Abkehr vom ›Selberkönnen‹ und ›Neumachenmüssen‹ wurzelt« (S. 116), vermag Scheller als Pop-Apologet dem positive Züge abzugewinnen.

Richtig groß kann also nur der Autor selbst sein, der souverän und spielerisch mit Schwarzenegger als Formmasse und Attraktion sein Bildungswissen und seine Thesenfreudigkeit wieder und wieder unter Beweis stellt. Tatsächlich gelingt dies Scheller in dieser außergewöhnlichen, sehr gut geschriebenen Dissertation. Gerade als Feuilletonist, Pop-Theoretiker und Zeitdiagnostiker sollte eine große Laufbahn vor ihm liegen.

 

Bibliografischer Nachweis:
Jörg Scheller
Arnold Schwarzenegger oder Die Kunst, ein Leben zu stemmen
Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2012
ISBN: 978-3-515-10106-6
279 Seiten