Diskriminierung
1. Einleitung
Wird ein anerkanntes Beispiel für die Diskriminierung von Frauen in der Kultur gesucht, bieten die Bildwelten des Gangstarap in Deutschland ein breites Repertoire. So findet sich kaum ein Feuilleton-Artikel über Sido, Bushido oder andere Genrevertreter, in dem nicht explizit auf die misogyne Darstellungsweisen weiblicher Personen verwiesen wird, und auch wissenschaftliche Veröffentlichungen zum Thema teilen den Befund eines frauenverachtenden Konsenses im Gangstarap (vgl. Dietrich/Seeliger 2012; Strick 2005).
Dass sich Position und Bedeutung von Frauen im Gangstarap hierbei nur im Verhältnis zu männlichen Genrevertretern herausarbeiten lassen, ergibt sich aus der allgemeinen Erkenntnis, Geschlechterordnungen als relationale Phänomene zu verstehen. Wie jüngere Entwicklungen zeigen, erscheint diese Geschlechterordnung bei näherer Betrachtung allerdings keineswegs so eindeutig. In Bezug auf den Fall der Frankfurter Künstlerin Schwesta Ewa, die einerseits als Rapperin, andererseits auch als Sexarbeiterin[1] in Erscheinung tritt, sollen im Folgenden Tendenzen abgebildet werden, die dem Eindruck einer legitimen männlichen Herrschaft im Feld des Gangstarap entgegenlaufen.
Ziel des Aufsatzes ist es, zu zeigen, wie sich habituelle Unsicherheiten von Gangstarapsprechern im Umgang mit Schwesta Ewa äußern. Zu diesem Zweck wird zunächst einführend ein Überblick über Geschlechterverhältnisse im Gangstarap gegeben. Ausgangspunkt sind hier die USA, wobei der Fokus auf dem deutschsprachigen Kontext liegt, um die Hintergründe von Schwesta Ewa näher zu beleuchten. Im Anschluss werden drei Videobeiträge analysiert, die verschiedene Genrevertreter als Reaktion auf das Auftreten der Frankfurter Künstlerin in der deutschen Rap-Szene erstellt haben. Wie auf dieser Grundlage gezeigt werden kann, stellt das Auftreten Schwesta Ewas für die Sprecher eine Bedrohung ihrer Männlichkeitskonzeption dar, welcher sie mit Bezug auf unterschiedliche Strategien der Ausgrenzung und Delegitimierung begegnen. Abschließend erfolgt eine Einordnung dieser Reaktionen im Kontext der in letzter Zeit mit zunehmender Intensität geführten Diskussion um eine (vermeintliche) Krise von Männlichkeit (vgl. Bereswill/Neuber 2011).
2. Gangstarap und Geschlechterverhältnisse
Rap entstand Mitte der 1970er Jahre in den USA als Teil der HipHop-Kultur (vgl. Toop 1992). Rassistisch und nach Klasse ausgegrenzte Jugendliche aus den Armutsvierteln US-amerikanischer Großstädte entwickelten auf Block Parties und in Battles eigene Ausdrucksformen wie Graffiti, Breakdance, DJing und Rap. Auch wenn Rap von Beginn an männlich dominiert war, entstanden dennoch schon bald vielfältige Möglichkeiten, sich in der neuen Subkultur zu bewegen: Beispiel hierfür sind KRS One, der sich selbst als „the teacher“ bezeichnete, die das „Daisy Age“ propagierenden De La Soul, die explizit politischen Public Enemy, die Rap als „das schwarze CNN“ sahen, oder auch N.W.A., eine der ersten Gangstarap-Gruppen.
Dies änderte sich jedoch drastisch, als Anfang der 1990er Jahre Gangstarap unter weißen Konsument_innen[2] aus der Mittelschicht populär wurde – und damit für die großen Plattenfirmen interessant. Die US-amerikanische Kulturwissenschaftlerin Tricia Rose fasste 2010 diesen Zusammenhang zwischen steigendem kommerziellen Erfolg und sinkender Anzahl an Ausdrucksmöglichkeiten in ihrem Vortrag „Hip-Hop, Mass Media and Racial Storytelling in the Age of Obama“[3] wie folgt zusammen:
„What happens in hip hop is: the more market success it has, the narrower the images and stories become. It is an extraordinary contraction of storytelling and images and ideas at the moment of its greatest market extension.“
Rose bezeichnet das Angebot an Images, das Rap Anfang der 1990er zu dominieren begann, als „gangsta-pimp-hoe-trinity“ – wobei Frauen weder „gangstas“ noch „pimps“ sein können und ihnen somit nur das negativ besetzte „hoe“ bleibt. Die Übernahme dieser Images wurde nach Rose zunehmend zu einer Voraussetzung für nicht-weiße Rapper, um von einer breiten Öffentlichkeit akzeptiert und konsumiert zu werden. Der Dokumentarfilmer Byron Hurt hat diese Veränderung im Rap und ihre dramatischen Folgen für Vorstellungen von Geschlecht eindrucksvoll in seinem preisgekrönten Werk „Hip-Hop: Beyond Beats and Rhymes“ (2006) nachgezeichnet. Aus seinen Interviews mit Rap-Fans, Artists, Plattenfirmen und Wissenschaftler_innen kristallisiert sich nach und nach die enge Verstrickung von Gangstarap und Hypermaskulinität mit einer rassistischen und kapitalistischen Gesellschaft heraus.
Seit ca. zehn Jahren erfreut sich Gangstarap auch in Deutschland starker Popularität. Während die kulturellen Repräsentationen des Genres einerseits als Produkte einer Entertainmentindustrie anzusehen sind, beinhalten sie – ähnlich wie ihr US-amerikanisches Vorbild – gleichzeitig zahlreiche gesellschaftliche Bezüge, die in aller Regel auf die Thematisierung sozialer Ungleichheitsverhältnisse abzielen. Die Thematisierung von Lebenssituationen randständiger Sprecher[4], deren Marginalisierungserfahrungen sich vor allem durch ethnisch und klassenspezifisch bedingte Stigmatisierung ergeben, stellt hier einen wesentlichen Referenzpunkt dar.
Neben der Selbstdarstellung als Rapper schließt die Inszenierung der Genrevertreter häufig auch an Bezüge auf weitere Charakteristika an. Neben Ethnizität und Geschlecht ist hier die Klassendimension von Bedeutung. So stellen sich die Sprecher neben ihrer Rolle als Rapper häufig auch als Vertreter subkulturspezifischer Berufe (Zuhälter, Dealer, Einbrecher, etc.) dar. Entsprechende Bezugsmomente werden seit kurzer Zeit auch im Feld der Sozial- und Kulturwissenschaften aufgegriffen und reflektiert (siehe etwa die Beiträge in Dietrich/Seeliger 2012).
Wenn es sich bei der HipHop-Kultur im Allgemeinen um eine „Männerwelt, von Männern für Männer“ (Friedrich/Klein 2003: 24) handelt, lässt sich das Sub-Genre des Gangstarap auch in Deutschland als diesbezüglich noch weiter verschärftes Kontinuum identifizieren. So sind einerseits die genreimmanenten Protagonistenrollen fast ausschließlich von Männern besetzt (vgl. Szillus 2012).[5] Ihre inhaltliche Entsprechung findet diese numerische Repräsentation auch in der textlichen und/oder bildlichen Darstellung von Geschlechterentwürfen. So sind Äußerungen der Sprecher nicht nur häufig durch die Schilderung weiblicher Unterwürfigkeit geprägt (vgl. Goßmann 2012).
Weiterhin ergibt sich auch die Stilisierung genreimmanenter Idealbilder in engem Zusammenhang mit geschlechterspezifisch kodierten Leistungs- und Anerkennungsnormen:
„Die charakteristische Formel des Gangstas – ‚do or die‘ – steht für eine sozialdarwinistische Gesellschaftsordnung, in der es einzig auf das Überleben des stärkeren und autonomeren Individuums ankommt“ (Strick 2005: 116).
In diesem Sinne identifiziert auch Seeliger (2013) Images von Gangstarap in Deutschland als Versuche einer Aktualisierung hegemonialer Männlichkeit: Indem sich der Prototyp des Gangstarappers als jugendlicher Gewalt- und Betäubungsmittelkrimineller mit Migrations- und ohne Bildungshintergrund in Szene setzt, verweist er hier auf einen sozialen Ausgangspunkt, der seinen Aufstieg zum bekannten und ökonomischen Popstar und Geschäftsmann besonders eindrucksvoll erscheinen lässt. Gangstarap wird hier also zum Ort der Darstellung und Aushandlung männlicher Verwirklichungsideale.
Während die Äußerungen der zahlreichen männlichen Gangstarapsprechern also häufig auf die Stilisierung der eigenen Erwerbsbiographie gegen zahlreiche soziale Widerstände ausgerichtet sind, lassen sich entsprechende Erzählungen und Darstellungen für Genrevertreter_innen nur selten verzeichnen. Dies mag nun zum einen auf die geringe zahlenmäßige Repräsentation von Akteur_innen unter den Genrevertreter_innen zurückzuführen sein. Eine wesentlichere und dem quantitativen Frauenanteil vorgängige Ursache lässt sich mit Güngör (2006: 81) in einer (wohl nicht nur) unter den Genrevertretern verbreiteten Geisteshaltung erkennen:
„Rollenvorstellungen aus der Vergangenheit und archaische Bilder wie das von der Heiligen und Hure rücken zunehmend in den Vordergrund und bestimmen das Denken und Handeln von Jugendlichen. Rap ist im Moment das Medium, in dem diese rückständigen Bilder immer wieder durchgekaut werden. Als vaterlose Söhne produzieren Rapper wie Sido oder Bushido [Herv. i.O.] ja auch ein marienähnliches Frauenbild, das jungen Mädchen die Chance gibt, sich auf der Seite der Heiligen zu positionieren. Auf der anderen Seite signalisiert die Hypersexualität in den Rap-Videos jungen Mädchen, dass ihr Körper in diesem Spiel ein wichtiges Kapital ist, ein Objekt des permanenten Begehrens, das für Männer offenbar elementar wichtig ist“.
Der hohe Verbindlichkeitsgrad dieser ambivalenten Erwartungen spiegelt sich in den Bildwelten des Genres nur allzu deutlich wider. Gleichzeitig gilt auch hier die geschlechterpolitische Grundregel, dass sich männliche Dominanz (z.B. in Bezug auf Aufmerksamkeit, Kontrolle über das dargestellte Geschehen oder Besitz) über entsprechende Defizite auf der weiblichen Seite ergeben. Wenn wichtige Stilelemente der Selbstdarstellung von Gangstarappern im Verweis auf eigenen Reichtum, Durchsetzungsfähigkeit, etc. bestehen, die sie von anderen (männlichen) Akteuren unterscheidet, wird – so unsere These – das genreimmanente Geschlechterverhältnis zu einem zentralen Austragungsort entsprechender Selbstdarstellungen: Männliche Rapper nutzen ihre Dominanz über Frauen (oder wenigstens deren Inszenierung) nicht zuletzt, um allgemeinere Geltungsansprüche darzustellen.
Dass es einer Protagonistin im Genre gelingen könnte, dauerhaft und in größerem Umfang von entsprechenden Rollenerwartungen abzuweichen, erschien bis vor kurzem als äußerst unwahrscheinlich. Eine Selbstdarstellung als Sexarbeiterin bei gleichzeitiger Legitimität der Sprecherposition im subkulturellen Kosmos war im Rap im Allgemeinen und im Gangstarap im Besonderen nahezu undenkbar. Dass sich dies – so unsere These – mit dem Auftreten der Frankfurter Rapperin Schwesta Ewa nun geändert hat, wirft aus unserer Sicht einige Fragen auf, denen wir uns im Folgenden eingehender zuwenden wollen.
3. Der Fall Schwesta Ewa
Die HipHop-kulturelle Bühne betritt Schwesta Ewa Ende des Jahres 2011. Als „erstes weibliches Signing“ des Frankfurter Gangstarap-Labels ‚Alles oder Nix-Records‘ wird die Frankfurter Rapperin in der Beschreibung ihres Debut-Clips „Schwätza“ auf der Online-Videoplattform YouTube präsentiert.[6]
http://www.youtube.com/embed/-4Cot9ZpH3s [Video nicht mehr verfügbar]
Die Figur der Schwesta Ewa tritt dabei nicht nur als Rapperin in Erscheinung. Wie durch einschlägige Darstellungen (Rotlichtbezirk; Arbeitszimmer) im Video und entsprechende textliche Referenzen schnell deutlich wird, geht (bzw. ging) Schwesta Ewa einer Tätigkeit als Sexarbeiterin im Frankfurter Bahnhofsviertel nach.
Neben der Beschreibung ihres Arbeitsalltags baut das Lied auf einer Geschichte auf, im Rahmen derer Ewa gemeinsam mit zwei Komplizen einen Trickbetrug an einem Freier vollführen. Durch Schmeicheleien gelingt es Ewa hier, den Freier zu überzeugen, sie bei ihrem aktuellen Chef für eine Summe von 20.000 Euro freizukaufen. Beim Versuch, das Geld zu überbringen, überfallen die beiden Komplizen den Freier und nehmen ihm sein Geld ab, welches sie dann zur Hälfte mit Ewa teilen. Hinsichtlich ihrer Texte ist vor allem die Erweiterung der deutschen Sprache mit arabischen, türkischen oder auch jugoslawischen Wörtern hervorzuheben, mit denen sie ihr Umfeld beschreibt.
Die Inszenierung Schwesta Ewas greift somit zunächst auf gängige Mechanismem im Gangstarap zurück. Ähnlich wie männliche Rapper thematisiert sie eine Lebenssituationen, die von Marginalisierungserfahrungen im Zusammenhang mit Ethnizität und Klasse geprägt ist. Gleichzeitig präsentiert sie sich als berechnende und (soweit möglich) selbstständige Geschäftsfrau und scheint sich damit ebenfalls an der angesprochenen Aktualisierung hegemonialer Männlichkeit zu orientieren. An Stelle der Figur des skrupellosen Zuhälters oder des Dealers mit arabischem Migrationshintergrund tritt bei Schwesta Ewa allerdings die gut verdienende ‚Prostituierte‘, die selbstbewusst und prahlend aus ihrem Leben als Sexarbeiterin berichtet. Damit missachtet sie nicht nur grundlegende Vorstellung von Geschlecht im Gangstarap, sondern macht genau diese Missachtung zum zentralen Aspekt in ihrem Image als Rapperin.[7]
Indem sie das gesellschaftlich negativ konnotiertes Bild der ‚Hure‘ für sich positiv umdeutet, bedient sie sich gleichzeitig dem im Gangstarap essentiellen Mittel der Resignifizierung, das von vielen Protagonisten zur eigenen Aufwertung eingesetzt wird (vgl. Böß 2009). Darüber hinaus stellt sie Figuren wie ‚den Zuhälter‘ durch Insider-Wissen bloß und hinterfragt damit implizit bestimmte Männlichkeitsentwürfe im Gangstarap auch auf grundsätzliche Art und Weise. Durch unter anderem Bezeichnungen wie „Hassan“, „Kanacke“ oder „Baba“ ethnisiert sie hierbei die angesprochene Männlichkeit in ihren Songs vorwiegend als migrantisch und der Unterschicht zugehörig.[8]
So war es nicht überraschend, dass Schwesta Ewa in der deutschen Gangstarapszene eine bemerkenswerte Kontroverse auslöste. Ende Juli 2012, also etwa sieben Monate nach der Erstveröffentlichung, werden für den Clip auf der Internetplattform ca. 3,3 Mio. Aufrufe dokumentiert, was für einen Rapsong im genannten Zeitraum eine durchaus beachtliche Zahl darstellt.[9] Im Anschluss an ihr erstes Video veröffentlichte Schwesta Ewa über YouTube in den Folgemonaten vier weitere Lieder, die mit einer Klickzahl von insgesamt fünf Millionen ebenfalls wesentliche Aufmerksamkeit generieren konnten. Neben einer Vielzahl von Beiträgen, die zum einen im Kommentarbereich unter den Videos und zum anderen im Rahmen verschiedener szene-affiner Diskussionsforen geäußert wurden, fand ein wesentlicher Teil der Auseinandersetzung auf Grundlage verschiedener Statements statt, die andere Genrevertreter als Reaktion auf die Veröffentlichungen Ewas abgegeben haben.[10]
4. Fragestellung
Vor dem Hintergrund der obigen Darstellung der Geschlechterverhältnisse im Gangstarap ergeben sich im Hinblick auf die Wirkung von Schwesta Ewa in einer männlich dominierten Subkultur mehrere Fragen. So entsteht nach Meuser (2006) bei Männern, deren soziale Praxis sich innerhalb des vom männlichen Habitus gesetzten Rahmens bewegt, eine habituelle Sicherheit. Die eigene – beziehungsweise die im eigenen Umfeld dominante – Männlichkeit wird als ‚natürlich‘ und selbstverständlich verstanden und damit unsichtbar.
Gleichzeitig ist die Konstruktion von Männlichkeit auf homosoziale Gemeinschaften angewiesen, in denen Frauen ausschließlich vorgesehen sind, um zuzuschauen und zu bewundern. Dies erklärt zumindest zum Teil die Beharrlichkeit, mit der sich die erwähnten Vorstellungen von Geschlecht im Gangstarap seit Jahren halten können (vgl. Goßmann 2012). Jedoch ist die hier anzutreffende Hypermaskulinität auch ein deutlicher Hinweis auf die Fragilität eben jener Männlichkeitsentwürfe:
„Den Männern, denen ihr Geschlecht im Modus der habituellen Sicherheit gegeben ist, sind Ausdrucksformen von Hypermaskulinität, wie sie in der Figur des Rambo oder des Macho symbolisiert sind, fremd. Der Hegemonieanspruch bedarf auch keines Verweises auf körperliche Stärke und Überlegenheit, um sich Geltung zu verschaffen.“ (Meuser 2006: 314).
Während also einerseits Gangstarap als homosoziale Männergemeinschaft habituelle Sicherheit erzeugt, unterscheidet sich diese Sicherheit andererseits von jener, über die Vertreter einer gesellschaftlich hegemonialen Männlichkeit verfügen. Dieses Spannungsverhältnis sorgt dafür, dass jegliche Bedrohung der männlichen Gemeinschaft durch zum Beispiel homosexuelle Männlichkeit oder eben Weiblichkeit umso vehementer abgewehrt werden muss. Somit kann davon ausgegangen werden, dass schon alleine Schwesta Ewas bloße Existenz als Gangstarapperin, erst recht aber ihre Selbstinszenierung als Sexarbeiterin in der Szene für Verunsicherung sorgt und Gegenmaßnahmen provoziert.
Wir untersuchen im Folgenden, wie sich diese Verunsicherung äußert und welche Strategien entwickelt werden, um mit ihr umzugehen. Gleichzeitig wirft das „Beharrungsvermögen des Habitus“ (Meuser 2006: 134) die Frage auf, inwiefern die jeweiligen Rapper Schwesta Ewas Inszenierung auch für eine Festigung von Geschlechterarrangements nutzen können. Bei unserer Analyse der Reaktionen anderer Genrevertreter konzentrieren wir uns hier auf drei unterschiedliche Statements.
5. Empirische Analyse
Anfang Januar 2012 präsentierte der Heidelberger Rapper Animus auf seinem YouTube-Kanal ein Amateur-Video, in dem er sich zusammen mit seinen Rapper-Kollegen Manuellsen und Kurdo zum nur wenige Tage vorher veröffentlichten Song „Schwätza“ von Schwesta Ewas äußert.[11] Im insgesamt fast 15-minütigen Clip schauen sich die drei Rapper Ewas Debut an, rappen Textstellen mit, interpretieren diese und kommentieren und diskutieren ihr Auftreten. Hierbei belustigen sie sich zwar größtenteils über die Rapperin, versichern aber gleichzeitig ihre grundsätzliche Loyalität für das Label ‚Alles oder nix-Records‘.
Weitaus eindeutiger fiel zunächst die Reaktion des Essener Rappers PA Sports aus, der sich Mitte Mai 2012 auf seinem Facebook-Profil über „Frauen die so reden, als wären sie Jungs von der Straße“ echauffierte und Schwesta Ewa als „eine Beleidigung für jede Frau die Ehre hat“ bezeichnete. Die Frankfurter Rapperin drohte ihm wiederum auf ihrem Profil mit Gewalt, wodurch sich PA Sports bemüßigt sah zu versichern, grundsätzlich „keine frauen zu schlagen“.[12] In einem Interview mit dem Online-Magazin hiphop.de äußerte er sich wenige Tage danach ausführlich zum Streit und bekräftigte nochmals seine heftige Abneigung.[13] Gerade mal ein paar Wochen später wurde auf dem HipHop-Blog SpitTV allerdings ein Video-Statement veröffentlicht, in dem PA Sports selbst von einer Aussprache mit Schwesta Ewa berichtet und den Streit für beendet erklärt.[14] Die drei genannten Formate werden im Folgenden im Hinblick auf männliche Verunsicherung innerhalb der (Gangsta)Rap-Szene durch weibliches Empowerment am Beispiel der Inszenierung Schwesta Ewas untersucht.
5.1. „Ich muss erklären, worüber Schwesta Ewa rappt.“ (Animus)
Das Gespräch von Animus, Manuellsen und Kurdo über das Musik-Video „Schwätza“ ist betont locker gehalten. Alle drei Rapper äußern sich in ironischer bis stark zynischer Form zum Thema Schwesta Ewa sowie zu Frauen und Sexarbeit, vor allem sind es aber Animus und Manuellsen, die sich in ihrem Dialog gegenseitig mit Witzen und Sprüchen anstacheln. Dennoch wird gleich zu Beginn deutlich, dass sie in ihrem Umgang mit der Rapperin sehr unsicher und nicht fähig sind, diese in ihre Vorstellung von Geschlecht einzuordnen. So reagieren Manuellsen und Kurdo abwehrend auf Animus‘ Bezeichnung von Ewa als „Schwester“, wobei diese geschwisterliche Anrede eigentlich im Rap allgemein üblich ist und auch während des Gesprächs mehrfach auftaucht („Grüße an Ćelo, mein Bruder!“):
Animus: Reden wir lieber über unsere Schwester.
Manuellsen: Also meine ist es nicht.
Kurdo: Ist nicht meine Schwester, wallah.
Manuellsen: Meine ist es auch nicht, Alter. Sie ist eine…
Gleichzeitig betonen sie einleitend ihre Verbundenheit mit dem Labelchef von Alles-oder-Nix-Records Xatar, der zur Zeit wegen eines Raubüberfalls auf einen Goldtransporter eine Gefängnisstrafe absitzt. Auch beziehen sie sich im Laufe des Gespräches uneingeschränkt positiv auf weitere Rapper im Umfeld von Schwesta Ewa wie Ssio oder Ćelo. Hierbei bringen Animus und Manuellsen ihre vermeintliche Unterstützung der Rapperin auch in eine direkte Verbindung zu ihrer Loyalität für Xatar:
Animus: Aber man muss dazu sagen, jetzt kommt, bevor wir uns über Schwesta Ewa lustig machen, aber da wir Supporter von Xatar und Alles oder nichts sind, feiern wir Schwesta Ewa wirklich und die kann auch krass rappen. Und der Song ist auch Killah.
Manuellsen: Ich bin Supporter von Schwesta Ewa.
Schwesta Ewa, aus deren musikalischen Umfeld mit Ausnahme ihrer Backup-Rapperin Sari ausschließlich Männern bekannt sind, wird hier über die Gemeinschaft unter Männern legitimiert. Aus der Perspektive von Animus und Manuellsen hilft ihr demnach das soziale und symbolische (männliche) Kapital ihres Labelchefs sowie der Rapper Ćelo und Ssio, die beide im Musik-Video zu „Schwätza“ zu sehen sind. Alle drei sind anerkannte Rapper, wobei Xatar wegen seiner Festnahme über die Rap-Szene hinaus einen Ruf als ein Gangstarapper genießt, der eben nicht nur Rapper, sondern auch Gangsta ist. So schrieb zum Beispiel das Nachrichtenmagazin Focus nach seiner Verurteilung im Dezember 2011 und damit nur wenige Tage vor der Veröffentlichung von Schwesta Ewas erstem Song: „Die meisten Rüpel-Rapper sind harmlose Milchbubis. Nicht so ‚Xatar‘.“[15] Animus, Manuellsen und Kurdo fordern im weiteren Gesprächsverlauf seine Freilassung – wie auch Schwesta Ewa, die im Video zu „Schwätza“ ein „Xatar“-Shirt trägt.
Während das männliche Umfeld der Rapperin betont wird, wird sie gleichzeitig von bestimmten Weiblichkeiten abgegrenzt. Hierbei geht es zum einen um Frauen, die als feministisch wahrgenommen werden: Ihnen wird unterstellt, in ihrem Kampf für Frauenrechte fern von der Realität von Schwesta Ewa beziehungsweise Sexarbeiterinnen zu sein. Zum anderen präsentiert Animus eine Unterscheidung zwischen der Geschäftsfrau Schwesta Ewa und weiblicher Promiskuität jenseits von Sexarbeit, die es ihm erlaubt, die Rapperin zwar nicht als moralisch höherwertig, aber zumindest als intelligenter und geschickter einzustufen:[16]
Animus: Aber, ich habe nur, ich habe ja nicht gesagt, alle Frauen auf der Welt, ich habe gesagt, die Hurenkinder, die in der Disko umsonst blasen. Oder Schwesta Ewa, die Fuffi abgreift. Zwischen den beiden, wer ist der Schlauere?
Manuellsen: Dann nimmFuffi.
Animus: Normal nimmFuffi!
Allerdings sind sich die drei Rapper darüber einig, dass die Art und Weise, in der sich Schwesta Ewa in „Schwätza“ inszeniert, auf Dauer nicht ausreicht, um für das Publikum interessant zu bleiben. Obwohl die Rapperin als ein Beleg dafür gesehen werden kann, dass im deutschsprachigen Gangstarap doch nicht „prinzipiell alles gesagt ist, was zu sagen war“ (Szillus 2012: 63), wird an Stelle der ständigen Wiederholungen im männlichen Gangstarap ihre angebliche beschränkte Themenauswahl problematisiert. Passend zur Dethematisierung der Rolle von Gangstarappern diskutieren Animus und Manuellsen auch einseitig die vermeintlich gefährliche Vorbildfunktion von Schwesta Ewa für Frauen. Die Ablehnung, die der Rapperin von meist männlicher Seite entgegenschlägt, wird hierbei zwar erwähnt, aber findet keine weitere Beachtung, während die Sympathie der weiblichen Fans mit Sorge betrachtet wird:
Manuellsen: Ich will nicht sagen, das Traurige, das Kuriose an der Sache ist, ich habe mal die Kommentare unter dem Video gesehen, also, äh, gelesen, und das Schlimme an der Sache ist…natürlich hast Du Jungs dabei, die sagen, was ist das denn für eine Schlampe…
Animus: Die würde ihre Pisse trinken für Hunni. Die würden: (macht ein Gurgel-Geräusch). So würden die machen!
Manuellsen: Aber viele Frauen sagen, also, die ist gar nicht so schlecht, also ich finde Schwesta Ewa cool.
[…]
Manuellsen: Ich muss dazu sagen, guck mal, jetzt mal Spaß beiseite, das ist natürlich Entertainment, das hat natürlich jetzt Spaß gemacht zu hören und so Schock, dies das…
Animus: Ich würde jetzt niemandem raten…ähm…
Manuellsen (unterbricht): Ehrlich jetzt, ich meine das nicht aus Schleimerei, nehmt Euch wirklich kein Beispiel dadran. Alle jungen Mädchen, die das sehen…
Insgesamt ist in dem Gespräch zwischen Animus, Manuellsen und Kurdo die Begeisterung auffallend, mit der insbesondere die ersteren beiden den Songtext von „Schwätza“ erläutern. Immer wieder halten sie die Musik an, kommentieren Szenen und erklären Wörter und Situationen:
Animus: Und für alle, für alle, drück mal stop. Und für alle, die nicht wissen, was Deka ist, das ist zum Beispiel ein Steroid, das in der Muscle-Phase benutzt wird, um Muskeln aufzubauen, wobei eine verstärkte Speicherung von Wasser auch die Folge davon ist. Habe ich gehört.
Manuellsen (lacht): Habe ich gehört.
Animus: Ich muss erklären, worüber Schwesta Ewa rappt.
Manuellsen: Normal.
Einerseits kann dieser Eifer, zu erklären, was Schwesta Ewa (vermutlich) sagen möchte und wie die Wörter, die sie verwendet, zu verstehen sind, auf die Begeisterung für eine neue Rapperin zurückgeführt werden. Andererseits besitzen die Ausführungen auch zwei weitere wichtige Bedeutungen: So stellt zum Beispiel Animus im obigen Dialog sein Fachwissen im Bodybuilding, einem primär männlichen Feld, unter Beweis und profiliert sich über seine zweideutige Äußerung “Habe ich gehört.” als erfahrener Sportler.
Des Weiteren ergibt sich dadurch die Möglichkeit, die Deutungshoheit über Schwesta Ewas Song zu gewinnen, was sich unter anderem im zynischen Umgang mit dem Thema Sexarbeit äußert (“Wo Menschenrechte, dies, das. Kein Mensch ist unbezahlbar, Zwanni Abstand, läuft!”), das im Original-Text durchaus noch ernsthaft thematisiert wird. Während persönliche Bezüge zur Figur Schwesta Ewas in diesem ersten Fall eher distanziert und über Dritt-Referenzen hergestellt werden, findet sich im zweiten Fall ein unmittelbarer Zugang ihr. Dieser soll im folgenden Abschnitt dargestellt werden.
5.2. „Das erste Mal in meinem Leben, dass eine Frau mir gedroht hat.“ (PA Sports)
In seinen Ausführungen über Schwesta Ewa gibt sich der Rapper PA Sports in erster Linie irritiert über den Verlauf des Streits mit der Rapperin. Beide Statements von seiner Seite zeichnen sich hierbei durch Aussagen aus, die die Unangemessenheit ihres Verhaltens über eine vermeintliche Nicht-Zugehörigkeit von Frauen zu Gangstarap als Männerdomäne begründen. Zum Teil wird diese Ansicht von PA Sports sehr explizit geäußert:
„Weißt Du. Rapper haben miteinander Beef und PA Sports hat jetzt Beef mit Schwesta Ewa. Das ist jetzt eigentlich was, was ein bisschen, äh, so ein bisschen ist… Es ist nicht das, was ich unbedingt will.“
Die geschlechterspezifische Zugangsregelung von Gangstarap als „Männerwelt von Männern für Männer“ (Friedrich/Klein 2003: 24) ist hierbei sogar so weitreichend, dass eine Nicht-Beachtung für den Zuwiderhandelnden ernstliche Konsequenzen in Form von Ansehensverlust mit sich bringen könnte. Ließe PA Sports sich auf eine Auseinandersetzung mit Schwesta Ewa ein, könnte das bedeuten, dass er nicht durchsetzungsstark genug wäre, um sich gegen andere männliche Rapper behaupten zu können. Um diesem Eindruck vorzubeugen, stellt er klar, dass er sich im Hinblick auf Szene-interne Konfrontationen weiterhin gleichgeschlechtlich orientieren möchte:
„Da gibt es ein paar andere Mans. Wenn ich Competition will, geh ich mit jemandem Competition machen, der sich auf meinem Level bewegt. Aber ich kann das halt nicht ernst nehmen.“
Eine ähnliche Argumentation findet sich in seiner Aussage, dass Frauen nicht so über ihn reden dürften, wie Schwesta Ewa es getan hat:
„Wenn das nicht von mir jetzt der feine Schachzug war, es trotzdem nicht tragbar in meinen Augen ist, dass eine Frau sowas über mich schreibt.“
Zu der Auffassung, dass Frauen und Männer unterschiedliche Rechte besitzen, sich zu äußern, tritt hierbei aber noch eine andere, subtilere Form der Abwertung Ewas. Die Bezeichnung des eigenen Verhaltens als „unfeinen Schachzug“ unterstellt eine Verletzung der Höflichkeitsgebote gegenüber Ewa. Dem Interaktionsverlauf zwischen den beiden wird damit der Charakter einer handfesten Auseinandersetzung von vornherein abgesprochen. So könne ihm durchaus ein Fehlverhalten angelastet werden. Dass es sich hierbei allerdings ohnehin nur um ein Kavaliersdelikt handelt, ist dann die ex-post-Begründung für Ewas minderwertigen Status als Sprecherin.[17]
Der in beiden Texten mehrfach vorgebrachte Verweis des Sprechers auf die mangelnde Legitimität von Ewas Verhalten verdeutlicht den starken Zugzwang, unter den sich dieser durch die Auseinandersetzung mit der Rapperin gesetzt sieht. Dies zeigt sich auch in der folgenden Aussage:
„Das war das erste Mal in meinem Leben, dass eine Frau mir gedroht hat. Ich fand das auch alles sehr, sehr witzig.“
Diese Äußerung zielt auf die diskursive Ausgrenzung von Frauen aus einer männlichen Konfliktgemeinschaft, innerhalb derer Auseinandersetzungen ‚auf Augenhöhe‘ ausgetragen werden könnten. Diesem Zweck kann sie gerecht werden, indem der Inhalt unter Bezug auf verschiedene soziale Voraussetzungen plausibel wird. Zum einen beruht der Verweis, dass Frauen in aller Regel keine Männer bedrohen auf der (vermeintlichen) Gewissheit, dass sich diese ohnehin außer Reichweite weiblichen Sanktionsmacht befänden.
Dementsprechend stellt Ewa aber nicht nur keine Gegnerin für PA Sports da. Ihr Verhalten erscheint auch unangemessen, weil es gegen eine für Frauen gültige Handlungsnorm verstößt. Während der Verweis auf das anmaßende Benehmen Ewas der Intention nach auf die Unangreifbarkeit des männlichen Sprechers hindeuten soll, zeigt sich hier bei genauerer Betrachtung allerdings die prekäre Verfassung seiner vermeintlichen Vorherrschaft. So bleibt es für ihn notwendig klarzustellen, dass derartige ‚Anmaßungen‘ bis dahin noch nicht vorgekommen sind und ihn auch nicht grundsätzlich in Frage stellen. Indem er sie als „witzig“ beschreibt, spricht er ihnen den Charakter einer tatsächlichen Bedrohung seines Status ab.[18]
Während die hier herausgestellten Argumente von PA-Sports allesamt auf die DelegitimierungSchwesta Ewas auf Grund ihrer weiblichen Geschlechtszugehörigkeit abheben, lässt sich in den Bezügen auf ihren Beruf als Sexarbeiterin eine zweite Argumentationslinie erkennen. Eine wesentliche Strategie findet sich hier zum einen in der humoristischen Darstellung seines Verhältnisses zu Schwesta Ewa als einer Beziehung von Kunden und Dienstleisterin:
„Ach, ja, ich hatte, ich war mal vor’n paar Monaten in Frankfurt und da waren wir intim miteinander. Und da hab ich ihr ihr Geld nicht gegeben wie abgemacht und seitdem schreibt sie mich immer an und will ihre 30 Euro haben.“[19]
Indem er einerseits auf die Rolle Ewas als Sexarbeiterin verweist, bemüht PA Sports hier ein kulturelles Stigma, das Sexarbeit aus mehrheitsgesellschaftlicher Sicht anhaftet (vgl. Löw/Ruhne 2011). Diese Vorstellung von ‚Prostitution‘ als sittlich verwerflicher Tätigkeit zu Grunde legend stellt PA Sports fest: „Schwesta Ewa ist eine Beleidigung für die Ehre jeder Frau.“ Diesen Gedanken führt er noch weiter aus:
„Wenn Schwesta Ewa meint, dass sie die erste Frau ist, die sich für 30 Euro in den Mund ficken lässt, aber noch Ehre hat, dann hat sie halt Ehre, was soll ich machen. Aber ich dachte halt, dass sowasehrelos ist, deswegen.“
Da sie sich also nicht an den – laut PA Sports – gültigen Verhaltensnormen orientiert, ist ihr Verhalten seiner Darstellung entsprechend als verwerflich anzusehen. Die Ewa zugeschriebene „Ehrelosigkeit“ legitimiert so auch seine Aggression gegen sie: Ewa übertritt eine Regel, deren Verletzung er berechtigterweise ahndet.
6. Ergebnisse
Geschlechterverhältnisse in der Popmusik sind keine neue Angelegenheit, tatsächlich sind sie natürlich so alt wie Popmusik selbst. Eine interessante historische Parallele zum hier behandelten Fall findet sich etwa bei der Dortmunder Poprap-Gruppe Tic TacToe, welche u.a. durch vermeintlich ungezwungene Äußerungen zu Themen wie Weiblichkeit und Sexualität hervortrat. Wie im Verlauf ihrer Karriere bekannt wurde, war auch Hauptrapperin Lee vor ihrer Mitgliedschaft in der Band als Sexarbeiterin tätig gewesen. Was Ende der 1990er Jahre allerdings noch die sorgfältige Marketingarbeit emsiger A&R-Manager gefährdete, dient ca. 15 Jahre später selbst als Grundlage popkultureller Imagebildung. Der Grund, aus dem etwas, das damals undenkbar erschien, heute relativ gut zu funktionieren scheint, liegt unseres Erachtens darin, dass mit der Etablierung des Genres Gangstarap ein festes Netzwerk von Künstlern und Rezipientinnen dauerhafte Aufmerksamkeit generiert, welche wiederum anhaltende Anschlusskommunikation ermöglicht.
Was Rap als Kulturform in seiner heutigen Form auszeichnet, ist also ein Umfang von Selbstreferenzialität, die die ständige Thematisierung genreimmanenter Gegebenheiten als zentralen inhaltlichen Gegenstand verfügbar macht. Während dies im Allgemeinen keine besonders große Neuigkeit darstellt (schließlich ist z.B. der Wettbewerb darüber, welche_r Rapper_in die bessere Rap-Technik beherrscht, schon immer ein wesentlicher Bestandteil), konnte hier gezeigt werden, dass auch Geschlechterverhältnisse zum Gegenstand solcher Selbstbeschreibungen gemacht werden.
Die Auswertung des Untersuchungsmaterials zeigt, dass die Reaktion auf Schwesta Ewa im Gespräch von Animus, Manuellsen und Kurdo zwar einige Gemeinsamkeiten mit der von PA Sports aufweist, insgesamt aber eklatante Unterschiede bestehen. Die vier Rapper sind sich in ihren grundlegenden Vorstellungen von Weiblichkeit und Sexarbeit einig, jedoch leiten sie daraus verschiedene Strategien ab, auf die wir im Folgenden genauer eingehen.
Zunächst ist festzuhalten, dass der Umgang mit dem Phänomen Ewa sich im ersten Beispiel deutlich weniger konfrontativ darstellt. Durch ihren Spagat zwischen Loyalitätsbekundungen gegenüber Xatar, ihre Verbundenheit mit Männern im Umfeld von Schwesta Ewa oder auch ihre guten Textkenntnissen auf der einen Seite sowie ihrem Spott oder ihrer Kritik an Schwesta Ewa als vermeintlich schlechtes Vorbild auf der anderen schaffen Animus, Manuellsen und Kurdo eine Grauzone. Hierdurch wird nie vollständig klar, wie sie der Rapperin letztendlich gegenüberstehen.
Deutlich werden allerdings mehrere Strategien im Umgang mit Schwesta Ewa: Hierzu gehört zunächst eine humoristische Distanz, die es ermöglicht, die persönliche (männliche) Verunsicherung zu dethematisieren und an (nicht nur) in der Rap-Szene verbreitete Vorstellungen von Weiblichkeit und Sexarbeit anzuknüpfen. Dies geschieht allerdings ohne eine direkte Abgrenzung von Schwesta Ewa, welche wiederum – wie bei PA Sports – die eigene Verletzbarkeit hätte sichtbar machen können.
Der Rückgriff auf die Männergemeinschaft, die nach Meuser (2005) eine grundlegende Bedeutung für die Konstruktion von Männlichkeit innehat, erlaubt es Animus, Manuellsen und Kurdo, sich trotz ihrer Verstöße gegenüber Weiblichkeitsnormen mit Schwesta Ewas Song auseinanderzusetzen. Gleichzeitig kann diese Auseinandersetzung für die Erlangung einer Deutungshoheit über das Schaffen von Schwesta Ewa genutzt werden. Nun ist es nicht mehr die Rapperin selbst, die erzählt, was sie erlebt, sondern ihre zunächst passiven männlichen Zuschauer übernehmen für sie die Sprecherrolle.
Die Spaltung von Frauen wiederum kann als ein Versuch gedeutet werden, nicht nur die eigene Männlichkeit in Anbetracht ‚neuer‘ Weiblichkeit zu rekonstruieren, sondern darüber hinaus diese für männliche Interessen nutzbar zu machen. So wird Schwesta Ewa als bodenständige Sexarbeiterin gegenüber ‚dem realitätsfernen Feminismus‘ – hier übrigens verkörpert durch Alice Schwarzer und Mutter Theresa – in Stellung gebracht, um diesen in seiner Glaubwürdigkeit zu schwächen.[20] Im letzten Schritt schließlich wird die Reinvisibilisierung von Männlichkeit forciert: Mit der Kritik an Schwesta Ewa geht eine konsequente Dethematisierung der fragwürdigen Vorbildrolle von Gangstarappern und der ständigen Wiederholungen ihrer Songthemen einher.
Insgesamt könnten die dargestellten Strategien der Rekonstruktion der in Punkt 2. beschriebenen Gangstarap-Männlichkeit unter neuen Bedingungen dienen. Hierbei bleiben bisher konstitutive Aspekte wie zum Beispiel die homosoziale Männergemeinschaft weiterhin tragfähig, weil das (musikalische) Umfeld von Schwesta Ewa vorwiegend aus anerkannten Rappern besteht. Andere wie die Invisibilisierung von Männlichkeit müssen erst neu verhandelt werden, da die Anwesenheit von Frauen in männlichen Räumen immer eine Sichtbarmachung von Männlichkeit bedeutet (vgl. Meuser 2006).
Dass die Negativbeurteilung von Prostitution als Bezugspunkt von PA Sports sich unter Szene-RezipientInnen tragfähig erscheint, ist keineswegs fraglos vorauszusetzen. Zwar verweisen gängige Studien (vgl. z.B. Löw/Ruhne 2011; Gerheim 2012) auf eine anhaltende Stigmatisierung von Seiten der Mehrheitsgesellschaft. Als „dichotome ‚Gegenwelt‘“ (Howe 2006), deren sozialräumliche Begrenzungen wesentlich entlang klassen- und ethnienspezifischen Linien verlaufen, weist der symbolische Kosmos des Rotlichtmilieus starke Parallelen und teilweise sogar Überschneidungen mit den Bildwelten des Gangstarap auf (vgl. Seeliger 2013).
Es erscheint also keineswegs als selbstverständlich, dass die Darstellung von Schwesta Ewa als Sexarbeiterin keinerlei Identifikationspotenzial im Einklang mit anderen Genrerepräsentationen bietet. Wie der Band von Benkel (2010; siehe auch die Studie von Löw und Ruhne 2011) anschaulich zeigt, weist das Frankfurter Bahnhofsviertel als räumlicher Bezugsraum Schwesta Ewas zahlreiche Attribute auf, die im Gangstarap als wesentliche Bestandteile der Lebenswelt von Genrevertretern dargestellt werden. Gleichzeitig bleibt festzustellen, dass PA Sports offensive Diskreditierung Ewas durchaus an gängige Vorstellungen über Weiblichkeit, Sexarbeit und ihre Verschränkung anschließt:
„Eines der auffälligsten Diskursmuster rund um die Prostitution […] ist die immer wieder sehr grundsätzlich vertretene Trennung prostitutiver Sexualität von Gefühlen, insbesondere vom Gefühl der Liebe“ (Löw; Ruhne 2011: 125).
Bemüht man die Unterscheidung der gesellschaftlichen Sphären von Öffentlichkeit und Privatheit im Zusammenhang ihrer geschlechterspezifischen Konnotation, wird klar, warum Sexarbeit von Frauen zum Gegenstand kultureller Stigmatisierung wird: Indem Sexualität hier dem privaten Bereich intimer zwischenmenschlicher Beziehungen enthoben und einer marktförmigen Tauschbeziehung (Geld gegen sexuelle Handlungen) untergeordnet wird, unterläuft die Sexarbeiterin die ihr im Normensystem des Gangstarap zugedachte Rolle, deren soziale Position durch die Beziehung zu einem bestimmten Partner bestimmt ist. Der so entstehende Umgang mit Sexualität erscheint aus Sicht der Gangstarapper als „ehrelos“.
Die von PA Sports verfolgte Diskreditierungsstrategie kann so als entlang zweier komplementärer Linien verlaufend dargestellt werden: Während der Verweis auf Ewas Status als Frau zum einen der Ausgrenzung aus der männlichen Konfliktgemeinschaft der Rap-Szene dient, kommt dem Verweis auf Ewas Tätigkeit als Sexarbeiterin eine zusätzlich abwertende Bedeutung zu. Auf Grund ihrer Weiblichkeit ist sie also nicht nur keine Gegnerin für PA Sports, sondern tritt darüber hinaus durch ein unredliches Verhalten hervor, das ihr durch ihr männliches Gegenüber als Zeichen eines Mangels an Integrität angelastet wird. Durch die Abwertung ihrer Person entlang der beiden genannten Linien gelingt es ihm schließlich, seine eigene Sprecherposition in der Auseinandersetzung zu stärken.
Während Animus, Manuellsen und Kurdo zumindest den Eindruck erzeugen, dass sie Schwesta Ewa nicht ernstnehmen, versucht sich PA Sports also zu profilieren, in dem er an gesellschaftlich verbreitete Vorstellungen anknüpft und auf ihre vermeintlichen Mängel (Sexarbeiterin, Verstoß gegen Weiblichkeitsnormen) hinweist. Geben sich die drei Rapper in ihrem Gespräch noch betont gelassen, wird die Bedrohung, die das Empowerment einer rappenden Sexarbeiterin für (männlichen) Gangstarap darstellt, bei PA Sports umso deutlicher. „Ihr habt alle Angst, denn ich kann euch bloßstellen!“, rappt Schwesta Ewa vermutlich nicht zufällig in ihrem Song „Bin gleich zurück“, der ungefähr zwei Monate nach dem Streit mit PA Sports erschien.[21]
Animus, Manuellsen und Kurdo scheinen die Inszenierung von Schwesta Ewa zumindest zum Teil akzeptiert zu haben, und entwickeln folgerichtig ‚neue‘ Strategien, um Gangstarap-Männlichkeit zu rekonstruieren und zu erhalten.[22] Dies kann als ein Zeichen für das in Punkt 4 angesprochene „Beharrungsvermögen des Habitus“ gedeutet werden, scheint hier doch der Versuch unternommen zu werden, die Inszenierung von Schwesta Ewa für eine Festigung von Geschlechterarrangements nutzbar zu machen. PA Sports hingegen klammert sich verzweifelt ausschließlich an konventionelle männliche Praxen der Abwertung – und stellt sich damit in seiner Verletzbarkeit selber bloß.
7. Fazit
In den letzten Jahren ist von wissenschaftlicher Seite wiederholt auf tiefgreifende Verunsicherungen von Männlichkeit im Zuge politischer und ökonomischer Entwicklungen wie der Deregulierung von Erwerbsarbeit oder der weltweiten Finanzkrise (vgl. u.a. Meuser 2009; Sauer 2011; Wichterich 2011) hingewiesen worden. Demnach wurde zunächst die fordistische Ernährermännlichkeit durch die ‚Feminisierung von Arbeit‘ – also die Übertragung der Prekarität weiblich dominierter Beschäftigungsverhältnisse auf männlich dominierte Bereiche sowie das Eindringen von Frauen in ebenjene Berufsfelder – erschüttert. Es folgten im Zuge der Finanzkrise mediale Debatten um eine „Zockermännlichkeit“ (Wichterich 2011: 139), die mit Verweis auf die natürliche männliche Risikobereitschaft in biologistischer Argumentation als Verursacherin der Krise ausgemacht wurde.
Meuser und Scholz weisen in diesem Kontext auch auf eine „Reflexivierung“ (2011: 67) von Männlichkeit hin: Männlichkeit ist nicht mehr selbstverständlich und unmarkiert, sondern wird sichtbar gemacht – und diskutiert. Sichtbarkeit und (Selbst-)Reflexivität sind hier aber keineswegs als eine normative Kategorien zu sehen. Im Gegenteil, der Ausgang der angesprochenen Erschütterung von Männlichkeit ist bestenfalls offen – meist ist sogar eine „Rekonfiguration“ (Sauer 2011: 83) von Männlichkeit unter veränderten Bedingungen festzustellen. So trugen die öffentlichen Debatten um die „Zockermännlichkeit“ auch dazu bei, andere Krisenerklärungen zu dethematisieren und Geschlechterunterschiede – auf der einen Seite der verantwortungslose Mann, auf der anderen die vorsichtig agierende Frau – zu biologisieren.
Die Reaktionen von Animus, Manuellsen und Kurdo sowie PA Sports auf Schwesta Ewa ließen sich in diesen Kontext einordnen, wird hier mit Gangstarap doch eine weiterer männlich dominierter Raum als solcher sichtbar gemacht. Die Rapper müssen reagieren und entwickeln Strategien, um ihre Männlichkeit wie bisher zu erhalten oder aber sie zu restrukturieren und an Veränderungen anzupassen, ohne sie als solche in Frage zu stellen. Interessant ist hier vor allem, dass Humor ein beliebtes – und neben den Beschimpfungen von PA Sports ein ungleich erfolgreicheres – Mittel darstellt. So stellen auch Meuser und Scholz (2011) für die Darstellung von Männern in Zeitschriften wie ‚Men’s Health‘ fest, dass Ironie und Überzeichnung als Stilmittel verwendet werden, um Männlichkeit zwar zu benennen, aber gleichzeitig Stereotype zu reproduzieren.
Allerdings unterscheidet sich der im vorliegenden Aufsatz untersuchte Fall in zweierlei Hinsicht entscheidend vom oben beschriebenen Kontext. So liegt der Fokus der genannten Analysen auf männlichen Leitbildern, die gesellschaftlich – wenn auch in unterschiedlicher Form – als hegemonial angesehen werden können: Politiker, Manager oder auch der deutsche Familienernährer ohne Migrationshintergrund. Diejenigen Männlichkeiten hingegen, welche sich von Schwesta Ewa bedroht fühlen, sind in mehrfacher Hinsicht als marginalisiert einzustufen. Zugespitzt formuliert: Gangstarap scheint das einzige Feld zu sein, in dem sie ihren männlichen Anspruch auf Macht geltend machen können.
Zudem beziehen sich die genannten Untersuchungen vorwiegend auf strukturelle Entwicklungen – unter anderem die Deregulierung von Arbeitsverhältnissen – oder diskursive Veränderungen – zum Beispiel in Männerzeitschriften. Die Besonderheit im Fall Schwesta Ewa ist, dass sie als Gangstarapperin und Sexarbeiterin mit Migrationshintergrund spricht, die alle Spielregeln der Felder, in denen sie sich bewegt, beherrscht und sich dennoch gleichzeitig über sie stellt. Weibliches Handeln wird hier somit zum entscheidenden Ausgangspunkt männlicher Verunsicherung. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, weibliches Empowerment als Auslöser für Veränderungen von Männlichkeit in den Blick zu nehmen.
Anmerkungen
[1] Im Bezug auf geschlechterwissenschaftliche und feministische Diskussionen lässt sich im Hinblick auf die Bedeutung von Sexarbeit für Betroffene und Gesellschaft (relativ grob) zwischen zwei Positionen unterscheiden. Während einerseits Zwangscharakter und Gewaltförmigkeit fokussiert wird (zum Beispiel in der PorNo-Kampange aus dem Umfeld der feministischen Zeitschrift Emma), richtet sich das Bestreben anderer politischer Vertreter_innen auf den Agency-Aspekt und weibliches Empowerment im Wege der Sexarbeit. Wenn wir von Sexarbeit sprechen, beziehen wir uns auf eine Selbstbezeichnung, die in der US-amerikanischen Prostituiertenbewegung entwickelt wurde. Dies bedeutet allerdings keineswegs, dass über diesen Begriff Einigkeit besteht. Zur weiteren Auseinandersetzung siehe z.B. Affront (2011).
[2] Es wird die Schreibweise mit einem Unterstrich verwendet und nicht zum Beispiel von Konsumenten und Konsumentinnen gesprochen. Neben dem Verweis auf den Konstruktionscharakter von Geschlecht können so auch Menschen einbezogen werden, die sich zwischen oder außerhalb der Zweigeschlechtlichkeit verorten (vgl. Walgenbach et al. 2007).
[3] Video von Tricia Rose (zuletzt eingesehen am 13.05.2013).
[4] Da im Gangstarap fast ausschließlich Männer aktiv sind, verwenden wir hier bewusst nur die männliche Form.
[5] Als eine der der seltenen Ausnahmen trat vor allem zwischen 2006 und 2009 die Rapperin Kitty Kat auf dem bekannten Label ‚Aggro Berlin‘ in Erscheinung.
[7] Hier ist allerdings anzumerken, dass Schwesta Ewa durchaus auch sexistische Vorstellungen wie die von Güngör angesprochenen Bilder der Heiligen und der Hure übernimmt. So unterstützt sie zum Beispiel in einem Song auf Aggro TV mit den Rappern Abdï, Ćelo und Capo ihre Kollegen in deren Abwertung weiblicher Promiskuität (zuletzt eingesehen am 13.05.2013).
[8] Ihre Texte können damit teilweise auch als Kritik an bestimmten Entwürfen migrantischer Unterschichtsmännlichkeit gelesen werden.
[9] Zum Vergleich: Die Debut-Single aus dem gemeinsamen Album ‚23‘ der (weitaus bekannteren) Rapper Sido und Bushido erreichte in einem nur drei Monate längerem Zeitraum eine Klickzahl von lediglich 2,6 Millionen (Angaben bezogen auf August 2012).
[10] Anders als in anderen Sparten der Popmusik stellen wechselseitige Referenzen von Genrevertreter_innen im Gangstarap ein wesentliches Element dar: Während es auf der einen Seite unangemessen erscheinen mag, dass der Volksmusiker Andi Borg mit einer öffentlichen Kritik des Trompetenspiels seines Kollegen Florian Silbereisen medial längerfristig anschlussfähige Aufmerksamkeit auf sich zieht, sind entsprechende Bezüge im Gangstarap Gang und Gebe.
[11] Video: Animus Vlog 1 (zuletzt eingesehen am 13.05.2013).
[12] Schwesta Ewa vs. PA Sports (zuletzt eingesehen am 13.05.2013).
[13] Video: PA Sports über Schwesta Ewa (zuletzt eingesehen am 13.05.2013).
[14] Video: Aussprache mit Schwesta Ewa (zuletzt eingesehen am 13.05.2013).
[15] Gangsta-Rapper landet für Goldraub hinter Gittern (zuletzt eingesehen am 13.05.2013).
[16] Interessanterweise macht Schwesta Ewa selbst in ihrem weiter oben erwähnten Song mit Ćelo, Abdï und Capo die Unterscheidung zwischen der cleveren Geschäftsfrau, die dank Sexarbeit über ein hohes Einkommen verfügt, und denjenigen Frauen, die promisk leben, ohne dafür Geld zu nehmen. Abgesehen von der damit einhergehenden Abwertung von Frauen weist diese Unterscheidung auch darauf hin, dass Sexarbeit als Empowerment und Möglichkeit für Frauen gesehen werden kann, patriachale Verhältnisse zwar nicht umzustoßen, aber zumindest finanziell von ihnen zu profitieren (vgl. Affront 2011).
[17] Dass der Argumentationsverlauf hier logisch falsch ist, bedeutet nicht, dass es ihm auch an handlungspraktischer Plausibilität mangeln mag.
[18] Mit Connell lässt sich die Äußerung verstehen als „Teil eines Unterdrückungssystems, gleichzeitig […] aber auch ein Maß für seine Mangelhaftigkeit. Eine vollkommen legitimierte Herrschaft hätte Einschüchterung weniger nötig“ (Connell 2006: 105).
[19] Eine ähnliche Sequenz findet sich auch am Ende des Interviews, als er ankündigt, nun gemeinsam mit seinem Freund Sinan G, der ebenfalls ein bekannter Gangstarapper ist, loszugehen und nach einer Arbeitsmöglichkeit für Ewa als ‚Prostituierte‘ zu suchen. Die Variabilität der Positionen, von denen aus PA Sports sich über Ewa als Sexarbeiterin erheben kann (im ersten Fall als Freier, im zweiten Fall als Zuhälter) unterstreicht hierbei nochmal die vollkommene Überlegenheit männlicher Herrschaft über subordinierte Weiblichkeiten, die der Rapper in seinen Ausführungen unterstellt.
[20] Allerdings ist festzuhalten, dass die Kritik an feministischer Politik, ihr Bezug zu Themen wie Sexarbeit sei nicht ausreichend, prinzipiell nicht von der Hand zu weisen ist (Affront 2011).
[21] Video: Schwesta Ewa „Bin gleich zurück“ (zuletzt eingesehen am 13.05.2013).
[22] Für einen flexiblen Umgang mit dem Phänomen Schwesta Ewa spricht auch, dass Animus im September 2012 ein weiteres Statement zu Schwesta Ewa veröffentlichte, in dem er ihr seinen „vollsten Respekt“ (animus-statement-zu-schwesta-ewa [Link mittlerweile erloschen], zuletzt eingesehen am 13.05.2013) ausspricht und betont, dass Rap„schon immer dazu da [war] um von persönlichen und sozialen Problemen zu erzählen und diese durch Rap zu lösen/meistern“. Hervorzuheben ist, dass er des Weiteren denjenigen, die Schwesta Ewa im Internet beschimpfen, vorwirft, dass sie „Teil der Gesellschaft [sind], der sich lieber am Leid anderer aufgeilt, anstatt eine helfende Hand zu reichen“ (ebd.). Konsequenterweise schließt er sein Statement mit den Worten: „Es braucht um einiges mehr Eier als ihr habt, um so stabil zu einer so schrecklichen Vergangenheit zu stehen.“
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Malte Goßmann studiert Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Martin Seeliger ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Arbeit und Wirtschaft an der Universität Bremen.