Positionen der 1960er und beginnenden 1970er Jahre
[Teil 1: Kleine Literatur]
William S. Burroughs: „Kosmonaut des Inneren Raums“[1]
Lebt die Popkultur seit ihren Anfängen von ihren mythisch-verklärten Legenden und Heroen sowie deren permanenter Reproduktion in der Popkulturindustrie[2], so sind William S. Burroughs und die wesentlich mit ihm assoziierte Cut up-Methode, bei ihm v.a. bezogen auf Literatur[3] und Tonbandaufnahmen, selbst zu einem gegenkulturellen Mythos geworden.[4]
Fahrer (2009: 9) erläutert das Grundprinzip des Cut up wie folgt: „Ein literarisches, filmisches, bild- und tonkünstlerisches Verfahren: Man nehme einen Text/eine Filmrolle/ein Bild/ein Tonstück, zerschneide dieses Material vertikal sowie horizontal und klebe die Stücke in verwürfelter Reihenfolge auf – fertig ist der Cut up“[5] (vgl. Burroughs 1993: 84f.; Burroughs 1994: 33ff.).[6] Die erste eigenständige Cut up-Publikation stellt, wie Fahrer (2009: 47) betont, die Anthologie „Minutes to Go“ aus dem Jahr 1960 dar (Burroughs/Beils/Gysin/Corso 1960).
Die sog. Cut up-Autoren[7] – Burroughs kann als der international Erfolgreichste und Bekannteste bezeichnet werden –, deren wesentliche Bezugspunkte Montagetechniken in der Kunst und im Film sind, würden, entgegen dieser Einschätzung von Fahrer, das Verfahren des Cut up allerdings nicht als künstlerisch bezeichnen, sondern als eine experimentelle Technik der Bearbeitung von unterschiedlichstem Medienmaterial, mit dem Ziel, alltägliche Wahrnehmungs-, Kommunikations- und Verstehensweisen zu erweitern[8], zu erschüttern bzw. zu dekontextualisieren. Literarisch geht es darum, mit literarischen Konventionen der Textproduktion formal und inhaltlich zu brechen. Es werden u.a. Kontingenz, Delinearität, Verzicht auf Kausalität und Chronologie in die Textproduktion eingeführt, um sich damit gegen die „intentional determinierten Collage- und Montageformen“ (Ullmaier 2003: 138) zu richten. Ein Cut up ist eine zufallssuchende und „zufallzulassend[e] Schnittästhetik“ (vgl. ebd.), die die Wahrnehmung von Text und Welt produktiv irritieren soll, durch die daraus resultierende „Aushebelung jeglicher narrativer Gesetze und durch eine Multiplizierung der Signifikationsmöglichkeiten“ (Fahrer 2009: 11), ein fragmentarisch-assoziatives Offenlegen der Mehrdeutigkeit von Sprache(n), die die offiziellen Sprachsysteme autoritär unterdrücken und in zwanghafte „Wort-Reiz-Reaktionsketten“ (ebd.: 33) sperren. Cut ups fokussieren sich hingegen auf die Materialität von Sprache sowie der von ihnen verwendeten Medien. Hierzu trägt v.a. auch die grundlegende Intertextualität der Cut up-Texte bei, denn Eigentexte sind in dieser Tradition literarischer Produktion häufig wesentlich Fremdtexte bzw. deren Arrangement und Verfremdung.[9] Leitend ist hier das Prinzip, mit dem Text, gegen den Text. Mit Blick auf die konstitutive Intermedialität von Cut up zudem: mit dem Bild gegen das Bild, mit den Tönen gegen die Töne, mit Texten gegen Bilder, mit Bilder gegen Texte, mit Texten gegen Töne, mit Text-Bildern gegen Tonwelten etc.
Das Problem dieser ästhetischen Strategie besteht allerdings darin, dass alle Cut ups, die das Konkrete (z.B. Worte, Texte, Bilder, akustisches Material) dekontextualisieren, im Akt der Rezeption zumeist vor dem Hintergrund der vertrauten Sinnmuster aufgefasst werden – dies gilt auch für die schlichte Feststellung des Nicht-Verstehens, also dem Ausbleiben von produktiven bzw. bildenden Sinnverstörungen. Es stellt sich hier die Frage, unter welchen Bedingungen die Rezeptionssituationen von Cut ups Bildungsprozesse auslösen, die das Gelesene oder Gesehene oder Gehörte nicht als bloße Irritation zurückweisen oder als reine Unterhaltung nicht konstruktiv ernstnehmen, vielmehr sich eigensinnig auf die Cut ups einlassen und die eigenen Sinnmuster dadurch produktiv irritieren lassen. Der Zusammenhang zwischen Produktions- und Rezeptionsästhetik wird in der Tradition des Cut up kaum reflektiert, sondern sich als wechselseitig bedingend und idealtypisch gelingend vorausgesetzt. Poetische Reflexionen sind grundsätzlich produktionsästhetisch fokussiert.
Die poetischen Überlegungen von Burroughs fokussieren sich auf zehn Motivkreise: Burroughs (1994: 29, 31) versteht Cut up als angewandte Medienkritik bzw. Kommunikationsguerilla[10], die sich gegen die Hegemonie gesellschaftlicher Machtzentren sowie der Massenmedien und deren hypnotischen Wirklichkeitsverzerrungen und -fälschungen wendet. Das subversive Potential der durch Cup up produzierten Gegenwirklichkeit, die bewusst anti-rational ist, besteht v.a. in der Produktion von Illusion, denn „Illusion ist eine revolutionäre Waffe“ (ebd.: 27).[11] Eine Illusion ist für Burroughs kein pathologischer Zustand, sondern eine produktive sowie letztlich nicht eindeutig kontrollierbare Sinnes- und Sinntransformation. Notwendig hierzu ist die Existenz von subkulturellen Institutionen wie der „Untergrundpresse“ (ebd.: 31; vgl. dazu auch Brinkmann 1983: 383, 392).
Diese Form der Kommunikationsguerilla stellt v.a. eine Arbeit an der Sprache dar, um die Möglichkeiten und Grenzen der Sprache und die Voraussetzungen des Verstehens zu entschlüsseln, weil die herrschende Sprache, die Sprache der Herrschenden ist.[12] Cut ups arbeiten mit der Sprache gegen die Sprache und ihren dominant-legitimen Sprachgebrauch durch (alternative) Sprach-Techniken bzw. Techniksprachen. Burroughs wendet sich also primär gegen die gesellschaftlich gesteuerte sowie kontrollierte Sprachproduktion und Sprachpraxis.
Dieser Ansatz von Burroughs kann als mediale Fortführung der Ansätze der sprachkritischen Moderne zu Beginn des 20 Jahrhunderts verstanden werden, die ihren Ausgangspunkt in der Zeit um 1900 mit dem Chandos-Brief (1902) von Hugo von Hofmannsthals (1957) nahm, mit seiner Kritik an der Sprache als Ausdrucksmittel bzw. der Kritik der Erkenntnis- und Ausdrucksmöglichkeiten der „Sprache der Dinge“ (ebd.: 373) sowie der Sprache als subjektiver Erkenntnisform, die für die Unerkennbarkeit der Wahrheit verantwortlich ist. Zudem mit Fritz Mauthners (1999) Schrift „Beiträge zu einer Kritik der Sprache“ (1901/02), als einer Nietzsche reflektierenden Quelle der Sprachskepsis von Hofmannsthal, seiner Kritik an der „Logokratie“ und dem „Wortaberglauben“[13] bzw. der Sprachabhängigkeitsthese sowie seine Forderung, dass Vernunftkritik grundsätzlich Sprachkritik sein muss.[14] Das nicht auflösbare Problem hierbei, dass Sprachkritik immer mit sprachlichen Mitteln formuliert werden muss, kann Burroughs zwar nicht lösen, allerdings versuchen seine Cut ups diese technisch-medial zu transformieren.
Der sprachkritische Impetus bleibt ein wiederkehrendes Thema der Popliteratur bis zur Gegenwart. Hierbei wandelt sich die erkenntnistheoretische und sprachphilosophische Debatte des ausgehenden 19. und des 20. Jahrhunderts zunehmend zu einer medienkulturellen. Die viel zitierte Aussage im Chandos-Brief – „die abstrakten Worte […] zerfielen mir im Munde wie modrige Pilze“[15] (Hofmannsthal 1957: 372) – hat etwa 2010 eine populärkulturelle Modifikation erfahren. Im Roman „Axolotl Roadkill“ der 1992 geborenen Autorin Helene Hegemann (2010), lässt sie ihre 16-jährige Protagonistin Mifti, deren Leben sich um die Berliner Szene, Sex, Drogen, Zeitreflexionen, Verweigerungshaltung etc. dreht, feststellen: „Mir zerfallen die Worte im Mund wie schlechte Pillen.“ Dieser schnell zum Bestseller gewordene, von der Literaturkritik umfangreich und kontrovers diskutierte sowie bis zum Februar 2011 in 15 Sprachen übersetze Debütroman von Hegemann, löste zudem eine rege Plagiatsdebatte aus, denn die Autorin hatte an zahlreichen Stellen Fremdtexte verarbeitet, ohne diese als solche auszuzeichnen.[16]
Literarische Wunderkinder unter Plagiatsverdacht gab es auch schon vor der Debatte um Sampling als literarische Kulturtechnik. Barthes (1964: 86) weist etwa auf den Fall der französischen Schriftstellerin Minou Drouet (1956, 1959) hin, die in den 1950er Jahren internationale Aufmerksamkeit von der Literaturkritik, für die Veröffentlichungen von Gedichten und Briefen erhielt, und für kurze Zeit zu einer Persönlichkeit des kulturellen Lebens Frankreichs aufstieg, sie machte etwa Musik mit Jacques Brel, spielte neben Michel Serrault 1958 die Hauptrolle im Film „Clara et les méchants“ (Raoul André) und zeichnete sich durch eine bewegende Lebensgeschichte aus. Gleichzeitig gab es aber kurz nach dem Erscheinen ihrer Werke eine heftige Debatte um die Authentizität ihrer Werke bzw. entstand eine intensive Plagiatsdebatte.[17]
Die Erregungsdispositive[18] Hegemann, aber auch Drouet unter den Bedingungen des Prä-Digitalen-Zeitalters, sind mit Blick auf Burroughs v.a. hinsichtlich der Bedingungen (gegen)kultureller Produktion und den Themenfeldern Autorschaft sowie Originalität/Kopie/Fälschung von Bedeutung.[19] Theison (2011) hebt hier, mit Blick auf Hegemann, hervor: „Entscheidend ist: Wie bewerten wir geistiges Eigentum? Zurzeit existieren parallel zwei literarische Kulturen. Einerseits die klassische, mit Autoren, Verlagswesen und Zeitungsrezensionen, andererseits die Netzkultur, die auf Copy/Paste setzt, auf gemeinschaftliches, vernetztes Schreiben. Beides ist legitim, setzt aber jeweils ein völlig anderes Verständnis von geistigem Eigentum voraus. Hegemanns Fall ist deshalb so interessant, ja geradezu paradigmatisch, weil die Autorin meint, beide Kulturen miteinander verbinden zu können.“[20]
Interessant in Bezug zu Burroughs, abgesehen von Sujets wie Sex- und Drogenexzessen, und mit Blick auf die Cut up-Methode, ist also die Haltung der Autorin zum Schreiben, zu Copyright, Autorschaft und Authentizität im digitalen Zeitalter. Geistiger Diebstahl ist für sie letztlich ein Zeitgeistphänomen, und das (mehr oder weniger) referenzlose Sampeln sowie Mixen von Fremdtexten in Eigentexte, eine aktuelle Kulturtechnik. Theison (ebd.) betont, dass ein grundsätzliches Problem der Literaturkritik darin besteht, „ein klassisches Autorenbild entworfen“ zu haben, „,die junge, geniale Autorin‘, ,das Sprachrohr einer Generation’, ,der große Stellvertreter-Roman‘. Alles Begriffe, die ganz klassisch auf Eigentum, Erfindung, Originalität oder Authentizität setzen. Und plötzlich erfahren wir, dass die Autorin zur anderen Kultur gehören möchte: Sie kopiert, klaut und sagt, das sei ganz normal, das spiegle das Jahrzehnt wider – was mit der klassischen Autorenschaft nicht kompatibel ist.“[21]
Auch Cut ups zeichnen sich durch ein Desinteresse für die Autorität von Ursprungstexten aus und sind ausschließlich auf das Resultat der Schneideprozesse und deren permanente Veränderung fokussiert.[22] Mit Blick auf die Person Burroughs ist man aber wiederum mit dem Problem konfrontiert, dass seine Medialisierung und Stilisierung als (Kult)Autor, dem Autorfunktion auflösenden Cut up– und Fold in-Schreibverfahren entgegen schreibt.
Dieses Schreibverfahren ist mit der Absage an die Autorfunktion verbunden, gegen die Vorstellung von einem exklusiven sozialen Schöpfersubjekt gerichtet und der Auffassung, dass es Urtexte bzw. Originale gibt (Motivkreis 2). Vielmehr sollte man bei der Verwendung von Cut up-Techniken zum kulturrevolutionären Jedermann werden (vgl. Burroughs 1994: 23).[23] Schriftsteller schaffen nicht im emphatischen Sinne, sondern bringen Texte in Form: „Was tut ein Schriftsteller denn anderes, als vorgegebenes Material zu sortieren, redigieren & arrangieren?“ (Burroughs 2004: 148). Diese Haltung spielt im Kontext der deutschen Popliteratur Ende der 1990er und in den 2000er Jahren eine konstitutive Rolle.
Zentral für seine Kommunikationsguerilla und die Absage an die Autorfunktion ist das Konzept der Sprache als Virus[24] (vgl. u.a. Burroughs 1994: 7ff., 73)[25], durch das die Vorstellung von Sprache als ein rationales Konstrukt, aber auch die Behauptung, dass die Beziehung von Wortlaut und Begriffsvorstellung allein auf sozialer Konvention beruht, kritisch durch die (intermediale) Gegensprache der Cut ups und Fold ins infiziert bzw. das System der offiziellen und legitimen Sprache geschwächt werden soll.[26] Sprach(rück)gewinn ist aus dieser Position (Gegen)Machtgewinn. Zum Konzept von Sprache als Virus gehört für Burroughs die Auffassung von der menschlichen Stimme als Waffe[27]. Bilder und Bildcollagen sind in der Tradition des Cut up nicht mit Schnittverfahren hergestellt und stellen zumeist Paratexte zu den Cut ups dar.
Sprache als Virus richtet sich gegen die kulturelle Hegemonie, die v.a. in der kulturellen Grammatik einer Gesellschaft begründet ist. Kulturelle Grammatik ist die Gesamtheit aller Regeln (Wert- und Normsysteme, kulturelle, politische, religiöse, ökonomische Wissensformen, Verhaltensregeln, Interaktionsrituale, ästhetische Codes usw.), durch die gesellschaftliche Wirklichkeit, auf der Makro- und Mikroebene, als System von Macht- und Herrschaftsverhältnissen produziert und reproduziert wird – bewusst und unbewusst. Soziale Wirklichkeit ist, gemäß dieser Position, eine Wirklichkeit von Zeichen, die etwas bedeuten und Wirklichkeit in einem Prozess der Bedeutungsproduktion konstituieren – dieser Prozess wird zumeist von der Dominanzkultur bestimmt. Sie ist die Instanz, die die jeweils aktuelle soziale Wirklichkeit als normal und die beste aller möglichen Gesellschaftsformen erscheinen lässt sowie bei den Gesellschaftsmitgliedern Konsens darüber herstellt, sie als unhinterfragte Ordnung der Dinge manifestiert. Gesellschaftliche Vermittlungsagenturen der kulturellen Grammatik sind etwa Schule oder Universitäten, Vereinssitzungen oder Wahlveranstaltungen. Die Reaktualisierung und Inszenierung kultureller Grammatik dient der Darstellung und Selbstvergewisserung von sowie der Partizipation an Macht- und Herrschaftsverhältnissen. Kulturelle Grammatik ist zugleich unsere soziale Haut und das zentrale soziale Band, durch das Gesellschaft als Gesellschaft sowie die Sozialität des Menschen möglich werden – Ordnungssystem gesellschaftlicher und individueller Wirklichkeit (vgl. autonome a.f.r.i.k.a.-gruppe/Luther Blissett/Sonja Brünzels 2001: 14-43).
Hegemoniale Legitimationsdiskurse, die in und durch die Medien geführt werden, müssen durch die „Anstiftung zu einer subversiven kommunikativen Praxis“ (autonome a.f.r.i.k.a.-gruppe/mittlerer neckar 1994b: 143; vgl. 1994a: 10f.), etwa durch Cut up und Fold in, unterlaufen, gestört bzw. in Frage gestellt werden. Diese Praxis stellt keine materielle, militärische Gegenmacht zu bestehenden gesellschaftlichen Machtverhältnissen dar, sondern eine kommunikative bzw. semiologische, der es um Formen, Bedingungen, Möglichkeiten und Grenzen subversiver politischer Praxis geht und so zur Erweiterung linker Politikformen beitragen will. Kommunikationsguerilla soll zur Kritik und Subversion gesellschaftlicher Herrschaftsverhältnisse in ihrer vermeintlichen Selbstverständlichkeit beitragen. Subversion bedeutet hierbei einerseits Problematisierung der Legitimität kultureller Hegemonie und ihrer gesellschaftlichen Normalisierung sowie andererseits Raum für Utopien einer anderen gesellschaftlichen Wirklichkeit zu öffnen.
Das Konzept der Sprache als Virus stellt vor diesem Hintergrund den Kampf gegen Identität und Identifizierung, gegen das Einheitliche und Ganze dar (Motivkreis 4): „Das Identisch-sein impliziert immer die ausschließliche Identität von etwas, sein Zweck ist ständige Konditionierung: so sein und bleiben. Jeder Akt des Bezeichnens setzt ein Identisch-sein als gegeben voraus“ (Burroughs 1994: 74). Zudem richtet sich die virale Sprache von Cut up und Fold in auf die Dekonstruktion von einmaligen, unhintergehbaren Definitionen und eindeutigen Bestimmungen: „Der bestimmte Artikel DERDIEDAS. DERDIEDAS impliziert die Einmaligkeit von etwas: DER Gott, DAS Universum, DER Weg, DAS Richtige, DAS Falsche. […] Der bestimmte Artikel DERDIEDAS wird gestrichen und durch den unbestimmten Artikel EIN ersetzt [Hervorhebung im Original – MSK]“ (ebd.: 75). Darüber hinaus soll die virale Gegensprache dazu beitragen, das Denken in binären Oppositionen aufzulösen und scheinbar konstitutiv voneinander Getrenntes durch ein Denken des Differenzen auflösenden Und ersetzen (vgl. ebd.).
Dem Ganzen, Einheitlichen, Identischen, Definierten und Bestimmten setzt Burroughs ein kontinuierliches Werden (Motivkreis 5) entgegen, einen Glauben an die Veränderbarkeit der vermeintlichen Wesenheiten der Sprache durch die virale Sprache und ihrer Technisierung und Medialisierung. Zur Umsetzung der Kommunikationsguerilla bedarf es der intermedialen Selbstüberschreitung von Literatur – dies gilt gleichsam für die akustische und visuelle Welt: „ORDNE NEU DAS WORT UND BILD AUF ANDEREN GEBIETEN ALS SCHREIBEN [Hervorhebung im Original – MSK]“ (Burroughs 1993: 87).
In diesem Kontext spielt die Idee der Sinn-Aleatorik eine zentrale Rolle, um Assoziationssperren und soziale Sinnfixierungen zu überwinden: „sie werden feststellen dass sich die willkürlichen einschübe [der Cut ups bei Tonaufnahmen – MSK] in vielen fällen in den text einfügen und ihr kombiniertes band erstaunlichen sinn ergibt [Hervorhebung im Original – MSK]“ (Burroughs 1983: 167). Werdensprozesse sind niemals abgeschlossen, verweisen kontinuierlich über sich hinaus, sind permanente Grenzüberschreitungen, rastlos unterwegs, ohne Zielpunkt und eindeutigen Identitätsort: „warum hier haltmachen warum irgendwo haltmachen [Hervorhebung im Original – MSK]“ (ebd.: 170).[28] Sinn sollte etwas sein, dass sich im Experimentieren mit Sprache (vgl. Burroughs 2004: 149), Tönen oder Bildern ereignet bzw. ereignen kann, nicht von vorn herein in den Objekten, die adressiert werden, definitiv enthalten sein.
Diese adressierte Sinn-Aleatorik soll zu einer Entlimitierung von Literatur, zu ihrer Transformation und Transgression beitragen (Motivkreis 7): „Alles Schreiben besteht im Grunde aus Abschnitten. Eine Collage von Worten, gelesen, gehört, mitgehört. Was noch? Der Gebrauch der Schere macht den Vorgang deutlich und unterwirft ihn der Erweiterung und Veränderung. Klare, klassische Prosa lässt sich gänzlich aus neu geordneten Abschnitten komponieren. Das Zerschneiden und Neuordnen einer Seite geschriebener Wörter führt eine neue Dimension ins Schreiben ein, die den Schreibenden in den Stand setzt, Bilder in eine Cinerama-Variation zu verwandeln. Bilder verändern Sinn unter der Schere Geruch Bilder zu Klang Sehen zu Klang Klang zu Bewegung“ (Burroughs 1993: 86). Populäre Kulturen und Popkulturen sind, um die vorausgehenden Überlegungen von Burroughs aufzunehmen, immer Kulturen der Collage, des Schnitts, der Bastardisierung, intermediale Liaisons und Bricolagen, kurz, Werdensprozesse – dies verbindet alle von Populären Kulturen und Popkulturen verwendeten Medien.
Im Zentrum einer collagenartigen Entlimitierung von Literatur und dem damit verbundenen intermedialem Befreien von Assoziationssperren, stehen Sampling und Mixing als konstitutive (literarische) Kulturtechniken – verbunden mit einer gewissen Entsubjektivierungstendenz in der Argumentation von Burroughs[29], weil derjenige, der etwa akustische Cut ups macht, das Mixen, Cutten und Sampeln sowie das Produzieren von kontingenten Assoziationen, letztlich den Aufnahme- und Schnittmaschinen überlassen soll: „ein tonbandgerät ist ein externer teil des menschlichen nervensystems […] sie sind ein programmiertes tonbandgerät das aufnimmt und wiedergibt wer programmiert sie […] sie brauchen sich das nicht anzuhören sie können ihre wiedergabe selbst programmieren […] [Hervorhebung im Original – MSK]“ (Burroughs 1983: 171).[30]
Durch die Umsetzung des vorausgehend Skizzierten soll eine grundsätzliche Veränderung von Denken, Wahrnehmen und Sprachgebrauch stattfinden, ein Break on through, durch den Grauschleier der Wirklichkeit bzw. Kontrollgesellschaft: „die physiologische befreiung zu der sie gelangen wenn sie die wortprinzipien gesteuerter gedankenverbindungen erst einmal durchbrochen haben wird sie ihren zielen näher bringen […] die unsichtbaren brüder fallen in die gegenwart ein je mehr leute wir dazu bekommen […] desto brauchbarer werden experimente und erweiterungen […] ein grauer schleier lag zwischen ihnen und dem was sie sahen oder häufiger nicht sahen dieser graue schleier waren die von einem kontrollgerät aufgenommenen und konservierten worte ist dieser schleier entfernt sehen sie klarer und schärfer als jene die sich hinter dem schleier befinden […] [Hervorhebung im Original – MSK]“ (Burroughs 1983: 169).[31]
Der poetische Bezugsrahmen für die Techniken des Cut up und Fold in, den Burroughs in den ersten neun Motivkreisen skizziert, stellt, formallogisch betrachtet, eine inkonsequente Intentionalität dar, gerade durch die Aspekte des Break on through und der Fokussierung einer, wenn auch unbestimmten, Gegenwirklichkeit, die den grundlegenden Perspektiven der Aleatorik, Entlimitierung und des Werdens widerspricht, indem ein richtiges Leben und authentische Wirklichkeit, zumindest implizit, postuliert werden. Das Werden und die intendierte Auflösung aller Identitätsformen, werden somit in gewisser Weise statisch und definitiv. Diskursiv ist dieser Widerspruch im Bezugsrahmen von Burroughs nicht auflösbar.
Die Arbeit am Break on through[32] und an der Beseitigung des Grauschleiers der Wirklichkeit, setzen Basisdemokratie und neue Formen der Kollektivität voraus: „Collagen sind für jedermann da. Jeder kann Collagen herstellen. Dies ist experimentell in dem Sinn, dass es damit etwas zu tun gibt. Schreib jetzt, schreib gleich [Hervorhebung im Original – MSK]“ (Burroughs 1993: 85). Diese Basisdemokratie des Cut up ist vergleichbar mit der positiven Bedeutung von Kollektivität und den niedrigschwelligen Möglichkeiten des Mitmachen-Könnens in der Popkultur – wie sie etwa in den beiden Songs „Come together“ (Auf: The Beatles. Abbey Road. Apple/Parlophone/EMI 1969) und „Kommt zusammen“ (2 Raumwohnung. Auf: Kommt zusammen. Goldrush/Sony Music 2001) emphatisch zum Ausdruck gebracht werden.[33]
Cut up und Fold in, als ästhetische Strategien und Kommunikationsguerilla, sind für Burroughs insgesamt Bildungsmedien und Techniken des kulturellen Empowerment, die die Wirklichkeit durch die subversive Arbeit an der Narrativierung und Diskursivierung medienkulturell verändern wollen. Die beiden Konzepte verdeutlichen aber auch, dass Populäre Kulturen und Popkulturen, Medien übergreifend, wesentlich Kulturen des Schnitts sind.
Die poetische Position von Burroughs steht in Korrespondenz mit Adornos (1997a: 27) Forderung, „über den Begriff durch den Begriff hinauszugelangen“ – das Gleiche gilt für Fiedler und Brinkmann. Adorno geht es, sehr vereinfachend gesagt, um die Dekonstruktion der Metaphysik bzw. der Grundfeste des abendländischen Denkens seit Platon. Adornos Versuch der Dekonstruktion, der an dieser Stelle nicht eigens entwickelt werden kann, ist mit dem Problem konfrontiert, das aus einem Denken, in diesem Fall Adornos, das in der Metaphysik grundgelegt ist, nicht ausgeschert, dieses System aber gleichsam durchschaut und immanent kritisiert, also de-konstruiert werden kann. Dekonstruktion bedeutet für Adorno, dass insofern über keine andere Sprache als die der klassischen Metaphysik verfügt werden kann, deren Begriffe zu übernehmen und Schicht für Schicht im Gebrauch so abzutragen sind, dass die metaphysischen Implikationen möglichst vermieden werden. Dieser Ansatz von Adorno kann letztlich aber nur durch die totale Dekonstruktion aller Inhalte der abendländischen Ideengeschichte verwirklicht werden, um zu einem „anderen [neuen – MSK] Genus des Denkens“ (Adorno o.J.: 274) zu gelangen. Dieser (Total)Dekonstruktion würden Begriffe wie Tradition, kulturelles Gedächtnis, kulturelle Identität, Wahrheit, Geschlecht, Humanität etc., die als soziales bzw. historisches Band einer Gesellschaft dienen, zum Opfer fallen. Ob dieses Projekt in seiner Radikalität überhaupt zu realisieren ist, bleibt daher fraglich. Die grundlegende Intention, die in dieser Forderung von Adorno zum Ausdruck kommt, ist der Versuch, ausgehend von einem umfassend kritischen Durcharbeiten des sozial Wirklichen, zu dessen konstitutiver Veränderung zu gelangen. Diese Veränderung kann aber nur gelingen und Nachhaltigkeit erzielen, wenn sie in einer spezifischen Terminologie verfasst wird, die die Sinn- und Bedeutungsschichten dieser projektierten Wirklichkeit anschlussfähig kommunizieren könnte.
Ist Adornos Arbeit am Denken, Sprechen und Schreiben der Wirklichkeit erkenntnistheoretisch fokussiert, so ist sie bei Burroughs ausschließlich als ästhetische Strategie konzipiert, weil er Philosophie und Wissenschaft als Produzenten des Grauschleiers der Wirklichkeit betrachtet bzw. betrachten würde. Cut up als die wilde „Schönheit der Chance“[34], als Möglichkeit der Kritik und Veränderung, auch von konkreten „Formatgrammatiken oder Mediensprachen“ (Ullmaier 2003: 143), um so eine Medien übergreifende Alternative zu traditionellen Schnittverfahren anzubieten – deren formallogischem Widerspruch dabei allein ästhetisch begegnet werden kann. Diese Haltung verbindet wiederum Burroughs und Adorno, denn auch für Adorno ist letztlich die autonome Kunst die einzige Möglichkeit zu einem anderen Genus des Denkens und Wahrnehmens zu kommen – dem Cut up und Fold in schreibt Burroughs, entgegen seiner Rhetorik der Dekonstruktion von Identität, Einheit, Originalität oder Werk, Autonomie zu.
Leslie A. Fiedler: „Angriff aufs Monopol“
Die beiden viel diskutierten Aufsätze „Die neuen Mutanten“ (Fiedler 1983) und „Überquert die Grenze, schließt den Graben“ (Fiedler 1994) aus den 1960er Jahren, stellen ein Plädoyer für eine thematisch-motivische und intermediale Öffnung von Literatur dar, durch die jede Art von Literatur als Literatur betrachtet werden kann. Für Fiedler ist Literatur stets Gebrauchsliteratur, die einen bestimmten Zweck verfolgt, sonst nichts, v.a. aber eins nicht ist, Kunst (vgl. Fiedler 1994: 33, 36).[35] Literarisch betrachtet gehört sie damit in die gleiche Kategorie wie Kochbücher, Lexika, Bedienungsanleitungen oder Reiseführer. Diese literarischen Formen rufen beim Leser Reaktionen hervor, die primär in der Form der Zweckfokussierung grundgelegt sind, nicht in ihrer ästhetischen Form. Genau darauf läuft aber die Literatur letztlich, seit den antiken Poetiken, hinaus. Für Aristoteles (1994) und Horaz (1986) z.B. sind Schauder und Schrecken oder Lachen und Weinen selbstverständliche sowie notwendige Effekte von Literatur, körperliche Reaktionen also, die im Wirkungskalkül des jeweiligen Mediums geradezu apriorisch angelegt sind.
Diese Form der Kontinuität im Feld kultureller, hier literarischer, Produktion, zeigt an, dass Geschichtsschreibungen des Kulturellen andere Ordnungskategorien als z.B. Gattungen oder Epochen erfordern, die das kulturelle Material stofflich und historisch festlegen wollen. Das kulturelle Material, etwa Literatur, Musik oder Film, steht in einem beständigen Dialog mit der Kulturgeschichte, ist niemals bei sich selbst oder in den jeweiligen Ordnungskategorien, sondern überschreitet sich permanent intertextuell, intermedial und interkulturell. Insofern müsste eine Literaturgeschichtsschreibung sich selbst auf eine Geschichtsschreibung des Intertextuellen, Intermedialen und Interkulturellen hin überschreiten, also konstitutiv Anders-Werden.[36]
Hiermit verbunden ist die „Zurückweisung des Glaubens an Kontinuität und Fortschritt der Kultur“, von der Fiedler (1983: 19) spricht, die Traditionsindifferenz der Underground-/Beat-/Pop-Literatur, ihr Anti-Humanismus und ihre Verweigerung gegen einen unbedingten Vernunftglauben sowie den Glauben an die literarische Kultur als ein Produkt des Humanismus. Hingegen dominiert eine Anti-Ästhetik, die Suche nach dem Dauer-Anti (Anti-Lyrik, Anti-Roman, Anti-Bürgerlich usw.) gegen alles und jeden, auch gegen sich selbst.[37] Diese Haltung schafft eine Ortlosigkeit an Orten, an denen sie stattfindet, aufgeschrieben und gelesen wird, ohne selbst an diesen Orten verortbar zu sein. Gleichzeitig öffnet sie hierbei aber Räume, die nicht utopisch, sondern heterotop sind.[38]
Die zuvor skizzierte Perspektive von Fiedler kann zur Relativierung der Rede vom medialen Apriori der Medientechnik verwendet werden und stellt dieser ein mediales Apriori der Medienwirkungen zur Seite, ohne das Ersteres nicht gedacht werden kann und in dem Letzteres seine Ausdrucks- und Inszenierungsgrenzen findet. Beide Aprioris sind indifferent gegenüber konkreten Inhalten und auf das Zusammenspiel von Differenz und Wiederholung bezogen.
Dieser formästhetischen und medientheoretischen Positionierung, stellt Fiedler eine politische und wahrnehmungstheoretische zur Seite. Die Underground-/Beat-/Pop-Literatur schreibt gegen gesellschaftliche sowie kulturelle Denk- und Bildverbote; stellt ein exotisches Terrain undomestizierter Wünsche und einen Schutzwall gegen die bürgerliche Moral dar.
In seinem Aufsatz „Die neuen Mutanten“[39] (Fiedler 1983) aus dem Jahr 1964 wendet sich Fiedler entsprechend drastisch gegen alle ästhetischen Vor-Schriften für die Literatur, gegen Regulierungsbestrebungen, die die Literatur seit ihren Anfängen begleiten, etwa in Form der Kanonbildung bzw. der damit verbundenen normativen Differenzierung von hoher und niederer Literatur, die letztlich keinen objektiven Kriterien folgt, sondern an die Geschmackspräferenzen der jeweiligen Literaturhistoriker rückgebunden ist und in vermeintlich entindividualisierter Form kanonisiert bzw. zu einem präskriptiven Kanon der Gebote wird.[40]
Die Argumentation von Fiedler unterläuft sich allerdings in einer Hinsicht selbst, weil sie der zurück gewiesenen Limitierung von Literatur eine Entlimitierung entgegensetzt, die wiederum als charakteristisch für die neue US-amerikanische Literatur der 1950er sowie 1960er Jahre bezeichnet und als Maßstab für aktuelle Literaturproduktion ausgewiesen wird. Aus der Negation entsteht eine Position – das Gleiche gilt für Burroughs und Brinkmann. Ungeachtet dieses formallogischen Widerspruchs, der im Referenzrahmen des Denkens von Fiedler nicht überwunden werden kann, adressiert Fiedler mit diesem Entgrenzungsplädoyer ein neues inter- bzw. transmediales kulturelles Feld, das für Populäre Kulturen und Populäre Medienkulturen repräsentativ ist und in dieser kulturellen Formation ihren Ausgang mit der Popkultur der 1950er Jahre nimmt. Diese Begrenzung der Entgrenzung ist unverständlich und entgegen der Argumentation von Fiedler, dass die Produktionen populärer Kultur grundlegend offen sind, sich grundsätzlich selbst überschreiten und transformieren.
Für jede literarische Epoche ist, so Fiedler weiter, Offenheit und Blindheit bzw. Ignoranz kennzeichnend – über den blinden Fleck seiner Argumentation und über die Blindheit der Populären Kulturen spricht er allerdings nicht. In seinem Aufsatz fokussiert er sich auf das, wofür die amerikanische Kultur in den 1960er Jahren mit Blick auf die Literatur blind ist: Zum einen für die politische Dimension dieser Literatur, ihre „Haltung zur Zeit“ (ebd.: 17), die mehr darstellt, als ein reproduzierendes und affirmatives Verhältnis zur Wirklichkeit, etwa mit Blick auf die Bürgerrechtsbewegung, und somit ein revolutionäres Potential besitzt – diese Überhöhung ist der historischen Situation geschuldet, in der Fiedler schreibt, und gehört zum Gründungsmythos der Rede von der Subversivität Populärer Kulturen. Zum anderen für den gegenwartsdiagnostischen Charakter der Literatur bzw. ihren Fokus auf das Zeitgenössische, dessen Klima Fiedler (1994: 15) als apokalyptisch, antirational, offen romantisch und sentimental beschreibt. Zudem trägt sie wahrnehmungstheoretisch betrachtet, zu einer Schärfung des Bewusstseins und zu einer neuen Sensibilität bei, stellt eine Art Sinnesschulung dar. Die Underground-/Beat-/Pop-Literatur ist für Fiedler auch ein Medium ästhetischer Reflexion, in der „radikale Wandlungen der Literatur in vereinfachter Form reflektiert werden“ (ebd.: 17).
Darüber hinaus besitzt die Underground-/Beat-/Pop-Literatur einen futuristisch-utopischen Charakter, sie ist eine die Zukunft antizipierende Literatur, der es um die produktive Erschließung der Zukunft, um „Projektionen des Wirklichen“ bzw. „Erkundung, Besitznahme oder Planung des Möglichen“ (ebd.) in der Gegenwart geht.[41] In diesem Kontext hebt Fiedler einerseits die Bedeutung der Science Fiction-Literatur als Medium der „,Extrapolation‘ der Zukunft“ (ebd.: 18) in der Gegenwart hervor, andererseits deren audiovisuellen Selbstüberschreitungen in Fernsehserien und Filmen, „wo die zugrundeliegende Bildwelt glücklich mit elektronischer Musik verwoben […] und der Wortanteil auf ein Minimum reduziert“ (Fiedler 1994: 27) wird. Das Medium Literatur ist aus dieser Perspektive selbst schon für Fiedler in den 1950er und 1960er Jahren nur noch ein Übergangsmedium, das intermedial im Raum audiovisueller Medienkulturen aufgehoben wird und dort seinen größten Einfluss erlangt. Insofern stellen die beiden hier diskutierten Aufsätze von Fiedler nicht die Gründungsdokumente einer neuen literarischen Epoche dar, sondern vielmehr deren Grabrede, verbunden mit einer knappen Skizze ihrer intermedialen Transformation.
Als Medium aisthetischer Bildungsprozesse dienen in der Underground-/Beat-/Pop-Literatur neben Science Fiction, wie Fiedler hervorhebt, die Sexualität und Pornographie[42] – auch dies kann durchaus als Ausdruck einer Reflexion auf die kulturgeschichtliche Situation der 1960er Jahre aufgefasst werden. In der Literatur, die Fiedler fokussiert, findet sich eine gesteigerte Bedeutung von Sexualität, verbunden mit der Suche nach einer direkten, obszönen Sprache der Sexualität, einer Hinwendung zur Pornographie, einer Arbeit an einer Ästhetik der Sexualität und Porno-Ästhetik, das Gestalten eines literarischen Pendants zur sexuellen Revolution, ein Schreiben für die Befreiung aus dem Gefängnis traditioneller Liebesideologien, die Auflösung des Monopols der Heterosexualität als Leitgeschlechtlichkeit, die Affirmation und Legitimation von Homosexualität und Camp. „Die Standardformen heterosexueller Kopulation, normal oder ,poetisch‘ vermittelt, sind verflucht altmodisch, wenn nicht gar ein bisschen lächerlich; wir fordern Fellatio, Analverkehr und Flagellation, um sicherzugehen, dass wir Pornographie vor uns haben und keine Liebesgeschichte“ (ebd.: 29). An dieses Plädoyer für eine demonstrative, realistische und tabulose Literatur, die sexuelle und pornographische Themen behandelt, schließt sich allerdings ein von Fiedler nicht weiter verfolgter Hinweis an: Die massenkulturelle Thematisierung und Sichtbarkeit von Pornographie führt letztlich zu ihrem Ende, denn für Fiedler (ebd.) ist die Idee der Pornographie im Wesentlichen eine „Art masturbatorischer Träumerei im Verborgenen“. Die gegenwärtig mediale Dauersichtbarkeit, Dauerthematisierung und Dauerverfügbarkeit von Pornographie bzw. pornografischer Inhalte (vgl. u.a. Hilkens 2010; Grimm/Rhein/Müller 2010; Gernert 2010), v.a. derer im Internet, lässt einerseits auch gegenwärtig die These plausibel erscheinen, dass maximale Sichtbarkeit (populär-)kultureller Phänomene zu deren Habitualisierung und Veralltäglichung führen, der von ihnen ausgelöste Schock des Realen verschwindet und deren Normalisierung zu ihrer grundsätzlichen Transformation beiträgt.
Vergleicht man andererseits den Großteil der Underground-/Beat-/Pop-Literatur in ihrem Schreiben über Sexualität und in ihren pornographischen Dimensionen bzw. der literarisch-demonstrativen Sexualitätsdarstellung, erscheint diese Literaturproduktion sehr harmlos, wenn man sie etwa mit Texten der pornographischen Avantgarde im Werk von Marquis de Sade (vgl. u.a. 2006, 2008), dem 1899 erschienenen Roman „Der Garten der Qualen“ von Octave Mirbeau (2009), dem 1907 erschienenen Roman „Die elftausend Ruten“ von Guillaume Apollinaire (1985) oder mit dem „Obszönen Werk“ von George Bataille (1977) kontrastiert.
Allerdings könnte man hier argumentieren, dass die literarischen, künstlerischen und filmischen Porno-Avantgarden das Feld demonstrativer Pornographiedarstellung geöffnet haben und der Verdienst der Underground-/Beat-/Pop-Literatur darin besteht, demonstrative Sexualität und pornographische Dimensionen von Sexualität als Alltagswirklichkeiten inszeniert zu haben, wodurch eine Habitualisierung von Sexualität und Pornographie im Alltag ausgehen sollte. Hierbei handelte es sich um einen affirmativen Umgang mit diesen Themen, der kulturkritisch im Verhältnis zur bürgerlichen Sexualmoral war, nicht aber aus der Perspektive des Feminismus.[43]
Fiedler konstatiert nicht nur eine grundlegende Transformation und Transgression der Literatur, sondern mit ihr auch die des schreibenden Subjekts. Ein Hierarchieverhältnis von Text und Autor existiert für Fiedler nicht, beide Instanzen sind unteilbar miteinander durchdrungen. Aus diesem Durchdrungensein entsteht ein neuer Subjekttypus: „Künstlerisch […] ist der Ausblick auf die radikale Verwandlung des Homo Sapiens (unter Wirkung des technischen Fortschritts und der Übertragung traditionell menschlicher Funktionen auf Maschinen) in etwas anderes: das Auftreten von – um in der Sprache der Science-Fiction zu sprechen – ,Mutanten‘ unter uns.“ Fiedler bezieht sich mit dieser Bezeichnung u.a. auf die Beatniks und auf neue jugend- bzw. popkulturelle Akteure seiner Zeit.
Die neuen Autoren, Fiedler nennt u.a. On the Road (1957) von Jack Kerouac (1998), The Temple of Gold von William Goldman (1957) oder The Clockwork Orange (1962) von Anthony Burgess, lehnen jede Form von Definition ihrer Tätigkeit ab: Ob sie Literatur produzieren oder nicht, interessiert sie nicht. Sie stehen auch in keinem präformierten Dialog mit der literarischen Tradition und weisen ihre Fixierung durch die Autor-Funktion emphatisch zurück. Leben und Schreiben sind untrennbar miteinander verbunden, der Fokus ihres Schreibens und Lebens ist die Gegenwart, ihr Ziel ist es, eine Ästhetik der Existenz zu entwerfen, die auf einer anderen Wahrnehmung der Gegenwart aufbaut. Der Begriff Cool kennzeichnet das Wesen ihres Lebensstils.[44]
Fiedler (1983: 19) bezeichnet die Underground-/Beat-/Pop-Literaten darüber hinaus als „neue Irrationalisten“.[45] Sie finden ihre historischen Vorbilder u.a. in der „Idee einer antirationalen Anti-Literatur“, die die künstlerischen Avantgarden des 20 Jh. entwickelt haben, etwa der Dadaismus oder der Surrealismus. Sprache wird ver-rückt verwendet, ihr wird ein anderer Rhythmus, Sound, eine Dynamik gegeben: „Eindringen der Anti-Sprache in die Welt der mittleren Generation, und zwar auf der Verständnisebene der Massenkultur […]“ (ebd.: 22).[46] Sie selbst sind zumeist wesentlich massenkulturell sozialisiert und adressieren massenkulturelle Rezeptionsweisen in ihren Produktionen. Ihre literarische Sprache formen sie hierbei v.a. durch den Bezug zur Sprache der Musik und des Films.[47]
Als dialektisches Problem des kulturellen bzw. literarischen Schaffens hebt Fiedler (ebd.: 23) hervor, dass „durch wiederholten Gebrauch akzeptiert, wird Anti-Sprache zu Sprache, und mit der Gelegenheit zur Übertreibung schwindet auch alle Lust daran.“ Die kulturelle Normalisierung und Aneignung der Sprache der Underground-/Beat-/Pop-Literatur, d.h. ihr Massenkultur-Werden, entfremdet diese von sich selbst und fordert sie gleichzeitig heraus, anders zu werden.
Fiedler (1994: 18) hebt entsprechend einerseits hervor, dass die Literatur ein Mode- und Zeitgeistphänomen ist, wodurch sie notwendig wandelbar und wandlungsbedürftig wird. Den Roman bezeichnet er (ebd.) in diesem Kontext als die erste „Form der Pop-Literatur, die sich bewusst war, dass ihre Lebenszeit […] notwendigerweise kurz sein würde.“ Der Roman stellt für Fiedler also ein Übergangsmedium dar.[48] Andererseits ist die Underground-/Beat-/Pop-Literatur für ihn (ebd.: 20) ein Rettungsversuch des Mediums Buch, in Zeiten seiner zunehmenden Bedeutungslosigkeit, „und deswegen muss der wirklich neue Roman anti-künstlerisch und anti-seriös sein.“ Die eigensinnigen Ziele der Literatur sind für Fiedler (1994: 35ff.) das Ermöglichen von Träumen und Visionen, wodurch im Akt der Produktion und Rezeption ein Mehr-an-Leben bzw. ein Anders-werden von Leben entstehen kann. Underground-/Beat-/Pop-Literatur ist daher für Fiedler wesentlich heterotop. An anderer Stelle spricht er (ebd.: 34) entsprechend von der Underground-/Beat-/Pop-Literatur als „Reise oder Pilgerfahrt zu transzendenten Zielen“.
Als Leuchttürme bzw. Underground-/Beat-/Pop-Literaten avant la lettre bezeichnet Fiedler (ebd.: 20f.) den Autor und Jazz-Musiker Boris Vian und William S. Burroughs. Vian schließt mit seinen Romanen, Fiedler spricht v.a. über „Ich werde auf Eure Gräber spucken“, die Grenze zwischen hoher und niederer Kultur, Kunstroman und Pop-Literatur. In dieser Überbrückung bzw. Grabenschließung von Hoch- und Popkultur sieht Fiedler die wesentliche Aufgabe des gegenwärtigen Romans.
Fiedler (1994: 37) rahmt seine Überlegungen durch ein Lob Populärkultureller Medien – hier v.a. mit Blick auf die audiovisuellen Medien: „[…] dass Träume selbst produziert und auf Fernsehschirme geworfen oder mit Laserstrahlen projiziert werden können in einer Lebendigkeit, die den Visionen der Heiligen nicht nachsteht.“ Wie kaum jemand vor ihm hat Fiedler Populäre Medienkulturen als genuine Bildungsmedien aufgefasst.
Rolf Dieter Brinkmann: „Sin eben nur Wörter, du verstehst?“
„Sammle das Material./Wie immer. Stell das Material anders zusammen./ […] Was bleibt zuletzt? Das selbstbewusste Ich. Von Parasiten besetzt? Dann die Aufgabe ,sie auszuräuchern./ […] Wörter wie Schimmelpilze ,Schmarotzer des Bewusstseins‘.“ (Brinkmann 1987: 182)
Zwei poetische Grundpositionen von Brinkmann werden in diesem Zitat deutlich: einerseits seine Selbsteinordnung in die Cut up-Tradition[49], die etwa in seine Collagen- und Materialbänden deutlich wird, andererseits seine Sprachkritik, mit Anspielung auf den Chandos-Brief (Hofmannsthal 1957)[50], und die daraus resultierende Feststellung, dass die Ausbildung einer eigensinnigen Ich-Identität durch die Sprache seiner Gegenwart be- bzw. verhindert wird.[51] Darüber hinaus arbeitet Brinkmann daran, das im vorausgehenden Abschnitt skizzierte poetische Programm von Fiedler umzusetzen. Dies wird etwa hinsichtlich seiner thematisch-motivischen und intermedialen Öffnung von Literatur deutlich, aber auch in seiner, mit wenigen Ausnahmen wie etwa Gottfried Benn, Zurückweisung der literarischen Traditionen und Konventionen in Deutschland.
Meine Perspektive der Auseinandersetzung mit Brinkmann (1980: 60) orientiert sich an der Grundhaltung seines Gedichtes „Zwischen den Zeilen“ aus „Le Chant du Monde (1963-1964): „Zwischen | den Zeilen | steht nichts | geschrieben. Jedes Wort | ist schwarz | auf weiß | nachprüfbar.“ Der Oberflächenästhetik von Brinkmann werde ich daher mit einer Oberflächenhermeneutik begegnen oder, um es mit einem Begriff von Ernst Jandl (1985: 321) auszudrücken: ich betreibe „oberflächenübersetzung [Hervorhebung im Original – MSK]“ der Arbeiten von Brinkmann. Das Oberflächliche wird dabei, weder von Brinkmann noch Jandl und mir, als banal aufgefasst, sondern als eigensinnige ästhetische Erscheinung und Erfahrung, die keiner klassisch-hermeneutischen Tiefenanalyse bedarf.[52] Der Sinn der Oberfläche ist auf der Oberfläche, genauer in ihren Verweisen und Materialisierungen von Verweisen, denn die populärkulturelle bzw. popkulturelle Oberfläche ist wesentlich ein Verweisraum, niemals identisch mit sich selbst, auch nicht in deren (Re-)Diskursivierung.[53]
Beginnen werde ich meine Rekonstruktion der poetischen Position von Brinkmann, um einen direkten Anschluss an die zuvor skizzierten Positionen von Fiedler zu erhalten, mit seiner Verteidigung des „Überquert die Grenze, schließt den Graben“-Aufsatzes von Fiedler, wie ihn Brinkmann (1994) in „Angriff aufs Monopol. Ich hasse alte Dichter“ aus dem Jahr 1968 präsentiert.
Ausgangspunkt seiner Verteidigung Fiedlers ist die Feststellung der folgenlosen Dauerkrise des Kulturbetriebs, die letztlich reine Rhetorik bzw. ein „Erregungsdispositiv“ (Metelmann/Cigale 2010) ist, das durch seine kontinuierliche Überpräsenz narkotisierende Wirkung hinsichtlich der kulturellen Produktion bzw. Kreativarbeit besitzt und letztlich nur Bestandsbewahrung der Tradition bzw. Klassiker adressiert. Fiedler geht, so Brinkmann, einen Schritt weiter und stellt das, was längst schon bekannt sein sollte, deutlich und als unhintergehbar heraus, nämlich, „dass das europäisch-abendländische Kulturmonopol gebrochen ist“ (Brinkmann 1994: 65). Fiedler wird somit in seinem Angriff auf das „Kulturmonopol des Abendlandes“ (ebd. 69) als Bedrohung für alle etablierten Autoren, die, aus der Perspektive von Brinkmann, nicht mehr bereit sind, beweglich zu sein, zu experimentieren, sich auf die Veränderungen der Gegenwart einzulassen, sich neu zu erfinden und aufs Spiel zu setzen, die im Literaturbetrieb angekommen sind. Daraus folgt zudem der Wille zu einer autoritären Formung der Leser bzw. die Forderung an diese, durch den etablierten Literaturbetrieb, verbunden mit einer Verhinderung des Entstehenlassens von neuen Autoren-Generationen, die sich dem Kanon der literarischen Gebote verweigern: „Diese Atmosphäre latenter, aber wirksamer Hörighaltung von Lesern und den jüngeren, noch schüchternen Autoren, die sich nun schon so lange hält, ist dafür verantwortlich zu machen, dass für deutsche Literatur der Ofen aus ist. Das Bewusstsein der auf jene arrivierten Autoren folgenden Generationen wird ja andauernd kastriert“ (ebd.: 70). Deutsche Literatur der Gegenwart und vieles aus der literarischen Tradition bedeuten Stillstand bzw. Tod, diejenigen, die diese Literatur(en) als unübertreffbare Kulturgüter (wissenschaftlich oder journalistisch) vermitteln, sind genauso leblos wie diese: „Die Toten bewundern die Toten“ (ebd.: 77). Ein großer Toten- und Grabpflegerverein ist für Brinkmann, darauf wird in diesem Text nicht explizit eingegangen, die Gruppe 47 und deren Bestreben, den literarischen Nachkriegskanon in Deutschland (mit) zu bestimmen. So wird die Bedeutung der von Brinkmann als Pop-Romane gewerteten Texte, wie „Naked Lunch“ (1959) von William S. Burroughs oder „Come back, Dr. Caligari“ von Donald Barthelme (1964), von der deutschen Literaturkritik, die dem Kunst-Diktat der abendländischen Tradition folgt, in ihrer Neuheit und Eigensinnigkeit totgeschwiegen (ebd.: 67). Pop ist für Brinkmann hingegen ein Epochenstil angloamerikanischer Prägung, der außerhalb der abendländisch-europäischen Tradition steht (ebd.: 72) und diese abgelöst hat.
Verbunden mit dieser Diagnose scheint bei Brinkmann, der in den 1960er Jahren zu den neuen deutschen Literaten und Traditionsverweigerern zählt, die latente Sehnsucht nach einer literarischen Pop-Generation im Sinne der amerikanischen Beat-/Underground-Szene.[54] Zur Ausbildung einer eigensinnigen Pop-(Literatur-)Tradition[55] müssten die Grenzen und Gräben zwischen Tradition und Gegenwart, aus der Sicht von Brinkmann, allerdings noch vertieft und auf keinen Fall überbrückt werden – ganz im Gegensatz zur Haltung von Fiedler. Hiermit stellt Brinkmann den Pop-Kontext, in dem er sich selbst befindet, wodurch er seine eigene Qualifikation als neuer, nicht traditionshöriger Autor auszeichnet, heraus. Brinkmann sieht sich selbst als Teil der neuen Generation, über die Fiedler aus der sympathisierenden Distanz des Literaturwissenschaftlers schreibt, ihr aber nicht angehört. Diese Zuordnung Brinkmanns zur Pop-Generation erfolgt etwa durch Musik-Hinweise, wie etwa auf „The Doors“ und die damit verbundene akribisch-archivarische Auflistung von Details zu ihrer Musik, wenn er erwähnt, dass er sie parallel zu Schreiben hört. Brinkmann lebt im Pop und lebt Pop.[56] Verbunden damit stellt er sich die Frage, ob er lieber weiter und deutlicher auf die Musik hören oder weiterschreiben sollte. Diese intermediale Konfrontation wird offen gelassen (vgl. ebd.: 66, 70). Allerdings lobt Brinkmann die Arbeit der Musiker, im Vergleich zu den schlampigen und faulen Gegenwartsdichtern, wie etwa Helmut Heißenbüttel und Martin Walser. Musiker sind, im Unterschied zu Schriftstellern, so Brinkmann, stets auf der Höhe medienkultureller und medientechnischer Entwicklungen, die sie in ihre Produktion von Musik konstitutiv einbinden und das musikalische Material davon mitformen lassen.[57]
Den Pop-Begriff versteht Brinkmann (ebd.: 71) als Übergangsbegriff, dezidiert anti-künstlerisch und intermedial[58]: „[…] und zwar ist unter Pop […] nicht die seinerzeitig aufgekommene Arbeitsrichtung der Malerei eines Wesselmann, Warhol etc. zu verstehen, vielmehr jene Sensibilität, die den schöpferischen Produkten jeder Kunstart – Schreiben, Malen, Filmen, Musikmachen – die billigen gedanklichen Alternativen verweigert: hier Natur – da Kunst und hier Natur –, da Gesellschaft, woraus bisher alle Problematik genommen wurde.“[59] Pop ist für Brinkmann primär eine besondere Haltung zur Gegenwart, ein verändertes Selbstverständnis der Welt gegenüber, eine neue Form von Sensibilität und Subjektivität, die den Fokus auf das Innere des Menschen richtet, um es von der kulturellen Hegemonie fremdbestimmter Wörter und Bilder, die das Wahrnehmen, Empfinden und Denken bestimmen, zu befreien. Hierzu dient, wie etwa bei Burroughs, die explizite Thematisierung u.a. von Drogen, Filmen, Musik und Sexualität, als Dokumentation von Erfahrungsberichten (vgl. Brinkmann 1983: 384). Diese Themen sind nicht an sich Pop, sondern sie müssen im Kontext von Populären Kulturen und Populären Medienkulturen popularisiert bzw. populär-medial geformt und vermittelt werden, um populärkulturelle Aneignungs- sowie Bildungsprozesse zu ermöglichen, das Populäre und Pop als solches identifizierbar zu machen. Einen exklusiven Zugang zu diesen neuen Erfahrungswelten verschafft die neue (anglo)amerikanische Literatur der Gegenwart, sie ist für Brinkmann Augen öffnend wie ein Drogen-Trip (vgl. Brinkmann 1994: 74), verkörpert mustergültig „die spezifisch zeitgenössige Sensibilität“ (ebd.: 75).
Amerika, ab Mitte der 1950er Jahre, ist für Brinkmann entsprechend das Vorbild für die Veränderungs- und Gestaltungskraft von Pop sowie seine Kompetenz als Bildungsmedium, v.a. im Feld von Literatur und literarisch gelenkter Wirklichkeitswahrnehmung – aber auch mit Blick auf die Musik[60]: „Den Poeten und ,Junkies‘ verdanken wir den Hinweis, dass die ,neue‘ Welt, die der ,neue‘ Mensch der zweiten Hälfte des 20 Jahrhunderts bewohnen soll, nur entdeckt werden kann, durch die Erkundung des inneren Raums: durch ein Abenteuer des Geistes, die Erweiterung der psychischen Möglichkeiten des Menschen“ (ebd.: 76; vgl. auch Brinkmann 1983: 384).
In „Der Film in Worten“ hebt Brinkmann (1983: 394f.) entsprechend die Befreiung des Schreibens von Stil- und Rollenvorgaben bei den jungen amerikanischen Autoren hervor, das dazu notwendige Ineinandergreifen von Literatur und Leben, deren wechselseitige Einflussnahme und Veränderung, wie dies etwa im Kontext der Sexualität deutlich wird. (1983: 396): Sprachformen werden hier, so Brinkmann (ebd.: 396) zu Verhaltensformen und umgekehrt. Entsprechend lehnt Brinkmann die aus seiner Sicht regressiven Schreibformen, wie etwa den Roman, die Erzählung und Lyrik, denn diese festgefahrenen Formen lassen weder eine Veränderung der Literatur noch des Lebens zu.
Brinkmann (1994: 77) schließt seine Verteidigung von Fiedler mit der These, dass Kultur, hier Literatur, sich konstant und konstitutiv auf die Gegenwart[61] beziehen sowie sich an ihr abarbeiten, durch sie Form gewinnen muss.
Die poetischen Überlegungen von Brinkmann lassen sich, aufbauend auf seiner Fielder-Verteidigung, in elf Motivkreise unterteilen: Ein zentraler Bezugspunkt ist die Auseinandersetzung mit Formen der und Formungen durch die pop- sowie populärkulturelle Wahrnehmung von Wirklichkeit[62], aus der eine neue Sensibilität der Gegenwart gegenüber resultieren soll, verbunden mit der Bewusstwerdung einer neuen pop-/populärkulturellen Subjektivität.[63] Popkultur, weniger die von ihm stark kritisierte Populärkultur, soll somit der Weg zur Umkodierung von Fremd- und Selbstwahrnehmung sein, etwa durch die alltägliche Bilderflut und die veränderten literarischen Vorstellungsmuster (Motivkreis 1). Themen, die in diesem Motivkreis relevant sind, sind etwa die Bedeutung von Medienwechseln bzw. Medienveränderungen, aus denen Wahrnehmungsveränderungen resultieren und die „die abgerichtete Reflexionstätigkeit [zersetzen]“ (vgl. Brinkmann 1983: 381). Hierzu trägt v.a. die Veralltäglichung und positive Oberflächlichkeit pop-/populärkultureller Wahrnehmungen bei: „Losgelöst von vorgegebenen Sinnmustern wendet sich die Imagination dem Nächstliegenden, Greifbaren zu und entschlüpft durch ein Loch in der Zeit: Break on through to the other side, The Doors, 2. Minuten, 25 Sekunden, 27.1.69. Dem Anwachsen von Bildern = Vorstellungen (nicht von Wörtern) entspricht die Empfindlichkeit für konkret Mögliches, das realisiert sein will [Hervorhebung im Original – MSK]“ (Brinkmann 1983: 391).
Die Aufgabe der Literatur hierbei ist es, sich intermedial zu überschreiten und zu transformieren, „Vorstellungen zu projizieren“, sich der filmischen Darstellung von Wirklichkeit, im Modus filmischer Wahrnehmung von Wirklichkeit an zu nähern. Literatur muss Bilder reicher werden und sich dadurch gegen die „Reproduktion abstrakter, bilderloser syntaktischer Muster“ richten (Brinkmann 1983: 381). An anderer Stelle spricht Brinkmann (1997: 114) von der Wirklichkeitswahrnehmung als „Kodakempfindung“. Mustergültig wird dies in der neuen amerikanischen Literatur vorgeführt (vgl. ebd.: 381), die eine neuen Sensibilität der Gegenwart gegenüber aufweist und v.a. Technikkompetenz beweist, den „Gebrauch von Technik zur Radikalisierung von Phantasie“ (ebd.) enthält, und Medien als Vermittler und Verstärker von Pop und Pop-Botschaften/-Ästhetiken sowie die Bedeutung von Technik für die Aktivierung eines Beat-/Underground/Pop-Feelings herausstellt – hier präsentiert Brinkmann wiederum eine klassische, an McLuhan orientierte, medienkulturwissenschaftliche Argumentation.
Medientechnik bewertet Brinkmann (1983: 382) grundsätzlich positiv, sie ermöglicht ein „befreiteres Dasein“ und kann durch ihre Nutzung transformatorische Bildungsprozesse im Sinne von Kokemohr ermöglichen, die klassische Kulturagenturen, wie der deutsche Literaturbetrieb, seiner Gegenwart und die Literaturkritik verhindern (vgl. Brinkmann 1997: 34).[64]
Eine Umsetzung seiner poetischen Auseinandersetzung mit dem Thema Wahrnehmung findet sich v.a. in seinen Material- und Collagenbänden. Die Komposition dieser Bände, ihre intermediale sowie Sinn und Sinne dekontextualisierende Form, ist gegen die Lektüre gerichtet, sie sind an vielen Stellen schlicht unlesbar und versuchen diskursive Sinnsetzung aufzulösen. Die Lektüre wird zumeist durch die Bilder und Bildcollagen in diesen Texten gelenkt, andererseits durch markante Formulierungen, die den Charakter von Thesen haben, ohne dass es irgendeine Form von Begründung dazu geben würde. Alles ist fragmentarisches Eindrucksmanagement und chaotische Ausdrucksform. Hierdurch vermittelt Brinkmann andererseits, vorausgesetzt, man lässt sich darauf ein, eigensinnig zwischen Text und Leser: Der Leser sucht sich in den Collagen- und Materialbänden (textuelle und visuelle) Schnappschüsse heraus, die ihn ansprechen bzw. interessieren, ohne dabei vom Autor bewusst gelenkt zu werden bzw. werden zu können. Die Rezeption wird, wie die Collagen- und Materialproduktion, zu einer Schnappschusshaltung, die Augen zu Suchmaschinen, Brennweiten, Objektiven.[65] Zudem löst Brinkmann, auch wenn seine Name als Ordnungsfunktion auf dem Buchcover präsentiert wird, er namentlich und bildlich in den Bänden auftaucht, die Autorfunktion durch Collage und Cut-up auf.[66] Von der literarischen Leichtigkeit seiner Vorbilder, wie z.B. Frank O’Hara oder Allen Ginsberg, entfernt sich Brinkmann, abgesehen von seiner Lyrik, deutlich. Das Gleiche gilt für sein poetisches Programm, wenn man dieses etwa mit dem von Jack Kerouac (1996: 381-382) vergleicht.[67]
Brinkmanns poetischen Positionen zum Zusammenhang von aisthesis und Ästhetik sind unmittelbar mir seiner Sprachkritik verbunden (Motivkreis 2). Sprache, v.a. die deutsche, fasst er als grundsätzlich defizitär und regressiv auf. Das zentrale Anliegen seiner Sprachkritik besteht entsprechend darin, aus der offiziellen Sprache auszuscheren, um zu einer alternativen Ausdrucks-, Darstellungs- und Erkenntniswirklichkeit zu gelangen – genau wie es sich Burroughs zur Aufgabe machte.
Die Notwendigkeit dieser Dekonstruktion der Sprache besteht darin, dass Wirklichkeit für Brinkmann v.a. eine sprachlich wahrgenommene und angeeignete Wirklichkeit ist, die sich vor jede Wahrnehmung von Wirklichkeit stellt. Seine Sprachkritik, v.a. aber deren performative Umsetzung in seinen Texten, will zum Leben in der Sprache und durch die Sprache durchdringen[68]: „Vor lauter Abfassung von Wörtern wird nichts mehr gesehen. Und die Reflexion über Wörter produzierte weitere Wörter und Begriffe bis zum total blinden Begriffsfetischismus […] (noch einmal, ich rede damit nicht für eine neuerliche Betonung des ,Inhalts‘, die finde ich genau so doof und v.a. langweilig!) … warum sich in ,Wörtern’ tot stellen? […] anstatt auf Wörter oder Sätze und Begriffe so lange draufzuschlagen, bis das in ihnen eingekapselte Leben (Dasein, einfach nur: Dasein) neu daraus aufspringt in Bildern, Vorstellungen, dem synthetischen Leuchten, in einer sinnlichen Überfülle [Hervorhebung im Original – MSK]“ (Brinkmann 1983: 399).[69] Sprache be-/verhindert das unverstellte Sehen bzw. Wahrnehmen von Wirklichkeit, Begriffe sind blind, die „Gegenwart [wird] von Blindbegriffen erledigt […]“ (Brinkmann 1987: 66).[70] Eine begriffliche Wahrnehmung von Wirklichkeit, zumindest auf der Grundlage der deutschen Sprache (seiner Gegenwart), scheint es für Brinkmann nicht zu geben. Dieser performative Selbstwiderspruch, also die Möglichkeit der Einsicht Brinkmanns in dieses scheinbare Wesensgesetz der Sprache, wenngleich er sich dieser Sprache dazu bedient, wird bei Brinkmann nicht aufgelöst. Gleichwohl begegnet er diesem Widerspruch einerseits mit der Adressierung einer Lebendigkeit von Denken, Wahrnehmen und Sprechen diesseits der aktuellen (deutschen) Sprache, einen Beweis dafür sieht er in den Texten der neuen amerikanischen Szene. Andererseits durch die Verbilderung der Sprache bzw. durch einen Sinn- und Bedeutungsexorzismus, den die Text-/Bildcollagen seiner Material- und Collagenbücher erzeugen sollen.
Es ist für Brinkmann (1999b: 7) v.a. die mangelnde Sinnlichkeit der Sprache, die aus dieser ein destruktives Medium macht: „[…] die graue westdeutsche Gegenwart und Sprache, die nun wirklich so negativ und hassvoll aufgeladen ist […] (,Dead Language‘: Deutsch) – und mit dieser Sprache machen sich die Leute alle gegenseitig fertig.“ Seine Sprachkritik inszeniert Brinkmann stets in einer performativen Krisenrhetorik: Sprache verdinglicht Wirklichkeit, tötet damit aus der Perspektive von Brinkmann alles Lebendige.[71] Wörter führen zum Ersticken (vgl. Brinkmann 1987: 67; 1999b: 45, 56) von Lebendigkeit, zum Nicht mehr Ausdrücken können, machen verrückt, erzeugen Angst, verunsichern, stellen permanent Forderungen auf und kommunizieren beständig Erwartungen (vgl. Brinkmann 1999b: 20). Häufig spricht er von „Wort- und Bild-Gehängte[n]“ (Brinkmann 1987: 114). Sprache erscheint Brinkmann (1999b: 190) insgesamt als ein Gefängnis (vgl. Brinkmann 1987: 70), betont immer wieder die Opazität und Destruktivität von Sprache, beschreibt Sprache als Zombie.[72]
Im Kontext seiner Kritik am Zusammenhang von Sprache und Denken, lehnt er den „Zwang zur Identifizierung“ (Brinkmann 1987: 410) ebenso ab, wie ein Denken in binären Oppositionen (ebd.: 229), die Auflösung von Welt in Entweder-Oder-Optionen, die mit „terroristisch[en] Oberbegriff[en]“ operiert (Brinkmann 1999b: 141).
Aus dieser Haltung resultiert häufig in den Texten von Brinkmann eine Konfrontation von Text basierter, visueller und akustischer Wahrnehmung von Wirklichkeit, ohne dass dieses Spannungsfeld letztlich zugunsten einer aisthetischen Akzentsetzung verbindlich aufgehoben wird. Allerdings weisen seine wiederholte Kritik des „endlose[n] Verbalisieren“ (Brinkmann 1997: 145) und die wichtige Bezugsrahmen von, aus seiner Perspektive, guter Popmusik, wie etwa The Doors oder The Velvet Underground, darauf hin, dass er die Sinneswelten von Bild und Ton eindeutig präferiert. Darüber hinaus erscheinen ihm, wie er wiederholt hervorhebt, Wortfluchten im Traum als geeignete, subversive Gegenstrategien, als Leitbilder für seine Sprachkritik: „Ich kehrte in den wortlosen Traumzustand zurück. Überhaupt nicht mehr an ein Wort zu denken [Hervorhebung im Original – MSK]“ (Brinkmann 1987: 82).
Es geht Brinkmann (vgl. u.a. 1988: 46) hier wesentlich um die Artikulation der unmittelbaren Wahrnehmung von Wirklichkeit im Sehen und Be-greifen-wollen aus einem unverstellten Inneren[73] heraus, um Gegenwart nicht mehr als verstümmelt, leer, öde, regressiv zu erleben, oder als einen durchgehenden Non-Stop-Horror-Trip der Sinne und Empfindungen. Die Sinnfixierung der Sprache erscheint ihm gerade (1987: 95) als Bedingung für deren Sinnlosigkeit: „Ohne Sinn heißt hier verstümmelt in Wörtern“ (Brinkmann 1987: 95).
Als Fazit seiner Sprachkritik kann festgehalten werden: „[…] /keine Aussicht auf Veränderung so lange Veränderung ein Wort bleibt/und ein Wort ist verkrampfter Muskel, he? / […] [Hervorhebung im Original – MSK]“ (Brinkmann 1987: 66).
Die ersten beiden Motivkreise, neue (populär-/popkulturelle) Formen der Wahrnehmung und Sprachkritik, resultieren bei Brinkmann aus seiner Auseinandersetzung mit der Gegenwart (Motivkreis 3). Populäre Kulturen und Popkulturen werden von ihm entsprechend als (alternative) Gegenwartskulturen verhandelt. Insofern versucht Brinkmann die offizielle Gegenwart (Dominanzkultur) durch die inoffizielle (Populäre Kultur/Popkultur) zu verändern.
So beginnt für Brinkmann (1983: 382) auch die bzw. seine Geschichte in der Gegenwart, die für ihn wiederum mit spezifischen Phänomenen der Popkultur beginnt: „Die neue amerikanische Literatur wie die gesamte neue kulturelle Szene in den USA, fängt in der Gegenwart an, mit zeitgenössischem Material, und hat keine alteingenisteten, verinnerlichten Muster, keine heimeligen, liebgewordenen Vorurteile zu verlieren, wenn sie sich auf die Gegenwart einlässt.“[74] Die vorausgehende Kulturgeschichte, zumindest die deutsche, erscheint aus seiner im Folgenden skizzierten Kritik an der abendländisch-europäischen Kultur (s. Motivkreis 4) als Trümmer- bzw. Totengeschichte, von der er seine Geschichte der Gegenwartskultur grundlegend unterschieden wissen will.[75] Eine Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart existiert aus dieser Perspektive für Brinkmann nur in der Negation bzw. der Differenz, weil die populäre Gegenwartskultur eigensinnige Ausdrucks- und Darstellungsformen erschafft, die nur aus der Gegenwart und sich selbst heraus verstanden werden können. Hiermit lehnt Brinkmann nicht nur lineare Kulturgeschichtsmodelle ab, sondern letztlich auch, durch seine Gegenwartsfixierung, die Zeithorizonte von Vergangenheit und Zukunft. Wirklichkeit ist also ab den 1950er Jahren ein Changieren von Gegenwart zu Gegenwart. Auf interkulturelle Unterschiede geht er hierbei nicht ein. Letztlich stellt Brinkmann hiermit der Opazität von Vergangenheit, die er radikal ablehnt, die Opazität der Gegenwart gegenüber, die er frenetisch bejaht. Diese Haltung bricht aber in den Texten von Brinkmann (1983: 399) hin und wieder auf, d.h. hinsichtlich des Willens, dass die veränderte Gegenwart, die populär- und popkulturelle Gegenwart ein Zukunftsmodell wird: „Die Gegenwart stellt nur einen Sinn in ihrem Begriff dar, der äußerst profan ist und daher radikal: nämlich, Zukunft werden zu wollen.“
Aus seiner Sprachkritik resultierend, stellt die Sprache das größte Hindernis zur Umgestaltung der Gegenwart dar: „[…] dass das gegenwärtige System, ich meine damit eigentlich alle die kleinen alltäglichen Lebenssachen so sehr zwanghaft mit Bedeutungen festgelegt sind, dass man sie selber gar nicht mehr richtig gebrauchen kann, ohne eine Menge Verkrustungen und Erstarrungen und Panzer beiseite zu schaffen […]“ (Brinkmann 1999b: 26). Die Gegenwart ist aus der Perspektive von Brinkmann (vgl. u.a. 1987: 335) voll mit falschen bzw. erstarrten Bedeutungen sowie mit toten Worten und Gedanken, die jedes Gefühl für die Bedeutung von Gegenwart auslöschen.
Vergleichbar mit Burroughs Versuch eines „Break thru in the Grey Room“ und Fiedlers (1994: 34) Beschreibung der Underground-/Beat-/Pop-Literatur als „Reise oder Pilgerfahrt zu transzendenten Zielen“, gibt es bei Brinkmann den Versuch einer Adressierung einer unmittelbaren Befindlichkeit, eines nicht rational-diskursiven, sondern ästhetischen Schreibens in Richtung einer anderen Wirklichkeit bzw. Gegenwart – letztlich eine Umsetzung von Adornos (1997a: 27) Forderung „über den Begriff durch den Begriff hinauszugelangen“.
Weiterhin veranschaulichen Brinkmanns Collagen-/Materialbücher, diesseits von Gegenwartskritik und (popkultureller) Gegenwartsaffirmation, dass Gegenwart bzw. Wirklichkeit nur als eine Gegenwart bzw. Wirklichkeit von Wörtern und Bildern wahrnehmbar, konstitutiv medial vermittelt und selbst durch und durch medial verfasst ist. Ein Diesseits der Medien ist weder anzuschreiben noch wahrnehmbar oder darstellbar.
Im Kontext seiner Auseinandersetzung mit der Gegenwart, spielt seine Kritik an der abendländisch-europäischen Kultur (Motivkreis 4) eine konstitutive Rolle: „Aufgeklärtes Bewusstsein, auf das europäische Intellektuelle so lange stolz Monopolansprüche erhoben haben, nutzt allein nichts, es muss sich in Bildern ausdehnen, Oberfläche werden […]“ (Brinkmann 1983: 382). Bildlichkeit und Oberflächenästhetik bzw. die konkrete Sinnlichkeit von Oberflächen setzt Brinkmann gegen die (vermeintliche) Tiefe literarischer und diskursiver Sinntiefen bzw. die Unsinnlichkeit abendländischen Denkens: „Es ist tatsächlich nicht einzusehen, warum nicht ein Gedanke die Attraktivität von Titten einer 19jährigen haben sollte, die man gerne fasst […]“ (ebd.: 384).
In diesem Kontext fordert Brinkmann (ebd.: 383) ein Aufgeben der klassischen Kategorien der Literaturkritik und ihrer Kanonisierung verbindlicher literarischer Standards. Demgegenüber fordert er die Produktion einer offenen, riskanten Literatur, die sich nicht an den deutschen Kanon literarischer Gebote orientiert, bei der nichts fest steht und alles Wagnis ist. Zur Wildheit und Eigensinnigkeit der populären Gegenwartsliteratur gehört es für Brinkmann (1999b: 141) auch, sich gegen Ordnung in Texten und deren Einordnung zu widersetzen, Texte gegen die Vereinnahmung durch Hermeneutik zu produzieren: „Form heißt im Abendland immer Zwang, eine Stilisierung des Wahrgenommenen, Erlebten, – aber wenn die Form zufällig gehandhabt wird, kommt Schwung in die alte klapprige Kiste Literatur, und macht dadurch klar, dass es bei keinem Buch darauf ankommt, bei keinem Gedicht darauf ankommt, ob es sich um Literatur handelt oder nicht.“[76] Auffallend ist allerdings, dass Brinkmann die Entformung seiner Texte sehr konsequent und formalistisch betreibt – das gilt auch für die Cut ups von Burroghs.
Auch einen Fortschrittsgedanken im literarischen Feld weist Brinkmann zurück, weil es in der Literatur für ihn keinen Fort- oder Rückschritt geben kann, sondern nur (populär-/popkulturelle) Gegenwartsintensitäten oder (hochkulturelle) Gegenwartsleerheiten. Auch dies ist formallogisch ein Rückschritt hinter seine Zurückweisung eines Denkens in binären Oppositionen.
Die Ignoranz des offiziellen deutschen Literaturbetriebs gegenüber der aktuellen Popmusikkultur seiner Zeit, ist für Brinkmann (vgl. 1983: 386) ein wesentlicher Grund für die Unsinnlichkeit der deutschen Gegenwartsliteratur. In dieser Einstellung enthalten ist zugleich die implizite Forderung, dass das, was sich als Pop-Literatur versteht, eine intensive Fühlung zur Popmusikkultur ihrer Zeit besitzen muss und das Schreiben von Literatur durch eine eigensinnige Musikalität leiten zu lassen.
Seine Kritik an der abendländisch-europäischen Kulturtradition kommt auch in seiner Abwertung von Philosophie und Philologie zu „Viehlosophie“ und „Viehologie“ zum Ausdruck (Brinkmann 1999b: 21). Als Vieh bezeichnet man gewöhnlich das domestizierte landwirtschaftliche Nutztier. In Analogie zu diesem Wortsinn und übertragen auf den Kontext der Brinkmann‘schen Kritik, sind dann Philosophie und Philologie für ihn nicht mehr als domestizierte Formen des Denkens, die nützlich, aber nicht in der Lage sind, den Kontext ihrer Nützlichkeit zu verlassen, über diesen hinaus zu führen. So geschieht, aus der Perspektive von Brinkmann (1987: 107), „die Abrichtung der Intellektuellen durch Blindbegriffe, komplizierte Leerformeln und Sätze./Akademisches Gefasel, nicht nachprüfbare Behauptungen [Hervorhebung im Original – MSK].“
Als Fazit seiner (1980: 186) Kritik an der abendländisch-europäischen Tradition, kann festgehalten werden: „Man muss vergessen, dass es so etwas wie Kunst gibt! Und einfach anfangen.“[77]
Die Eigensinnigkeit der neuen amerikanischen Literatur setzt diese Forderung genau um (Motivkreis 5). Diese Literatur ist vielstimmig und richtet sich gegen einheitliche Sinnsetzung, stellt ein literarisches Plädoyer für Einfachheit, Konkretion und Sinnlichkeit dar: „Die Frage nach der Bedeutung erübrigt sich – die Erzählung ist einfach ,da‘, sie ist ihr eigenes Argument“ (Brinkmann 1983: 391; vgl. auch Brinkmann 1999b: 40, 69f.). Sie zeichnet sich durch ein Desinteresse an den großen Themen und Stoffen, durch Alltagsfixierung aus, von der aus man dann zur Diskussion der großen Themen gelangen kann, aber genauso, wie sie sich aus dem gelebten Alltag heraus stellen, von dort aus nachgefragt werden und durch die Wirklichkeit verändernd gestaltet werden kann im Medium Literatur. Genau dies ist Brinkmanns (1999a: 160) Auffassung von Dichtung: „Veränderung durch Wörter ist Dichtung.“
Besonders geeignet zur Umsetzung dieser Forderung, d.h. des Fazits zum Motivkreis 4, ist die Intermedialität von Populären Medienkulturen bzw. das, was man als Bastard-Pop (Motivkreis 6) bezeichnet: „Das heißt: dass es eine Bewegung ist, die nicht mehr hauptsächlich durch Literarisierung bestimmt wird, doch auch keineswegs Literarisches ausschließt. Vermischungen finden statt – Bilder, mit Wörtern durchsetzt, neu arrangiert zu Bildern und Bild-(Vorstellungs-)zusammenhängen, Schallplattenalben, aufgemacht wie Bücher … etc.“ (Brinkmann 1983: 137).
An dieser positiven Haltung gegenüber der produktiven Eigensinnigkeit v.a. von Popkulturen, die für Brinkmann einzig in der Lage sind, die Gegenwart grundlegend zu transformieren, ändern auch Pop-kritische Äußerungen in einigen seiner Texte nichts, wie etwa die Rede von der „bescheuerte[n] Pop-Musik“ oder dem „Pop-Hokuspokus“ (Brinkmann 1997: 76, 325). In Brinkmanns Collagen-/Materialbücher kann deutlich gezeigt werden, dass die These seiner zunehmenden Abwendung von Pop in den 1970er Jahren relativiert werden muss, denn seine radikale Kritik an Populärer Kultur in Form von Fernsehen, Werbung, Illustrierten, Kitsch etc. spart einen wesentlich Aspekt aus, die Popmusik. Diese hat für ihn bis zu seinem Tod immer einen gegenkulturellen Wert, dient als Stimmungsmodulator des Alltags und als Kommentar zur eigenen Lebenswirklichkeit bzw. sozio-kulturellen Situation, ist durch und durch Bildungsmedium.
Die (Medien)Kritik an bestimmten Erscheinungen der Populären (Medien)Kultur seiner Zeit inszeniert Brinkmann in einer ebensolchen Krisenrhetorik, wie seine Sprachkritik: „[S]ollte ich die Gesamtatmosphäre der Leute, wie sie auf mich wirken, charakterisieren, dann muss ich sagen: das Straßenbild ist beherrscht von Leuten, Oberflächen, Kleidungen, Sprechweisen, Bewegungen die doof und irre anspruchsvoll sind, das ist westdeutsch, alle flach und leer gebürstet durch TV, Illustrierte, importierte Bedeutungen, Nachäffereien […]“ (Brinkmann 1999b: 8).[78]
Zeitungen, Illustrierte, Radio und Fernsehen kommunizieren „Wortkloaken“ (Brinkmann 1987: 76); produzieren eine sekundäre Wirklichkeit, durch die die Alltagswirklichkeit wahrgenommen wird; dressieren jeden Tag Angstbereitschaft; zeichnen sich durch Sensationalisierung und Skandalisierung aus; machen aus Erkenntnis ein Wiedererkennen der immer gleichen Stereotype, die sie inszenieren; verseuchen das Kollektivbewusstsein; stiften Volksverdummung und manipulieren die Massen (ebd.: 91, 226, 231).[79] Fernsehen versprüht ein „Pestlichtgeflacker“ (Brinkmann 1999a: 141), ist ein „Fernsehwrack“ (Brinkmann 1997: 158), bei dem nichts passiert, alles statisch ist, wenngleich es Bewegung inszeniert (vgl. Brinkmann 1980: 166). Alltagswirklichkeit passt sich immer mehr der Populären Medienwirklichkeit an, Alltagserleben wird durch den Filter Populärer Medienerzählungen wahrgenommen und kommentiert, nicht die eigenen Erlebnisse werden nacherzählt, sondern die Medienerlebnisse (vgl. Brinkmann 1999b: 175): „[…] (die Filme werden immer bunter, die Straßen immer farbloser) […]“ (Brinkmann 1999a: 178).
Intermedialität ist für Brinkmann eine wesentliche Eigenschaft von populären Medienkulturen (Motivkreis 7). Immer wieder hebt Brinkmann (vgl. u.a. 1999b: 58, 137, 140/1) etwa hervor, dass Schreiben der Ästhetik des Films angeglichen werden sollte. Gedichte müssten zu „Momentaufnahmen“ und „Schnappschüssen“ werden, das situativ, „was gerade da ist, was für ein Gefühl, was für ein Gegenstand, was für ein Raum, was ich gelesen habe“, darstellen und somit zu poetischen ready mades werden, nicht lyrisch sein, um somit „ein ,unritualisiertes Sprechen’“ zu leisten, einen klaren, sinnlichen Eindruck, der an der Umgangssprache und am Alltag orientiert ist (Brinkmann 1999b: 44, 48, 49): „Es gibt kein anderes Material als das, was allen zugänglich ist und womit jeder täglich umgeht, was man aufnimmt, wenn man aus dem Fenster guckt, auf der Straße steht, an einem Schaufenster vorbeigeht, Knöpfe, Knöpfe, was man gebraucht, woran man denkt und sich erinnert, alles ganz gewöhnlich, Filmbilder, Reklamebilder, Sätze aus irgendeiner Lektüre oder aus zurückliegenden Gesprächen, Meinungen, Gefasel, Gefasel, Ketchup, eine Schlagermelodie, die bestimmte Eindrücke neu in einem entstehen lässt, z. B. wie jemand seinen Stock schwingt und dann zuschlägt, Zeilen, Bilder, Vorgänge, die dicke Suppe, die wem auf das Hemd tropft“ (Brinkmann 1980: 186).
Literarische Texte sollten für Brinkmann stets Mixe aus populär-/popkulturellem Material sein, wie etwa Postkarten, Filme, Bücherzitate, Illustrierte oder Zeitungsnachrichten einbeziehen, sich von diesen transformieren zu lassen.
Intermedialität und Bastardisierung ermöglichen popkulturelle Bildungsprozesse (Motivkreis 8). Seine eigene intellektuelle Sozialisation beschreibt Brinkmann (1999b: 39, 41, 171) als geprägt von seiner intensiven Auseinandersetzung mit der angloamerikanischen Populärkultur und Popkultur, die ihm v.a. Wahrnehmungs- und Alltagskompetenz vermittelt, ein anderes Denken und Wahrnehmen ermöglicht. Klassische europäische Bildungsvorstellung und -inhalte werden von Brinkmann hingegen als irrelevant zurückgewiesen und beständig die Dominanz der neuen populär-/popkulturellen Medienbildung herausgestellt. Diese transformatorischen Bildungsprozesse führen Brinkmann zu einem popkulturellen Mehr an Leben und Erleben: „RocknRoll-Lieder als Erinnerung und Hinweis auf konkretes alltägliches Leben, RocknRollmusik als Intensivierung des alltäglichen Lebens, Musik am Morgen statt Arbeit am Morgen (das ist wohl poesie, realistisch ist das nicht, das weiß ich auch, aber diese Realität kann sofort sein!).“
Diese Intermedialität des Bastard-Pop zeigt den Weg zur Kritik an der Autorfunktion an (Motivkreis 9). Das literarische Vorbild hierfür stellt die neue amerikanische Literatur dar, die die autoritäre Subjektform Schriftsteller bzw. Autor durch ihre Vielstimmigkeit und intermediale Überschreitung grundlegend verändert (Brinkmann 1983: 386). Ihr geht es darum, den Weg von der klassischen Sinnfixierung der Literatur zu einer neuen Sinnlichkeit der Literatur zu gehen, zu einer Art literarischer Gegenwartsempathie, aus der neue Sinnformen resultieren. Spontaneität und alle sinnirritierenden Sinnlichkeiten, wie etwa Wahn und Halluzinationen, ermöglichen, dieses Programm umzusetzen (vgl. ebd.: 390).
Brinkmann (1987: 106) versteht sich selbst entsprechend nicht als Schriftsteller, sondern als jemand, der Worte und Bilder herstellt, um die Gegenwart zu erkunden und sich seine Existenz klar zu machen: „Ich will durch diese Gegenwart gehen, und ich gehe auch da durch, ich habe keine andere Zeit als die Zeit, in der ich lebe, und da will ich wissen, in welchem Zustand ich lebe, in welchen Augenblicken, und was diese Augenblicke enthalten, welche sinnlichen Eindrücke, und was sie enthalten […]“ (1997: 162; vgl. auch ebd.: 229).
Wie viele andere Pop-Literaten auch, hebt Brinkmann (1999a: 7) hervor, dass er sich für die Literatur als ästhetisches Ausdrucksmedium entscheiden musste, weil er kein Talent für die Musik und das Songschreiben hat, verbunden mit Willen zur Musikalisierung von Literatur: „Ich hätte gern viele Gedichte so einfach geschrieben wie Songs. Leider kann ich nicht Gitarre spielen, ich kann nur Schreibmaschine schreiben, dazu nur stotternd, mit zwei Fingern.“
Neue Gegenwartsautoren müssen für Brinkmann zu ihren eigenen Worten stehen und eine eigene Sprache finden, sich gegen den Abrichtungscharakter, der in den tradierten Ausdrucksformen steckt, wenden, gegen den Zwang zur objektiven Bedeutsamkeit.
Mit der Zurückweisung der Autorfunktion und mit ihr der Konzepte von Einheit, Identität, Authentizität und Originalität, öffnet sich der literarische Raum für eine situative Sinn-Aleatorik und alltagsorientierte Zufalls-Kombinatorik (Motivkreis 10), die allererst die spezifische Intensität und Sinnlichkeit neuer literarischer Ausdrucksformen ermöglicht (vgl. Brinkmann 1983: 386), ihr Material aus dem Diesseits des literarischen Kanons bezieht, aus ästhetisch Stigmatisiertem und Banalisiertem (vgl. ebd.: 393).
Auch die Ich-Identität sieht Brinkmann als einen Sprachkörper an, die nur durch alternative Ausdrucks- und Darstellungswelten verändert werden kann (Motivkreis 11), um zu einem intertextuellen und intermedialen Stimmen-/Bilder-/Text-Sample zu werden (vgl. u.a. Brinkmann 1987: 257ff.), der sich gegen die stereotypen Ich-Formen der Gegenwart richtet: „Wie? Da begriff ich, wie Eitelkeit, Mode, Aufmachung die Körper erstickte und taub machte. Aber Leben? Wie? Was daran mögen, wenn man überall die Steuerung sah, den Hundertsten, Tausendsten Aufguss einer Form?“ (Brinkmann 1997: 147).
Das Ich als Sprachkörper ist stets mit rigiden Ausdrucksgrenzen und Sprachlosigkeiten konfrontiert: „[…] es | gibt zu vieles | was ich nicht | sagen kann“ (Brinkmann 1980: 37). Daraus folgt, dass das Ich zunächst und zumeist etwas im Werden begriffenes ist, ein Aufschub, eine Leerstelle. In diesen Kontext gehört auch die Zurückweisung einer Schreibens auf der Grundlage der Imagination und Reflexion, also aus dem Inneren heraus, das einen rationalen Bildungsfilm im Schreiben abspult (vgl. ebd.: 64). Die Notwendigkeit der Ausbildung einer eigenen Sprache zur Konstitution einer nicht fremd bestimmten Identität besteht für Brinkmann (1999a: 53, 63) darin, dass er die deutsche Sprache nicht als seine Sprache versteht, sich in ihr und ihren unsinnlichen Ausdrucksmöglichkeiten fremd fühlt.
Anmerkungen
[1] „Meine Funktion als Schriftsteller ist die eines Kartographen, eines Erforschers neuer Bewusstseinslagen, oder […] eines ,Kosmonauten des Inneren Raums‘ […] “ (Burroughs 2004: 147).
[2] Unter Mythos verstehe ich mit Barthes (1964: 85f.) eine Aussage, „ein Mitteilungssystem, eine Botschaft“, „kein Objekt, kein Begriff oder eine Idee“, sondern „eine Weise des Bedeutens, eine Form“. Zentral hierbei ist für Barthes (ebd.): „Der Mythos wird nicht durch das Objekt seiner Botschaft definiert, sondern durch die Art und Weise, wie er diese ausspricht. Es gibt formale Grenzen des Mythos, aber keine inhaltlichen.“ Das Mythische ist für Barthes hierbei nicht auf Mündlichkeit und Schriftlichkeit beschränkt, sondern kann ebenso etwa alles Bildliche oder soziale Institutionen, wie den Sport, als „Träger der mythischen Aussage“ auffassen. Meine Rede vom Pop-Mythos bezieht sich auf die verschiedenen Formen archetypischer Sinnkonstruktionen. Dazu zählen Geuen und Rappe (2001: 8) „die zahlreich anzutreffenden Todes- und Erlösungsmotive, archaische Körper- und Ekstaseerfahrungen, Bricolagen mit religiösen und pseudoreligiösen Symbolen und schließlich die Tendenz zur Selbstmythisierung des Pop, wie man am Phänomen der Beatles sehen kann. Nicht zuletzt gehören auch die in der Regel medial vermittelten Biographien sowie das Starwesen im Allgemeinen zum Beziehungsfeld Pop und Mythos. Und schließlich wird, wie das Beispiel Berlin zeigt, auch der geografische Raum, in dem sich Pop ereignet, zum mythischen Ort.“ Auf eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit dem Mythos verzichte ich an dieser Stelle, weil dies für meinen Argumentationszusammenhang nicht weiter relevant ist.
[3] Vgl. v.a. die sog. Cut up-Trilogie The Soft Machine (1961), The Ticket That Exploded (1962) und Nova Express (1964). Fahrer (2009: 32) betont in diesem Kontext: „Diese drei Texte erteilen den literarischen Gepflogenheiten eine endgültige Absage, mit dem Fehlen von Plot, Story, Charakter, Setting, Thema; dem Fehlen eigentlicher jeglicher Struktur, was durch die Schnitttechnik bis auf die Syntaxebene dringt. Auch inhaltlich überschreitet die Trilogie Grenzen in ihrer Verknüpfung von Sex, Gewalt und Macht in expliziten und düsteren Motiven, von denen der ,Orgasm Death‘, das Erhängen junger Männer, um sich an der Erektion des Opfers zu ergötzen, als eines der ausdruckstärksten gelten kann.“
[4] Vgl. zum Ursprungsmythos des Cut up als literarischen Verfahren in den Jahren 1958/59 u.a. Gysin (1978).
[5] Fahrer (2009: 96) nennt drei „Produktionsphasen eines Cut-up“: „Materialauswahl (Select), Schnitt (Cut) und Arrangement (Paste)“. Als Variation der cut-up-Methode nennt Burroughs (2004: 148) die fold-in-Methode: „Die fold-in Methode bereichert die Textherstellung um die Möglichkeit der Rückblende, wie sie im Film benutzt wird, & gestattet es dem Schriftsteller, sich auf einer Zeitspur vor & zurück zu bewegen – Zum Beispiel: ich nehme Seite 1 und falte sie in Seite 100; den daraus resultierenden Text füge ich als Seite 10 ein – Beim Lesen von Seite 10 blendet der Leser also zeitlich vor zur Seite 100 und zurück zu Seite 1 […] [Hervorhebung im Original – MSK].“
[6] Im Zentrum meiner Auseinandersetzung stehen die Texte „Die Zerschneide-Methode (1963)“ (Burroughs 1993), „Die Zukunft des Romans (1965)“ (Burroughs 2004), „Die unsichtbare Generation (1967)“ (Burroughs 1983) und „Die elektronische Revolution (1971)“.
[7] „Technik und Ideologie entzünden gemeinsam die Bewegung, die in der subkulturellen Szene verschiedener Länder zwischen 1959 und 1975 an Virulenz gewinnt. An die 20 Autoren und Autorinnen fühlen sich dieser ,Cut-up-Connection‘ verbunden: Aus den USA William S. Burroughs, Brion Gysin, Jan Herman und Mary Beach, aus Frankreich Claude Pélieu, aus England Jeff Nuttall, aus Deutschland Carl Weissner, Jürgen Ploog, Jörg Fauser, Udo Breger, Walter Hartmann, Hadayatullah Hübsch und Rolf Dieter Brinkmann, aus Österreich Karl Kollmann und Gerhard Hanak – um hier nur die prominentesten zu nennen“ (Fahrer 2009: 9). Ihre Zuordnung von Autoren zum Feld des Cut up wählt die gleichen Kriterien, wie ich sie für meine Thematisierung der Pop-Literatur in diesem Kapitel zugrunde lege: „1.) Werke, die sich selbst als Cut-up bezeichnen, sei es in Titeln, Autorenvorreden oder im Text, 2.) Werke, die Paratexte wie Buchumschläge, wissenschaftliche Aufsätze oder Bibliographien als Cut-up definieren, und 3.) Werke, die deutliche Anzeichen der Schnitttechnik aufweisen, wie Schnittmarkierungen oder eine rekonstruierbaren Urtext“ (ebd.: 25).
[8] Zur Bedeutung des Konzepts der Erweiterung für die Kunst und das Medienschaffen in den 1960er und 1970er Jahren vgl. Ullmaier (2001: 62ff.).
[9] Für Burroughs (1985: 21) sind Cut up-Autoren, ebenso wie alle kulturell-künstlerisch Produzierenden, notwendig Diebe; Schreiben entsprechend, wie jede andere kulturell-künstlerische Produktion auch, legitimer Diebstahl: „Everything belongs to the inspired and dedicated thief. […] He must assure himself of the quality of the merchandise and ist suitability for his purpose before he conveys the supreme honor and benediction of his theft. Words, colors, light, sounds, stone, wood, bronze belong to the living artist. They belong to anyone who can use them. […] Steal anything in sight.“ Kein kulturell-künstlerisch Schaffender ist aus dieser Perspektive jemals bei und in sich, sondern Durchdrungen von Anderen und Anderem, ist konstitutiv Viele: „[…] cut up Rimbaud and you are in Rimbaud’s place“ (Burroughs 1978a: 31). Lydenberg (1987: 45) beschreibt die Sprache selbst als eine umfassende Zitationsmaschine: „[…] that it is always language that speaks within a network of infinite and anyonymous citations.“ Gysin (1978: 34) weist zudem alle Besitz- bzw. Urheberansprüche an der Sprache zurück: „You’ll soon see that words don’t belong to anyone.“ Diese Position korrespondiert wiederum mit dem Slogan „Das Wissen der Menschheit gehört der Welt“, das zum Motto der Open Source-Bewegung im Film „Startup“ (2000, Peter Howitt) vom Protagonist und genialem Softwareentwickler Milo (gespielt von Ryan Phillippe) verkündet wird. Auch Milo befindet sich im Kampf gegen gesellschaftliche Machtzentren, hier in Form des Software-Moguls Gary Winston (gespielt von Tim Robbins), der deutliche Parallelen zu Bill Gates aufweisen soll.
[10] Die Ansätze der Kommunikationsguerilla können allgemein als Versuch der aktionsbasierten Störung alltäglicher Medienkommunikationen und Medieninszenierungen bzw. gesellschaftlicher Kommunikationsprozesse sowie als elektronischer Widerstand gegen gesellschaftliche und mediale Hegemonie verstanden werden. Kommunikationsguerilla übt zivilen und sozialen Ungehorsam aus. Kritik kann aus dieser Perspektive nicht allein bzw. nur sehr eingeschränkt diskursiv erfolgreich sein, sondern muss primär in eine Praxis überführt werden. Diese soll die unterstellten Aporien, Widersprüche und Repressionsmechanismen der Medienkommunikationen und Medieninszenierungen sowie gesellschaftlicher Kommunikationen durch spezielle Methoden und Praxen anschaulich machen. Die Guerilla-Metapher bezieht sich dabei auf das Agieren aus dem Verborgenen, auf lokale und punktuelle Angriffe auf das herrschende System. Das Guerilla-Selbstverständnis als Kleinkrieg gesellschaftlich marginalisierter bzw. unterdrückter Gruppen gegen die gesellschaftlichen Machtzentren, wird auf die Bereiche Information, Kommunikation und Medien übertragen. Gesellschaft kann insofern als Netzwerk narrativer Texte, als Struktur oder Grammatik von Regeln und Kommunikationen bezeichnet werden. Kommunikationsguerilla ist darüber hinaus ein Patchwork aus Prinzipien, Taktiken und Praxen, über die subversiv in gesellschaftliche Kommunikationsprozesse eingegriffen und konkrete symbolische Intervention geübt werden kann (vgl. zum Überblick über die Aktionen und Akteure der Kommunikationsguerilla autonome a.f.r.i.k.a.-gruppe/Luther Blissett/Sonja Brünzels 2001). Zur Notwendigkeit der Konstitution einer Gegenöffentlichkeit notiert Burroughs (1983: 174): „die einzige möglichkeit diese unerbitterliche aufnahme und wiedergabe spirale […] zu unterbrechen ist gegenaufnahme und wiedergabe [Hervorhebung im Original – MSK].“
[11] Die befreiende Kraft der Illusion und deren Wirklichkeit verändere Kraft scheinen u.a. auch Guns N’ Roses zum Motto der Titelgebung ihres dritten und vierten Studioalbums „Use Your Illusion I & II“ (Geffen/Universal 1991) gemacht zu haben.
[12] „DER ERSTE WATERGATE-SKANDAL PASSIERTE IM GARTEN EDEN Am Anfang war das Wort und das Wort war Gott und ist bis auf den heutigen Tag ein Rätsel geblieben. […] Am Anfang wovon eigentlich war dieses Wort, mit dem alles anfing? Am Anfang der Geschichtsschreibung. Man nimmt allgemein an, dass das gesprochene Wort vor dem geschriebenen kam. Ich schlage vor, die Sache anders zu sehen: das gesprochene Wort, so wie wir es kennen, kam nach dem geschriebenen Wort [Hervorhebung im Original – MSK]“ (Burroughs 1994: 5).
[13] „,Im Anfang war das Wort.‘ Mit dem Worte stehen die Menschen am Anfang der Welterkenntnis, und sie bleiben stehen, wenn sie beim Wort bleiben. Wer weiter schreiten will, auch nur um den kleinwinzigen Schritt, um welchen die Denkarbeit eines ganzen Lebens weiter bringen kann, der muß sich vom Worte befreien und vom Wortaberglauben, der muß seine Welt von der Tyrannei der Sprache zu erlösen versuchen“ (Mauthner 1999: 27). Darüber hinaus spiegelt sich Mauthners Forderung, dass die Sprache an der Wirklichkeit zu bewerten ist und nicht die Wirklichkeit an der Sprache, in der Wirklichkeitsentzerrenden und –umformenden Intention von Burroughs Techniken des Cut up und Fold in.
[14] Vgl. zur (literarischen) Sprachkritik der Moderne u.a. Schiewe (1998); Heimböckel (2003) – das 20. Jahrhundert wird insgesamt von philosophischen und literarischen Positionen und Texten zur Sprachkritik und -skepsis dominiert. Im Unterschied zum Lord Chandos, der als Resultat seiner grundlegenden Sprachskepsis dem Schreiben entsagt und in seinem Brief die „moderne Gebrochenheit des Bewusstseins und die Problematik der Entfremdung von der Welt der Dinge als radikale Sprachkrise beschreibt“ (Vietta 1992: 148), setzt Burroughs auf (intermediale) Gegenproduktion, die die Sprache, als das „Haus des Seins“ (Heidegger 1994: 310) aus- und umbaut, ohne dabei umzuziehen.
[15] Im Zusammenhang lautet diese Passage: „[D]ie abstrakten Worte, deren sich doch die Zunge naturgemäß bedienen muss, um irgendwelches Urteil an den Tag zu geben, zerfielen mir im Munde wie modrige Pilze. […] Es zerfiel mir alles in Teile, die Teile wieder in Teile, und nichts mehr ließ sich mit einem Begriff umspannen“ (Hofmannsthal 1957: 342).
[16] Einen Überblick über die Debatte bietet das Rezensionsforum „Literaturkritik.de“ (http://www.literaturkritik.de/public/online_abo/forum/forumfaden.php?rootID=120 – zuletzt aufgerufen am 23.05.2012) und das Kulturmagazin „Perlentaucher.de“ (http://www.perlentaucher.de/buch/33565.html – zuletzt aufgerufen am 03.03.2011). Als authentische Wunderkinder werden in diesem Artikel Philipp Melanchton, Torquato Tasso, Blaise Pascal, Arthur Rimbaud und Norbert Wiener genannt. Die Zitation von Größen der Kulturgeschichte zur Konstitution des Mythos Wunderkind einerseits und als Legitimationsstrategie der eigenen, gesellschaftlich aber sanktionierter Handlungsweise, wählt auch Hegemann zur Rechtfertigung ihres Schreibverfahrens – bei ihr dienen dazu etwa die literarischen Autoritäten Johann Wolfgang von Goethe und Thomas Mann. Vgl. zu den „neue[n] Wunderkind-Romane[n]“ Becker (2011).
[17] Der in Frankreich intensiv und öffentlich diskutierte Fall Drouet schaffte es in Deutschland am 15. Februar 1956 auf die Titelseite des Spiegel (Vgl. in dieser Ausgabe auch den ausführlichen Artikel zum Thema, „Minou Drouet – Das ferngelenkte Wunderkind“, S. 42-47). Der Fall Drouet weist hierbei zahlreiche Verbindungen zu dem Fall Hegemann auf.
[18] Den Begriff „Erregungsdispositiv“ entlehne ich Metelmann/Cigale (2010).
[19] Die Diskussion der Frage nach der ästhetischen Originalität und Authentizität von Werken kultureller Produktionen, ist seit Andy Warhol im Kontext der Populären Kultur, stärker aber noch im Feld der Popkultur, darauf fokussiert, sich von diesen Werkzuschreibungen grundsätzlich zu distanzieren und identizitätsbezogene Ästhetiken zu problematisieren sowie sie mit Bastard-Ästhetiken zu konfrontieren. Ein aktuelles Beispiel hierzu findet sich etwa in der deutschen Popmusik: „Keine Meisterwerke mehr | Die Zeit ist längst schon reif dafür | Was wir niemals zu Ende bringen | Kann kein Moloch je verschlingen | Kann kein Hummer | In die Zange nehmen | Kein Wind in alle Welt vertreiben | Und in feinstem Unvernehmen | Werden wir ohne Reue weiter… | Und aus tausenden Gerüchten | Werden wir die Zweifelshefe züchten | Die uns alle nährt | Dann gibt es | Keine Meisterwerke mehr | Keine Meisterwerke mehr | Keine Meisterwerke mehr“ (Tocotronic – Keine Meisterwerke mehr. Auf: Schall und Wahn. Vertigo Berlin/Universal 2010).
[20] Vgl. hierzu auch die medienwissenschaftliche Auseinandersetzung mit „Originalkopien“ (Fehrmann/Linz/Schumacher/Weingart 2004) und die Diskussion der Fragen, ob sich die Differenz zwischen Original und Kopie im digitalen Zeitalter, durch Praktiken des Sekundären, wie z.B. Sampling oder Computersimulation, aufgelöst hat; und, ob die Urheberrechtsbestimmungen, hinsichtlich veränderter medialer Bedingungen, modifiziert werden müssen.
[21] In der Popmusikkultur hingegen sind, zunächst als illegale Urheberechtsverstöße bewertete Techniken der Entwendung und Rekombinaton von heterogenem musikalischem Material, als Grundlage zur Produktion eigener Musik, mittlerweile, v.a. bedingt durch die dominante Rolle des Internets im Medienkulturalltag, im Mainstream der Popmusikindustrie angekommen und dienen häufig auch als legitime Marketingtools: die Remixtechniken und (frühere) Bootlegkulturen Bastard Pop bzw. Mash-up (vgl. zu Mash-up und Burroughs, Schneiderman 2006). Die Mash-up-Technik ist aber nicht nur auf Musik beschränkt, sondern kann zur collagenartigen Zusammenführung unterschiedlichstem Medienmaterials genutzt werden (vgl. Mühlbauer 2002; Röttgers 2004). Zur Intermedialität bzw. intermedialen Traditionslinie des Cut up schreibt Burroughs (2004: 147): „Wenn das Schreiben noch eine Zukunft haben soll, muss es mindestens einmal die unmittelbare Vergangenheit aufarbeiten und sich mit Techniken vertraut machen, wie sie Malerei, Musik & Film schon seit geraumer Zeit anwenden […].“
[22] Vgl. zu Plagiat und Fälschung in der Wissenschaft, Kunst und Literatur u.a. Reulecke (2006); Theison (2009).
[23] Im Kontext der Kommunikationsguerilla spricht man in diesem Kontext, das würde auch auf Burroughs Kritik der Autorfunktion zutreffen, von kollektiver Identität. Fünftens, das Konzept der kollektiven Identität und der multiplen Namen. Ein kollektiver bzw. multipler Name ist ein Name, der von potentiell jedem verwendet werden kann. Diese Fokussierung auf eine kollektive Identität soll einerseits die Aufmerksamkeit ausschließlich auf die Sache, für die sich das Kollektiv engagiert, lenken und nicht auf die charismatische bzw. narzisstische Individualität einzelner Personen. Hierdurch wird nicht nur diskursiv Kritik an allen Konzepten von Subjektivität, Identität und Individualismus geübt, sondern zudem versucht, diese Kritik als konkrete Handlungsmöglichkeit in der sozialen Praxis umsetzbar zu machen. Andererseits kann diese kollektive Identität gemeinschaftsbildend wirken, das Bewusstsein einer globalen Gemeinschaft derer ausbilden, die sich gemeinsam für eine bestimmte Sache einsetzen und somit die Trennung von Individuum und Gesellschaft, zumindest zeitweise, aufheben (vgl. autonome a.f.r.i.k.a.-gruppe/Luther Blissett/Sonja Brünzels 2001: 38, 42).
[24] Vgl. zur vielschichtigen Metaphorik des Wortes Virus Mayer/Weingart (2004). Vgl. zur Sprache als Virus auch Brinkmann (1988: 86): „,Im Anfang war das Wort?’ /Ich möchte wissen, was das für ein Wort war./Im Anfang war das Wort Scheiße?/( ,Im Anfang war etwas ganz anderes, und diese Idioten sind dann gekommen und haben das Wort genommen, und einer hat’s aufgeschrieben , und seitdem ist alles darin eingesperrt .‘) /‚Jetzt ersticken sie an den Wörtern.‘//’Gibt viele,die nur so wandernde Wortkloaken sind.“//Und das ist das wortlose Grauen, das mich in der Gegenwart so oft befällt./// [Hervorhebung im Original – MSK]“.
[25] Cramer (2002) weist auf einen interessanten Verwertungszusammenhang des Konzepts von der Sprache als Virus, außerhalb der Cut up-Tradition, hin: „Zur selbsterfüllenden Prophezeiung wurde der Satz, dass Sprache ein Virus sei, spätestens, als Laurie Anderson 1979 den Song ,Language is a Virus (from Outer Space)‘ für ihre Performance ,United States Live‘ schrieb und 1986 von Nile Rodgers in einer hitparadentauglichen Disco-Version für den Konzertfilm ,Home of the Brave‘ produzieren ließ, ein Film, in dem der zweiundsiebzigjährige Burroughs übrigens als Andersons Tango-Tanzpartner auftritt.“ Darüber hinaus erwähnt Fahrer (2009:113): „Er [William S. Burroughs – MSK] inspirierte Bandnamen wie Soft Machine und Steely Dan; Musiker wie David Bowie, die Mediengruppe Telekommander und der Beatle Paul McCartney entwickelten ihre Songtexte teils mit Cut-up-Verfahren […] [Hervorhebung im Original – MSK].“ Vgl. zu diesem Zusammenhang auch Beyer (1995).
[26] Cramer (2002) hebt, ergänzend zum in diesem Kapitel entfalteten Bezugsrahmen, als weitere Grundlage des Konzepts von der Sprache als Virus hervor: „Originär ist Burroughs’ Virus-Theorie trotzdem nicht. Ihre Ursprünge liegen, was Burroughs nicht verhehlt, in Okkultismen und Parawissenschaften wie der satanistischen Theosophie des Aleister Crowley, den ,General Semantics‘ von Alfred Korzybski, die der Menschheit mentale Heilung bringen wollten, in dem ihr ein marionettenartiges ,strukturales Differential‘ Fehlidentifikationen von Gegenständen mit Begriffen aufzeigt, […] sowie Lafayette Ron Hubbards zugleich von Crowley und Korzybski beeinflussten ,Dianetik‘- und Scientology-Doktrinen, denen es zentral um die ,Klärung bzw. Löschung von Engrammen‘, dem Unterbewusstsein als Wörter eingeschriebene Traumata, ist; eine Lehre, der nicht nur der Ex-Scientologe Burroughs, sondern zeitweilig auch John Cage und Morton Feldman […] anhingen und die Burroughs in seiner Sprachvirentheorie explizit erörtert.“
[27] Interessant wäre in diesem Zusammenhang die Diskussion der medienwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem performativen Phänomen der Stimme und hier v.a. mit ihrem „Subversions- und Transgressionspotenzial“, im Vergleich zur Bedeutung der „Stimme als Waffe“ im Verständnis von Burroughs: „Die (Sprech-)Stimme ist nicht nur Medium und Vehikel von Sinn, sondern handelt in ihrer immer auch unkontrollierbaren Eigendynamik den Vorgaben der Rede oftmals zuwider. Die Stimme entzieht sich ihrer bruchlosen semiotischen, medialen oder instrumentellen Dienstbarkeit, und dies gerade auch in denjenigen Zusammenhängen, in denen die Stimme professionell als Instrument ausgebildet und genutzt wird, wie bei Schauspielern, Rednern oder Sängern“ (Kolesch/Krämer 2006: 11). Die Stimme als ein eigensinniges popliterarisches Medium spielt etwa im Kontext von Spoken Word und Poetry Slam Slam eine gewichtige Rolle. Nicht zu vergessen, die zunehmende Bedeutung von literarischen Hörbüchern (vgl. zur medienkulturwissenschaftlichen Erforschung der Bedeutung der Stimme Vgl. u.a. Göttert (1998); Institut für Neue Musik und Musikerziehung (2003); Epping-Jäger/Linz (2003); Felderer (2004); Kolesch/Krämer (2006a); Dolar (2007); Kolesch/Pinto/Schrödl (2008); Kittler/Macho (2008). Die eigensinnige Bedeutung des Auditiv-Akustischen hebt Burroughs (1983: 166) auch an anderer Stelle hervor: „was wir sehen wird weitgehend bestimmt durch das was wir hören [Hervorhebung im Original – MSK]“ (vgl. zur Bedeutung Auditiver Medienkulturen u.a. auch Schröter/Vollmar 2012).
[28] Vgl. hierzu das On The Road-Motiv in der Populären Kultur und Popkultur, etwa bei den Beatniks (s. Kerouac 1998); in der Country Music (etwa John Denver) oder bei Singer-Songwritern (u.a. Jason Collett); bei Band-Tourgeschichten (wie Leicher/Schreiner 2008); bei Filmen im Stil von Jim Jarmuschs Down By Law (Deutschland/USA 1986) u.v.m. Brinkmann (1999a: 5-7) wählt Burroughs Frage „warum hier haltmachen warum irgendwo haltmachen“ als bestimmendes Motiv seiner „Vorbemerkung“ zur Gedichtsammlung „Westwärts 1 & 2“: „Die Geschichtenerzähler machen weiter, die Autoindustrie macht weiter, die Arbeiter machen weiter, die Regierungen machen weiter, die Rock’n’Roll-Sänger machen weiter, die Preise machen weiter, das Papier macht weiter […].“
[29] Diese These erinnert einerseits an McLuhans (1992: 17ff.) Thesen vom Medium als Botschaft und den Medien als Körperausweitungen des Menschen, aber auch, daraus resultierend, an die These von der Medientechnik als Apriori von Geschichte und Gesellschaft (vgl. u.a. Kittler 1986, 1993, 2003). Das Gleiche gilt auch für Fiedler und Brinkmann.
[30] In einem Brief an Felice Bauer aus dem Jahr 1913 beschreibt Kafka sein Verhältnis zur Literatur, vergleichbar dem Verhältnis von Burroughs zum Aufnahmegerät, als existentielle Identifikation mit dem Ausdrucksmedium: „Ich habe kein literarisches Interesse, sondern bestehe aus Literatur, ich bin nichts anderes und kann nichts anderes sein.“ Die Rede von Pop-Literatur als Archiv und den Pop-Literaten als Archivisten geht in dieselbe Richtung (vgl. Baßler 2002; Degler/Paulokat 2008).
[31] In die gleiche Richtung gehen Songs wie „Break on through“ (Auf: The Doors. Elektra 1967) von The Doors oder „Grauschleier“ (Auf: Monarchie und Alltag. EMI 1980) von Fehlfarben. Aber auch, um den Bezug zur Kleinen Literatur von Kafka, in der Lesart von Deleuze/Guattari (1976), wieder herzustellen, seine Aussage in einem Brief an Milena Jesenská aus dem November 1920: „Dieses Wahrreden ist also kein sehr großes Verdienst, es ist ja auch so wenig, ich suche nur immerfort etwas Nicht-Mitteilbares mitzuteilen, etwas Unerklärbares zu erklären, von etwas zu erzählen, was ich in den Knochen habe und was nur in diesen Knochen erlebt werden kann“ (Kafka 1995: 296). Auch Burroughs versteht sich als ein Sprach- und Medienkörper. Darüber hinaus versucht er durch die Techniken des Cut up das offiziell Nicht-Mitteilbare und Unerklärliche zum Sprechen zu bringen bzw. diesem Gegenwirklichkeiten entgegenzusetzen.
[32] Diese Break on through’-Haltung ist aber nicht nur eine das Äußerliche betreffend, also exoterisch, sondern gleichwohl eine Bewegung bzw. Reise ins Innere des Menschen, verbunden mit einer Bewusstseinsformung, d.h. esoterisch.
[33] Die Forderung nach einer Aufhebung zwischen der Trennung von Produzenten und Rezipienten erinnert an Brecht. In seinem Vortrag „Der Rundfunk als Kommunikationsapparat. Rede über die Funktion des Rundfunks“, aus dem Jahre 1932, fasst Brecht (1997: 147f.) seine Forderungen pointiert zusammen: „Der Rundfunk ist aus einem Distributionsapparat in einen Kommunikationsapparat zu verwandeln. Der Rundfunk wäre der denkbar großartigste Kommunikationsapparat des öffentlichen Lebens […], wenn er es verstünde, nicht nur auszusenden, sondern auch zu empfangen, also den Zuhörer nicht nur zu hören, sondern auch sprechen zu machen und nicht zu isolieren, sondern ihn in Beziehung zu setzen. Der Rundfunk müsste demnach aus dem Lieferantentum herausgehen und den Hörer als Lieferanten organisieren.“ Die soziale Hauptfunktion des Rundfunks, das Gleiche gilt für die intermedialen Cut ups, darf es also nicht sein, Stellvertreter unterschiedlicher gesellschaftlicher Institutionen zu sein oder primär als Unterhaltungsinstitution zu fungieren.
[34] Anspielung auf den Song „Die Schönheit der Chance“ von Tomte (Auf: Hinter all diesen Fenstern. Grand Hotel Van Cleef/Indigo 2003).
[35] In vergleichbarer Emphase schreibt Brinkmann (2004: 111) in seinem Gedicht „Vanille“, aus dem Jahr 1969: „Und meine Träume sind leere Schuhkartons (weil man die Schuhe schließlich an den Füßen hat) so leer wie ein Germanistisches Institut, wenn alles darauf weiter besteht, hier handle es sich um Kunst“.
[36] Diese Position steht in impliziter Korrespondenz zur Forderung des Anders-Denkens bei Foucault und Deleuze. Deleuze (1992b: 169) betont: „Das Denken denkt seine eigene Geschichte (Vergangenheit), jedoch um sich von dem zu befreien, was es denkt (Gegenwart), um schließlich ,anders denken‘ zu können (Zukunft).“ Foucault (1997a: 15) hebt hervor: „Es gibt im Leben Augenblicke, da die Frage, ob man anders denken kann, als man denkt, und anders wahrnehmen kann, als man sieht, zum Weiterschauen oder Weiterdenken unentbehrlich ist.“ Für Deleuze und Foucault handelt es sich hierbei nicht nur um eine reflexive Figur bzw. ein ausschließlich erkenntnistheoretisches Problem, sondern auch um die konkreten Möglichkeiten der praktisch-pragmatischen Realisation, der existentiellen Einholung – diese Perspektive steht in unmittelbarer Verbindung zur Intention, die Burroughs mit den Techniken des Cut up und Fold in anvisiert.
[37] Eine Ironisierung dieser Anti-Dauer-Haltung zu allem und jedem, die nicht auch Anti hinsichtlich allem und jedem ist, formuliert Der Junge mit der Gitarre in seinem Song „Hallo Worum Geht’s, Ich Bin Dagegen“ (Auf: Dagegen Ltd…Edel Records 2002): „[…] gegen flache plattitüden, gegen norden gegen süden, gegen atomare rüstung, gegen frauen ohne brüstung, gegen mobbing und schikane, gegen, wehrdienst für die fahne, ich bin kontra aus prinzip und selbst gegen dieses lied | Hallo, worum geht’s ich bin dagegen, Hallo, worum geht’s ich bin dagegen, gegen alles gegen jeden ich bin absolut dagegen, Hallo, worum geht’s ich bin dagegen | alle ja sager sind gegner, jeder skeptiker ein freund, heute nacht hab ich von farben nur im negativ geträumt, jede seite der medallie schau ich an und will sie sehen, siehst du nur die eine seite werd ich gegenüber stehn, gegenüber stehn, gegenüber stehn, gegenüber stehn […] [Hervorhebungen im Original – MSK].“
[38] Vgl. zu meinem Verständnis von Medien und Heterotopie bzw. Medien als Heterotopien Kleiner (2006).
[39] Unter einem Mutanten versteht man ein genetisch (meist durch äußere gezielte Eingriffe oder auch z.B. durch einen bio/chemischen Unfall) verändertes Lebewesen, bei dem sich die äußere Erscheinung wie aber auch charakterliche Eigenschaften leicht bis extrem verändern. So treten mit der körperlichen Mutation oftmals auch Bösartigkeit, Dominanz niederer Instinkte und teilweise sogar Gotteswahn auf. Eine Mutation ist eine dauerhafte Veränderung des Erbgutes. Fiedlers Verwendung des Begriffs Mutant im Kontext der Underground-/Beat-/Pop-Literatur als Mutanten-Literatur deutet darauf hin, dass er dieser Literatur, die traditionelle Funktion und das kanonisierte Wesen der Literatur nachhaltig zu verändern und vielfältige, unkontrollierbare Literaturformen entstehen zu lassen – die negative Bedeutung wird hier ausgeblendet.
[40] Vgl. zur Kanondebatte in der Musik(wissenschaft) u.a. Helms/Phleps (2008).
[41] Diese Aspekte neuer Literatur werden im Titel des Materialbandes „Erkundungen für die Präzisierung des Gefühls für einen Aufstand“ von Brinkmann (1987) aus den 1970er Jahren angedeutet und ihnen wird in diesem Materialband eine konkrete literarische Form gegeben.
[42] Unter Pornografie verstehe ich im Allgemeinen die explizite, detaillierte und/oder schwerpunktmäßige (mediale bzw. medialisierte) Inszenierung von nicht simulierten sexuellen Interaktionen – ob im professionellen Feld oder in dem der Medienamateure. Bei Pornografie dominiert das Prinzip der maximalen Sichtbarkeit: Nahaufnahme interagierender Genitalien. Ziel ist hierbei die Stimulation des Publikums (Schaulust, Voyeurismus, Phallozentrismus).
[43] Neben demonstrativer Sexualität wird von Fiedler (1983: 29ff.) v.a. der exzessive Drogenkonsum als standardisierte kulturelle Praktik der Underground-/Beat-/Pop-Literaten beschrieben. Die amerikanischen Beat-/Underground-/Pop-Literaten, wie auch William S. Burroughs, sowie Fiedler und Brinkmann würden auf die rhetorische Frage von Foucault (1998: 187) – „Glauben wir nicht, dass man zur Macht nein sagt, indem man zum Sex ja sagt […].“ – dem Zeitgeist der sexuellen Revolution entsprechend, mit einem unbedingten Ja antworten. Dabei übersehen sie, wie Foucault diese Überlegung beendet: „[…] man folgt damit vielmehr dem Lauf des allgemeinen Sexualitätsdispositivs.“ Die vermeintliche Befreiung von der Repression ist für Foucault also vielmehr ein Weg, sich noch stärker an die gesellschaftlichen Machtverhältnisse zu binden bzw. sich ihnen noch umfassender zu unterwerfen – dies im Glauben emanzipatorisch zu handeln und Wahrheit über sich selbst zu erlangen: „Mit der Schaffung dieses imaginären Elements ,Sex‘ hat das Sexualitätsdispositiv eines seiner wesentlichsten inneren Funktionsprinzipien zustande gebracht: das Begehren nach Sex: ihn zu haben, zu ihm Zugang zu haben, ihn zu entdecken, ihn zu befreien, ihn diskursiv zu artikulieren, seine Wahrheit zu formulieren. Das Sexualitätsdispositiv hat ,den Sex‘ als begehrenswert konstituiert. Und dieser ,Begehrens-Wert‘ des Sexes bindet jeden von uns an den Befehl, ihn zu erkennen, sein Gesetz und seine Macht an den Tag zu bringen“ (ebd. 186).
[44] Vgl. zur Kulturgeschichte des Cool Poschardt (2002).
[45] Zum Zusammenhang von Popkultur und Alter(n) merkt Fiedler (1983: 20) an: „Die neuen Irrationalisten […] sind bereit, die Verlängerung der Jugendzeit bis ins Grab zu befürworten […].“
[46] Fiedler blendet hierbei aber aus, dass die Form der Popkultur, auf die er sich bezieht, nicht die Massenkultur seiner Zeit darstellt, und andererseits diese von ihm adressierte Popkultur generell nicht mit Massenkultur gleichgesetzt werden kann.
[47] Für Fiedler (1983: 25) stellt Burroughs als Super-Irrationalist den wesentlichen Bezugspunkt für die neuen literarischen Irrationalisten dar: „Burroughs ist der erste Prophet der nach-männlichen, nach-heroischen Welt, und seine Nachahmer bevölkern den Mittelraum der literarischen Szene, um die es hier geht. Denn The Naked Lunch ist mehr als es scheint. Es ist kein bloßer Essay in halluzinatorischer, von Heroin und Homosexualität inspirierter Pornographie, sondern ein alptraumhafter Vorblick auf die nach-humanistische Sexualität in Form der Science Fiction“ (vgl. auch Fiedler 1994: 26).
[48] Eine an McLuhan (1992) erinnernde medienhistorische Formulierung äußert Fiedler (1994: 19) mit der Behauptung, dass kein „Medium der Kommunikation verschwindet, einfach weil ein neues und wirksameres erfunden worden ist.“ Bei Medienumbrüchen bleiben auch für Fiedler Medienfunktionen historisch älterer Medien in historisch neuen Medien präsent. Darüber hinaus können ältere Medien, wie etwa das Buch, jederzeit zu Konjunkturmedien werden, wie dies etwa beim popliterarischen Boom Ende der 1990er Jahren in Deutschland der Fall war, obwohl das Buch schon seit einigen Jahrzehnten nicht mehr das Leitmedium oder ein attraktives Medium der Populären Kultur ist. Eine zweite medienhistorische These präsentiert Fiedler (ebd.) im gleichen Kontext: „Ein Kommunikationsmedium muss, wenn es aus der Mode gerät, zu einer Form der Unterhaltung werden […]“. Das Ergebnis dieser Transformation stellt für Fiedler die Underground-/Beat-/Pop-Literatur dar.
[49] Vgl. zur Bedeutung von Burroughs und der Cut up-Tradition für die deutsche Pop-Literatur der ersten Generation u.a. auch die Passagen über Burroughs im Roman „Rohstoff“ (1984) von Jörg Fauser (2009).
[50] Vgl. repräsentativ für viele implizite Anspielungen auf den Chandos-Brief in den Texten von Brinkmann (1987: 22): „/Wörter ,der blöde und verblödende Begriff vom zoon politikon/ verschimmeltes Abendland)) (Hervorhebung im Original – MSK)“. Auch mit Blick auf die Werke der großen Dichter, den „lebende[n] Tote[n]“, spricht Brinkmann (1980: 185) von Vermoderungsprozessen, hier dieser in Antiquariaten. Sie sind tot und unbrauchbar zur Erneuerung der Literatur. Hiermit kommt nochmals die zentrale Bedeutung der Sprache für Brinkmann zum Ausdruck. Das Material zur Kritik und Dekonstruktion dieses Diktats der Sprache bezieht Brinkmann ausschließlich aus der Popkultur und Populären Kultur bzw. der populären Medienkultur seiner Zeit. Seine mitunter sehr heftige Kritik an der Populären Kultur kann auch als Einsicht in deren letztlich doch begrenzten Möglichkeiten zur Umsetzung der von ihm intendierten radikalen Sprachkritik verstanden werden. Aber auch wiederholte Bezüge zur Sprachkritik von Fritz Mauthner durchziehen die Texte von Brinkmann (1999b: 140f): „Widersprüche gibt es nur in der Sprache […]“ (vgl. hierzu Mauthner 1922: 138).
[51] Ich fokussiere mich auf Zusammenfassungen einiger zentraler Texte von Brinkmann, die einerseits an die poetischen Positionen von Burroughs und Fiedler anschließen, diese andererseits zugleich fort- und umschreiben bzw. an die deutschen Verhältnisse anpassen. Im Zentrum hierbei stehen folgende Texte/Bände: „Standphotos. Gedichte 1962-1970“ (1962-1970/1980); „Angriff aufs Monopol. Ich hasse alte Dichter“ (1968/1994); „Der Film in Worten“ (1969/1983); „Erkundungen für die Präzisierung des Gefühls für einen Aufstand“ (1971-1973/1987); „Schnitte“ (1972-1973/1988); „Rom, Blicke“ (1972-1973/1997); „Westwärts 1 & 2“ (1975/1999a); und „Briefe an Hartmut“ (1974-1975/1999b). Brinkmann formuliert bis zur Gegenwart für das, was Pop-Literatur in Deutschland genannt wird, neben angloamerikanischen Positionen, die Weg weisende poetische Position. Auch im Vergleich zu Burroughs und Fiedler entwirft Brinkmann ein viel expliziteres poetisches Modell.
[52] Es gibt auch keine tiefere Bedeutung von Worten, alles Sinnhafte befindet sich auf der Oberfläche ihrer Aussagen und Kombinationen (vgl. Brinkmann 1999b: 58). Sprache kann für Brinkmann (1988: 149) daher nicht tief gehen: „[…] (sprachen Wörter, die auf der Oberfläche der Körper zerplatzten/ […]“.
[53] In seinem Aufsatz „Der Film in Worten“ (Brinkmann 1983: 388) hebt er nochmals die Veränderungskraft von Pop als Oberflächenästhetik hervor: „Die Beschränkung auf die Oberfläche führt zum Gebrauch der Oberfläche und zu einer Ästhetik, die alltäglich wird.“ Dieser Analyseansatz steht in Korrespondenz mit einer forschungspragmatischen These von Hegel (1988: 25) in seiner „Vorrede“ zur „Phänomenologie des Geistes“: „Das Bekannte überhaupt ist darum, weil es bekannt ist, nicht erkannt. Es ist die gewöhnlichste Selbsttäuschung wie Täuschung anderer, beim Erkennen | etwas als bekannt vorauszusetzen, und es sich ebenso gefallen zu lassen; mit allem Hin- und Herreden kommt solches Wissen, ohne zu wissen wie ihm geschieht, nicht von der Stelle [Hervorhebung im Original – MSK].“
[54] Die deutsche Band Tocotronic formuliert auf ihrem Debütalbum „Digital ist besser“ (Lado 1995): „Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein | Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein | Ich möcht mich auf euch verlassen können | Ich möcht mich auf euch verlassen können | und jede unserer Handbewegungen | hat einen besonderen Sinn | weil wir eine Bewegung sind“. Eine Ironisierung dieses popkulturellen Willens zur Generationsbildung, hier mit Blick auf die sog. „Hamburger Schule“, formulieren Tocotronic auf dem Album „Nach der verlorenen Zeit“ (Lado 1995) in ihrem Song „Ich bin neu in der Hamburger Schule“: „Ich bin neu in der Hamburger Schule | und ich kenn mich noch nicht so gut aus. | Ich bin grade in die erste Klasse gekomm‘ | und ich weiß noch nichts genau. | Ich bin neu in der Hamburger Schule | und bin grade erst weg von zuhaus. | Die Lehrer sind alle ganz nett hier | und die meisten meiner Mitschüler auch. | […] | Ich bin neu in der Hamburger Schule | und lern kein Griechisch und kein Latein. | Und trotzdem scheint mir die Hamburger Schule | ‘ne Eliteschule zu sein. | […] | Vielleicht werde ich nie meinen Abschluss machen, | denn hier gibt es ja immer Applaus“. Der amerikanische Rock-Journalist Lester Bangs, der selbst zu einem Mythos der Popkultur, hier des Popjournalismus, stilisiert wurde, so etwa beim Chefredakteur des Musikmagazins INTRO, Thomas Venker (2009), der sich wiederum selbst in die Reihe dieser Art des Popjournalismus stellt und damit ihre Verlängerung dieser Generation anstrebt, äußerte sich sehr kritisch zu diesem Pop-Generationswillen. Neben Bangs (vgl. u.a. 2008), werden in dieser Ahnenreihe des Popjournalismus noch Hunter S. Thompson (vgl. etwa 2009) und Richard Melzer (vgl. z.B. 2000) genannt. Eine vergleichbare Stimmung wie Lester Bangs beschreibt auch die deutsche Band Fehlfarben auf ihrem 1980er Album „Monarchie und Alltag“ (EMI) im Song „Das war vor Jahren“: „Die Mädels stellen den Jungen nach im Glanz der Neonreklame, | Du siehst dich so wie du bist | ,du hörst nur noch auf den neuen Namen | Und wir tanzten bis zum Ende zum Herzschlag der besten Musik | jeden Abend, jeden Tag | wir dachten schon das ist der Sieg | ,das war vor Jahren | Die Coca Cola-Sonne scheint auf´s neue auf den Glanz unserer Republik | es gibt bei uns Leute die finden das schick […]“. Die Antworten von Lester Bangs und den Fehlfarben ist deutlich: Von Pop-Generationen wird nichts bleiben, außer sentimentaler Vergangenheitsbeschwörung und prätentiöser Nostalgie, weil letztlich alles immer bereits zu spät ist (vgl. Bröker 2007). Dies widerspricht dem popkulturellem Aufbruchspathos von Burroughs, Fiedler und Brinkmann, formuliert eine Posthistoire-Diagnose, obwohl etwa „Monarchie und Alltag“ zur (vermeintlichen) Aufbruchsstimmung der Neuen Deutschen Welle (NDW) Anfang der 1980er Jahre gezählt und dabei v.a. auf den Hit „Es geht voran (Geschichte wird gemacht)“ reduziert wurde.
[55] Den Begriff Pop-Literatur verwendet Brinkmann (vgl. u.a. 1999b: 26, 44) nur selten in seinen Texten.
[56] Vgl. z.B. Brinkmann (1994: 70f.) zur Beschreibung des Raumes, in dem er sich zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels befindet.
[57] In diesem Kontext erwähnt Brinkmann (ebd.: 72f.) die Studien von Herbert Marshall McLuhan als wegweisende Analysen der (Populären) Medienkulturgesellschaft – ohne konkreten Verweis auf einzelne seiner Arbeiten.
[58] An anderer Stelle zieht Brinkmann (1983: 384) aus dieser Zuschreibung einen Hinweis für Popforschung im weitesten Sinne: „Neues, das auf verschiedenen Gebieten sich andeutet, verlangt einen Blick aufs Ensemble, da im Ensemble erst sich ablesen lässt, welche bestehenden Schematisierungen (des alltäglichen Lebens, der alltäglichen Verhaltensweisen wie des künstlerischen Ausdrucks) aufgelöst werden sollen […]“. Orientiert an dieser Überlegung werden Populäre Kultur, Popkultur und Populäre Medienkultur in meiner Studie konstitutiv als Ensemble betrachtet und nicht als Einzelphänomene untersucht.
[59] Es gibt im Werk von Brinkmann keine explizite Stelle, an der er konkret zwischen Populärer Kultur und Popkultur unterscheidet. Allerdings gibt es implizite Hinweise, dass er die für diese Studie leitende Unterscheidung dieser beiden Begriffe grundsätzlich, nicht aber in allen Hinsichten, teilen würde. Populäre Kultur wird in seinen Texten, wie ich im Folgenden zeigen werde, etwa mit TV, Illustrierten oder Mode assoziiert, Popkultur hingegen weitestgehend mit Popmusik gleichgesetzt. Zudem gibt es bei Brinkmann Hinweise, dass kulturelle Gegenstände erst durch eine spezifische Form ihrer Medialisierung mit den Labeln Populär und/oder Pop versehen werden können. Auffallend ist aber insgesamt, dass sich Brinkmann, wenn auch in reduzierter Form, dezidiert Gedanken über den Pop-Begriff im Kontext seiner poetischen Überlegungen macht.
[60] In der Popmusik wird diese Fähigkeit der Medien, v.a. von Presse, Film und Fernsehen, häufig als hegemonial-manipulativ beschrieben, den Medien wird keine bildende Kompetenz zugeschrieben. Erinnert werden kann hier etwa an den Song „Grauschleier“ von Fehlfarben: „Ich habe das alles schon tausend Male gesehen Ich kenne das Leben Ich bin im Kino gewesen“ (Auf: Monarchie und Alltag. EMI 1980); an den Song „Only Entertainment“ von Bad Religion (Auf: Generator. Epitaph Records 1992): „Transfixated on the big blue screen | its your window to the outside | a melancholy dream | a medium upon which you build reality | this episodic currency | that everybody needs | somebodies delivery lulls you to sleep | […] they control two worlds | power and disease | and you cannot supress your curiosity | but see it’s only entertainment | superficial urgency | posterboard mentality | only entertainemnt | tightly constrained | the buzz that remains | […] can’t someone protect me (turn away, turn away) | from this electron beam? […]“; aber auch an Gil Scott Herons „The Revolution Will Not Be Televised“ (Auf: Pieces of a Man. Flying Dutchman Records 1971): „You will not be able to stay home, brother. | You will not be able to plug in, turn on and cop out. | You will not be able to lose yourself on skag and skip, | Skip out for beer during commercials, | Because the revolution will not be televised.“ Oder mit Blick auf das Radio die erste Strophe des Songs „I can’t get no satisfaction“ der Rolling Stones (Auf: Out of Our Heads. Decca Records 1965): „When I’m driving in my car and the man comes on the radio | he’s telling me more and more about some useless information | supposed to fire my imagination […]“.
[61] Vgl. zur Gegenwartsfixierung Brinkmann und in der deutschen Pop-Literatur Schumacher (2003).
[62] Brinkmanns (1999b: 78) Ausführungen zur Bedeutung der neuen pop-/populärkulturellen Wahrnehmung sind stets an seine fundamentale Sprachkritik gebunden: „Wahrnehmen als ein wortloser Zustand, ohne Sprache wahrnehmen (eine schöne Utopie!) Schöne Utopie: wahrnehmen, sehen, aufnehmen, erleben ohne durch Wörter, Verstehen vorprogrammiert zu sein – direkt.“ Dieser romantische Wunsch nach einem Diesseits der Sprache bzw. aisthetischer Unmittelbarkeit durchzieht das Gesamtwerk von Brinkmann. Zur Umsetzung wählt er, mit den ästhetischen Mitteln der Medienkultur, das zuvor skizzierte Programm negativer Dialektik von Adorno: Mit der Literatur gegen die Literatur, um literarische Vorstellungsmuster Schritt für Schritt im Gebrauch abzutragen: „/Gegen Realismus: Sofern über den Begriff Wirklichkeit nicht hinausgelangt wird, sollte man gar nicht erst versuchen zu schreiben , he? [Hervorhebung im Original – MSK]“ (Brinkmann 1987: 53).
[63] Hierunter versteht Brinkmann (1999b: 148f.): „Neue Subjektivität, dieser Überbegriff meint ganz einfach: dass die Autoren, also auch ich, kein verbindliches, für alle verbindliches Weltbild mit ihren Arbeiten mehr liefern, sondern genau das Gegenteil: die einheitlichen erklärenden Weltbilder mit ihren Arbeiten (Gedichte, Romane usw.) zersprengen, die einheitlichen Weltbilder waren ja nur wegen der Sprache und der Vermittlung der Sprache über Sprache vorhanden, also wegen des Glaubens an Wörter d.h. Wie geht’s dir: – wenn Du das sagst, ohne Rücksicht, dann ist das Neue Subjektivität [Hervorhebung im Original – MSK].“
[64] Ohne in eine naive Technikeuphorie zu verfallen, versteht Brinkmann (1983: 384) Technikkompetenz als Form von Medienbildung: „[…] die Verwendung technischer Apparate ebenso zur Steigerung des Einzelnen dienen kann, zum Vollzug unkanalisierter, spontan schöpferischer Kreativität […]“.
[65] Hierzu bemerkt Frank (2003b: 14): „Ihm schwebte eine Literatur vor, die in Analogie zum Film eine gesteigerte Gegenwart liefern sollte; keine verschlüsselten oder symbolischen Zeichen wie in der Hochliteratur, sondern Wirklichkeit als Abfolge von alltäglichen und schnappschussartigen Eindrücken.“
[66] Dies wirkt wie eine implizite Umsetzung von Becketts Dekonstruktion der Autorfunktion: „What matter who’s speaking, someone said what matter who’s speaking.“
[67] Als eine Art Nachtwort zu seinem Roman „Unterwegs“ (1959) formuliert Kerouac einen lapidaren Ratgeber in Sachen moderner Prosa, der wie eine Stichwortsammlung wirkt. Ein paar dieser Stichworte, die wiederum wie ein poetisches Vorbild für Brinkmann wirken bzw. Samplematerial in seinen poetischen Texten darstellen, sind: „1 Geheime Notizbücher und lose Manuskriptseiten, die du zu deinem eigenen Vergnügen vollgekritzelt hast beziehungsweise wild vollgetippt hast. 2 Gib dich jedem Eindruck hin! Öffne Dich! Lausche! […] 5 Etwas, was Du fühlst, wird die ihm eigene Form finden. […] 8 Wenn du etwas Unergründliches schreiben willst, hole es aus dem Grunde deiner Seele empor! […] 13 Beseitige literarische, grammatische und syntaktische Hindernisse! […] 15 Erzähle die wahre Geschichte der Welt im inneren Monolog! […] 17 Schreibe aus der Erinnerung und sei erstaunt über die Ergebnisse. […] 22 Denke nicht gleich an Worte, wenn du dich nur unterbrichst, um das Bild besser sehen zu können! […] 26 Das Buch in Drehbuchform ist der Film in Worten, eindeutig die amerikanische Form. […] 28 Komponiere wild, undiszipliniert, rein! Schreibe, was aus den Tiefen deines Inneren aufsteigt! Je verrückter, desto besser.“
[68] Ein latenter Platonismus bei Brinkmann, der Sprache im Abbild-/Urbild-Modus beschreibt, womit er gegen seine Kritik an der Repräsentativität von Sprache argumentiert, die nichts mehr mit dem Erscheinen und der Wahrnehmung von Wirklichkeit für Brinkmann (1983: 381) zu tun hat: „Das Rückkopplungssystem der Wörter, das in gewohnten grammatikalischen Ordnungen wirksam ist, entspricht längst nicht mehr der tagtäglich zu machenden sinnlichen Erfahrung […].“ Sprache unterscheidet er insgesamt in eigentliches und uneigentliches Sprechen, wobei die Eigentlichkeit der Sprache von Brinkmann (bewusst) nicht bestimmt wird. Diese kann nur ein Effekt des veränderten Schreibens und Darstellens sein. Auch bei Brinkmann, wie bei Burroughs und Fiedler, gibt es die Utopie eines richtigen Lebens, das nur durch andere Medien bzw. die Transformation und Transgression der Sprache erzielt werden kann. Die Frage ist allerdings, was Burroughs, Brinkmann und die von ihm so hypostasierte neue amerikanische Szene qualitativ anders machen mit ihren Wort-/Bildproduktionen und warum diese allein schon durch deren ästhetischen Eigensinn emanzipatorisch und Wahrnehmung verändernd sein sollen. Aber auch, warum sie sich scheinbar so leicht vom Sprach- und Wahrnehmungsdiktat der Gegenwart lösen können.
[69] Brinkmann legt in seinen Texten viel Wert darauf, deren Schriftbild zu beschneiden, damit das Lesen immer wieder ins Stocken gerät, aus der Linearität herausgerissen, irritiert wird, Sinnstockungen erzeugt.
[70] Hiermit weist er implizit eine grundlegende Einsicht von Kant (1990: 95/B 75) zum Zusammenhang von Sinn und Sinnen aus der „Kritik der reinen Vernunft“ zurück: „Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriff sind blind.“
[71] An anderer Stelle beschreibt Brinkmann (1988: 105) die Sprache als Pest: „[…] /zoon politikon ist die Pest/die Pest schafft Beulen/Beulen von Bildern/das sind die Wörter/erstickt in der Kehle/ […].“
[72] Vgl. hierzu auch Brinkmann (1987: 82, 84, 114, 222; 1988: 14, 15, 46, 105; 1997: 32, 139). Seine Sprachkritik dehnt Brinkmann (1980: 186) auch auf den deutschen Literaturbetrieb seiner Zeit aus, den er als eine Art kultischer Totenwache bezeichnet: „Die Toten bewundern die Toten! Gibt es etwas, das gespenstischer wäre als dieser deutsche Kulturbetrieb mit dem fortwährenden Ruf nach Stil etc.?“ (vgl. weiterhin zur Kritik am Literaturbetrieb1997: 89, 104ff., 142, 260, 385f.).
[73] Was dies aber genau sein soll, darauf gibt Brinkmann in seinen Texten keine Antwort.
[74] Dies impliziert zugleich, dass eine Popliteraturgeschichtsschreibung, wie sie etwa Ernst (2001: 10-13) vorlegt, dem Verständnis von Pop-Literatur von Brinkmann zuwider laufen würde, der die Ursprünge der Popliteratur im Dadaismus und Surrealismus sieht.
[75] An anderer Stelle spricht Brinkmann (1987: 66) von Gegenwart als Killer der „Traum- und Fantasiefähigkeit“ und dem Erledigt werden der „Gegenwart von Blindbegriffen“.
[76] Verbunden hiermit ist für Brinkmann (1999b: 150) auch eine Verweigerungshaltung der jungen Gegenwartsautoren gegen die Autorität offizieller Literaturgeschichte: „Literaturgeschichte beruht ja heute weitgehend auf Massenmedien und deren Begriffen, deren Rezensionen usw. – sie möchte immer Subsumieren unter Begriffe, aber genau dagegen haben sich alle jüngeren Autoren gewandt.“
[77] Einen Ansatz, den Brinkmann (1980: 185) auch zur poetischen Maxime des Schreibens von Gedichten erhebt: „[…] nur das Material aufnehmen […], was wirklich alltäglich abfällt. Ich denke, dass das Gedicht die geeignetste Form ist, spontan erfasste Vorgänge und Bewegungen, eine nur im Augenblick sich deutlich zeigende Empfindlichkeit konkret als snap-shot festzuhalten.“ Diese ästhetische Strategie soll dazu beitragen, das in Gedichten heraus zu schreiben, was man traditionell vom einem Gedicht erwartet: mit dem Gedicht gegen das Gedicht.
[78] Vgl. Brinkmann (1999b: 20, 21, 84, 91-93, 96, 159, 183, 188/9).
[79] Vgl. Brinkmann (1997: 33, 34, 38, 80).
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