Akademisches Wellenreiten: Rezension zu Kristin Lawler, »The American Surfer – Radical Culture and Capitalism«
von Konstantin Butz
2.3.2013

Puritanische Studien

Mit »The American Surfer – Radical Culture and Capitalism« legt die Amerikanerin Kristin Lawler eine Studie vor, die sich der Bedeutung und Signifikanz von Wellenreiterinnen und Wellenreitern in ihrer populärkulturellen Repräsentation annimmt. Neben Nick Ford und David Browns »Surfing and Social Theory: Experience, Embodiment and the Narrative of the Dream Glide« (2006) entwickelt sie damit eine der wenigen monografischen Abhandlungen zum Thema »Surfing«, die vor einem soziologischen und sozialtheoretischen Hintergrund verfasst wurden. »The American Surfer« erscheint in der Reihe »Routledge Advances in Sociology«.

Lawler gliedert ihre Arbeit in fünf große Teilabschnitte, in denen sie die Entwicklung der Surfkultur skizziert. Sie folgt dabei einem chronologischen Aufbau, der auch in zahlreichen populärkulturellen (das heißt nicht-akademischen) Publikationen als Grundlage für eine ›Geschichte‹ des Surfens dient: von den frühen polynesischen Kulturen auf Hawaii bis zur kommerziellen Surfkultur an der kalifornischen Küste.

 Inhaltsübersicht

Im ersten Kapitel »Radical: Surf Culture, Image, and Capitalism« betont sie die Bedeutung, die sie der Repräsentation von Surfing, Surferinnen und Surfern in den USA zuschreibt. Die Verbreitung von »images« der Surfkultur sieht sie dabei an eine Vermittlung von Freiheitsmotiven gekoppelt, die – trotz ihrer kommerziellen Medialisierung – als Inspirationsquelle für Alternativen einer durch Arbeitsverhältnisse entfremdeten Gesellschaft fungieren können.

Dass sie in diesem Zusammenhang unter anderem Max Webers Werk »Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus« anführt, überrascht insofern nicht, als die darin beschriebenen Charakteristika des Kalvinismus einer als hedonistisch geltenden und eben nicht auf Produktivität ausgelegten Surfkultur gegenüberstehen.

So unterstreicht Lawler gleich zu Anfang, wen bzw. was sie als kulturellen Gegenpart zum Surfen wähnt: den puritanisch geprägten amerikanischen Kapitalismus und Konservatismus. Dass der Kapitalismus und die damit einhergehende Konsumkultur, die in den USA für eine Verbreitung des Surf(er)images sorgen, allerdings nicht per se im Widerspruch zum subversiv-gegenkulturellen Potential der Surfkultur stehen müssen, bildet eine Hauptthese, die Lawler zu Beginn ihres Buches festhält. Sie ist der Meinung, dass »the idea that consumerism is the great enemy of the political potential of the working class has been wildly overstated, to say the very least« (9).

Damit gibt sie die affirmative Tendenz vor, die im Folgenden ihre Analyse der Surfkultur charakterisieren wird. Trotz (oder gerade wegen?) deren kommerzieller und massenmedialer Vermarktung, wähnt sie in der Surfkultur und ihrer Repräsentation die Möglichkeit eines Aufbegehrens, das den Zielen der Working Class nahe steht und sich gegen etablierte Strukturen der Leistungsgesellschaft richtet.

Im Kapitel »Island Time: Primitives, Puritans, and Hucksters« schildert Lawler zunächst die Kultur der polynesischen Siedler auf Hawaii, die auch im Allgemeinen (das heißt in anderen Publikationen zum Thema Surfing) als ›Ursprung‹ des Wellenreitens beschrieben wird und damit die Grundlage für »the founding story of the surf subculture« (16) liefert. Hier wird Surfen vor allen Dingen mit Freiheit und im wahren Sinne des Wortes mit Freizeit verbunden und als essenzieller Bestandteil hawaiianischer Kultur verstanden.

Lawler erklärt, wie sich demgegenüber im Zuge der Missionierung des Archipels die puritanischen Moralvorstellungen des Kalvinismus etablieren, die zum Teil brutale Repressionen nach sich ziehen und für eine Unterdrückung der polynesisch geprägten Surfkultur sorgen. Neben den in diesem Zusammenhang weiterhin wichtigen Verbindungen zu Webers Arbeit über die protestantische Ethik, nimmt Lawler an dieser Stelle Bezug auf E.P. Thompsons Aufsatz »Time, Work-Discipline, and Industrial Capitalism«: Die von »spontaneity, pleasure, and freedom« (16) geprägte »Island Time« auf Hawaii, wird an dieser Stelle einer Zeitmessung gegenübergestellt, die mit der Industrialisierung das Leben der Menschen zu prägen beginnt. Die ›ursprüngliche‹ hawaiianische Surfkultur scheint sich einer solchen profitorientierten Tagesgestaltung zu entziehen.

Lawler untersucht in diesem Kapitel zunächst vor allem Bilder und Repräsentationen von Surferinnen und Surfern, die vor der missionarischen Intervention auf Hawaii aktiv waren, um deren visuell geprägte Anziehungskraft, ihre Attraktivität und ihr Fortbestehen innerhalb der amerikanischen Kultur herauszustellen. Die Verkörperung von individueller Freiheit und spielerischer Freizeit, die hier vermittelt wird, korrespondiert nach Lawlers Lesart mit den Sehnsüchten vieler Amerikanerinnen und Amerikaner.

Sie kann dementsprechend erläutern, inwiefern diese »images« vom Surfing zu Beginn des 20. Jahrhunderts Teil verschiedener Marketingcampagnen wurden, die den Tourismus auf Hawaii beflügelten und zahlreiche Menschen auf die Insel und besonders nach Waikiki Beach lockten. Ebenso attraktiv waren Surfpräsentationen auf dem amerikanischen Festland, wo sie genutzt wurden, um die potentielle Käuferschaft neu entstehender Immobilien an die Küste Kaliforniens einzuladen.

Lawler markiert an dieser Stelle eine Widersprüchlichkeit, die sie daran festmacht, dass mit dem Surfen nun eine Tätigkeit Teil der kommerziellen Kultur wird, die dem puritanischen Fleiß und der kapitalistischen Produktion zuwiderläuft. Sowohl puritanische Moralvorstellungen als auch touristische Geschäftsmodelle werden im Sinne Lawlers vom »Geist des Kapitalismus« umweht, und trotzdem stehen sie für völlig unterschiedliche Reaktionen, mit denen sich die Surfkultur konfrontiert sieht. Moralische Ablehnung trifft hier auf kommerzielle Aneignung.

Letztere spielt in Lawlers Schilderungen dann auch eine enorme Bedeutung für die Stilisierung der so genannten »beach boys«, die ein Leben frei von Zwängen und Arbeit verkörpern. Sie spielen ebenfalls eine herausragende Rolle in der kommerziellen Bewerbung Hawaiis, wobei Lawler besonders auf die sexuelle Freizügigkeit der Beteiligten hinweist und hier Alternativen zu den konservativ konnotierten Vorstellungen von traditioneller Männlichkeit und Weiblichkeit entdeckt. Im Aufeinandertreffen und Zusammenwirken vom »beach boy« als Surflehrer und weiblichen Touristinnen macht sie keine etablierten Rollenmodelle fest, sondern betont das sexuell befreite Auftreten der »surf students«.

Ein solches Ausleben unterdrückter Sexualität kann sie unter Bezug auf psychoanalytische Theorieansätze von Sigmund Freud und Herbert Marcuse als weitere gegenkulturelle Komponente umschreiben, mit der die Surfkultur den puritanisch geprägten Kapitalismus konfrontiert. Als Grundlage für ihre Beobachtungen dienen Lawler eine Vielzahl von Postkarten und Touristenbroschüren aus Hawaii, die sie zu diesem Zweck detailliert beschreibt und ausführlich vorstellt.

Im anschließenden Kapitel »The Oceanic Feeling: Surfing’s Lost Paradise« erweitert die Autorin ihre Bezüge zur Psychoanalyse und den Arbeiten Freuds. Sie erläutert, inwiefern »images of surfing exude the promise of redemption, of a return to the oneness with the world that Freud calls ›oceanic‹« (69). Sie weist erneut darauf hin, dass Surfing, trotz der massiven Präsenz in der amerikanischen Kultur, weitgehend unerforscht ist und damit dem von der Psychoanalyse untersuchten ›Unbewussten‹ gar nicht unähnlich.

Die damit implizierte Forschungslücke sucht sie zu schmälern, indem sie den Blick nun besonders auf die kalifornische Küste lenkt, wo sich in den Dekaden vor dem zweiten Weltkrieg eine Surfkultur etabliert, welche spätere Bewegungen wie die der Beats oder der Hippies vorwegnimmt und so ihre Wichtigkeit und Einflussnahme innerhalb amerikanischer Gegenkulturen unter Beweis stellt. Durch ein Leben am Strand, geprägt von einem »popular cultural myth of primitive, Edenic pleasure and abundance« (95), kommen Surferinnen und Surfer nach Lawlers Interpretation dem ozeanischen Gefühl eines Einklangs mit der Natur besonders nahe und repräsentieren dadurch die Sehnsucht nach einem verlorenen Paradies, einem »paradise lost« (69).

Abermals betont sie die subkulturelle bzw. gegenkulturelle Prägung des Surfing, indem sie die Spitznamen, die sich die Mitglieder der Surfkultur selber geben, durch Louis Althussers Überlegungen zum Begriff der »Anrufung« oder »Interpellation« präzisiert und deutet: »We can see the refusal to be ›named‹ as a refusal of the subjection that makes working class reproduction […] (as alienated, exploited workers) possible« (82) erklärt Lawler und kreiert damit weitere Verbindung zwischen den Kämpfen der Working Class und der Widerständigkeit der Surfkultur.

In ihren Augen entgehen die Mitglieder der Surfkultur durch ihre Spitznamen – das heißt, durch den Verzicht auf eine fixierte Identität – einer Anrufung, die sonst das arbeitende Subjekt dem Reproduktionszyklus des Kapitalismus unterwirft. Die mythologische Konstruktion eines verlorenen Paradieses bzw. der Rückzug dorthin ermöglicht es dabei den Surfenden, im ozeanischen Gefühl einen Zustand zu antizipieren, der sich einer Entfremdung durch die Mechanismen einer gewinnorientierten Gesellschaftsorganisation entgegenstellt.

Lawler fügt hinzu, dass es dafür nicht wichtig ist, ob der zugrunde liegende Mythos eines Garten Eden oder eines Paradieses tatsächlich wahr ist, sondern dass es auf die Konsequenzen ankommt, die aus seiner Existenz resultieren: »We are looking at what [the myth] produces—which is action intended to get back to oceanic pleasure« (95).

Die Rückkehr zu diesem ozeanischen Gefühl verbindet Lawler mit der Hoffnung, die traumatische Erkenntnis zu überwinden, dass wir offenbar nicht eins sein können mit der Welt, sondern uns immer durch eine von Sprache und Repräsentation bestimmte Identität auszeichnen; eine Einsicht, die sie unter Bemühung von Jaques Lacans Konzeption der »mirror stage« konkretisiert.

Das folgende Kapitel »Riders on the Storm: Surfers and the Sixties« befasst sich mit der Nachkriegszeit in den USA und beginnt mit einem Verweis auf Tom Wolfes »The Pump House Gang« (1968) und der darin beschriebenen »teenage surf scene« (109), die Lawler als exemplarisch für die Entwicklung in den 1960er Jahren vorstellt. Sie spricht dabei der von Wolfe beschriebenen Surf-Szene eine politische Dimension zu, die sich angeblich darin manifestiert, dass die Beteiligten explizit für »happiness explosions« (112) im Sinne Wolfes eintreten und damit all denjenigen Paroli bieten, die, ganz in der Tradition des puritanischen Einflusses, den hedonistischen Lebensstil am Strand lebender Jugendlicher ablehnen und verurteilen.

Um das rebellische Potential herauszustellen, das Lawler an dieser Stelle vermutet, stellt sie eine konzise Analyse von Zeitungsartikeln aus der »Los Angeles Times« vor, in denen sich die konservativen und autoritären Reaktionen widerspiegeln, die von so genannten »surf bums« provoziert wurden. Diese stellt Lawler dem ebenfalls weit verbreiteten Bild der »clean-cut surfers« (133) gegenüber, sozusagen den harmlosen, angepassten und sportlich ambitionierten unter den Surfenden.

Allerdings sieht sie die kritische Berichterstattung in der nationalen Presse und die anhaltende Sorge von Polizei, Eltern und Schulbehörden als Beweis dafür, dass hier erneut der rebellische Impetus der Surfkultur durchscheint und überwiegt, während es sich bei dem ›sauberen‹ Bild vom Surfen eher um »wishful thinking« (135) handelt. Es schließen sich weitere Analysen und Bezugnahmen auf Surffilme und Surfmusik an, die eine ausführliche Übersicht über die mediale Repräsentation in den 1960er Jahren schaffen und von Lawler genutzt werden, um das Image des »American Surfer« als losgelöst von rigoroser Arbeitsethik und stark von Freiheit geprägt nachzuzeichnen.

Das abschließende Kapitel »The Malibu Surfer Problem: Play and the Cultural Politics of the Class Struggle« dient Lawler dafür, ihre Studie in einer philosophisch geprägten Diskussion münden zu lassen. Unter Rückbezug auf das von John Rawls entwickelte »Malibu Surfer Problem« wird sich mit verschiedenen Gesellschaftsentwürfen auseinandergesetzt, um die Möglichkeit eines garantierten Grundeinkommens für alle Mitglieder einer Gesellschaft zu durchdenken.

Während Rawls die Surfer Malibus von einem bedingungslosen Grundeinkommen ausschließen würde, weil diese sich nicht produktiv betätigen, formuliert Lawler an dieser Stelle die politische Kernaussage, die sie mit ihrer Studie entwickeln möchte: Sie liest das von ihr dargestellte Image des »American Surfer« und die zugehörige Kultur als alternative Strategie, die – in Kongruenz zum »labor movement« – den Kampf um kürzere Arbeitszeiten anfeuert und perpetuiert.

Ihre affirmative Lesart der amerikanischen Surfkultur kann somit festgezurrt und in der Formel zusammengefasst werden, dass »a more relaxed culture is a weapon against capitalist exploitation« (175). In diesem Sinne konstituiert die Surfkultur durch die ihr immanente Gelassenheit und den offensichtlichen Abstand zum marktorientierten Gewinnstreben eine antikapitalistische ›Waffe‹, die im Endeffekt ein Nebenprodukt einer einfachen Lebensauffassung zu sein scheint: »a life lived in the moment, with pleasure« (ebd).

Diskussion und Bewertung

 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Lawler mit »The American Surfer« eine gut recherchierte und materialgesättigte Studie vorlegt, die klar geschrieben ist und besonders durch die intensive Einsicht in die mediale Inszenierung und Entwicklung eines kulturellen Phänomens zu überzeugen weiß. Ihre Grundannahme, dass Surfing elementarer Bestandteil der heutigen populären (Konsum-) Kultur ist, wird auf wenig Widerspruch stoßen: Die Tatsache, dass es kaum mehr möglich ist, sich eine Badehose zu kaufen, die nicht als Surf- oder Boardshorts angepriesen wird, beschreibt nur die Speerspitze einer Vermarktungskette, die das Image vom Wellenreiten zu einem medialen Alltagsphänomen macht. Dementsprechend ist der Verwunderung Lawlers darüber unbedingt beizupflichten, dass der Surfkultur im akademischen Feld, insbesondere in den Cultural Studies, bisher nur äußerst peripher Aufmerksamkeit zuteil wurde. Sie leistet einen wichtigen Beitrag zur Bearbeitung dieses Desiderats.

Kritisch angemerkt werden muss jedoch, dass der affirmative Zugang, den Lawler etabliert, teilweise eine wirklich differenzierte Auseinandersetzung mit ihrem Gegenstand vermissen lässt. Der Versuch, auch in der kapitalistischen Konsumkultur nach Aspekten widerständigen Potenzials und gegenkulturellen Handelns zu suchen, ist dabei zunächst positiv zu bewerten: eine solche Herangehensweise kann durchaus als Aufgabe einer kritischen Analyse verstanden werden, die Jugend-, Populär- und Subkultur ernst nimmt, ohne sie von vorneherein zum kulturindustriell bedingten Scheitern zu verurteilen. Allerdings erscheint es in Lawlers Ausführungen häufig so, als verstehe sie sich als Syndikus einer Surfkultur, der ansonsten nur mit linkspolitischer Verdammung begegnet würde und die nun mit akademischem Beistand rehabilitiert werden müsse.

Lawler formuliert den Wunsch, den Images des Surfing, die für Werbung und Konsum rekrutiert werden, wohlwollend gegenüberzutreten und darin auch weiterhin Spuren eines gegenkulturellen Auswegs aus einer puritanischen Gesellschaft festzumachen. Sie zieht dafür wegweisende Studien heran – zum Beispiel Daniel Bells »The Cultural Contradictions of Capitalism« oder Stephen Duncombes »Dream: Re-Imagining Progressive Politics in the Age of Fantasy« (2007) – und formuliert einen Appell an all diejenigen Menschen, die sich als progressiv verstehen, also »those who purport to be in favor of workers’ victories, environmentalism, and a liberal attitude to gender roles and sexuality« (10).

Ihr Aufruf gerät überzeichnet, denn Lawler empfiehlt, »to abandon the dour Puritanism that largely informs the left critique of popular and commercial culture, and embrace the fantasies of liberation and ecological connection that Americans are giving voice to when they respond with gusto to images of surfing (and others)«, um hinzuzufügen, dass es gegenüber einer vermeintlich unflexiblen Linken gerade Werbefachleute sind, die verstehen, dass »tapping into these libidinal fantasies is a source of great energy« (ebd). Ihre Forderung lautet: »Progressives who dream of liberation and of ecological connection would do well to ride this wave« (ebd).

Obwohl es völlig legitim erscheint, die wirtschaftlichen Mechanismen der Werbung in Bezug zu menschlichen Sehnsüchten zu setzen und auf ihre potenzielle Produktivität innerhalb progressiver, politischer Bewegungen abzuklopfen, deutet sich bereits durch Lawlers Wortwahl an, dass ihrem Ansatz an diesem Punkt die kritische Schärfe abgeht. Während an vielen Stellen die alltags- und umgangssprachlichen Einschübe der Autorin für einen angenehmen Lesefluss sorgen, tut sie sich keinen Gefallen damit, hier »to ride this wave«, also das ›Reiten einer Welle‹ einzufordern. Im Hinblick auf die Thematik ihres Buches erscheint das Wortspiel zwar verführerisch, wenn man das damit verbundene Bild jedoch zu Ende denkt, beinhaltet es die Möglichkeit, auch unkontrolliert von einer Welle mitgerissen zu werden. Der Anspruch wissenschaftlicher Analyse erschwert es jedenfalls, sich vorzustellen, mit Werbeleuten auf der gleichen Welle zu reiten und dabei womöglich in einen Sog zu geraten, der den kritischen Blick verwässert.

An einigen Stellen des Buches entsteht dann tatsächlich der Eindruck, als sei Lawler etwas zu überzeugt von dem rebellischen Bestreben und Wirken der Surfkultur. Dies führt zu einseitigen Interpretationen, die sich zu sehr an Mythen – den von ihr selbst so bezeichneten »founding myths« des Surfens – orientieren. Wenn sie beispielsweise den hawaiianischen Surfer Buttons Kaluhiokalani als »›black is beautiful‹ poster boy« (107)  bezeichnet, um das angeblich damit einhergehende »iconic image of the primitive-looking, free-living, peace-and-love-and-aloha brown man« als Gegenpol zum »clean cut male« (ebd.) zu etablieren und als Beleg dafür anzuführen, dass Surfing (bis heute) eng mit der Gegenkultur verbunden ist, dann entsteht der Eindruck, als würde Lawler einige der Broschüren für bare Münze nehmen, die seit Beginn des 20. Jahrhunderts die touristische Werbetrommel für Hawaii rühren.

Der kritische Diskurs der angesichts der äußerst bewegten Geschichte des Archipels, seiner Missionierung und seiner Annektierung geführt werden müsste, tritt bei Lawler zu häufig in den Hintergrund. Die Beschreibung des Aufeinandertreffens amerikanischer Missionare und der hawaiianischen Bevölkerung hätte sicherlich von einem Rückbezug auf die Critical Whiteness Studies profitieren können. Dadurch hätte sich eine schärfere Analyse ergeben.

Exemplarisch dafür kann Lawlers Bezug auf den hawaiianischen Surfer und Schwimmer Duke Kahnamoku genannt werden, den sie als »embodiment of the surfer as noble savage« (hier hätte man sich in ihrem Text Anführungszeichen gewünscht) einführt. Leider rezipiert sie in diesem Zusammenhang nicht den wegweisenden Aufsatz »Duke Kahnamoku’s Body: Biography of Hawai’i« (2002) von Michael Nevin Willard, der die mediale Stilisierung Kahanamokus dekonstruiert und die rassistischen Mechanismen aufzeigt, die dabei zum Tragen kommen. Die Lektüre Willards hätte zumindest die Tendenz der Autorin problematisiert, in den Abbildungen früher (und auch aktueller) Surferinnen und Surfer hauptsächlich ein unschuldiges und von Spaß und Freude geprägtes Freiheitsstreben oder Freisein festzumachen.

Die Schwächen des Buches werden jedoch an anderer Stelle relativiert, denn in bestimmten Teilen ihrer Studie stellt Lawler kritische Gesichtspunkte in der Entwicklung der Surfkultur heraus, die in der populären Historiografie des Wellenreitens ansonsten definitiv zu kurz kommen. So deckt sie beispielsweise den ausgeprägten Nationalismus von Alexander Hume Ford auf, der sich als Fürsprecher des Surfing und als Gründer der berühmten Surfgemeinschaft »Outrigger Canoe Club« bereits mit Beginn des 20. Jahrhunderts einen Platz in den Geschichtsbüchern der Surfkultur gesichert hat.

Obwohl sich Ford oberflächlich für ein harmonisches Zusammenleben mit der hawaiianischen Bevölkerung interessierte, stellt Lawler klar heraus, dass er dabei von einer weißen Vormachtsstellung ausging und, unter Bezug auf die Werbewirksamkeit des Surfens, weiße Amerikanerinnen und Amerikaner nach Hawaii locken wollte, um das Archipel vor einer gefürchteten Einwanderungsflut aus Japan zu schützen. Dieser Hinweis auf die Xenophobie amerikanischer Nationalisten und deren Angst vor asiatischem Einfluss ist ausgesprochen wertvoll, fügt er Lawlers Buch doch eine kritische Komponente hinzu, die klar macht, dass der medialen Verbreitung und kommerziellen Distribution der Surfkultur auch politische Interessen anhaften. Interessen, die eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Bild vom »American Surfer« verlangen, weil es sich eben nicht auf einen gegenkulturellen Gestus freiheitsliebender Teenager beschränken lässt.

Eine konsequentere Fortführung der kritischen Hinterfragung und der damit verbundenen Lesart gegen den Strich etablierter (Surf-) Narrative hätte der Studie gut getan. Trotzdem entwickelt sie einen ausführlichen Einblick in das Phänomen der amerikanischen Surfkultur und schafft, gerade auch durch die Ambivalenz eines sehr affirmativen Zugriffs, Denkanstöße auf denen nachfolgende Forschungen aufbauen können.

 

Bibliografischer Nachweis:

Kristin Lawler
The American Surfer – Radical Culture and Capitalism
New York u. Oxon, UK: Routledge 2011
ISBN 978-0-415-81147-7
209 Seiten

 

Dr. Konstantin Butz ist künstlerisch-wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Kunsthochschule für Medien Köln