MonoNeon, Bill Drummond, Tim Exile, Musicless (Rihanna), Musicless (David Bowie & Mick Jagger), Chk Chk Chk.
MonoNeon + Publio Delgado (guitar) – »GloZell HOT PEPPER CHALLENGE« (Harmonizator)
Der Jam im Internet mit dem Content des Internet gebiert den Meta-Content desselben – und was für einen. Wenn eine junge Frau, deren Unwissen über den Schärfegrad von Habaneros offenkundig nur von ihrem Willen zur Selbstdarstellung übertroffen wird, die komplette Netzöffentlichkeit am Verspeisen der Schote und dem sich anschließenden Gaumenfeuer teilhaben lässt, liefert das auf den ersten und auch den zweiten Widerholungs-Klick noch unterhaltsame Schadenfreude. Wenn aber Dywane Thomas Jr. (aka MonoNeon), im Echtzeit Online-Jam mit Publio Delgado (Gtr.), die gutturalen Zwangslaute auf seinem linkshändig gespielten Fünfsaiter ebenso gekonnt wie harmonisch anspruchsvoll um- und nachspielt, wird aus dem – durchaus leicht affektierten – Gurgeln, Röcheln und Kreischen des unfreiwilligen Capsaicins-Opfers eine bemerkenswerte Free-Jazz-Studie. Und die ist gleichzeitig ein Lehrstück im bewussten Hören von tonalen Bestandteilen menschlicher Laute und Sprache.
Dass MonoNeon hier keinen Glücktreffer gelandet hat, sondern eine bewusste Strategie verfolgt, wird dem Zuschauer spätestens dann klar, wenn er sich die Mühe macht, das Manifest durchzulesen, das als Abbinder am Ende seiner Videos auftaucht. Hier formuliert der Fünfundzwanzigjährige einen programmatischen 10-Punkte-Plan, der das Zeug dazu hat, das KLF-Manual für die Generation YouTube zu werden.
Bill Drummond – »Singles versus Albums in Sixty Seconds«
[youtube id=“_GBq-s87R24″ mode=“normal“ autoplay=“no“] [Video nicht mehr verfügbar]
Kurzer gedanklicher Hyperlink:
Apropos KLF: Nachdem uns der schrullige Haudegen Bill Drummond im Kino ebenso konsequent wie eindrucksvoll verwehrt hat, den finalen Output von ›The 17‹ hören zu dürfen, verfolgen wir belustigt, wie der gereifte Konzeptkünstler über das Albumformat räsoniert.
Melodysheep – »The Dragons Daugther« (Game of Thrones Tribute Remix)
Was aber, wenn’s nicht passt mit dem tonalen Duktus der Stimme? Nun, dann wird das Melodyne-Brecheisen ausgepackt. Und das verstehen wenige so gekonnt anzusetzen wie John Boswell (aka Melodysheep). Schon etwas älter, aber immer noch mit einer respektablen Ohrwurmqualität ausgestattet, ist seine aus der ersten GOT-Staffel geschnittene Sprachfetzen-Schlachtplatte. Und der Winter kommt ja auch in diesem Jahr sicherlich wieder völlig unerwartet.
Tim Exile – »Bardo EP«
Einer, bei dem die fortschrittliche Echtzeit-Interaktion mit dem Maschinenpark ohnehin schon immer zentraler Bestandteil der musikalischen Arbeit war, ist der quirlige Natursympath Tim Exile. Er schreibt beim rasant an Relevanz gewinnenden Blog »Medium« in einem lesenswerten Artikel »Don’t press record, press perform« über die essentielle Erfahrung, Musik live zu spielen, und wirft zur Beweisführung direkt mal seine exquisite »Bardo EP«-Aufführung mit vollem Orchester in die Waagschale.
Rihanna – »Stay« (without Mikky Ekko) / Musicless
Und dann wäre da noch die Abwesenheit von Musik – bewusst da platziert, wo sie vorher war, und ersetzt durch eine realistische Nachvertonung. Das kann man problemlos als ironischen Seitenhieb auf die ungeklärte Verwertungslage gesperrter Videos deuten, oder lässt es und erfreut sich beispielsweise an Rihanna in einer zutiefst menschlichen Klang-Inszenierung.
David Bowie & Mick Jagger – »Dancing In The Street« / Musicless
Ach, komm – einer noch. Weil’s geht.
Chk Chk Chk – »Freedom«
Oder man singt einfach direkt ins Chat-Window wie die Chk Chk Chk’s
NUMINOS ist Autor bei der »Groove«, Produzent, DJ und Equipment-Tester und lehrt Musikproduktion am Institut für Populäre Musik der Folkwang Universität der Künste.