Affektmodellierung in Soundkonzepten der BRD
[aus: »Pop. Kultur und Kritik«, Heft 19, Herbst 2021, S. 122-155]
»Genius des Wirtschaftswunders«
Der Dirigent Herbert von Karajan ist eine der vielschichtigsten und faszinierendsten Figuren der bundesrepublikanischen Popkultur. Die eminente Wirkungsgeschichte, aufgrund derer er aus der Gruppe der bedeutenden Dirigenten des 20. Jahrhunderts heraussticht, ist nicht nur auf den Umfang seines Repertoires oder die ästhetischen Konzeptionen seiner Interpretationen zurückzuführen, sondern auch auf seine deutlich an den medialen und medientechnischen Innovationen der Nachkriegsdekaden orientierten Inszenierungs- und Vermarktungsstrategien. Der Maestro war immer mehr als ein Dirigent, und in dieser Autopoiesis eines neuen, in der strukturkonservativen Welt der klassischen Musik zuvor nicht präsenten Sozialtyps wurde er zur emblematischen und singulären Figur der alten Bundesrepublik.
Selbst wenn man berücksichtigt, dass auch andere erfolgreiche Musiker der Nachkriegsepoche wie etwa Glenn Gould oder Leonard Bernstein in vielem von der zeitgenössischen Popkultur her zu verstehen sind, bleibt Karajan in mehrfacher Hinsicht ein singuläres Phänomen und ein Dirigent der Superlative. Die ökonomische Durchschlagskraft seines Repertoires ist bemerkenswert und reicht bis in die Gegenwart: Seine Werkeinspielungen umfassen ungefähr 700 Titel, weltweit wurden rund 300 Millionen Tonträger abgesetzt. Bis heute macht sein Hauslabel, die Deutsche Grammophon, angeblich noch ein Drittel ihres Umsatzes mit Karajan-Interpretationen (vgl. Schnaas 2008).
Bei seinem Tod im Jahre 1989 hinterließ der Maestro seiner Witwe nach Schätzungen eine halbe Milliarde Deutsche Mark. Der Lebensstil des Stardirigenten entsprach diesem Nachlass in jeder Hinsicht. Prachtvolle Anwesen mit mondäner Situierung, ein Privatflugzeug, eine Highend-Yacht, exklusive Sportwagen und Motorräder demonstrierten das ökonomische Geschick des Dirigenten. Bei öffentlichen Auftritten war der Maestro von einer Schar ergebener Mitarbeiter umgeben, seine Gesprächspartner und Freunde waren Konzernlenker, Regierungschefs und der Papst. Im öffentlichen Auftreten und in der Bildpolitik ähnelte Karajan eher einem erfolgreichen Konzernchef als den Dirigenten alten Typs. Zu dieser neuartigen Inszenierungsstrategie, die den eigenen Upper-Class-Lebensstil offensiv ins Bild setzte, gehörte auch, die wesentlich jüngere Ehefrau, die naturgemäß zuvor als Model gearbeitet hatte, gelegentlich auf LP-Covern zu präsentieren oder sie später diese Plattencover gleich selbst entwerfen zu lassen.
So existierte Herbert von Karajan auf der Höhe seines Erfolges Ende der 1960er und in den 1970er Jahren in zwei Körpern: Der physische Herbert von Karajan absolvierte mit wohlorganisiertem Fleiß weltweit Konzerte und produzierte effizient und marktorientiert Schallplatten. Mit Berlin als Zentrum besetzte er in Europa Schlüsselstellungen im Konzert- und Opernbetrieb, organisierte seine eigenen Festspiele in Salzburg und gleichsam als eine noch listenreichere Version des Verträge schließenden Wotan gelang es ihm in Verhandlungen mit Kulturadministrationen und Plattenfirmen, die von ihm gewünschten Ergebnisse zu erzielen. Wo er nicht in seinem Sinne agieren konnte, gründete er eigene Unternehmen oder konstruierte subtile Modelle von Quer- und Kollateralfinanzierung. Der höchst handgreifliche und sehr konkrete Machiavellismus des Medienmanagers Karajan gewann seine Durchschlagskraft innerhalb der komplexen Strukturen des internationalen Klassikbetriebs nicht zuletzt durch die erfolgreiche Etablierung seines medialen Simulacrums. In deutlicher Adaption und Transformation von Strukturen, wie sie die Popkultur der 1960er und 1970er Jahre ausgebildet hatte, stilisierte sich der eigentlich menschenscheue Maestro zum Popstar und zur Marke. Er ist der wahrscheinlich einzige Dirigent, der auch der breiten Masse ein Begriff war.
Im Rahmen von komplexen und differenzierten Marketingstrategien gelang es Karajan, sich und seine Interpretationen zum Goldstandard, zum Garanten für Qualität und Solidität zu etablieren. Seit den 1950er Jahren war er eben nicht ein Dirigent unter vielen, sondern der Inbegriff des Dirigenten. Er rangierte national wie international in der gleichen Branding-Liga wie Porsche, Mercedes, Lufthansa oder Adidas. Diese neuartige Präsenz innerhalb einer medialen Celebrity-Kultur ist biografisch deshalb erstaunlich, weil der Workaholic Karajan jenseits der ostentativen Präsentation seiner Jetset-Attribute eigentlich nichts weniger als ein Party-Löwe war und nach den Kriterien der Boulevard-Medien ein weitestgehend skandalfreies Leben führte.
Für das Verständnis des Phänomens Karajan ist aber zentral, dass der Inszenierungs- und Bildpolitik des Maestros auch ein bestimmtes Branding auf der Klangebene entsprach. Dabei gehört die Klangästhetik des Groß-Maestros zu jenen Objektfeldern der Acoustic Studies und der Medienkulturanalyse, deren Komplexität deshalb häufig ausgeblendet wird, weil die tradierten Klischees feste Elemente der historischen Wahrnehmung geworden sind. Keine Darstellung zum Karajan-Klang kommt ohne die Textschablonen vom »Perfektionismus«, der Tendenz zum »Schönklang« und dem Vorwurf einer historischen Sound-Homogenisierung aus. Rezeptionshistorisch und kultursoziologisch formuliert wäre das Karajanʼsche Klangideal dann natürlich interpretationshistorisch veraltet im doppelten Sinne, nämlich einerseits hinter die theoretischen und praktischen Standards der interpretatorischen Reflexionen seit den 1960er Jahren zurückfallend und andererseits für eine Zielgruppe aufgeführt und aufgenommen, der es mehr um Zerstreuung und Erbauung als um differenzierte Wahrnehmung und strukturelles Hören gegangen sei. Diese Betrachtungsweise des Werkes von Karajan ist aber allein deshalb schon problematisch, weil es natürlich verkürzt ist, für eine Dirigentenkarriere, die von den späten 1920er Jahren bis zum Ende der 1980er Jahre reichte, von einem einheitlichen Soundkorpus auszugehen.
Karajans performative Karriere und die damit verbundenen Schallplatten- und CD-Aufnahmen lassen sich in unterschiedliche Phasen unterteilen, die relativ präzise voneinander abzugrenzen sind. Auf die Zeit der ersten Einspielungen bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges folgt eine Phase, in der Karajan mit dem London Philharmonic Orchestra an seiner Klangkonzeption feilt und neue Ansätze erprobt. Der klassische Karajan-Klang entsteht erst in Reinform auf der Basis seiner Zusammenarbeit mit den Berliner Philharmonikern, also seit 1955, und das zentrale Dokument und in gewisser Weise Gründungsmanifest dieses Ansatzes bildet die Gesamteinspielung der Beethoven-Symphonien aus den Jahren 1961 bis 1962. Der klassische Karajan-Klang bildet sich dann in den 1960er und 1970er Jahren in der Auseinandersetzung mit immer neuen Aufzeichnungs- und Studiotechniken aus, um schließlich einem teils ästhetisch überwältigenden und überraschenden, teils desaströsen Alters- und Spätstil zu weichen. Darum ist die Rede von dem ›einen‹ Karajan-Klang simplifizierend und unpräzise, zumal Neueditionen und Neubearbeitungen bereits vorliegender Aufnahmen das Bild noch weiter komplizieren. Von ›dem‹ Karajan-Klang lässt sich eher im Sinne einer Idee und einer stets erst konkret zu bestimmenden Kategorie sprechen. Solche notwendigen Differenzierungen eliminieren jedoch nicht die Möglichkeit, die Konturen ebendieser Karajan-Ästhetik zu bestimmen.
Produzent und Träger und materieller Ausgangspunkt des Karajanʼschen Klangideals sind die Berliner Philharmoniker. In jahrelanger praktischer Arbeit und in Auslöschung zahlreicher Relikte der Furtwängler-Ära schafft Karajan einen Sound, der einige einfache, aber distinkte Teilelemente umfasst. Grundsätzlich gesagt sollen die besten Orchestermusiker in der Lage sein, bei Aufführungen und Aufzeichnungen kontinuierlich auf ununterbrochen hohem Niveau zu musizieren. Die dabei wahrnehmbare Klangsignatur ist gekennzeichnet durch ein optimales Zusammenspiel des gesamten Orchesters, durch perfekte Solisten und Solistinnen, einen singulären Reichtum an Klangfarben und eine fallweise aktivierbare Gruppe von Streichern, Holz- und Blechbläsern, die bestimmten Passagen des klassischen Repertoires gleichsam einen Intensitätszuwachs verschaffen. Das insbesondere auf Schallplatten und CD-Einspielungen imposant und polarisierend umgesetzte Klangideal präsentiert sich als entmaterialisiert und zugleich ansatzlos purifiziert. Komplexe symphonische Werke werden eher von einem Grundrhythmus her, von übergreifenden Strukturen und auf der Basis eines gleichbleibenden Pulsschlages präsentiert als ausgehend von Einzelelementen und Brüchen. Historizität und Philologie spielen im Karajanʼschen Klangkosmos nicht die geringste Rolle. Abgesehen von wenigen Ausnahmen, wie etwa bei Bach- und Händel-Einspielungen, ist das opulente Symphonieorchester in der Tradition des 19. Jahrhunderts Karajans Referenz.
Als Ergebnis dieser über Dekaden sich erstreckenden Suche nach dem perfekten Klang entstehen Aufführungen und Aufnahmen, die unschwer dem gleichen Dirigenten und dem gleichen Orchester zuzuordnen sind. Im Kern bedeutet dies die konzeptionelle Dominanz des Sounds über die Interpretation. Bevor man über diesen ästhetischen Ansatz vorschnell den Stab bricht, sei daran erinnert, dass die Auseinandersetzung mit dem Spannungsverhältnis von Interpretation, Klangkörper und Mediendispositiven seit den 1950er Jahren auch bei anderen Interpreten wie etwa Glenn Gould eine zentrale Rolle spielte.
Natürlich sind Karajans Klanginszenierungen, live oder auf Schallplatte bzw. CD, nicht in einem interpretatorischen Niemandsland entstanden. Der Maestro selbst nannte immer wieder Toscanini und Furtwängler als seine Bezugspunkte, und sein straffes, schlankes Tempo sowie sein nuancenreicher, dabei eher unpathetischer Regiestil wurden schon seit den 1930er und 1940er Jahren als neusachlich beziehungsweise modernistisch wahrgenommen und eingeordnet (vgl. Caskel 2020: 292ff.). Der spezifische interpretatorische Modernismus Karajans war für einen gewissen Zeitraum, von den 1950er Jahren bis ungefähr zur Mitte der 1960er Jahre, auch für anspruchsvolle Musikkritiker und Musiktheoretiker (manchmal gerade noch) akzeptabel und insbesondere für ein breiteres Publikum von Konzertbesuchern und Schallplattenkäufern attraktiv. Diese Konstellation zerfiel spätestens seit den 1960er Jahren, und als Karajan in den 1970er Jahren endgültig der Mega-Super-Popstar unter den Dirigenten war, galt er bei anspruchsvolleren Musikrezipienten und theoretisch ambitionierten Musikwissenschaftlern und -theoretikern als Inbegriff von Kommerz, Korruption und Kontrollwahn. Die Gründe dafür sind vielfältig. Der Siegeszug der historischen Aufführungspraxis ließ seine Interpretationen verstaubt, altmodisch und uninspiriert erscheinen, die Kanonisierung Theodor W. Adornos innerhalb der Musikwissenschaft führte zur Übernahme der Idiosynkrasien und Anathemata des Frankfurter Meisterdenkers, und der glamouröse Jetset-Lebensstil des Maestros tat sein Übriges.
Man kann nun darüber spekulieren, ob es primär die trotz ihrer scheinbaren Glätte häufig provokante Klang-Ästhetik Karajans oder seine für die Klassikszene neuartige und verstörende Celebrity-Inszenierung war, die ihn für Musiktheoretiker zum Antichristen und für Musikhörer zum ›guilty pleasure‹ machten. Fakt ist, dass es keinen Dirigenten des 20. Jahrhunderts gibt, der in dem Maße polarisierte, wie es Karajan tat. Auf der einen Seite begleitete ihn seit seinen Anfängen in den 1930er Jahren ein permanentes Hintergrundgeräusch von Panegyrik und literarischem Hofschranzentum, das ex post auch noch heute unangenehm berührt (vgl. u.a. Löbl 1965, 2014; Haeussermann 1968). So ölig nicht selten die Lobeshymnen auf das ›Wunder Karajan‹ waren, so säurehaltig waren auf der anderen Seite die Verrisse der Kritiker. So ist die Monografie von Robert C. Bachmann (1984) ein knapp 400 Seiten umfassendes Dokument des Hasses und der Verachtung. Dem Geist der Zeit entsprechend wird die ästhetische Minderwertigkeit des Dirigenten insbesondere durch breitgefächerte, spekulative bis küchenpsychologische Persönlichkeitsanalysen herauspräpariert. Bei Bachmann wie bei zahlreichen anderen Karajan-Verächtern ist natürlich seine Rolle im Nationalsozialismus zentral. Den polemischen Höhepunkt erreicht hierbei unbestritten Norman Lebrecht, der seine biografische Skizze zu Karajan als eine Art Doppel-Biografie von Hitler und Karajan anlegt. Eine Zwischenbilanz Lebrechts dazu lautet folgendermaßen: »Bestimmte Fähigkeiten und Charakterzüge Karajans ähnelten denen Hitlers: eine bemerkenswerte Konzentrationsgabe, die Ausrichtung auf langfristige Ziele sowie eine asketische, asexuelle Ausstrahlung […]. Karajans Auftreten prägte ein tiefsitzender Narzißmus« (Lebrecht 1993: 129).
Lebrecht und Bachmann stehen mit dieser Form von Kritik nicht alleine da, es lässt sich mit Verweis auf zahlreiche journalistische, wissenschaftliche und populärwissenschaftliche Publikationen sehr leicht demonstrieren, dass Karajan unter den Dirigenten des 20. Jahrhunderts eine offenkundig singuläre Reizfigur darstellte, die über Dekaden biografische und werkanalytische Schmähkritik provozierte. Wer sich aktuell mit dem Werk des Maestros beschäftigt, tut gut daran, die Topoi des Karajan-Kritik-Diskurses analytisch ernst zu nehmen. Die Verachtung, mit der zahlreiche, wenn auch nicht alle Biografen, Journalisten und Musikwissenschaftler der Person und dem Oeuvre des für viele offenbar höchst »seltsamen Mannes« (vgl. Stresemann 2008) begegnen, sagt bei distanzierter Betrachtung mehr über die Dogmen, Ausblendungen und Fixierungen der Kritiker aus als über Karajan selbst. Eine Diskursanalyse der über Karajan gefällten ästhetischen Verdikte kann sogar den Zugang zu einem tieferen Verständnis der Struktur seines Ansatzes ermöglichen. In jedem Fall bleibt festzuhalten, dass den Kritikern die häufig prekären Implikationen ihrer Befunde selbst nicht zugänglich waren. So ist Norman Lebrecht, der Karajan sehr ausführlich als eine Art dirigierenden Hitlers porträtiert, durchaus nicht klar, dass die von ihm diagnostizierte »weiche Glätte« und die virtuos effektvolle »Ansichtskartenästhetik« des Karajan-Sounds einem Topos der antisemitischen Musiktheorie der Nazizeit entspricht. Wenn der Neo-Mystiker, Präsenzästhetiker und Technophobiker Sergiu Celibidache den Karajan-Sound mit Coca-Cola vergleicht, dann verbirgt sich hinter diesem mäßig originellen Schmäh-Diktum eher ein medientheoretisches und ästhetisches Problem, als dass Karajan darunter zu rubrizieren wäre (vgl. Kraemer 2020: 383-400). Gerechterweise muss hinzugefügt werden, dass spätestens seit der großen Monografie von Uehling auf verschiedenen Ebenen eine abgewogene und differenziertere Wahrnehmung des Karajan-Diskurses erfolgt (vgl. Caskel 2020).
Aus dem umfangreichen Korpus der Karajan-kritischen Publikationen sticht ein Text Theodor W. Adornos hervor, weil dieser eine für die Rezeptionsgeschichte Karajans ungemein einflussreiche Formulierung geprägt hat und diese, gegen den Strich gelesen, das Phänomen Karajan zu verstehen hilft. Adorno rezensierte im Jahr 1965 die brave und tendenziell panegyrische Karajan-Biografie Ernst Haeussermanns. Das Buch ist leichte Beute für den Journalisten und Polemiker Adorno, doch der boshafte Verriss ist für den Frankfurter Meisterdenker eigentlich nur ein Vehikel, um mit dem zu dieser Zeit auf dem Höhepunkt seines Ruhms und Erfolgs stehenden Karajan abzurechnen. Dabei ist der von Adorno formulierte Sündenkatalog des Maestros für diejenigen überraschungsfrei, die mit der kulturkonservativen Dogmatik und der von rationalisierten Idiosynkrasien geprägten Musikästhetik Adornos vertraut sind. Karajan sei, so Adorno, deshalb ein musiktheoretischer Problemfall, weil er sich zu wenig mit der Wiener Avantgarde um Arnold Schönberg auseinandergesetzt habe. Schlimmer noch, Karajan huldige dem Stilideal der Klangschönheit und der Versöhnung. Die bei der Umsetzung dieses Klangideals zentrale Auseinandersetzung mit der technischen Seite der Klangaufzeichnung deutet Adorno aus dem Kontext seiner eigenen Theorie als eine Fetischisierung des Gadgets. Zusätzlich kommt Adorno zu dem Urteil, dass der Konzert- und Opernmanager Karajan in seiner auf Effizienz und Arbeitsteiligkeit abhebenden Arbeitsorganisation an verschiedenen Häusern in Europa eine Art kapitalistische, kulturindustrielle Strategie verfolge, die problematisch sei. Adorno fasst seine Kritik in einer Formulierung zusammen, die kontextualisiert und gegen den Strich gelesen über die Karajan-Stereotypen hinausführen kann. Adorno führt aus: »Nicht nur die Sprache ist dem Kommerz entlehnt: das Erstklassige, die Prominenz, die ›Spitzenleistung‹. In Karajan setzt ein objektiver gesellschaftlicher Zwang bis ins innerste Gefädel der musikalischen Darbietung sich um. Er war der musikalische Genius des Wirtschaftswunders« (Adorno 1968).
Adornos Formulierung vom »Genius des Wirtschaftswunders« erlangte einige Prominenz und wurde zu einer kanonisierten Erklärungsformel für das Phänomen Karajan. Dabei ist jedoch den vielen Epigonen, die Adornos Formulierung aufgegriffen haben, etwas entgangen, denn ein ›close reading‹ dieses boshaften Aperçus sagt mehr und Komplexeres über das Verhältnis zwischen den Soundinszenierungen Karajans und der Psychohistorie der Bundesrepublik aus, als die damit verbundenen Klischees suggerieren. Schon bei Adorno ist diese Formulierung bei genauerer Betrachtung seltsam aporetisch. In einem Text, der Mitte der 1960er Jahre verfasst wurde, Karajan mit dem Wirtschaftswunder zu verbinden heißt, seine Modernität und Innovationskraft zu bestreiten und ihn zu einem im Grunde schon obsolet gewordenen Dirigenten zu erklären. »Wirtschaftswunder« als ästhetische Vorordnung bedeutet, die Klangwelten Karajans in einen Kontext von Käseigel, Musiktruhe und Nierentisch zu stellen, also eine ästhetische Übereinstimmung mit den konsumistischen Biedermeierwelten der 1950er Jahre zu behaupten. Grund für diese Einschätzung bilden bei Adorno Karajans angebliche Modernitätsverweigerung in Bezug auf die Avantgarde der 1920er Jahre, seine Technikfixiertheit und sein Klang-Ästhetizismus. Dies trifft, bringt man die Widersprüche und Dogmatismen von Adornos Musikphilosophie in Anschlag, offensichtlich nicht den Punkt, und so wäre zu fragen, worin denn eigentlich, jenseits konventionell kritisch-theoretischer Schemata, das Wirtschaftswunderliche bei Karajan liegt.
Eine einfache Antwort besteht zunächst darin, dass der Maestro einmal höchstselbst sein eigenes Wirtschaftswunder war und damit zu einem Dirigenten neuen Typs wurde. Bei allem Erfolg waren selbst Stars wie Arturo Toscanini, Wilhelm Furtwängler und auch Leonard Bernstein immer noch in gewisser Weise abhängig von den Institutionen des Musikmarktes, d.h. von Opern und Konzerthäusern, Kulturinstitutionen und Plattenfirmen. Karajan gelang es, zentrale Schaltstellen institutioneller Macht nachhaltig zu besetzen, den Plattenfirmen seinen Willen aufzuzwingen, indem er sie gegeneinander ausspielte – und durch seine Verkaufserfolge legte er auch die Berliner Philharmoniker für sehr lange Zeit in goldene Fesseln. Kurzum: Auf dem Höhepunkt seiner Macht und seines Erfolges war aus Karajan ein Dirigent neuen Typs geworden, der durch die konsequente Aneignung der Produktionsmittel und Verfügungsgewalt über die Institutionen zu einem Unternehmer mutierte, den man durchaus im Kontext der anderen großen Wirtschaftsmagnaten der alten Bundesrepublik wie Neckermann oder Burda ansiedeln kann. Das Ergebnis dieses langen und durchaus arbeitsreichen Prozesses war für Karajan die maximale ästhetische Souveränität. Er konnte dirigieren und aufnehmen, wann und was er wollte, und bestimmte Herzensprojekte, die er nicht wie üblich im Modell komplexer Fremd- und Querfinanzierungen realisieren konnte, bezahlte er aus eigener Tasche. Er musste sich weder einem Wieland Wagner noch Medienmanagern beugen. Der Weltkonzern Sony stellte ihm stets die neuesten Gadgets zur Verfügung, nicht zuletzt, weil der Firmenchef es sich als Ehre anrechnete, Karajans Freund zu sein. So ist es kein Wunder, dass der Dirigent Karajan sich von jeglicher Frack- und Staatsratsikonografie verabschiedete, wie sie für Dirigenten alten Schlags charakteristisch war. Karajans dezidiert auf die Moderne verweisende Bild- und Inszenierungspolitik reflektierte damit das idealisierte Selbstbild der Bundesrepublik bis in die 1970er Jahre hinein. Die windschnittigen Frisuren, die Rollkragenpullover und die Sneakers der Marke Adidas, der Porsche und der Privatjet, die modernistische Villa in Anif, diese immer wieder ausgestellten Attribute eines erfolgreichen Wirtschaftskapitäns sind nicht nur Markierungen von Status, sondern auch Modernitätszeichen. Sie reflektieren damit ein neuartiges ästhetisches Konzept, nämlich die Dezentrierung einer Präsenzästhetik durch eine technikaffine Ästhetik der Reproduktion.
Obwohl Karajan von seinen Anfängen bis kurz vor seinem Tod durchgängig Live-Konzerte absolvierte, steht sein gesamtes Schaffen und seine Klangästhetik im Zeichen der Speichermedien Schallplatte und CD. Diese Speichermedien waren für ihn eben nicht Supplement des singulären und auratischen Präsenzkonzertes, sondern ein eigenständiges ästhetisches Dispositiv. Insofern könnte das Motto seiner gesamten Veröffentlichungspolitik und -strategie so lauten wie der Werbeslogan eines bekannten Automobilbauers: »Vorsprung durch Technik«. Was aus der Sicht einer in sich durchaus nicht unproblematischen Musikästhetik à la Adorno natürlich ein Frevel erster Güte ist, erscheint aus einer etwas differenzierteren Perspektive als eine eher avantgardistische Position. Der Dirigent wird bei Karajan zum Produzenten und entdeckt den ästhetischen Eigenwert und die Produktivkraft des Dispositivs Studio. Dies war eine Position, die in der Popkultur seit den 1960er Jahren – denkt man etwa an Alben wie »Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band« der Beatles oder »Pet Sounds« der Beach Boys, die beide Zäsuren in der Produktionstechnik bedeuteten – schon längst ihren Platz gefunden hatte, während die Karajanʼsche Sensibilität für die formatierende Kraft klangtechnischer Dispositive im Klassiksektor ungewöhnlich und neu war.
Ein Bruder im Geiste war hier Glenn Gould, der aber ganz andere Konsequenzen aus einer solchen Ausrichtung zog. Während Gould konsequent ab einem bestimmten Punkt auf Konzerte verzichtete und die Bearbeitung und die bricolageartige Präsentation der Aufzeichnung in das Zentrum seiner Produktionsästhetik stellte, ging Karajan einen anderen Weg, um die jeweils technisch avancierte Klangaufzeichnung und Klangbearbeitung zu gestalten. Dabei war der Aufzeichnungsprozess durch Orchester und Dirigent am Modus des Live-Konzerts orientiert, weil Karajan Unterbrechungen und Neuaufnahmen durchaus nicht schätzte und durchspielen ließ, wo immer es möglich war. Diese produktive, häufig singuläre Aufnahmen hervorbringende Orientierung zur Klangtechnik begleitet Karajan über den gesamten Zeitraum seiner Karriere. 1944 nahm er zum ersten Mal Bruckner in Stereo auf, und zu Beginn der 1980er Jahre wurde er zum Propheten der CD als Speichermedium. Auf diese Weise wurde der technikaffine Maestro zum Exportweltmeister in Sachen Klassik und zur internationalen Größe des Musikbetriebs.
Nicht anders als andere Größen aus Politik und Wirtschaft reagierte Karajan auf Fragen nach seiner Rolle im Dritten Reich. Karajan zeigte über das erzwungene und unbedingt notwendige Maß hinaus nicht die geringste Neigung, sich mit seiner Rolle im Dritten Reich auseinanderzusetzen, er flüchtete sich in Beschönigungen und Ausflüchte und war nichts weniger als bußfertig und einsichtig. Karajans, um es vorsichtig zu sagen, legere Haltung im Umgang mit seiner nationalsozialistischen Vergangenheit, gipfelnd im Vergleich der NSDAP-Mitgliedschaft mit einem Skipass, ist für das Verhalten der bundesrepublikanischen Eliten im Kontext der Vergangenheitspolitik und -aufarbeitung exemplarisch und zeittypisch. Karajan-spezifisch ist aber sicher der Gedanke der Erwähltheit und der eines Dienstes an einer verabsolutierten und apolitischen Kunstideologie.
Diese Sachlage macht ihn einerseits zu einem typischen Vertreter des bundesrepublikanischen Spitzenpersonals der 1970er und 1980er Jahre, andererseits verweist seine die Systeme überspannende Dirigenten-Karriere auf ein diskurshistorisches Grundproblem tieferer Natur. Die Frage, ob die empirische Person Herbert von Karajan im klassischen Sinne ein ›Nazi‹ war, ist aus moralischer Perspektive sicherlich angebracht, aber im Grunde nicht beantwortbar. In Bezug auf das Werk Karajans stellt sich vielmehr die Frage, ob die Interpretations- und Soundpraxis Karajans in irgendeiner Weise nationalsozialistisch imprägniert ist. Wie oben erwähnt, haben bestimmte biografische Zugänge eine Art ›Hitler-Gen‹ in seinen Dirigaten identifiziert. Neben etwas primitiven biografisch historischen Analogiebildungen wie bei Lebrecht oder unfreiwillig komischen Psychospekulationen à la Bachmann gibt es in der wissenschaftlich seriösen Interpretationsforschung moderneren Zuschnitts Positionen, die Karajan etwa vom Konzept der NS-Musikdoktrin einer »stählernen Romantik« ausgehend untersuchen wollen (vgl. Stollberg 2020: 349). Diese wissenschaftlichen Positionierungen verwickeln sich jedoch in interpretationsgeschichtliche und theoretische Widersprüche, zudem sind sie vom Material her kaum zu entwickeln. Mit gleichem Fug und Recht könnte man mit solchen Paradigmen auch die Beschleunigung und Versachlichung von Bach und Mozart durch Glenn Gould in eine ähnliche Tradition rücken. Wenn Karajans Werkbiografie in ganz besonderer Weise geeignet sein sollte, Formen der Kontinuität zwischen dem Dritten Reich und der Bundesrepublik aufzuzeigen, die jenseits der Aufdeckungsfigur der »Verstrickung« liegen, dann lassen sich diese Bezüge nur durch eine genauere Betrachtung der Rolle von Klang und Musik im Nationalsozialismus entfalten.
Sirenenklänge
Die ästhetischen und politischen Konfigurationen, die für Musik und Musikleben im Nationalsozialismus prägend waren, gehören mittlerweile zu den intensiv erforschten Feldern in unterschiedlichen Disziplinen (vgl. Wulf 1989; Prieberg 2015; Epping-Jäger 2014; Dreckmann 2017). Dass es dabei aber dennoch zu zahlreichen Ausblendungen und Verzeichnungen kommt, liegt an der komplizierten Wechselbeziehung unterschiedlicher Diskurs- und Handlungsfelder innerhalb der nationalsozialistischen Musikpolitik.
Soll die umfangreiche Forschungsliteratur zur Rolle der Musik im nationalsozialistischen Deutschland auf die prägenden Grundstrukturen reduziert werden, dann ergibt sich das folgende Bild: Vereinfacht gesagt konnten sich die Nationalsozialisten zunächst einmal auf die ästhetischen Paradigmen des 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts beziehen. Hier gab es eine Tradition in Ästhetik und Musikwissenschaft, innerhalb derer die große klassische Musik bis Bruckner nicht nur als »die deutscheste aller Künste« rezipiert wurde, sondern geradezu als klingende Signatur nicht nur der kulturellen, sondern der politischen Eminenz des Deutschen Reiches galt (vgl. Applegate/Potter 2002; Potter 2000). Aus dieser Grundfigur folgten mehrere diskursive Operationen, die für die Nationalsozialisten theoretisch und praktisch anschlussfähig waren. Die große Musik der Komponistentitanen galt nicht nur als der deutschen Volksseele entsprungen und repräsentativ für diese, die Komponisten wurden biografisch und diskursiv mit politischen und ideologischen Strukturen kurzgeschlossen. Wenn Alfred Rosenberg konstatiert, man lebe heute, 1927, in der »›Eroica‹ des deutschen Volkes« (zit. n. Brinkmann 2000: 109), dann erfolgt in neuartiger und radikaler Weise eine Art direkter Identifikation der Musik mit der politischen Aktion, und ebendiese Aktion ist Resultat des Schaffens von Beethoven, das als prototypisch verstanden wird. Pointiert formuliert Rosenberg: »Einen Tag lang wollen wir uns gestatten, an der größten Herzenserweiterung teilzunehmen im Bewußtsein, daß der Deutsche Beethoven über alle Völker des Abendlandes hinausragt und den besten unter ihnen als ein Zentrum echter Schöpferkraft gilt. Dann aber wollen wir daran denken, daß Beethoven für uns den treibenden Willen zu deutscher Gestaltung abgeben kann und muß. Denn wir leben heute in der ›Eroica‹ des deutschen Volkes« (ebd., Herv. d. O. weggelassen).
Solche nationalistisch-völkischen Überdeterminationen klassischer Komponisten und herausragender Werke funktionierten natürlich dort am einfachsten, wo sich wirkungsgeschichtlich und rezeptionsästhetisch signifikante Paradiskurse ausgebildet hatten. Musterbilder sind dabei die Fälle Bach, Beethoven, Wagner und Bruckner. Gleichzeitig verweisen gerade diese vier Paradigmen für die Ideologisierung der Musikgeschichte auf ein Grundproblem der nationalsozialistischen Musikästhetik und -praxis, das häufig unterbelichtet bleibt. Wenngleich die nationalsozialistische Musikästhetik vor und nach der Machtergreifung an Deutungsmuster, Ideologeme und Interpretationsvorgaben im Bereich der Klassik anknüpfen konnte, die um Nationalismus, Antiliberalismus und Antisemitismus kreisten, ergab sich ab 1933 für die konkrete musikpolitische Praxis ein Problem, das zur Signatur dieses Zeitraums werden sollte und die historischen Rekonstruktionen und Bewertungen zum Teil so komplex und widersprüchlich macht. Denn obwohl eine nationalistische Musikwissenschaft, eine chauvinistische Kulturpublizistik und einflussreiche Influencer, wie etwa die Gruppe um die »Bayreuther Blätter«, spätestens seit der Einigung von 1871 für eine völkische Kontextualisierung klassischer Musik deutscher Provenienz gesorgt hatten, war das um den ideologischen Glutkern an seinen Rändern ohnehin schon diffuse und in vielem nicht ausgehandelte ideologische Konzept der nationalsozialistischen Ästhetik nicht ohne Probleme. Es bedeutete, groteske ideologische Muster auf die Musikgeschichte und Interpretationsgeschichte zu applizieren, was dazu führte, dass es keine bruchlose und konsistente nationalsozialistische Musikästhetik geben konnte, weil sich viele Biografien und Werke eo ipso gegen zentrale Elemente des nationalsozialistischen Dogmatismus als widerständig und sperrig erwiesen. Bachs Kantaten und Oratorien waren im Kern für ein areligiöses und antikirchliches Regime trotz der ideologischen Verrenkungen deutscher Christen und des Konzepts eines arischen Christus ebenso ein Problem wie der englische Lebensmittelpunkt des musikalischen Migranten Händel. Auch Beethoven wurde zumindest temporär zum politischen Verdachtsfall (vgl. Buch 2000: 279). Bei Bruckner führte der Versuch, Hitlers ausgesprochenen Lieblingskomponisten aus den Fängen des Klerikalen zu befreien, zu komplexen philologischen und interpretatorischen Positionierungen und Interventionen. Selbst der fälschlicherweise als emblematisch für das Regime angesehene Richard Wagner war aus nationalsozialistischer Perspektive eher ein musikästhetischer Problemfall. Thomas Mann hat in seinem skandalisierten Essay »Leiden und Größe Richard Wagners« den Finger in diese Wunde gelegt und herausgestellt, wie stark die Dekadenzmotivik bei Wagner ausgeprägt ist und wie wenig er damit für eine Indienstnahme im Sinne der »Kraft durch Freude«-Ideologie taugt. Weder die Mitleidsideologie des »Parsifal« noch der anarchistische Pessimismus des »Ring« sind mit der Ideologie des Nationalsozialismus kompatibel, erst recht nicht die im »Ring« überdeutlich verkapselten sozialistischen Elemente. Obwohl das kollektive Gedächtnis hier in andere Richtungen geht, wussten dies eigentlich auch nicht wenige Nazis (vgl. Bermbach 2011: 462f.).
Der primitiv paranoide Antisemitismus des Regimes führte auf theoretischer und praktischer Ebene zu einem absurden und grotesken System der Ausgrenzungen, Verbote und Tabus. In der organisatorischen und politischen Praxis des NS-Musikregimes führte die Logik des Verdachts und die auf surrealen Prämissen aufbauende Theoretisierung im Bereich der Musikästhetik zu den teils abstoßenden, grotesken und kuriosen Ergebnissen, welche die Lektüre von Quellen zum Thema zu einem verstörenden Erlebnis machen (vgl. Wulf 1989). Die außerordentliche Rolle klassischer Musik im Dritten Reich und die damit verbundene propagandistisch-repräsentative Indienstnahme von Komponisten, Dirigenten, Interpreten und Klangkörpern bekam ihre spezifischen und singulären Konturen durch die musikalischen Obsessionen des totalitären Spitzenpersonals und die sich dadurch ausbildende musikpolitische Polykratie. Die große Bedeutung, die klassische Musik und ihre Inszenierung für Hitler und seine Paladine hatte, führte zu einer zur organisatorischen und finanziellen Herausstellung jener Komponisten, die vom Regime als besonders NS-affin interpretiert wurden oder schlicht und einfach von Hitler favorisiert wurden, also Bruckner und Wagner. Beethoven genoss eine Sonderstellung für das Regime; Brahms rangierte in der Skala von Hitlers Lieblingskomponisten weit abgeschlagen. Orte wie Bayreuth erfreuten sich höchster Protektion; Neugründungen wie das Orchester in Linz gehen auf Hitlers Vorliebe für seinen Landsmann Bruckner zurück.
In der konkreten Organisation des im totalitären Deutschland unter permanenter Überwachung und Steuerung stehenden Musiklebens äußerte sich die besondere Rolle der Musik für Hitler und seine Spießgesellen auf unterschiedliche Weise. Selbstverständlich genossen regimekonforme Komponisten, Dirigenten, Interpreten und Musikmanager zahlreiche Privilegien, Formen der Protektion und Sonderrechte, unter denen die existenziell wichtigste seit Kriegsausbruch die Freistellung vom Wehrdienst war. Gleichzeitig führte das feudalistische System allerhöchster Vorlieben und Abneigungen im Zusammenhang der ebenso rigiden wie polykratischen Organisation des NS-Kulturbetriebs aber dazu, dass sich Komponisten, Dirigenten und Interpreten sehr schnell im Dickicht zwischen Tabu und Freiraum verfangen konnten. Dies musste Karajan am eigenen Leibe erfahren, den nicht nur das eifersüchtige Reviergebaren Wilhelm Furtwänglers und die damit verknüpften Intrigen durch Goebbels die veritable Spitzenkarriere kostete, sondern auch eine missglückte Aufführung von Wagners Meistersingern, die ihm Hitlers Missbilligung einbrachte, weil dieser das für Karajan typische auswendige Dirigieren ablehnte (vgl. Osborne 2002: 178f.). Obwohl die ästhetischen und musikpolitischen Elemente des Nationalsozialismus in ihrer primitiven Eindeutigkeit, nämlich der völkischen-rassistischen, anti-modernen, antisemitischen und propagandistischen Ausrichtung, an sich unterkomplex waren, führten die beschriebenen Aporien und Paradoxien dazu, dass die konkrete ästhetische, organisatorische und politische Auslegung ad hoc und kasuistisch entwickelt werden musste. Nationalsozialistische Musikästhetik ist immer auch ein Prozess der paranoiden Aushandlung von Positionen und Idiosynkrasien.
Doch es wäre verfehlt, die nationalsozialistische Musikpolitik nur ausgehend von den Ideologien und Idiosynkrasien der braunen Machthaber zu beschreiben. Gerade die mit den Namen Furtwängler und Karajan verbundenen Problemfelder verweisen auf Brüche und Kontinuitäten in der Rezeption klassischer Musik zwischen Nationalsozialismus und BRD. Will man diesen Punkt genauer bestimmen, muss man die exorbitant wichtige Rolle der Musikrezeption und der Sound-Kulturen im Nationalsozialismus in den Blick nehmen. Jenseits der mittlerweile kaum noch zu überschauenden Literatur zu Musik und Klang im Nationalsozialismus ist hier eine Beobachtung zu machen, die noch nicht systematisch aufgearbeitet wurde. Wer immer sich mit zeitgenössischen Quellen zum Nationalsozialismus beschäftigt, sei es mit Tagebüchern, Autobiografien und Briefen, aber natürlich auch mit Film- und Tondokumenten, dem fällt die zentrale Bedeutung auf, die musikalische Erlebnisse für die Alltagswelten, die Selbsterfahrung der Individuen und die Konstitution von Gemeinschaft einnehmen.
Der Propagandafilm »Hitlerjunge Quex« (1933) führt beispielhaft vor, wie die Initiation in die nationalsozialistische Volks- und Kampfgemeinschaft durch Musik und das Musizieren erfolgt. Der in einem als fanatisch und sittenlos gezeichneten kommunistischen Milieu aufwachsende Lehrling Heini Völker erfährt sein Konversionserlebnis zu Beginn des Films, als er das Hitlerjugend-Lied »Vorwärts, vorwärts« erstmals hört. Die entsprechende Filmszene zeigt auf exemplarische Weise die Verschaltung von Musik und Körpergedächtnis. Beim erstmaligen Hören des Marschlieds beginnt der angehende Hitlerjunge rhythmisch auf der Stelle zu treten und stimmt zu Hause sehr zum Missfallen seines kommunistischen Vaters den Text von »Unsere Fahne flattert uns voran« an, worauf er von diesem mit Gewalt zum Anstimmen der »Internationale« gezwungen wird. Die Filmszene aus der Frühzeit der nationalsozialistischen Propaganda zeigt die Parallelführung einer Ideologisierung des Musizierens und einer Anknüpfung an das Konzept der Volksgemeinschaft (vgl. Hoffmann 1988: 58ff.).
Dieses Beispiel macht jedoch auf seine Weise auch deutlich, dass die Musikpolitik des Nationalsozialismus in Bezug auf die klassische Musik vor einer besonderen Herausforderung stand, die beim propagandistischen Einsatz von Märschen, Kampf- und Volksliedern, völkischem Chorgesang und ähnlichem nicht bestand. Die großen Werke der klassischen Musik mussten aufgrund ihrer komplexen Traditionen und divergenten Semantisierungen und Kontextualisierungen explizit für den nationalsozialistischen Propagandaeinsatz und die Mobilmachung der Affekte interpretiert und in vielerlei Hinsicht gereinigt werden. Der von den Nationalsozialisten als Komponist völkisch-heroischer Symphonien reklamierte Beethoven bildete durch seine Textwahl für den Schlusssatz der 9. Symphonie dabei ebenso ein großes Problem wie die katholischen Prägungen eines Bruckner (vgl. Buch 2000: 254-280; Brüstle 1998: 263).
Deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, jeweils das Wechselspiel zwischen nationalsozialistischen Propagandastrategien und musikalischer Praxis zu rekonstruieren. So ist ein Auslandskonzert von Karajan in Frankreich natürlich eine imperial-propagandistische Geste, bei der im Medium der Musik die Superiorität des Großdeutschen Reiches demonstriert werden soll. Wenn aber der musikalische Botschafter dieses Dritten Reiches auf subtile und kenntnisreiche Weise einen französischen Komponisten des Impressionismus in sein Programm aufnimmt und interpretiert, wird diese ursprüngliche Intention partiell unterlaufen (Osborne 2002: 225). Auch auf der Rezeptionsseite lassen sich viele Beispiele für die Komplexität der musikalischen Semantisierung und Kodierung finden. Im Oktober 1944 etwa will der Ordonnanzoffizier des Generalfeldmarschalls Erich von Manstein für seinen Chef und sich Karten für ein Konzert in der Staatsoper organisieren. Er ist erfolgreich und bekommt Karten für ein Konzert mit Bruckners 8. Symphonie, dirigiert von Herbert von Karajan. Die Reaktion des Feldmarschalls fällt wenig begeistert aus: »Manstein erschrak, als ich ihm meinen Erfolg meldete. ›Mein Gott, Bruckner‹, stöhnte er. ›Warum nicht Mozart?‹« Sein Ordonnanzoffizier Stahlberg dagegen hält für sich fest: »In diesen Tagen war ich aber in einer Stimmung, in der ich Bruckner hören wollte, gerade jetzt Bruckner« (Stahlberg 1987: 402). Diese Szene ist von einiger Bedeutung für das Verständnis der Rolle von klassischer Musik und ihrer Interpretation während des Nationalsozialismus. Manstein war gerade von Hitler entlassen und mit den Folgen des missglückten Attentats vom 20. Juli 1944 konfrontiert worden. Sein Erschrecken über Bruckner macht nur Sinn, wenn man weiß, dass dieser als ausgesprochener Lieblingskomponist Hitlers galt und von den Nazis als musikalischer Herold völkisch-schicksalhafter Erhabenheit reklamiert wurde. Mozart erscheint in diesem Fall für von Manstein als alternative Option, weil dieser politisch ideologisch weniger markierbar und markiert war und für den geplagten Generalfeldmarschall Erholung von allzu viel heroischer Schicksalhaftigkeit versprach. Sein Ordonnanzoffizier Stahlberg wiederum positioniert sich anders. Er will gerade jetzt Bruckner hören, offenkundig um zu zeigen, dass dieser nicht durch das Regime vereinnahmbar ist und dass er bereit ist, den Ereignissen im Gefolge des 20. Juli nicht mit Eskapismus, sondern aktiv zu begegnen. Die Pointe dieser Anekdote liegt darin, dass es gerade Karajan war, der hier Bruckners 8. Symphonie interpretierte. Es ist offensichtlich, dass diese unterschiedliche Rezeption einer Bruckner-Symphonie durch den aktuellen zeitgeschichtlichen Kontext bestimmt ist. So hört der Hitler zumindest ambivalent gegenüberstehende Generalfeldmarschall dessen Lieblingskomponisten nur ungern, sein mit Widerstandskreisen verbundener Adlatus inszeniert seine Bruckner-Aneignung hingegen als eine Art trotziger Widerständigkeit, zumindest literarisch. Hiermit ist ein Grundprinzip der Rezeption nicht nur klassischer Musik während der Zeit des Nationalsozialismus verknüpft: Die Tendenz des Regimes zur propagandistischen Affektmobilisierung findet in der musikpolitischen Praxis, soweit die individuelle Rezeption angesprochen ist, eine doppelgesichtige Umsetzung. Die autobiografische Anekdote entbirgt so ein weiteres wichtiges Charakteristikum für die Rezeption klassischer Musik im Nationalsozialismus: das Element der Affektintensivierung.
Einerseits versuchte die Musikpolitik des Nationalsozialismus in linearer Weise die Tiefendimension klassischer Musik affektpolitisch zu funktionalisieren. Das semantisch-pragmatische Einsatzfeld war dann recht eindeutig. Die Fanfaren von Liszts »Les Préludes« leiteten Wochenschau-Berichte von Siegen der Wehrmacht ein und sollten das Publikum triumphalistisch einstimmen. Bruckner war nach Einschätzung Goebbelsʼ der ideale Komponist für Parteitage, und für die Musik Beethovens galt ein Diktum, das einem Frontkämpfer zugeschrieben wurde: »Wenn ich Beethoven höre, werde ich tapferer.« Das entsprechende Zitat war auch Titel eines Aufsatzes des NS-Musikwissenschaftlers Hermann Unger (1942). Feierliche Begräbnisse wurden mit dem Trauermarsch aus Wagners »Götterdämmerung« ins Mythische überwölbt, die Meistersinger-Ouvertüre sorgte immer und überall für festlich erhabene deutsche Aufschwünge. Andererseits erscheint schon in diesen gleichzeitig simplen und komplexen Funktionalisierungsstrategien ein Element, das besonders seit Kriegsbeginn die Verwendung klassischer Musik als propagandistisch funktionale Garnierung sprengt und überhöht. Denn für die Rezipienten gab es eine Wechselwirkung zwischen Rezeptionssituation und Klang. Es waren nicht nur die Fanfaren und Trauermärsche, die die Ereignisse emotional aufluden, vielmehr bekam der bekannte, gewohnte und dadurch tendenziell spektakuläre Kanon klassischer Kompositionen eine neue Intensitätsdimension. Oder anders formuliert: Nicht nur programmierten Bruckner, Wagner, Liszt und Beethoven die Affektstruktur der Zuhörer im propagandistischen Sinne der Nationalsozialisten, vielmehr wurde die Musik durch den zeithistorisch aufgeladenen Rezeptionskontext, geprägt durch das Umfeld von Bomben, Tod, Schlachtenmeldungen und Siegestaumel, kurz: durch strukturelle Überreizung, selbst auf neuartige Weise affektiv aufgeladen.
Vom Untergangssound zum Chillout
Es ist kein Zufall, dass zumindest einige der Werke des apokalyptischen NS-Kanons entweder von Wilhelm Furtwängler dirigiert wurden oder ihm das Dirigat zugeschrieben wurde (vgl. Engel 2018). Furtwängler ist die Schlüsselfigur für die in der Spätphase des NS-Regimes charakteristische Intensitätsaufladung, welche die Paradestücke des klassischen Musikrepertoires erfahren. Furtwängler war zuvor bereits ein dezidierter Vertreter eines subjektivistisch-individualistischen Interpretationsstils. An den exponierten Stellen des von den Nationalsozialisten vereinnahmten Klassik-Kanons vollzieht er nun die endgültige Dekonstruktion tradierter musikalischer Inszenierungsmuster zu Gunsten einer extremen situativ geprägten Affektaufladung.
Die Urszene für diese anarchische Operation bildet die legendär gewordene Interpretation von Beethovens 9. Symphonie am Vorabend von Hitlers Geburtstag, dem 19. April 1942. Der Kontext dieser Aufführung könnte prekärer nicht sein und versammelt wie in einem Brennglas diejenigen Elemente, die für die Musikpolitik im Nationalsozialismus charakteristisch sind. Der von Goebbels umworbene Stardirigent des Großdeutschen Reiches versucht mit der für ihn charakteristischen Mischung aus Anbiederung, Opportunismus sowie Verweigerung und Widerständigkeit der Verpflichtung zu entkommen, anlässlich des Festkonzerts zu Hitlers Geburtstag zu dirigieren. Die Dramaturgie des Festaktes macht dann auch deutlich, warum Furtwängler besser nicht dabei gewesen wäre. Zwar ist das Geburtstagskind nicht zugegen, dafür aber die Prominenz des Dritten Reiches, zudem hält Goebbels in seiner Funktion als Minister für Propaganda und Volksaufklärung eine Rede, in der er einen unmittelbaren Bezug zwischen Beethoven und dem Hitlerstaat herstellt. Am Ende des Konzerts kann der Maestro auch einem Händedruck mit Goebbels nicht entgehen.
Im Rahmen dieser propagandistischen Feier interpretiert Furtwängler die 9. Symphonie auf eine Weise, die eigentlich nichts mit Beethoven zu tun hat, zumindest nicht mit jenem Beethoven, den man aus seinen Partituren und der Interpretationsgeschichte hätte ableiten können. Extreme Tempi zwischen rasender Beschleunigung und lethargischer Überdehnung, eine überakzentuierte Hervorhebung von Einzelstimmen, die zu schrillen und dröhnenden Teilabschnitten führt, sowie ein chaotisch-hysterisierter Schlusssatz, der den Chor und die Berliner Philharmoniker in einer dissonanten Klanglandschaft vereint, die man sich als ideale Illustration Brueghelʼscher Höllenszenen vorstellen kann. Der »Türkische Marsch« scheint Dämonen zu choreografieren, der Einsatz der Pauken und der Blechbläser simuliert in lautmalerischer Weise Geschützdonner und Einschläge. Beethovens Neunte wird in den Schlusspassagen in eine Mischung aus bellizistischem Hörspiel und Noisepop überführt: Metal Machine Music, White Noise.
Es wurde in der Vergangenheit dazu »cyclonic fury« sowie »torment, anger, and a sense of struggle« (Ardoin 1994: 147) assoziiert und die Interpretation Furtwänglers als Ausdruck der von ihm empfundenen Diskrepanz zwischen der humanistischen Botschaft der 9. Symphonie und den Bestialitäten des Naziregimes gewertet, vor dessen Repräsentanten er ebenjene Symphonie aufführte. Doch diese Deutung verkennt die Radikalität, mit der Furtwängler vorgeht. Seine Interpretation geht weiter, indem sie jede Form von Trost eliminiert und expressiv hörbar macht, was als Bruchlinie zwischen Ideologie und terroristisch-imperialistischer Praxis schon im jakobinischen Pathos der Schiller-Ode und ihrer bizarren Vertonung angelegt ist. Die Rezeptionsgeschichte von Beethovens 9. Symphonie während des Dritten Reiches war geprägt von der Auseinandersetzung zweier Deutungssysteme. Während der Beethoven der Nazis Deutschlands Größe beweisen sollte, war er für die Gegner der Nazis Symbol für all das, was die nationalsozialistische Ideologie genau nicht war und gleichzeitig das Versprechen für eine Art Endziel der Moralität (vgl. Buch 2000; Dennis 1996). Furtwänglers 9. Symphonie kehrt die Energien des Dirigenten und die expressive Exklusivität von Chor und Orchester gegen das Werk selbst, und wenn von der »ungloved strength« (Ardoin 1994: 147) dieser Interpretation die Rede ist, dann ist es eine Kraft der Selbstzerstörung. Sie löst sich von den Vorgaben einer traditionellen Beethoven-Deutung ab, deshalb ist es sinnlos, sie in ihrer Exzentrik und Singularität in die Linie anderer Interpretationen einzureihen und zu bewerten, wie dies teilweise geschieht. Diese Aufführung ist für Furtwängler keine Interpretation einer Partitur, vielmehr wird hier der Dirigent zum Medium oder wenn man so will zum Schamanen, der mit Orchester und Chor den infernalischen Soundtrack zum resthoffnungslosen Untergang intoniert. Spurenelemente einer solchen Hoffnung sind noch am ehesten im elegischen dritten Satz zu vernehmen, der wie die beschwörende Erinnerung an Vergangenes anmutet.
Deutlich hörbar wird am 19. April 1942 jene Operation, die für Furtwänglers Kriegsdirigate charakteristisch ist: die exzessive Substitution einer von der Partitur geleiteten Interpretation durch einen konsequenten situativen Subjektivismus. Die positive Reaktion der anwesenden Nazi-Elite auf diese anarchistisch-nihilistische Version von Beethovens 9. Symphonie lässt sich auf zweierlei Weise deuten: als prinzipielles Verständnisproblem musikalischer Analphabeten oder als todessüchtige Bejahung des eigenen Untergangs. In jedem Fall ist das wirkungsgeschichtliche Resultat dieser in ihrem Extremismus singulären musikalischen Operation ein Intensitätsgewinn, der in der Rezeption bis heute andauert.
Aufführungsgeschichtlich weniger exaltiert hat Furtwängler den oben beschriebenen Prozess häufiger vollzogen, indem er gerade die emblematischen Werke des deutschnationalen und dann auch nationalsozialistischen Kanons in Hinblick auf eine Art nihilistischer Intensitätsästhetik dekonstruierte. Wichtig ist dabei, dass dies den Zeitgenossen beim Zuhören durchaus bewusst war. Zu einer Aufführung von Brahmsʼ 4. Symphonie aus dem Jahre 1944 merkt eine Zeitzeugin an, angesichts Furtwänglers habe man gedacht: »Es ist aus« (Thieme 2019). Hitlers letzter Geburtstag und die Rundfunkmeldung zu seinem Tod werden folgerichtig mit dem ultimativen Soundtrack des Zerfalls begleitet: einem Potpourri von Passagen aus Wagner-Opern, darunter wahrscheinlich auch Siegfrieds Trauermarsch, Ausschnitten aus Bruckners 7. Symphonie und Beethovens »Eroica«, die als akustischer Kommentar und gleichermaßen als Archivierungsstrategie eingesetzt werden (vgl. Engel 2018; Dennis 1996).
Folgt man dieser Spur weiter, indem man Furtwänglers Bruckner-Interpretationen bis 1945 in den Blick nimmt, dann wird deutlich, wie sehr die Klangästhetik Karajans, entgegen zahlreicher Selbst- und Fremdinterpretationen, schon während der Kriegszeit als Gegenentwurf zu Furtwängler zu verstehen ist. Zugleich zeichnen sich die Kraftfelder ab, die im Grunde von hier bis zu Karajans letzten Interpretationen in den letzten Phasen der alten Bundesrepublik reichen. Die Symphonien Bruckners sind in diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung, weil sie in der Musikpolitik und Musikästhetik des Nationalsozialismus in mehrfacher Hinsicht eine besondere Rolle spielten. Zum einen war Bruckner neben Wagner ein ausgesprochener Lieblingskomponist Hitlers. Dieser sah wohl auch biografische Parallelen bei seinem Landsmann, und so wurde Bruckner im Dritten Reich als volkstümlich-bäuerlicher, deutschnationaler und mystisch-germanischer Großsymphoniker in der Tradition Beethovens und Wagners gefeiert. In kreativer Verwendung interpretatorischer Stereotypen aus dem 19. Jahrhundert entstand mit Hilfe philologischer Rekonstruktionen und Konstruktionen ein Bild Bruckners, das den Meister zum musikalischen Propheten des Großdeutschen Reiches machte und Einzelwerke wie etwa die 8. Symphonie als Soundtrack zum Mythos des Dritten Reiches verstand (vgl. Brüstle 1998; Partsch 2010: 356f.). Die Vereinnahmung des frommen Meisters aus Linz für den Neopaganismus und die antiklerikale Ideologie des Nationalsozialismus erreichte ihren sichtbaren Höhepunkt in einer Feierstunde zur Enthüllung einer Bruckner-Büste im Walhalla bei Regensburg am 6. Juni 1937. Die dabei von Goebbels in Gegenwart Hitlers gehaltene Rede formulierte die Eckpunkte der nationalsozialistischen Vereinnahmung Bruckners, wobei solche Positionierungen auch konkrete philologische Festlegungen zur Folge hatten, nämlich die Option der NS-Musikpolitiker für die von Haas erstellte, angeblich gereinigte Version der Partituren (vgl. Brüstle 1998: 199ff.). Für die besondere Bedeutung Bruckners im Dritten Reich war auch die Tatsache verantwortlich, dass die Symphonien Bruckners in ihrer monumentalen Überwältigungsästhetik als ganz besonders geeignet für nationalsozialistische Propagandainszenierungen erschienen. Goebbels hielt Bruckners Musik für idealen Parteitags-Soundtrack. Damit war die Rolle der Bruckner-Symphoniker als eine Art Produktionsmaschine für säkularisierte Erhabenheitsaffekte im Kontext der nationalsozialistischen Feierkultur präzise fixiert. Soundtechnisch bedeutete dies natürlich, die archaischen, monumentalen, aggressiven und klar konturierten Elemente gegenüber den Verzierungen und Verweichlichungen, die angeblich durch erzwungene Überarbeitungen den Originalversionen abgerungen worden waren, herauszustellen (vgl. ebd.: 224ff.).
Faszinierend ist, dass Furtwängler als Dirigent und Festredner zwar bei der ersten Aufführung der Originalversion der 8. Symphonie im Jahre 1938 mit den Fragen der Ideologisierung Bruckners sehr konkret befasst war, diese aber auf eine für ihn charakteristische Weise bei seinen Interpretationen der Kriegsjahre ebenso souverän wie singulär umgeht. Seine Interpretation der 5. Symphonie aus dem Oktober 1942 ist weniger dramatisch als seine Interpretation von Beethovens 9. Symphonie, aber sie ist ein nicht minder markantes Statement. Im Herbst 1942, zu einer Zeit, als in Russland und in Nordafrika das Siegen ein Ende hatte, ertönt unter dem Dirigat Furtwänglers ein Bruckner, der weder heroisch noch trostspendend ist. Obwohl die Tempi und die Binnendifferenzierung weniger exzentrisch sind als bei seiner Interpretation Beethovens, scheint Bruckners Werk unter Furtwänglers Händen in Einzelteile zu zerfallen. Quälend langsame Partien wechseln sich mit gehetzten Abschnitten ab. Im Schlusssatz schleppen sich die Instrumente erschöpft auf ein Ende zu, das wenig nach Sieg, wenig nach Hoffnung und erst recht nicht nach Trost klingt. Gleiches gilt für die Interpretation der 8. Symphonie vom Oktober 1944 mit den Wiener Philharmonikern. Auch hier, bei jener Symphonie, die eben als tönende Inszenierung um die Idee des Großdeutschen Reiches kreiste, ist wenig vom Triumphalismus zu hören, stattdessen erklingt eine ermattete, tiefe Melancholie. Furtwängler löscht in dieser Interpretation der 8. Symphonie alle emotionalen Tiefen aus, ohne in die Nähe der nationalsozialistischen Ideologisierungen rund um die bizarren Konzepte des Deutschen Michels und seiner Transformation zum Erzengel Michael und ähnlichen Ansätzen zu geraten. Es ist ein Bruckner jenseits von Heldentum, von erhabener Verzückung und von metaphysischem Trost. Am Ende bleiben erst recht keine großdeutschen Ideen, sondern nur der Sound und Reste von schöner Trauer.
Karajans Gegenentwurf entsteht fast zur gleichen Zeit, im Juni 1944. Seine damalige Einspielung der 8. Symphonie Bruckners ist aus anderen Gründen ein singuläres Dokument. Sie entsteht in einer für Karajan spannenden Zeit, als er versucht, sich noch einmal als Dirigent des Reichs-Bruckner-Orchesters zu etablieren und zugleich wie Furtwängler sein Verschwinden aus dem untergehenden Dritten Reich vorzubereiten (vgl. Osborne 2002: 226-239). In Karajans Biografie markiert die Einspielung der 8. Symphonie eine Art Wendepunkt, und sie ist gleichzeitig die Vorbereitung und Fundierung seiner späteren bundesrepublikanischen Karriere. Mehreres kommt dabei zusammen. Karajan, der sich für eine Zeit lang zurückgezogen hat, schreibt in einem Brief, dass er durch diese Ruhepause zum ersten Mal Bruckners 8. Symphonie richtig verstanden habe (vgl. ebd.: 227). Seine Einspielung mit der preußischen Staatskapelle, dem Orchester der Berliner Staatsoper, ist ein technisches Unikat, denn der letzte Satz wurde in Zweikanal-Ton, also in Stereo aufgenommen. Karajan wäre nicht Karajan, wenn er nicht versucht hätte, eine Gesamtaufnahme in dieser Technik zu machen, ein Projekt, das jedoch scheitert (vgl. ebd.: 228f.). Erstaunlich bleibt aber seine Interpretation des monumentalen Werks, denn im Gegensatz zu Furtwänglers Ansatz lässt seine Interpretation nichts von den dramatischen Zeitläufen und dem sich abzeichnenden Untergang in die Konzeption hinein. Man hat von der »unerschütterlichen Ruhe« (ebd.: 227) dieser Aufnahme gesprochen, wobei sie gleichzeitig energetisch, heiter und in gewisser Weise elegant klingt. Ein fast Haydnʼscher Tonfall exorziert die tragischen Elemente. Souverän werden die ideologischen Vorgaben zum Konzept eines nationalsozialistischen Bruckner ebenso ignoriert wie die vibrierende Intensitätsästhetik des Mediums Furtwängler.
In dieser zwischen Souveränität und Autismus oszillierenden, sicherlich aus Narzissmus gespeisten Ignoranz gegenüber Krieg und Untergang einerseits und ideologischen Vorgaben andererseits wird eine Interpretationsgeste formuliert, die für die Soundästhetik der kommenden Jahrzehnte von Bedeutung ist. Keine Interpretationsmode, keine Resonanz von aktueller Politik oder Zeitgeist wird sich in den kommenden Jahren im unübersehbaren Werk Karajans finden lassen. Theoretische, interpretatorische oder gar philologische Fragestellungen interessieren ihn nicht im Geringsten und werden ihn auch später nicht interessieren. Wo Furtwängler den Klangkörper zum Resonanzraum seiner medialen Intensitätsästhetik macht, vollzieht die verkürzt und irreführend ›sachlich‹ oder ›neu-sachlich‹ genannte Interpretationsgeste Karajans eine andere Figur: Sie ersetzt Interpretation durch technisch perfekten Sound und streicht damit Zeitgenossenschaft und Ideologisierung gleichermaßen aus. Genau das ist die perfekte Blaupause für den Soundtrack der Bundesrepublik, die ja nicht nur unmittelbar nationalsozialistisch konnotierte Interpretationen auszustreichen hatte, sondern ihren inneren Frieden erst offenkundig mit der Neutralisierung der Intensitätsästhetik Furtwänglers finden konnte. Diese Sound-Dienstleistung wird Karajan nun für mehr als fünf Dekaden erbringen.
Hört man sich heute den 1944 stereophon aufgenommenen vierten Satz von Bruckners 8. Symphonie an, so besteht das Frappierende an dieser Einspielung darin, dass sie auch zwei oder drei Dekaden später entstanden sein könnte. Die solemne Ruhe, das Ausspielen der Klangfarben, die proportionale Ausgewogenheit und die Ausblendung jeglicher Exaltiertheit zu Gunsten einer Erhabenheitsästhetik ohne wirkliche Transzendenz bilden Interpretationselemente, die dann für die Klangästhetik des bundesrepublikanischen Karajan konstitutiv sind. Darum kann man auch seinen Bruckner-Zyklus aus den 1970er Jahren als konsequente Fortführung der Blaupause aus dem Jahr 1944 verstehen. Bruckners 8. Symphonie, eingespielt im Jahre 1975 mit den Berliner Philharmonikern, präsentiert anhand der komplexen und widerständigen Partitur in vielem die Essenz seines Klangideals: die Betonung des strukturellen Aspekts gegenüber der expressiven Einzelstelle, die Konstanz der Tempi, das Herausarbeiten des Großrhythmus und die damit verbundene Integration klanglicher Einzelelemente. Damit wird ganz en passant in der Soundästhetik Karajans der Grundansatz, jene ideologischen und philologischen Kontexte auszusparen, die bei Bruckner besonders brisant waren, auf eine Weise verwirklicht, die selbst wiederum im Jahre 1975 ein politisches Statement bildet. Im Rahmen einer subtilen Analyse des Bruckner-Zyklus formuliert dies ein kenntnisreicher Interpret prägnant so: »Zugleich jedoch wird durch diese Konzeption auch gerade das unterlaufen, was den Nationalsozialisten selbst wohl als Hauptattraktion dieser Sinfonik galt: der auftrumpfende Gestus der Blechbläser. Deren Klang wird aufgrund der durchgehend, auch im fortissimo weichen Ansätze milder und integriert sich stärker ins Orchester, die Dramaturgie nimmt den Höhepunkten das Heroische und Durchgesetzte« (Uehling 2008: 340). Eine Version der 8. Symphonie Bruckners aus dem Jahre 1957 stellt hier gewissermaßen noch eine klangliche Kompromisslösung auf dem Weg zum bundesrepublikanischen Bruckner-Klang dar (vgl. Stollberg 2020: 347f.). Es ist also wenig sinnvoll, ein ausgespartes Ritardando, angeblich überakzentuierte Bläserpassagen und ein langsameres Tempo im Scherzo der 8. Symphonie als Indizien zu nehmen, die Karajans Verbindung zu einer faschistischen Musikästhetik dokumentieren sollen (vgl. ebd.: 346-356). Zum einen ließen sich solche Klangkontextualisierungen viel eher auf Abschnitte von Furtwänglers Interpretation beziehen, und zum anderen wird deutlich, dass die Gesamtkonzeption der 8. Symphonie von 1944 genau das Gegenteil solcher Konzepte bildet.
Die Grundoperation, die Karajan 1944 vollzog, bestand darin, Bruckner aus dem Kraftfeld der deliranten und phantasmagorischen völkisch-nationalen Kontexte herauszulösen. Dabei ignoriert er die philologischen Aspekte souverän, um die Symphonien zu reinen Klangereignissen zu machen, die eine entmaterialisierte und um jede politische, religiöse und ideologische Dimension gereinigte Vorstellung von »Sphärenharmonie« (Uehling 2008: 340) realisieren. Dieser Unterschied zu Furtwängler führte selbst Adorno dazu, seine ablehnende Haltung gegenüber Karajan etwas abzumildern, wie seiner bekannten Notiz zu einem Gespräch mit Sir Georg Solti und Rudolf Hirsch zu entnehmen ist: »Mit Solti und Hirsch nach dem Holländer über Karajan gesprochen, die Aufführung der VIII. von Bruckner, die ich in Wien, mit den Philharmonikern gehört hatte. Ich sprach von der vollkommenen sinnlichen Fassade bei innerer Leere – daß von Bruckner nichts übrig blieb. Beide widersprachen mir. Solti, ob mir eine zwar vergeistigte aber nicht exakte und klanglich [in]adäquate Aufführung denn lieber sei. Hirsch: wenn das Sinnliche im Kunstwerk vollkommen, so wäre eben damit das Geistige auch da. Das mußte ich denn zugestehen, allein schon um nicht der deutschen Furtwänglerei das Wort zu reden. Es gibt nicht nur eine Barbarei der Vollendung sondern auch der Imperfektion und sie predigen wäre reaktionär« (Adorno 2001: 188).
Angesichts der fast unüberschaubaren Opulenz von Karajans Einspielungskatalog ließe sich nun leicht in der Breite der Nachweis führen, dass das Vorgehen der Überschreibung von Intensitätskonzepten, die den Klangwelten des Nationalsozialismus entstammen, den bestimmenden Faktor und die Matrix fast aller Interpretationen des Maestros bildet. Doch jenseits solcher quantitativ orientierten Beweisführung sei lediglich ein weiteres sprechendes Beispiel dafür angeführt, wie Karajan nicht nur den rein und eindeutig nationalsozialistisch kontaminierten Interpretationsbestand neutralisiert, sondern generell den Sektor hochintensiver Affekte in den Blick nimmt und dabei gleichzeitig ein neues bundesrepublikanisches Klangkonzept entwickelt. Am besten und prägnantesten lässt sich diese Operation anhand jenes Komponisten zeigen, der für eine breite Öffentlichkeit üblicherweise als Urheber des paradigmatischen Soundtracks des Dritten Reiches gilt: Richard Wagner.
Wagner war für den bundesrepublikanischen Musikbetrieb ein zwar eindeutigeres, aber komplexeres Problem, als es bei Bruckner der Fall war. Der Bayreuther Meister galt nicht nur als ein vom nationalsozialistischen Regime vereinnahmter Komponist, vielen erschien und erscheint er bis heute als eine Art geistig-musikalischer Wegbereiter und ideologischer Stichwortgeber für Hitler und seine Ideologen. Obwohl dem aus neuerer differenzierte Forschungsperspektive zahlreiche historische Differenzierungen entgegenzuhalten wären, lieferten insbesondere die Umtriebe des Kreises um Houston Stewart Chamberlain und Winifred Wagner genug Indizien für eine solche Sichtweise (vgl. Wagner 2000; Large 2000: 199f.). Hinzu kommt, dass das Regime im Laufe der Zeit eine Art Wagner-Hitparade erstellte, deren einzelne Tracks die Fest-, Trauer- und Propagandakultur des Dritten Reiches repetitiv und eindringlich untermalten. Feste Bestandteile dieser Wagner-Charts waren natürlich unter anderem die »Meistersinger«-Ouvertüre, die »Lohengrin«-Ouvertüre, der »Walkürenritt« und nicht zuletzt Siegfrieds Trauermarsch aus der »Götterdämmerung«, der nicht nur nach Stalingrad, sondern auch als musikalischer Nachruf auf Hitler im Radio erklang. Die erinnerungspolitischen Effekte solcher Einsatzstrategien für das im Prinzip recht spröde Werk Wagners hat Woody Allen in der Figur des Larry Lipton im Film »Manhattan Murder Mystery« (1993) prägnant zusammengefasst: »I can’t listen that much of Wagner, you know, I start to get the urge to conquer Poland«.
In der Nachkriegszeit war es der Wagner-Enkel und Hitler-Liebling Wieland Wagner, der in Bayreuth die Hauptlast der bundesrepublikanischen Wagner-Dekontaminationsarbeit leisten musste und das Werk des Meisters inszenatorisch in die vermeintlich apolitischen Sphären mythischer Reduktionismen überführte (vgl. Kapsamer 2010; Bermbach 2020). Der ausgewiesene Wagner-Dirigent Karajan hatte zwar einige Berührungspunkte mit Neu-Bayreuth, ergriff aber dort schnell die Flucht unter Mitnahme einiger Inspiration für seine eigenen Wagner-Inszenierungen in Salzburg. Unter seinen zahlreichen Einspielungen von Wagners Opern und Orchesterstücken ragt seine Studioeinspielung aus dem Jahre 1968 deshalb hervor, weil sie nicht nur die Frucht einer jahrzehntelangen Beschäftigung mit diesem Sujet ist, sondern wieder einmal ein singuläres Werk darstellt. Die Ursachen dafür sind leicht zu bestimmen. Die von orthodoxen Wagnerianern fetischisierte Stimmqualität der Sänger und Sängerinnen ist Karajan ziemlich gleichgültig. Das geht mal gut und mal weniger gut, aber der Zuhörer wird durch anderes ausreichend entschädigt. Es existiert keine Einspielung dieses Riesenwerks, die orchestral so ausgewogen, so homogen, so strukturiert und gleichzeitig so differenziert und delikat erklingt. Das Ergebnis ist ein entmonumentalisierter, entheroisierter und entpathetisierter »Ring«. Der deshalb unzutreffenderweise als kammermusikalisch bezeichnet wurde, weil Karajan ein komplettes Wagner-Orchester einsetzt: die grandiosen Berliner Philharmoniker. Nur ist sein Zugang so differenziert, dass dieser mächtige Klangkörper die Wucht von Wagners Werk filigranisiert. Auch hier ist der geschichtspolitische Ansatz dieser Klanginszenierung überdeutlich, denn aus einem germanisch-heroischen Hitler-Wagner, der kontextuell irgendwie mit Krieg, Kampf, Tod, Untergang und Weltenbrand verbunden ist, wird ein psychologisierter Wagner, wie ihn Thomas Mann in seinem großen Essay so zutreffend beschrieben hat. Eine große Bedeutung besitzt dabei die Depotenzierung der Wagnerʼschen Bläserpartien. Die »Behandlung jener Blechbläserstellen, deren Fanfarenmelodik oder Marschrhythmik fatale Assoziationen weckt«, ist von »unnachahmlichem Taktgefühl«, heißt es bei Peter Uehling (2008: 247): »Das trumpft nicht banal auf und übt sich auch nicht in militärischer Zackigkeit«.
Eine besonders subtile Annäherung findet an eine der berüchtigten Partien der »Götterdämmerung« statt, nämlich an Siegfrieds Trauermarsch. Dieser Trauermarsch hatte eine besondere Bedeutung für die nationalsozialistische Thanatologie. Erklang er doch immer da, wo das Regime Tod, Selbstopfer und mythologische Überhöhung zu zelebrieren hatte. Bei Furtwängler und anderen kann man die klassische Interpretation dieses Trauermarsches studieren: schleppende Tempi, Ritardandi, klagende Streicher, dumpfe Paukenschläge und am Ende eine Art musikalische Aristie in strahlend schmetternden Bläsern. Die Botschaft dieses musikalischen Totenkults ist überdeutlich auf die Glorifizierung und Perpetuierung des Opfers und des Selbstopfers abgestellt, darum ist es kein Wunder, dass genau dieser Trauermarsch zentrale Ereignisse des Dritten Reiches markierte und sich spätestens hier in das kollektive akustische Gedächtnis einbrannte. Karajan überschreibt diesen Kontext. Er nimmt die martialischen und die pathetisch aufgeladenen Strukturelemente dieses berüchtigten Musikstücks heraus und setzt auf einen einfachen, aber wirkungsvollen Kunstgriff. Die Marschstruktur der Trauermusik wird durch ein unaufhörliches Gleiten und Pulsieren ersetzt, ein gleichmäßiges An- und Abschwellen, das aus der militärisch konnotierten Heldentrauer eine Art Seelendrama macht und den glorifizierenden Bläsersatz abdämpft und gleichsam wattiert. Als Ergebnis bekommt die sinistre Totenfeier fast den Charakter eines zarten Liebesfestes inklusive orgasmischer Steigerung.
Der Sinn dieser Umkodierung ist mit Blick auf die Vorgeschichte dieses Wagnerʼschen Paradestücks überdeutlich. Karajan erlaubte, das affektive Potenzial, das für die Rezipienten in dieser Musik verkapselt war, abzurufen, und er neutralisiert es zugleich in Hinblick auf die geschichtspolitischen Dimensionen dieser affektiven Bindung. Insofern ist Karajans »Ring« der »Ring« der jungen Bundesrepublik Deutschland, und das ist bis heute vielen Rezipienten durchaus bewusst. Die Kernbotschaft besteht in einer Form der Entdramatisierung und Entpathetisierung, die zwar energetisch aufgeladen ist, aber keinen thymotischen Rezeptionsmodus begünstigt. Die Kampfmittel des braunen Regimes werden von Karajan, der ihre Sprengkraft nur allzu gut kannte, entsorgt, und die bei dieser fürsorglichen Sprengung freigesetzten destruktiven Energien werden von ihm in den Kultus der affektgereinigten Rezeption des reinen schönen Klanges transformiert. Die Basis eines solchen Ansatzes ist ein ebenso theorieloser wie unphilologischer Angang an Wagner, und so sind alle Äußerungen des Maestros zum Bayreuther Magier mehr als dürftig zu nennen. Aber genau diese Leerstelle ist die Voraussetzung für die gleichsam auratische Lesart. Wäre die gesamte Klanginszenierung nicht dann doch so bemüht in ihrer Schönheit und Perfektion, könnte man hier mit Blick auf Wagner auch von einer Interpretationslehre der Kälte sprechen.
Es wäre aber eine Verkürzung, die überaus komplexen und durchaus überraschungsreichen Einspielungsstrategien und Soundästhetiken Karajans einzig als eine Art permanentes akustisches Entnazifizierungsprogramm zu beschreiben. Vielmehr gibt es einen Sektor innerhalb des Karajanʼschen Interpretations- und Sound-Kosmos, der das spannungsreiche psychoakustische Verhältnis zwischen Drittem Reich und der prosperierenden Bundesrepublik gleichsam explizit ins Positiv-Hedonistische wendet. Auch hier wird man wieder mit einer Korrektur gängiger Karajan-Klischees beginnen müssen. Beschäftigt man sich näher mit seinem Repertoire, erkennt man durchaus die Bereitschaft, in unausgetreteneren musikalischen Wegen zu wandeln, also etwa Monteverdi in das Repertoire aufzunehmen (vgl. Osborne 2002: 626). Wenngleich dabei auch manches eher verspielt romantisch misslingt, wie etwa die Einspielung der geistlichen Werke Bachs (vgl. ebd.: 377-381), so gibt es doch einige soundästhetische und interpretatorische Überraschungen, die im Zusammenhang des jeweils zeitgenössischen Karajan-Bilds ausgeblendet wurden. Gemeint ist damit insbesondere seine aus dem Jahr 1964 stammende Aufnahme der »Brandenburgischen Konzerte« und der Orchestersuiten von Bach sowie die ab dem Jahr 1966 veröffentlichten Einspielungen der »Concerti grossi« von Händel. Die »Brandenburgischen Konzerte« wurden in der zu dieser Zeit modischen Form des Kammerorchesters in Sankt Moritz eingespielt, bezeichnenderweise ein großer Verkaufserfolg (vgl. ebd.: 653). Auch in der Gegenwart ist diese scheinbar unspektakuläre Einspielung weiterhin singulär zu nennen. Weder wählt Karajan den symphonisch-romantischen Interpretationsstil, wie er in den älteren Interpretationen im Stil der Wieber Klassik vorherrschend war, noch orientiert er sich an der dann zur dominierenden Interpretationsgeste werdenden Vorgehensweise der historisch-philologischen Schule à la Nikolaus Harnoncourt, vielmehr wird in einer noch heute mit Händen greifbaren Entspanntheit und Spielfreude musiziert. Matrix einer solchen gleichsam loungeartigen Bach-Interpretation sind offenkundig nicht nur die entspannten und leistungsdrucklosen Entstehungsbedingungen in Sankt Moritz, bei denen wohl über längere Zeit eine ausgesprochen harmonische Stimmung zwischen den Orchester-Musikern und dem eher reservierten und gelegentlich gefürchteten Karajan herrschte, sondern auch die Tatsache, dass hier durch den Verzicht auf jeden interpretatorischen Ansatz das reine Spiel, der reine Sound im Vordergrund stehen konnte. Im Gegensatz zu Bruckner, Brahms und Wagner sind hier auch nicht die explosiven nationalsozialistischen Interpretationsmuster oder die Intensiva einer Furtwängler-Lesart abzuräumen. Und so sind sowohl sein Bach als auch sein Händel reine Gegenwart, reine Spielfreude im Modus eines reflexionslosen und ambitionslosen klanglichen Dahingleitens.
Gleichzeitig ersteht in diesen Alben die in erlesenen Augenblicken selbstzufriedene Welt der alten Bundesrepublik auf. Festliche Barockmusik als ein reiner reflexionsloser Wohlklang, der die arbeitsfreien Stunden einer Konsum-Bundesrepublik, die mit sich und der Welt im Reinen ist, verschönert. Hier entsteht die Blaupause für den klassischen Chillout-Sound, der die gequälten, aber dann doch irgendwie zur Ruhe gekommenen Seelen der bundesrepublikanischen Bürger besänftigt und vielleicht auch partiell reinigt. Die Einspielungen von Bach und Händel sind stilistisch keine Unikate, vielmehr hat Karajan in einer Mischung aus geschäftstüchtigem Kalkül und Neigung diesen Ansatz aufgegriffen, vertieft und verfeinert. So befinden sich seit den 1960er Jahren zahlreiche Einspielungen musikalisch entspannter Barocktitel in seinem Katalog, für die der oben beschriebene Klanggestus charakteristisch ist. Beschwingte Allegro-Sätze, die gute Laune produzieren, viel zu langsame und viel zu schwebende Adagios sowie virtuos gespielte, optimistisch schmetternde, aber niemals imperial-triumphalistische Trompetenpartien, gerne von Maurice André, dem Trompetengott der 1960er und 1970er Jahre. Diese Form einer auf angenehm ambitionslose Weise inszenierten Vorklassik bildet offenkundig den Café del Mar-Kanon der mittleren und höheren Stände der Bundesrepublik.
Doch Karajan wäre nicht Karajan gewesen, hätte er diesen Ansatz nicht noch vertieft. Hierzu gibt es in seinem Katalog ebenfalls zwei Blaupausen, die einen nun wirklich auf Ambient-Konzepte verweisenden Soundcharakter tragen. Paradigmatisch für das säkulare Modell ist ein Kompilations-Album aus dem Jahr 1984, auf dem Paradestücke aus dem Korpus barocker Erbauungshits versammelt sind, u.a. natürlich Bachs »Air« aus der Orchestersuite No. 3, Albinonis »Adagio g-Moll« und Pachelbels »Kanon und Gigue in D-Dur«. Die Interpretation dieser Vorklassik-Hits durch Karajan und die Berliner Philharmoniker hat erneut mit barockem Musizieren wenig zu tun, aber dafür umso mehr mit den Mitte der 1980er Jahre zumindest partiell etablierten Konzepten von Ambient. Da gleitet es, schwillt an und schwebt in einer Weise, dass der Zuhörer sehr schnell auf dem Sound-Teppich des Wohlklangs in das Nirwana des Flow entschwindet. Dieses Konzept der Transformation barocker und vorklassischer Stücke in weltentrückten Wohlklang kann mit Fug und Recht als die Gründungsurkunde dessen bezeichnet werden, was später als Chillout- oder Lounge-Musik seinen Siegeszug durch Cafés, Bars und Boutiquen antreten sollte.
Radikalisiert, wenn man das Wort in diesem Zusammenhang überhaupt verwenden kann, hat Karajan dieses Konzept in dem von ihm natürlich auch vielgestaltig bearbeiteten Sektor der Weihnachtsalben. Bemerkenswert ist besonders ein Album aus dem Jahr 1970, das unter dem Rubrum »Weihnachtskonzert« Stücke von Gabrieli, Corelli, Samuel Scheidt, Manfredini, Torelli und Locatelli versammelt, wiederum Ausschnitte barocker Konzerte. Hier erreicht die Karajanʼsche Einstellungstechnik ihren instrumentalen Höhepunkt. Beim Anhören der Stücke befindet man sich in einer Art akustischem Wassertank unter euphorisierender Anästhesie sämtlicher Sinne und aller Formen der Körperwahrnehmung. Die Programmatik des Albums hat mit Weihnachten überhaupt nichts zu tun, sondern ist die endgültige Transformation von Musik in Sound und von Sound in Chillout und Flow. Der Ansatz ist säkular, denn jenseits von eingestreuten Weihnachtsmelodien spielen religiöse Motive und Konnotationen überhaupt keine Rolle mehr. Wieder neutralisiert Karajan den Affektgehalt des auch während des Dritten Reiches aus den verschiedensten Gründen emotional hoch aufgeladenen Weihnachtsfestes zugunsten einer säkularisiert-hedonistischen Klanginstallation.
Angesichts mancher Kompilationen und Best-of-Zusammenstellungen Karajans kann man sogar von der Entwicklung einer Art Loop-Ästhetik sprechen, insofern die sich voneinander unterscheidenden Einzelstücke durch die großrhythmische Einschmelzung individueller Partien und die schwelgerisch-ätherische Soundinszenierung den Eindruck eines repetitiv-endlosen Chillout-Tracks evozieren (vgl. Baumgärtel 2016: 224ff.). Bis heute sind zahlreiche kommerziell erfolgreiche, immer wieder neu kompilierte, neu arrangierte und neu gestaltete Alben mit dem spezifischen Karajan-Chillout-Sound, gespeist aus Barock und Werken des 19. Jahrhunderts in Downtempo-Versionen, verfügbar. Das popkulturelle Genre Chillout oder Lounge firmiert bei Karajan häufig unter dem Rubrum »Adagio«, wobei die Gestaltung der Album-Cover mit ihren gelegentlich rührend unbeholfenen Visualisierungen in Form von Wellen, Wolken und Sonnenuntergängen als Vorläufer der in den 1990er Jahren populären Café del Mar-Ästhetik zu verbuchen wäre.
»Happy Sound« im Partykeller
Auch wenn angesichts des schieren Umfangs und der Ausdifferenziertheit des Karajanʼschen Einspielungskatalogs die Versuchung groß ist, die Strukturen seiner Soundästhetik nachzuzeichnen, muss dennoch das Hauptaugenmerk ihrer Genese und Funktion gelten. Die Vermutung liegt nahe, dass die in jeder Hinsicht singuläre jahrzehntelange Faszination für den Karajan-Sound nicht nur, wie adornitische Musiktheoretiker und historisch-philologisch interpretierende Musik-Praktiker meinen, auf die musikalisch illiterate Freude am unverstörenden Schönklang zurückzuführen ist, sondern auf tiefere und kollektiv verwurzelte Dispositionen in der Rezeption verweist. Anzunehmen ist auch, dass diese Disposition in der archimedischen Disruption der sogenannten ›Stunde Null‹ und der kollektivpsychologischen Struktur der bundesrepublikanischen Gesellschaft verwurzelt ist.
Obwohl für die Analyse des Zusammenhangs zwischen Identitätskonstruktionen, Ideologie, Körper und Sound im Nationalsozialismus und in der Bundesrepublik unterschiedliche Fallstudien vorgelegt wurden, ist es dennoch notwendig, Ansätze zu entwickeln, die psychoakustische Kontinuitäten sowohl vom Material her in den Blick nehmen als auch theoretisch konzeptualisieren (vgl. Birdsall 2012; Schiller 2018). Als Ausgangspunkt für weiterführende analytische Konzepte kann sicherlich zunächst die Frage nach den Funktionsweisen des akustischen Gedächtnisses gestellt werden. Aleida Assmann hat in skizzenhafter Form eine Art Programmatik der zukünftigen Auseinandersetzung mit den Formen des akustischen Gedächtnisses entworfen (vgl. Assmann 2011; Dreckmann 2017: 24ff., 196ff.). Daran anknüpfend und weiterführend lässt sich anhand der Soundästhetik Karajans entwickeln, welche Strukturen für die bundesrepublikanische Mentalitätsgeschichte von Bedeutung sind und waren. Ein Ansatz könnte darin bestehen, Subjekttheorie und die Analyse von Temporalitätsstrukturen miteinander zu verbinden, denn von diesem Punkt aus lässt sich die auffällige Prominenz akustischer Phänomene im Zusammenhang mit der Mentalitätsgeschichte des Nationalsozialismus präziser beschreiben. Dabei tritt die Figur des Bruchs und der Zeitenwende besonders markant hervor. Der Nationalsozialismus hatte eine bestimmte geschichtsphilosophisch orientierte Zeitkonzeption zu Sound entwickelt, deren Kollaps die Kapitulation 1945 bildete. Der im Nationalsozialismus funktional eingesetzten klassischen Musik kam eine besondere Funktion zu, weil sie insbesondere für die narzisstische Vergrößerung der Individuen im Zuge einer Erhabenheitsästhetik und für die akustische Inszenierung einer zeitphilosophischen Verewigung des Nationalsozialismus eingesetzt wurde. Die klassische Symphonik à la Bruckner, Brahms und Beethoven verbürgte in der Indienstnahme durch die Nationalsozialisten nicht nur die Verbindung des Dritten Reiches mit der deutschen Vergangenheit, sie verband auch als Scharnier die Gegenwart des Hitler-Staats mit einer halluzinatorischen tausendjährigen Zukunft in Form der Verewigung. Aus diesem Grunde erklangen zu Hitlers Tod Wagner und Bruckner, und die Botschaft dieser musikalischen Grußadresse aus dem Jenseits korreliert mit der wahnhaften Vorstellung Görings in Nürnberg, das deutsche Volk werde den prominenten Nationalsozialisten in 50 bis 100 Jahren öffentliche Denkmäler errichten (vgl. Sträter 2021). Diese bizarre Verknüpfung von chiliastischer Zeitkonzeption, Intensitätsschauern während des NS-Regimes und der Erfahrung einer apokalyptischen Zeitenwende findet sich durchaus in den Quellenbekundungen von Zeitzeugen. Als der fanatische Nationalsozialist Will Tremper von Hitlers Tod und dem Ende des Tausendjährigen Reiches erfährt, ist, folgt man seiner Autobiografie, sein erster Gedanke: »Es ist alles zu Ende, du wirst nie wieder Peter Kreuder und Zarah Leander hören!« (Tremper 1993: 132).
Aus dieser eine ganze Generation prägenden Erfahrung eines auch mit akustischen Erlebnissen verknüpften Bruchs erwächst ein Zugang zu Karajans Überschreibung von Furtwänglers Intensitätsgesten. Die Karajan-Einspielungen präsentieren gerade die von den Nazis auf funktionelle Kontextualisierung und maximale Effekte hin getrimmten kanonischen Meisterwerke in gleichsam entschärfter Folge. Der Sound tritt an die Stelle von Interpretation und Kontext. Eine auf Rhythmus, Wohlklang und Harmonie ausgelegte Klanginszenierung eliminiert Grenzüberschreitungen, wie sie für Furtwängler so charakteristisch waren. Diese musikästhetische Operation kann als Überschreibung, als Auseinandersetzung mit Latenz oder als eine Art kollektiver und permanenter Musiktherapie beschrieben werden (vgl. Gumbrecht 2011; 2012). Den am Chillout orientierten barocken und spätromantischen Einspielungen Karajans käme dabei die Funktion zu, die Klaus Theweleit der Popmusik der frühen 1960er Jahre zuschreibt, nämlich eine Art Exorzismus von faschistischen Strukturen, die aus dem Körpergedächtnis entfernt werden müssen (vgl. Theweleit 2014).
Karajans Strategien der Affektanästhesie im Medium technisch perfektionierter Soundästhetik lassen sich zudem sehr markant auch im Bereich der kommerziell erfolgreichen Popmusik der Bundesrepublik finden. Zu reden ist hier vom Pop-Zwillingsbruder Karajans, dem neben ihm international bekannten Sound-Magier Hans Last aus Bremen, dessen Vornamen das Plattenlabel Polydor zu James transformierte und der unter diesem neuen Namen James Last Millionen Alben weltweit verkaufte. Leben, Werk und Wirkung von Hans Last eignen sich sehr gut als zweites Element einer Plutarchʼschen Doppel-Biografie im Ensemble mit Karajan.
Die exzeptionelle Erfolgsgeschichte des Arrangeurs und Bandleaders ist ein Stück archetypischer BRD-Kultur und Mentalitätsgeschichte. Geboren 1929, erhält der musikalisch begabte Hans Last seine erste professionelle Ausbildung in einer Heeresmusikschule. Nach dem Krieg spielt er in Clubs für US-amerikanische Besatzungssoldaten, schnell gehört er zu der sich neu ausbildenden deutschen Jazz-, Swing- und Tanzmusik-Szene, die in den 1950er Jahren Querverbindungen zur Schlagerwelt unterhielt. Wie viele Musiker seiner Generation findet er Arbeit und Brot beim Rundfunk, rasch verschafft er sich einen Ruf als professioneller und chartkompatibler Arrangeur. Anfang der 1960er Jahre vollzieht er den entscheidenden Karrieresprung, indem er auf zwei Alben bezeichnenderweise Schlager aus den 1930er und 1940er Jahren neu arrangiert.
Der Durchbruch erfolgt im Jahre 1965 mit dem Album »Non Stop Dancing«. Die Grundidee für diese LP ist ebenso einfach wie in Deutschland innovativ: Die Einzeltitel werden ohne Brüche und mit Übergängen gespielt. Um Rhythmuswechsel zu vermitteln und Eintönigkeit zu vermeiden, werden den Musiktiteln Partygeräusche und Beifall vom Band unterlegt.
Neu, und hier liegt eine deutliche Parallele zur Technik-Affinität und -Sensibilität Karajans, ist auch seine äußerst reflektierte Entwicklung eines spezifischen Sounds, der zu seinem Markenzeichen werden sollte. Das entsprechende Kapitel seiner Autobiografie trägt den bezeichnenden Titel »Der Sound macht die Musik« (Last 1975: 109ff.). Die Elemente des »Happy Sounds«, der bald seinen bundesrepublikanischen und danach internationalen Siegeszug antreten sollte, sind präzise zu benennen: Spezifische Platzierung des Orchesters bei der Aufnahme, der strategische Einsatz von Hall, die Umkehr der Rhythmusnotierungen und als Gesamtstrategie, vergleichbar mit Karajans berühmtem Großrhythmus, die Inszenierung einer klanglichen Unisono-Illusion selbst da, wo eigentlich mehrstimmig gespielt wird. Charakteristisch für den professionellen Umgang mit diesem von einer neuartigen Produktionsweise im Studio geprägten Sound ist die Tatsache, dass Last mithilfe seines versierten Toningenieurs diesen Studio-Sound auch bei seinen Live-Konzerten reproduzieren kann. Das Ergebnis dieser Operationen ist eine spezifische Sound-Marke: eben der »Happy Sound«, den man unabhängig vom musikalischen Material sofort erkennt und der zur international rezipierten Sound-Signatur der Bundesrepublik wird.
Natürlich knüpfte das Sound-Konzept Lasts an bestehende Vorlagen an: an den Big Band-Sound der 1950er und 1960er Jahre, vieles erinnert an Burt Bacharach und Sérgio Mendes, und Last bedient sich auch bei weiteren Popkonzepten der 1960er Jahre. Gleichwohl entwickelte er dieses Konzept zu einem kommerziell schier unfassbar erfolgreichen eigenen Genre, das über Dekaden in Deutschland und global nachgefragt wurde. Kennzeichnend für die mehr als zweihundert Einspielungen Lasts ist ihr vampirischer Charakter. Egal ob Schlager, Pop, Volkslied, Klassik, Rock oder Marsch – alle Vorlagen, die die Musikgeschichte und die internationale Musik-Topografie zu bieten hat, werden durch den Fleischwolf des »Happy Sounds« gedreht und so zur Begleitmusik bundesrepublikanischer Feierkultur.
Die Endlosschleife des Happy-Go-Lucky-Easy-Listening-Sounds inklusive interpassiver Party-Soundscapes findet ihren idealtypischen performativen Ort in der nachutopischen Isolation bundesrepublikanischer Partykeller. Der Partykeller als hedonistisch ausgekleidete Variante des Luftschutzkellers und als Ort privatisierter Entgrenzung ist zugleich eine Zeitkapsel (vgl. Vehlken 2015), denn die unendliche Melodie des »Happy Sounds« hat ähnlich wie die Karajanʼsche Perfektionsästhetik die inhärente Tendenz zur Aufhebung von Zeit- und Epochenprägung. So wie die obsessive Suche nach dem perfekten Sound Historizität tilgt, verwandelt die musikalische Transformationsmaschine Last Genres und historische Kontexte in die immer gleichen Party-Hymnen.
Obwohl die beiden charakterlich und von der Lebensphilosophie her gänzlich unterschiedliche Figuren sind, einerseits der autokratische Supermaestro, andererseits der lebensfrohe Weltenbummler, und sie in unterschiedlichen musikalischen Sektoren agieren, erfüllen sie doch für den gepeinigten Seelenhaushalt bundesrepublikanischer Party People wie Klassikfans die gleiche psychoakustische Mission: Traumatherapie durch akustische Überschreibung und Einübung in modernistischen Happy-Go-Lucky-Hedonismus. Die musikalische Schnittmenge wird mit Blick auf den Bläsereinsatz bei beiden deutlich. Sowohl die optimistisch aufbauende, aber dann doch abgedämpfte und niemals martialisch triumphalistische Barocktrompete eines Maurice André auf den einschlägigen Karajan-Einspielungen als auch die zum Soundprofil der »Happy Music« untrennbar dazugehörigen Bläser-Sektionen von Last übermitteln eine übereinstimmende Botschaft in Ohren und Seelen der Zuschauer: Relax, enjoy and forget! Das Ziel dieser Operation, die sich in Partykellern, Konzertsälen und vor der heimischen Stereoanlage ereignete, ist die Auslöschung der im Nationalsozialismus erfolgten Programmierung der Körper und Affekte, die sich primär als eine mit der Musik als Leitmedium organisierte Synchronisierung von Körpern und Ideologien vollzogen hatte.
Die für den Nationalsozialismus charakteristische Affektpolitik lässt sich anhand eines zeitgenössischen Films sehr präzise nachzeichnen. Der im Jahre 2005 entstandene Film »Hitlers Hitparade« sorgte bei vielen Zuschauern für Irritation und auch Kritik, weil er eine für Dokumentationen zum Dritten Reich ungewöhnliche Dramaturgie wählte. Der Film kompilierte kommentarlos Ausschnitte aus Dokumentationen, privaten Aufzeichnungen, Unterhaltungs- und Propagandafilmen und versah dieses in verschiedene Kapitel untergliederte Panoptikum mit verstörend mitreißender und stimmungsaufhellender Musik der Epoche. Die Irritation resultierte daraus, dass dieses Vorgehen zweierlei deutlich machte. Zum einen, wie sehr die nationalsozialistische Propaganda als eine Art musikinduzierte Körpersynchronisierung angelegt war, und zum Zweiten, dass dieser Effekt auch bei zeitgenössischen Zuschauern verfängt, wenn die Abwesenheit eines distanzierenden, historisierenden und kontextualisierenden Kommentars eine affektiv ambivalente Stimmung erzeugt.
Die Lektion, die aus der gleichermaßen riskanten und Erkenntnis stiftenden Ästhetik von »Hitlers Hitparade« zu lernen ist, lässt sich leicht auf die Soundkonzepte Karajans und James Lasts anwenden (vgl. Frevert 2015). Sowohl Karajans Erhabenheits- und Wohlklangästhetik als auch der »Happy Sound« des Hans Last sind multidirektional auf die Affektprogrammierungen des Nationalsozialismus hin angelegt. Doch gerade in den Bereichen, in denen Karajan und Last operierten, geht es um mehr als nur die Lockerung blockierter, gedrillter Soldaten, HJ- und BDM-Körper. Nach dem Untergang des Dritten Reiches blieb vom Affekt-Regime des Nationalsozialismus im Kern nur eines übrig: der Sound, d.h. Musik, Klänge, Stimmen, Geräusche, Tonlagen und die damit verbundene Mikrostruktur der Affekte. Und so ließe sich mit Verweis auf aktuelle subjekttheoretische Theorien des Akustischen zeigen, dass Karajans Soundästhetik genau wie die von James Last hier ansetzt. Beide garantieren einen doppelten akustischen Genuss: Man kann die mit den NS-Soundzeichen verknüpften Erregungszustände im Medium der Musik präsentisch noch einmal erleben, und gleichzeitig sind diese Klänge neu codiert, erscheinen sie im Sound-Gewand der BRD, sind sie überschrieben.
Damit hat man zum einen eine Erklärung für den ungemeinen Erfolg dieser Soundkonzepte. Wenn die Theorien und die Medienarbeit der sogenannten Frankfurter Schule als intellektuelle Gründung der Bundesrepublik verstanden worden sind (vgl. Albrecht et al. 2007), dann sind die Soundkonzepte Karajans und James Lasts vielleicht die psychoakustische Begründung der Bundesrepublik und zugleich eine Form der therapeutischen Begleitung. Dadurch erklärt sich zum anderen auch, warum beide in der konkreten musikalischen Konzert- und Aufzeichnungsarbeit so evident unter Wiederholungszwang leiden. Die endlose Kette von Karajan-Einspielungen und Kompilationen und der uferlose Werkkatalog von James Last sind eben nicht mit interpretatorischen Notwendigkeiten oder dem medientechnischen Fortschritt allein zu erklären. Es scheint vielmehr bei beiden und vielleicht auch bei ihrem Stammpublikum eine Art Wiederholungszwang vorzuliegen, denn so wie der Zwangsneurotiker seinen unaufgelösten psychischen Konflikten in endlosem Händewaschen oder ähnlichen Obsessionen ein Körperbild gibt, mussten sich die bundesrepublikanischen Ohren offenkundig gegen die Sirenengesänge nationalsozialistisch kontextualisierter Akustik-Reminiszenzen lustvoll und zugleich gequält mit Hilfe immer neuer Beethoven-, Bruckner- und »Happy Sound«-Einspielungen immunisieren und so die aufgewühlten Seelen anästhesieren.
Aufschlussreich ist für die Mentalitätsgeschichte der Bundesrepublik zwar auch, dass die psychophysischen Exerzitien des Nationalsozialismus zur Erstellung der phantasmatischen Volksgemeinschaft als Wiederkehr des Verdrängten noch da gelegentlich aufscheinen, wo man es am wenigsten erwartet, etwa in der populären Einspielung von Bachs Weihnachtsoratorium durch den andächtigen Karl Richter. Aber solche Beobachtungen bleiben Randnotizen, da die Karajan/James Last-Operation der Räumung musikalischer Kampfmittel psychohistorisch im Großen und Ganzen erfolgreich war – erfolgreich vielleicht auch deshalb, weil sie am zentralen Element des Nationalsozialismus, dem Rauschhaften, dem Imaginären und dem Somnambulen des Traums ansetzen konnte.
Das Betriebsgeheimnis der faschistischen Subjektprogrammierung hat bezeichnenderweise die Schlusspassage eines Filmes verraten, der bis heute als Kultfilm auch der Post-BRD gelten kann: »Die Feuerzangenbowle« (1944). In seinem Schlussmonolog spricht Heinz Rühmann als metafiktionale Pointe des Films den Satz: »Wahr sind nur die Erinnerungen, die wir mit uns tragen. Die Träume, die wir spinnen, und die Sehnsüchte, die wir tragen, die uns treiben, damit wollen wir uns bescheiden.« Es waren nicht zuletzt die Soundästhetiken Karajans und James Lasts, welche die in den Körpern und Köpfen präsenten Traumwelten des Nationalsozialismus (vgl. Föllmer 2016) in die hedonistischen, modernistischen und nicht zuletzt demokratisierten Idyllen einer mit sich zufriedenen Bundesrepublik Deutschland transformierten.
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