Aktuelle Modezeitschriften – Magazine fernab der Trends
von Annekathrin Kohout
4.1.2025

Zeitlose deutsche Printmagazine

[aus: »Pop. Kultur und Kritik«, Heft 19, Herbst 2021, S. 76-81]

Wenn Heidi Klum in ihrer alterslosen Erscheinung, mit ihren allzeit blondgesträhnten und durchgestuften Haaren, ihrem breiten und strahlend weißen Lächeln im Cottagecore-Look die Leser:innen vom Cover der Juni-Ausgabe der Modezeitschrift »InStyle« anlächelt und für den Aufmacher-Beitrag »Sexy Sommer Basics« wirbt, kommen Zweifel auf, ob diese Ausgabe tatsächlich aus dem Jahr 2021 stammt – und nicht aus den späten 1990er oder 2000er Jahren. Auch bei den Themen der Ausgabe ist von Aktualität oder Zeitgeist keine Spur zu finden. Stattdessen gibt es »Taschen-Modelle, die jeden Tag passen« oder den »Megatrend des Sommers« – kein Scherz: Sandalen.

Frauenzeitschriften wird freilich gerne und schon länger nachgesagt, dass sie ein Nullmedium seien, ihre Inhalte redundant, belanglos und beliebig. Auch wenn man die damit verbundene Wertung nicht in jedem Fall übernehmen möchte, bleibt doch die erstaunliche Abdichtung von der Wirklichkeit unstrittig. Sie ist umso befremdlicher angesichts einer digitalen Medienlandschaft, die tagtäglich neue Themen und Trends, neue Influencer:innen und Stars hervorbringt, in der das Privatleben von Frauen politischer ist denn je, in der gesellschaftliche und politische Diskurse in immer mehr Milieus eindringen und aus ihnen heraus auf Unternehmen, Werbung, Journalismus etc. zurückwirken.

»InStyle« zeigt sich davon unbeeindruckt. Anzeichen dafür, dass die Ausgabe aus der Gegenwart stammt, sind hauptsächlich den vergleichsweise avancierten Werbeanzeigen zu entnehmen: Mit dem Bild einer Mund-Nasen-Schutz tragenden Krankenschwester und einem Herz aus Rosen bedankt sich Lancôme für die Arbeit des Personals während der Corona-Pandemie und wirbt nicht für die eigenen Produkte, sondern die dazugehörige Hashtag-Aktion #shareyourgratitude. Yves Saint Laurent hat mit dem Verein »Frauen gegen Gewalt e.V.« für eine Anzeige kooperiert, die unter dem Slogan »Liebe vertraut. Gewalt zerstört« auf häusliche Gewalt sowie entsprechende Hilfsangebote (#sicherheim) aufmerksam macht. Auch die Parfümerie Douglas verzichtet auf die Inszenierung von Produkten; sie zeigt stattdessen Bilder von Menschen, die nicht den etablierten Schönheitsidealen entsprechen, und wirbt mit dem Slogan »We are just as beautiful as our action« – einer Einsicht, die wohl kaum in Modezeitschriften, sondern viel eher in den Sozialen Medien gewonnen wurde. Innerhalb der Werbeanzeigen haben also gesellschaftliche und politische Stellungnahmen Darstellungen von Frauen, die in wallenden Rüschenkleidern auf Pferden reiten und für Parfüm werben, zumindest zurückgedrängt. Neben Gesellschaftskritik transportieren sie zudem vielfach Empowerment für Frauen: Swarovskis Werbeträgerin ist ein älteres Model, das nicht nur einen mit zahlreichen Steinen besetzten Blazer trägt, sondern zugleich als Expertin durch eine große Lupe einen Diamanten kritisch auf Echtheit überprüft.

Wie sieht es aber mit dem redaktionellen Inhalt von »InStyle« aus? Immerhin ist es laut der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V. (IVW) das Monatsmagazin mit der höchsten verkauften Auflage in Deutschland (223.338 im ersten Quartal 2021). Als Trend werden den Leser:innen bunt gestreifte Kleidungsstücke präsentiert, als »Dauerbrenner« Gürteltaschen, Copernis Elektroauto-Show bei der Pariser Fashionweek wird beschrieben, »Wishlists« und »Highlights« mit scheinbar willkürlich ausgewählten Produkten werden präsentiert, die »hipsten, coolsten und schönsten Outfits der Stars« kurz kommentiert, dann folgen Interview und Bilderstrecke mit Heidi Klum, weitere Wunschlisten und »Styling-Ideen«, schließlich kommt der erste informative und sogar hilfreiche Beitrag über »Green Fashion«, in dem nachhaltige Materialien und entsprechende Zweitlinien populärer Labels und Internetanbieter vorgestellt werden. Es folgen ein Interview mit Sophie Delafontaine (Creative Director von Longchamp), sodann die erste und einzige Modestrecke, ein Porträt von Isabel Marant und zuletzt die Vorstellung immerwährender Trends in den Produktkategorien Sonnenbrillen, Schuhe, Taschen und Beauty, inklusive des Schminktricks des Monats (kaum vorstellbar, dass es noch jemanden geben soll, der ihn nicht bereits kennt): Contouring.

Kurzum: In der Ausgabe erhält man kaum Einblick in aktuelle Nachrichten oder Diskurse, ebenso wenig in Gegenwartsästhetik oder -Trends, vielmehr wird als »Trend« ausgemacht, was niemanden weiter ›triggern‹ kann: Stufenschnitt, geflochtene Zöpfe, der natürliche Make-up-Look, Sandalen, gestreifte Kleidung. Auch trifft man in »InStyle« nicht auf eine bestimmte Stilgemeinschaft, um die herum sich eine Community bilden kann.

Aber vielleicht liegt der Reiz einer solchen Modezeitschrift ja gerade darin, dass sie ein Safe Space ist, vollkommen frei von den Reibungsflächen der Gegenwart, von den die Online-Magazine und Sozialen Medien dominierenden Themen Feminismus, Misogynie, Sexismus, Rassismus, Klassismus mit all deren Licht- (Empowerment, Inspiration) und Schattenseiten (Hatespeech, Diskriminierung). Reagiert das Magazin auf einen Eskapismuswunsch der Leser:innen, die nicht mit den als anstrengend und nervig wahrgenommenen Streitigkeiten in Berührung kommen wollen? Die Deutlichkeit, mit der Werbeanzeigen derartige Themen aufgreifen, lässt das zumindest vermuten, sie wirken teilweise wie ein Einbruch der ungemütlichen Realität in die heile Welt: Gerade noch schwelgt man anlässlich der die »Beine verlängernden himbeerfarbenen Hose« in Gedanken über das »Sommer-Outfit fürs Büro«, wird man plötzlich auf der rechten Hälfte der Doppelseite von Lancôme daran erinnert, dass gerade eine Pandemie herrscht (und man eigentlich nicht unbedingt ins Büro gehen sollte/darf). Die Werbeanzeigen werden weder durch Gestaltung oder Satz kuratiert noch durch eine entsprechende Auswahl: vielmehr wird – wahrscheinlich notwendigerweise – gedruckt, wer zahlt. Nachdem man von Douglas erfahren hat, dass jeder Mensch schön ist, erklärt eine Anzeige für das Nahrungsergänzungsmittel Almased das Programm »den Körper auf ›Abnehmen‹ programmieren«.

Dass sich die Zeitschriftenbranche in einer Krise befindet und die Umsätze in den letzten Jahren stark zurückgegangen sind, merkt man insofern kaum, als in »InStyle« nicht der geringste Versuch unternommen wird, diesen Entwicklungen mit entsprechenden Veränderungen oder gar Innovationen entgegenzuwirken. Während kaum eine Werbeanzeige ohne Hashtags auskommt – und damit eine zusätzliche Partizipation im Social Web verheißt –, bleibt der redaktionelle Inhalt von der Welt des Internets und der Sozialen Medien weitgehend hermetisch abgeschottet. Es gibt keine Reaktion auf die einschneidenden Veränderungen insbesondere durch Modeblogs und die Sozialen Medien, wo Blogger:innen und Influencer:innen kostenlos Inhalte zur Verfügung stellen, die tagesaktuell sind, auf Debatten reagieren und in biografische Narrationen eingebettet sind. Eine Welt, in der der Feed selbst zur Zeitschrift geworden ist – angepasst an die individuellen Interessen und Bedürfnisse der Leser:innen, die Themen und Inhalte nicht nur auswählen, sondern auch mitgestalten können. Genauso wenig wird auf gesellschaftliche Entwicklungen Bezug genommen, auf neue Erkenntnisse und Sensibilitäten z.B. in Bezug auf die für ein Frauenmagazin durchaus relevanten Themen wie Body Positivity, Queerness, Cybermobbing u.v.m.

Etwas anders sieht das in »Cosmopolitan« aus, laut IVW die Monatszeitschrift mit der zweithöchsten verkauften Auflage, die zu kleinerem Preis sowohl mehr Hochglanz als auch gewichtigeren Inhalt zu bieten hat. So wirbt die Juni-Ausgabe immerhin mit den Coverstories »Mehr Leben, mehr Ausgelassenheit: Das Ende der Selbstoptimierung« und »Money Kondo – Finanzen aufräumen auf die japanisch-smarte Art«. Gegenwart und Internetkultur sind hier deutlich präsenter, sowohl gestalterisch (»@work«, Arbeit mit Hashtags, Anzeigen der Lesedauer mit Uhr-Ikon) als auch inhaltlich: Es gibt Interviews und kürzere Artikel zu Narzissmus, »toxischen« Beziehungen, »überraschende Smartphonetricks«; Gründerinnen werden vorgestellt, stillende Frauen gezeigt, Instagram-Star Oumi Jantas verrät ihre Rollschuhskills und Mirna Funk erläutert inspiriert von feministischen Pornos, wie es noch mehr Spaß macht, sich beim Sex im Bett zu filmen. Auch die Corona-Pandemie wird bewusst eingeblendet, sowohl mit kleineren Hinweisen, etwa wenn Empfehlungen gegen »Pickel vo(r)m PC« im Dauer-Home-Office gegeben werden, als auch in eigenen Leitartikeln: In »Corona als Starthilfe« z.B. werden ratgeberartig Chancen im Umbruch aufgezeigt und dann anhand von rührenden Beispielen, in denen Frauen »Corona sei dank« ihre »Leidenschaft zum Beruf gemacht haben«, vorgeführt. Neue Perspektiven auf aus dem Netz bekannte Inhalte lassen sich aber auch in »Cosmopolitan« nicht finden. Wer aktiv am Social Web partizipiert und online Modeblogs und -zeitschriften rezipiert, dürfte hier nur wenig Neues erfahren. Ähnliches gilt für »Glamour« und »myself«, letztere hat sogar mit »myself digital« eine eigene Rubrik, in der u.a. »Twitter-Poeten« zu Wort kommen, was allerdings eher an ehemalige Witz-Seiten erinnert (»Paula @Vikiilina: Manchmal fühle ich mich wie das Porzellan im Elefantenladen«), als Einblicke in die Twitterkultur oder eine bestimmte Twitter-Community zu geben.

Das gilt auch für die »Brigitte«, allerdings hält sie mit der Adressierung einer nicht allzu netzaffinen Leserschaft auch nicht außen vor: »TikTok, Instagram & Co: Ich komme nicht mehr mit«, lautet eine Coverstory. Insgesamt erhält man hier den Eindruck, dass sich die Zeitschrift an ein älteres Publikum richtet, wenngleich sowohl für »InStyle« als auch für »Cosmopolitan« und »Brigitte« jeweils angegeben wird, dass ca. 60 % der 70-80 % Leserinnen 20 bis 49 Jahre alt sind – freilich keine sehr aussagekräftige Zuordnung, da die Altersgruppe viel zu groß ist. Aber deutlich wird in jedem Fall, dass wohl ca. 40 % über 50 Jahre alt sind.

Die unter 20-Jährigen dürften sich am ehesten für »Joy« interessieren, die durch großen Gegenwartsbezug und für junge Frauen relevante Themen auffällt, denen man sich zudem sensibel widmet (keine Diät-Tipps oder dergleichen, Badeanzüge werden nicht – wie einst üblich – durch die Tragbarkeit verschiedener Körperformen klassifiziert, sondern anhand ihrer Nachhaltigkeit etc.). Hier gibt es nun neben Verhütungstipps auch Anregungen zu mehr gegenseitigem Support und »Frauenpower«, der Schwerpunkt liegt deutlich auf Sexualität, und die vorgestellten Modetrends werden nicht – wie in anderen Zeitschriften – durch Designermode, sondern durch günstige Kleidungsstücke exemplifiziert.

»Joys« Zahl verkaufter Ausgaben lag in den letzten beiden Jahren nach Angaben der IVW um 100.000. Im Jahr 2021 besitzt die Zeitschrift etwas mehr als 5.000 Abonnent:innen. Angesichts solch niedriger Zahlen – insbesondere im Vergleich zu den Follower:innen von einzelnen Influencer:innen, aber auch von Magazinen in den Sozialen Medien – kann man sich kaum vorstellen, dass dauerhaft ausreichend Anzeigenkunden akquiriert werden können.

Nun müssen und können Print-Magazine gar nicht mit Social-Media-Trends mithalten, wenn auch neue Perspektiven auf im Netz ausgelöste Debatten und Diskurse durchaus denkbar und wünschenswert wären. Auch eigenwillige und selbstgesetzte Themen würden womöglich Bewegung in die Frauenzeitschriftenkultur bringen. Das ist zumindest der Versuch von »Barbara«, dem relativ jungen Magazin Barbara Schönebergers, die mit »Bogenschießen«, »Beute-Schema: Wenn klauen eine Krankheit ist« (über Kleptomanie) und dem Covermodel (wie immer Schöneberger selbst) im coronabedingten Schlabberlook immerhin überraschende Akzente setzt und sogar mit informativen Beiträgen etwa über eine Sneaker-Sammlerin oder einem Interview mit einer Kriminalpsychologin über Hochstapler einige Highlights bieten kann. Auch die Materialität von »Barbara« ist deutlich hochwertiger als die der bisher genannten Magazine, allen voran dank des festeren Papiers, in dem sie der »Vogue« sehr ähnlich ist.

Dennoch treten beim Blättern durch die genannten Zeitschriften gegenüber den digitalen Formaten eher die Grenzen und Unzulänglichkeiten in den Vordergrund als ihre Vorteile (die für die meisten Leser:innen einzig in der Materialität bestehen dürften). Gerade wenn es um Unterhaltung geht, haben z.B. Instagram-TV oder Reels, Formate wie Backstage-Berichte von Fashion-Shows, Videotutorials, Take-Overs und die grundsätzlichen Möglichkeiten der Vernetzung, die zu immer weiterer Unterhaltung führt, eine deutlich größere Attraktivität.

Auf Instagram sticht unter den Modezeitschriften sowohl quantitativ als auch qualitativ eindeutig »Vogue« hervor. Laut einer von Axel Springer durchgeführten Studie ist die Printausgabe der »Vogue« hingegen eine der Zeitschriften mit den höchsten absoluten Verlusten bei der Reichweite (für das Jahr 2020), was möglicherweise einige zu der Vermutung verleitet haben dürfte, dass Christiane Arp, die Ende letzten Jahres aus »persönlichen Gründen« überraschend den Posten der Chefredakteurin aufgab, ein sinkendes Schiff gerade noch rechtzeitig verlassen hat (übrigens nachdem sie noch Heidis Tochter Leni Klum symbolisch im Modegeschäft willkommen hieß).

Mit fast 500.000 Follower:innen (Stand Juni 2021) hat die deutsche »Vogue« einen doppelt so großen Account wie »InStyle«, die im Printbereich die Spitzenposition innehat. Das ist wiederum nur ein Bruchteil der amerikanischen »Vogue«, die mit ca. 33 Millionen Follower:innen die Reichweite der meisten erfolgreichen Influencer:innen im Modebereich überschreitet. Auch »Vogue Paris«, »Vogue Italia«, »British Vogue«, »Vogue Brasil« und »Vogue Korea« verfügen über Follower im mehrfachen Millionenbereich.

Während die Print-»Vogue« im Unterschied zu den anderen Zeitschriften über aufwendige Editorials mit hochwertigen Fotografien in großem Format und einen ausgeprägten Kultur-Bereich verfügt, zeichnet sich der Instagram-Account durch den vergleichsweise hohen Anteil originärer Inhalte (und nicht nur durch Zweitverwertungen aus den Produktionen für die Printausgaben) aus. »Vogue Germany« verpasst es online nicht, sich politisch zu positionieren. Eine Story-Rubrik gilt beispielsweise dem Hashtag #wirsindmehr, unter dem 2018 nach den Ausschreitungen in Chemnitz Statements gegen Rassismus veröffentlicht wurden. In den Videobotschaften zu Wort kommen u.a. Kübra Gümüşay, Olivia Jones, Wana Limar, Bill Kaulitz und Christiane Arp höchstpersönlich. Was gibt es noch zu entdecken? Eine Tour mit Alexa Chung durch ihr Studio in London, Interviews und Backstage-Berichte zur Dior-Cruise-2022-Show, ein von Gucci produzierter, künstlerisch ambitionierter Werbefilm, Make-up-Tutorials von Toni Garrn, Regina King beantwortet unmögliche Frage aus der Community (z.B. »Erklären Sie einem Achtjährigen das Internet in drei Sätzen«), einen eigens produzierten Modefilm zum Thema »Reflexionen zur ›Heimat‹ – eine afrodeutsche Betrachtung«; es werden Designer:innen und Kollektionen vorgestellt, ungewöhnliche Persönlichkeiten interviewt oder zu einem Take-Over eingeladen – und all das im Bewegtbild, mit Sound und Untertiteln, immersiv und unterhaltend, mit der Möglichkeit, es zu liken, zu teilen, zu kommentieren. Angesichts solcher Konkurrenz bleibt der Printausgabe auf lange Sicht nur, so eine sicherlich nicht allzu gewagte Prognose, die Erhöhung der Exklusivität durch selteneres Erscheinen und vor allem durch deutlich hochwertigere (zugleich nachhaltigere) Materialien (im Moment ist der Trend gegenläufig: Materialien und Druck werden immer billiger und schlechter) sowie Inhalte (Grundlagenartikel, ungewöhnliche Perspektiven, exklusive Gespräche o.ä.) – sonst dürfte die Einstellung der Magazine nicht abzuwenden sein.

 

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