Popularität in Rap-Texten der Gegenwart
von Jens Paepke
12.11.2024

Deutschsprachige Rap-Texte und ihr Erfolg

1. Einleitung

Deutschsprachiger Rap wird immer populärer und diverser. Der kommerzielle Erfolg ist größer denn je, dies äußert sich zum Beispiel in den offiziellen Jahrescharts. In den Top 100 des Jahres 2019 weisen 48 Lieder einen Rap-Anteil auf. Rap und Hip-Hop waren zwar schon zuvor beliebt, allerdings hat sich im Zeitraum von 2000 bis 2023 viel verändert. In diesem Beitrag wird daher die inhaltliche, ästhetische und strukturelle Entwicklung von viel beachteter Rap-Musik ergründet.

Hierfür wird ein Korpus untersucht, der alle Songs beinhaltet, die von 2000 bis 2023 in den Single-Jahrescharts der offiziellen deutschen Charts eine Platzierung erzielen konnten. Insgesamt handelt es sich um 235 verschiedene Songs, die im Rahmen einer qualitativen Inhaltsanalyse (Mayring/Fenzl 2014; Mayring 2023) mit einem dafür entwickelten Kategoriensystem annotiert werden. Hauptaugenmerk ist dabei die lyrische Inszenierung von Erfolg beziehungsweise Popularität im Sinne von Beachtung.

Dies ist deshalb besonders interessant, da Popularität im Rap lange Zeit „als Indikator für Ausverkauf und Irrelevanz“ (Wolbring 2015, S. 149) galt. Mittlerweile ist das Ausstellen des Erfolgs und der damit verbundenen Beachtung jedoch in vielen Songtexten (insbesondere im Gangsta-Rap) verankert. Chartlisten und Auszeichnungen werden im Zuge des kommerziellen Erfolgs immer häufiger in Rap-Texten erwähnt und man könnte meinen, dass es sich um eine gerappte Variante der Popularisierung zweiter Ordnung handelt (Döring et al 2021).

Es entsteht der Eindruck, dass ursprüngliche Kriterien zur Bewertung der Rap-Qualität (beispielsweise Originalität, Kunstfertigkeit oder Authentizität) an Bedeutung verlieren und durch die Dimension der Popularität abgelöst werden. Im Rahmen der qualitativen Inhaltsanalyse soll daher ermittelt werden, wie sich das Populäre einerseits als Textgegenstand manifestiert und andererseits, ob das Populäre häufiger als Wertungsdimensionen wie Authentizität oder Originalität verwendet wird. Es stellt sich die Frage, wie Auf- und Abwertungsprozesse gestaltet werden, ob es dabei szenespezifische Leitdifferenzen von ‚high‘ und ‚low‘ gibt und ob ‚Populär‘ und ‚Nicht-Populär‘ zu einer eigenen Leitdifferenz geworden ist.

Im theoretischen Teil der Arbeit wird zunächst der Forschungsstand zu deutschsprachigem Rap beschrieben. Anschließend wird sich literaturwissenschaftlichen Topoi in Kombination mit soziologischen und linguistischen Erkenntnissen gewidmet. Nach der inhaltlichen Erarbeitung des Gegenstandes, wird deutschsprachiger Rap als Szene (Hitzler & Niederbacher 2010) behandelt. Der letzte Rahmen wird durch die Begriffe Pop und populär konstruiert. Im nächsten Schritt wird die kommerzielle Historie von Rap in Deutschland vorgestellt, da diese die Korpus-Songtexte rahmt. Zum weiteren Verständnis wird außerdem der Gegenstand vor dem Hintergrund von technischen Innovationen und Disruptionen (bspw. Musikstreaming und Social-Media) sowie den gegebenen Rahmenbedingungen (bspw. das Regelsystem der offiziellen deutschen Charts) verhandelt. Daraufhin wird die qualitative Inhaltsanalyse als Methode, der empirische Vorgang an sich und das erstellte Kategoriensystem vorgestellt. In der darauffolgenden Auswertung wird ergründet, welche Bedeutung das Populäre für kommerziell erfolgreiche Rap-Songs hat und wie dieses in Erscheinung tritt. Zum Schluss der Arbeit wird das Vorgehen reflektiert sowie ein Ausblick für weitere Untersuchungen mit dem Korpus gegeben.

2. Theoretische Einordnung des Untersuchungsgegenstandes

Die theoretische Einordnung wird Rap als Untersuchungsgegenstand literaturwissenschaftlich ergründen und anschließend soziologisch rahmen. Aus diesen Erkenntnissen wird im späteren Verlauf ein Kategoriensystem gebildet. Da Termini wie ‚Pop‘ und ‚populär‘ häufig in Publikationen über Rap verwendet werden, ist es notwendig, diese zu erarbeiten. Im Folgenden wird deutlich, wie negativ der Begriff Pop sowohl historisch, wissenschaftlich, als auch in einem nicht-wissenschaftlichen, alltäglichen Umgang – aber auch insbesondere im Kontext von Hip-Hop und Rap – konnotiert ist. Außerdem wird skizziert, welchen Ursprung die schlechte Bewertung des Terminus hat. Durch die Begriffsklärung von ‚Pop‘ wird transparent, dass es sich hierbei keineswegs um eine sprachliche Diffamierung handeln muss und es außerdem kein Synonym für das ‚Populäre‘ ist.

Die Verortung im Spannungsfeld der Popkultur und des Populären ermöglicht einen weitsichtigeren Umgang mit Rap, da die rhythmischen Sprechgesänge damit nicht nur im Ursprungskontext der Hip-Hop Kultur verhandelt werden, sondern auch vor dem Hintergrund der kontemporären Kulturindustrie. Nach der wissenschaftlichen Einordnung wird die kommerzielle Historie von Rap in Deutschland abgebildet und vor dem Hintergrund technischer Disruptionen und allgemeiner Rahmenbedingungen verhandelt. Was in Kapitel 2 erarbeitet wird, ist das Fundament für das methodische Verfahren der qualitativen Inhaltsanalyse in Kapitel 3.

2.1 Deutschsprachiger Rap als Forschungsgegenstand

Deutschsprachiger Rap ist erst innerhalb der vergangenen zwei Dekaden zum Gegenstand des Interesses literatur-, kultur-, musik-, sozialwissenschaftlicher und linguistischer Forschung geworden. Insbesondere seit den 2010er Jahren scheint das Thema deutlich an Popularität zu gewinnen: Martin Seeliger und Marc Dietrich veröffentlichten 2012 den Sammelband „Deutscher Gangsta-Rap“, 2017 erschien bereits ein zweiter Teil und 2022 der dritte. Die Beiträge setzen vorwiegend an der Schnittstelle von Soziologie und Kulturwissenschaft an, was sich vor allem durch den Themenschwerpunkt deutschsprachiger Gangsta-Rap begründen lässt: Gangsta-Rap wurde im ersten Band als ein Abbild einer gesellschaftlichen Realität verstanden (vgl. Seeliger & Dietrich 2012, S. 22), in einer aktuelleren Monografie – die Soziologie des Gangsta-Raps – betont Seeliger allerdings, dass Gangsta-Rap in der Gesellschaft an sich stattfinde und diese nicht bloß spiegle (vgl. Seeliger 2022, S. 43).

Rap ist aber weitaus mehr als Gangsta-Rap; die Erkenntnisse dieser Forschungen lassen sich daher nicht gänzlich auf das gesamte Genre beziehen – dies zeichnet sich in Historien wie ‚35 Jahre Rap in Deutschland‘ (Verlan & Loh 2015) oder ‚Hip-Hop, Adolesenz und Szene‘ (Meyer 2023) ab. Als Herausgeber veröffentlichte Dietrich 2016 den Sammelband ‚Rap im 21. Jahrhundert. Eine (Sub-)Kultur im Wandel‘, der einige Transformationsprozesse des Genres makroperspektivisch beschreibt und weitere soziologische Einblicke bietet. Erwähnenswert ist dabei, dass im Sammelband beispielsweise ‚Weirdo-Rap‘ thematisiert wird und Gangsta-Rap nicht der einzige Gegenstand der Publikation ist. Viele Publikationen widmen sich ausschließlich dem Gangsta-Rap und sind daher aus wissenschaftlicher Perspektive häufig nur für das untersuchte Subgenre sinnstiftend. Gangsta-Rap wird als großer popkultureller Gegenstand behandelt, allerdings muss darauf verwiesen werden, dass weitere Formen von Rap ebenfalls für popkulturelle Studien relevant und zudem anders konstruiert sind.

Einen Ansatz, der diesem Umstand gerecht wird, verfolgt Wolbring mit seiner Dissertation: 2015 publizierte er ‚Die Poetik des deutschsprachigen Rap‘ und beschrieb dessen Produktion literaturwissenschaftlich; er hat den Gegenstand damit für zukünftige literatur- und kulturwissenschaftliche Auseinandersetzungen aufbereitet (vgl. Wolbring 2015, S. 11). Wolbrings Dissertation fokussiert sich nicht auf einzelne Akteure, sondern bildet die Vielfältigkeit von Rap ab. Er nutzt den Begriff ‚Rapschaffende‘, um Personen zu bezeichnen, die Rap-Musik kreieren[1] – diese Bezeichnung wird innerhalb dieser Arbeit übernommen. Die dort gewonnenen Erkenntnisse ermöglichen einen differenzierten Umgang mit nahezu allen Rap-Gegenständen, die bis 2015 (und teilweise danach) veröffentlicht wurden.

Johannes Gruber beleuchtet mit dem Werk ‚Performative Lyrik und lyrische Performance. Profilbildung im deutschen Rap‘ „Raptexte als literarisches Genre aus produktionsästhetischer Sicht […] und Raptracks als performative Lyrikaufführung“ (Gruber 2017, S. 47). Ähnlich wie Wolbring hat Gruber verschiedene Topoi ergründet und entsprechend aufbereitet. Besonders nennenswert ist das Kapitel zum Flow, in dem Gruber das rhythmische Phänomen treffend skizziert.

In der Herausgeberschaft von Höllein, Lehnert und Woitkowski wurde 2020 der Sammelband ‚Rap – Text – Analyse. Deutschsprachiger Rap seit 2000‘ veröffentlicht. Die Beiträge der Publikation behandeln konkrete Erzeugnisse von Artists verschiedener Subgenres und verfolgen damit einen anderen Ansatz als die Dissertation Wolbrings. Durch das Analysieren von expliziten Beispielen konnten Erkenntnisse auf Mikroebene gewonnen werden, die in ihrer Gesamtheit verdeutlichen, dass deutschsprachiger Rap ein hohes Maß an Diversität aufweist

2021 gaben Busch und Süß den Sammelband ‚Rap. Politisch. Rechts? Ästhetische Konservatismen im Deutschrap‘ heraus. Der Band enthält Beiträge, die Konservatismen im deutschsprachigen Rap entweder anhand von Beispielen auf der Mikroebene behandeln oder Strömungen wie Rechts-Rap auf der Makroebene beschreiben. Süß hat in den darauffolgenden Jahren weitere Sammelbände wie ‚Eine Szene im Wandel‘, ‚Rap und Geschlecht‘ sowie ‚Deutsch-Rap und Gewalt‘ publiziert.

Allgemein lässt sich feststellen, dass Hip-Hop immer vielfältiger in Forschungsvorhanden integriert wird. (vgl. Wilke 2022, S. 497). Umfangreiche Korpusanalysen liegen jedoch kaum vor – Wolbring verweist zwar auf Mühlig (2011) und spricht von einem „randomisierten Korpus von 400 deutschsprachigen Raps“ (Wolbring 2015, S. 13), allerdings handelt es sich hierbei um eine nicht veröffentlichte Magisterarbeit. Es ist daher vollkommen unklar, wie das Korpus entstanden ist.

2.1.1 Literaturwissenschaftliche Topoi und Besonderheiten

Wie eingangs erwähnt, ist Wolbrings Dissertation ‚Die Poetik des deutschsprachigen Raps‘ zentral für den literaturwissenschaftlichen Zugang zum Gegenstand. Mit der Verwendung des Terminus ‚Rapschaffende‘ entscheidet sich Wolbring bewusst gegen die Begriffe Rapper oder Rapperin und weist damit subtil darauf hin, dass Rap nicht bloß das Praktizieren einer Stimmperformance ist. Rapschaffen beinhaltet zwei Produktionsprozesse: „die Konzeption des Rap als literale Praxis und […] die Realisation des Rap als orale Tätigkeit“ (Wolbring 2015, S. 146; Hervorhebung im Original) – Rap ist also von Beginn an für das mündliche Vortragen konstruiert. Die Bezeichnung ‚Rapschaffende‘ ist im Kontext der vorliegenden Arbeit sehr treffend: Der Begriff bezeichnet eine Person, die Rap erschafft, und referiert nicht direkt auf die Hip-Hop-Kultur, wie die Bezeichnung ‚Hip-Hopper‘.

Die inhaltliche Ausrichtung des Genres lässt sich nicht allgemein definieren, da Rap eine überdurchschnittlich große thematische Offenheit aufweist. Diese Tatsache kann als eine spezielle Qualität der Textsorte gewertet werden (vgl. ebd., S. 351). Es „ist nicht nur alles erlaubt, es wird auch alles getan, was eigentlich nicht sein dürfte“ (Höllein et al. 2020, S. 10). Laut Wolbring existieren im Rap „gleichzeitig der Anspruch, auf formal ästhetischer Ebene kunsthandwerklich geschickt zu sein, wie der Anspruch [sic!] stets authentisch zu sprechen“ (Wolbring 2015, S. 146f.).

Prinzipiell kann ein Rap-Song jeden Gegenstand als Ausgangspunkt für einen Text verwenden, allerdings häufen sich bestimmte Motive, die Wolbring in Form verschiedener Topoi definiert. Die einzelnen Topoi sind dabei nicht statisch voneinander getrennt, sondern dynamisch ineinander verwoben. An erster Stelle wird der Wettbewerbs-Topos dargestellt: Hierunter sammeln sich die kompetitiven Elemente des Genres, die meistens in Form der „zentralen Sprechhandlungen […] boasting und dissing“ realisiert werden (Wolbring 2015, S. 389).

Dissing meint fiktive oder reale Konfliktsituationen, in denen abstrakte oder konkrete Kontrahenten mit einem verbalen Angriff diffamiert werden. Boasting hingegen beschreibt Äußerungen, in denen sich Rapschaffende jeweils in eine gegenüber ihrem Kontrahenten erhöhte Position begeben. In vielen Fällen treten die Prozesse der eigenen Aufwertung und Abwertung des Gegenübers gemeinsam auf und dienen letztlich dazu, die eigene Überlegenheit oder die Unterlegenheit eines anderen zu inszenieren. Boasting kann dann zu einer Variante des Dissing werden, wenn esinnerhalb des „boasting einen expliziten Adressatenbezug, zumeist n Form von Überlegenheitsbehauptungen“ (ebd., S. 391) gibt. Stilmittel wie Vergleiche und Hyperbeln sind besonders beliebt, da sich die Interpreten dadurch von anderen Personen abgrenzen können (vgl. Wolbring 2015, S. 362f.).

Hierbei wird das explizite Sprechverhalten der Textsorte deutlich – der Rapschaffende hat ein Sprechermonopol und ist somit der „Situationsdefinierende und auch der einzig Situationsmächtige“ (Wolbring 2015, S. 385). Zur Realisierung von Vergleichen und Hyperbeln dienen beispielsweise populäre Persönlichkeiten wie Fußballspieler, Musiker oder Schauspieler oder popkulturelle Gegenstände an sich.

In diesem Kontext wird unter anderem deutlich, dass Coolness „als das bestimmende Inszenierungsideal der gesamten HipHop-Kultur“ (ebd., S. 434) gilt. Coolness wird durch den Kleidungsstil, bestimmte Gesten, den sprachlichen Ausdruck, Objekte und ganz allgemein den Lebensstil vermittelt. Demnach handelt es sich um keinen expliziten wissenschaftlichen Terminus – Coolness ist „geradezu der Inbegriff eines populären, vorwiegend jugendlichen verwandten passe-partout-Wortes“ (ebd., S. 435). Während die konkrete Ausgestaltung der Coolness also stets vom Kontext der Zeit abhängt, bleibt die positive Konnotation konstant. Hervorzuheben ist außerdem, dass Coolness primär „ein Sprecher-Attribut“ (ebd., S. 443) ist und nicht zwangsläufig auf der Text-Ebene realisiert werden muss.

Innerhalb der Wettbewerbsmentalität haben sich Kriterien etabliert, die sowohl Rapschaffende als auch Rezipienten nutzen, um die Qualität von Rap-Werken zu evaluieren. Die Wertungsdimensionen Originalität (style), Kunstfertigkeit (skills) und Authentizität (realness) haben dabei einen besonders hohen Stellenwert (vgl. ebd., S. 149). Sie verfügen über einen dualistischen Charakter – die jeweiligen Pole verhalten sich also antagonistisch zueinander.

Nach Wolbring unterliegt Rap einem „grundsätzlichen Originalitätsanspruch“ (ebd., S. 268), was sich darin äußert, dass die Rapschaffenden stets dazu angehalten werden, neue Performances und Formulierungen hervorzubringen. Originalität meint also, dass Rapschaffende eine innovative, individuelle und neuartige Vortragsweise vorweisen können, während Nicht-Originalität bedeutet, dass die Performance beispielsweise kopiert, austauschbar, angeglichen oder veraltet ist. Kunstfertigkeit ist im positiven Sinne zum Beispiel auf Rapschaffende bezogen, die in ihren Texten komplexe Reimstrukturen verwenden. Eine geringe Kunstfertigkeit wäre beispielsweise durch das Verwenden von einsilbigen Reimen („Haus“ auf „Maus“) gekennzeichnet. Simple Reproduktionen werden innerhalb der Textsorte Rap nicht bloß negativ bewertet, sondern gelten als Regelverstoß (vgl. ebd., S. 150). Eine eigene Stilistik, die stetig optimiert wird, ist von höchster Relevanz (vgl. Wilke 2022, S. 532).

Dieser Umstand gilt allerdings vorwiegend für die gerappten Rhythmen und Reime und nur bedingt für die bedienten Inhaltsfelder. Es liegen demnach „konventionalisierte[r] Boasting-Techniken [vor], etwa in Bezug auf die technischen Fähigkeiten und Fertigkeiten, die Darstellung als Szene-Größe und der typischen Battle-Metaphorik“ (Gruber 2016, S. 45).

Authentizität verhandelt, inwiefern Rapschaffende glaubwürdig (real) oder unglaubwürdig (fake) sind. Rap wird sowohl von der Produzenten- als auch der Rezipientenseite häufig vor den Kriterien der Echtheit verhandelt. In vielen Rap-Texten wird „explizit auf einen Authentizitäts-Topos rekurriert“ (Wolbring 2015, S. 364). Künstler inszenieren sich beispielsweise selbst als besonders authentisch oder diffamieren andere Künstler als unecht. Authentizität kann allerdings auch indirekt konstruiert werden, indem beispielsweise die eigene Lebensrealität dargestellt und dieser eine gewisse Kredibilität zugeschrieben wird – je „marginalisierter die Herkunft, desto authentischer und damit legitimer ist das Sprechen“ (Süß 2021b, S. 124).

Solche Praktiken sind vor allem im Gangsta-Rap besonders häufig vorzufinden (vgl. Wolbring 2015, S. 365f.). Dies führt zu einem besonderen Verhältnis von Autorschaft und Authentizität: Im Rap wird von einer „Personalunion von Autor und Sprecher“ (Wolbring 2015, S. 147) ausgegangen. Dadurch nimmt das Publikum die Rapschaffenden gleichzeitig als Vortragende und Verfassende der Songtexte wahr. Textlich wird dies häufig dadurch realisiert, dass Rapschaffende innerhalb von Songs auf ihren eigenen Namen referieren oder in der dritten Person über sich selbst sprechen (vgl. Wolbring 2015, S. 366; Fröhlich & Röder 2017, S. 135; Wiese 2021, S. 166).

Der autobiographische Charakter der Rap-Texte wird ebenfalls dadurch deutlich, dass die eigenen zwischenmenschlichen Beziehungen sowie Emotionen und Haltungen zu inhaltlichen Gegenständen werden. Die Einheit von Autor und Sprecher galt im Rap lange als Selbstverständlichkeit und war damit ein Distinktionsmerkmal gegenüber anderen Genres und Szenen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass im Rap – zum Zeitpunkt von Wolbrings Ausführungen – „keine legitimierte Praxis der Fremdinterpretationen von Texten, weder in Form von Coverversionen noch in Form von Ghostwriting“ (Wolbring 2015, S. 147) vorliegt. Dieses Modell von Autorschaft wurde auch dann vermittelt, wenn die Texte insgeheim fremdverfasst waren, da dies „seitens der Rezipienten grundsätzlich nicht gebilligt“ (Wolbring 2015, S. 148) werde[2].

Innerhalb der vergangenen zehn Jahre hat sich die Autorschaft im Rap allerdings gewandelt: Die untrennbare Personalunion von Autor und Sprecher verliert zunehmend ihren „hohen Stellenwert“ (Wolbring 2015, S. 149), den Wolbring damals zu Recht attestierte. Das Fremdinterpretationstabu existiert zwar noch in Szene-Kreisen, in denen eine Identifizierung mit der ursprünglichen Hip-Hop-Kultur vorherrscht, allerdings trifft dies auf zahlreiche populäre Rap-Gegenstände nach 2016 nicht mehr zu.[3] Zum Zeitpunkt von Wolbrings Untersuchungen herrschte also allgemein ein gewisser Innovationsdruck, der die Rapschaffenden dazu antrieb, selbst kreativ zu werden, statt etwas bereits Vorhandenes zu übernehmen (vgl. ebd., S. 267f.). Dieser Innovationsdruck gilt in Teilen der Rap-Szene bis heute, allerdings existieren parallel dazu so viele beinahe wie Coversongs anmutende Interpolationen mit Rap-Performance wie noch nie zuvor. Interpolation meint „das Nachspielen einer musikalischen Passage, anstatt sie von Platte zu sampeln“ (Pelleter 2022, S. 338) – wenngleich diese Praxis häufig mit Sampling verwechselt wird. Sie unterscheidet sich allerdings darin, dass ganze Arrangements oder Gesangsmelodien von einem bereits existierenden Werk übernommen werden und lediglich neue Worte auf den schon vorhandenen Flow übertragen werden. Man könnte auch von ‚Struktur-Sampling‘ sprechen.

Den wahrscheinlich bekanntesten Topos stellt die Hypermaskulinität dar. Der Hypermaskulinitäts-Topos wird dadurch erfüllt, dass Rapschaffende sich selbst „Attribute einer […] übersteigerten Männlichkeit“ (ebd., S. 368) zusprechen. Wolbring sieht dessen Realisierungsmöglichkeiten in der Referenz auf den eigenen männlichen Körper, den eigenen Reichtum und die eigene Selbstbestimmtheit sowie in einer ignoranten Haltung. Der eigenen Männlichkeit wird die vermeintlich schwache Weiblichkeit gegenübergestellt, gleiches gilt für alle Merkmale, die von dem thematisierten Männlichkeitsideal abweichen (vgl. ebd., S. 369). Die zuvor erwähnte Coolness steht oft in enger Verbindung mit der Hypermaskulinität und äußert sich beispielsweise „in einer offen zur Schau gestellten Gefühlskälte gegenüber Frauen“ (ebd., S. 440). Wolbring hält fest, dass die „explizite Misogynie […] in dieser Drastik und Radikalität […] in wenig anderen gesellschaftlichen Kontexten üblich“ (ebd., S. 372) sei. Hierbei ist anzumerken, dass sich die Hypermaskulinität in der Praxis als nicht geschlechtsexklusiv erweist: Es werden primär Eigenschaften inszeniert, die einem Geschlecht zugesprochen werden, wodurch der Topos „auch für weibliche Rapschaffende adaptierbar und attraktiv“ (ebd., S. 378) ist. Diese Modellierung spiegelt sich ebenfalls in Raewyn Connells Ausführungen zur hegemonialen Männlichkeit wider: Männlichkeit ist „eine Position im Geschlechterverhältnis; [sie umfasst] die Praktiken, durch die Männer und Frauen diese Position einnehmen, und die Auswirkungen dieser Praktiken auf die körperliche Erfahrung, auf Persönlichkeit und Kultur“ (Connell 2015, S. 124). Bei Männlichkeit und Weiblichkeit handelt es sich also um „relationale Konzepte, die sich aufeinander beziehen und erst im Verhältnis zueinander Bedeutung gewissen“ (ebd., S. 93). Innerhalb von Rap ist häufig die „Figur des Gangsta-Rappers […] die hegemoniale Männlichkeit“ (Süß 2021b, S. 123). Allgemein wird anhand des offen ausgestellten Sexismus deutlich, dass viele Rapschaffende gerne Tabubrüche begehen – dies steht schließlich im Einklang mit einer sich überordnenden Männlichkeit. Da es sich innerhalb der Textsorte Rap konventionalisiert hat, gegen die Werte und Normen der modernen Gesellschaften zu verstoßen, gibt es abseits der deutlichen Misogynie weitere Tabubrüche, die sich auf andere Bereiche des Lebens beziehen. Der Konsum von Betäubungsmitteln, der sich beispielsweise im „Lifestyle-Ideal des »coolen Kiffers«“ (Wolbring 2015, S. 446) äußern kann, wird häufig zum Gegenstand von Songs. Zusätzlich zum eigenen Rausch kann auch der Vertrieb von Drogen inszeniert werden – mit beiden Sprechhandlungen ist es möglich, eine Risikobereitschaft zu transportieren und sich gleichzeitig dem Gesetz überzuordnen. In solchen Kontexten wird deutlich, dass staatliche Institutionen und die damit verbundene Staatsmacht zu Antagonisten gemacht werden können. Rapschaffende vermitteln dadurch eine rebellische Rolle, welche die eigene Autorität bestärkt. Eine kritische Haltung gegenüber der Polizei oder dem Gesetz äußert sich allerdings nicht zwangsläufig in Tabubrüchen, sondern kann genauso in Form eines „etablierten und anerkannten Habitus des Systemkritschen“ (ebd., S. 404) realisiert werden. Dies trifft in der Regel auf Songs zu, die als Conscious bezeichnet werden – Wolbring nennt ‚Weck mich auf‘ von Samy Deluxe als ein Beispiel, einem Künstler, der ebenfalls Teil des Korpus dieser Arbeit ist. Eng verwoben mit der Hypermaskulinität und dem Rebellentum sind Aggressivität und Gewaltbereitschaft: Hierbei handelt es sich besonders oft um „Droh- oder Imponierverhalten“ (ebd., S. 452), das in einem „ambivalenten Verhältnis zu physischer Gewaltanwendung“ (ebd., S. 451) steht. Abermals steht dabei die mächtige Inszenierung des Rapschaffenden im Vordergrund – Wolbring sieht Aggressivität als eine Möglichkeit, die eigene Coolness zu steigern. Dies kann beispielsweise im Kontext von dissing durch Beschimpfungen oder die Beschreibung von Gewaltanwendung realisiert werden (vgl. ebd., S. 455f.). Da es allerdings nur in wenigen Fällen zu tatsächlichen körperlichen Auseinandersetzungen kommt, kann das aggressive Sprechverhalten innerhalb der Rap-Texte sogar als „geschickte Strategie der physischen Konfliktvermeidung“ (ebd., S. 452) verstanden werden. Grundsätzlich zeichnet sich innerhalb des inhaltlichen Felds der Gewalt die Wettbewerbsmentalität in Kombination mit Männlichkeitsidealen ab.

Einen weiteren Bezugsrahmen, der ebenfalls häufig mit beiden Topoi in Verbindung steht, bilden Wohlstandsmarker bzw. Statussymbole. Es werden Parallelen zum kapitalistisch geprägten Leistungsprinzip der Gesellschaft deutlich (vgl. ebd., S. 363). Mit diesem geht ein Ideal einher, in dem viele Rapschaffende „ambitioniert über das tägliche ‚Ackern‘ im Hamsterrad rappen“ (Süß 2019, S. 33). Schlüsselworte innerhalb der Songtexte sind dabei beispielsweise ‚Hustle‘ oder ‚Grind‘. Selbstverständlich gibt es ebenfalls Rapschaffende, die sich „der kapitalistischen Verwertungslogik bewusst entgegen[setzen]“ (ebd.). Beim Blick auf zahlreiche kommerziell erfolgreiche Rapschaffende sind diese Motive omnipräsent: „Ob weiße Mittelschichts-Rapper wie Bausa oder Cro, migrantische Männlichkeiten wie Nimo oder Summer Cem oder weibliche Rap-Acts wie Shirin David, Nura oder Loredana: Der grundlegende Habitus neoliberaler Männlichkeit […] materialisiert sich in beinahe allen zeitgenössischen Rap-Songs“ (ebd.; Hervorhebung im Original). Frei nach dem Motto ‚Geld regiert die Welt‘ eignen sich Statussymbole also dafür, die eigene Macht zu demonstrieren, die Männlichkeit zu stärken oder sich anderen überzuordnen. Wohlstand, Erfolg und Popularität sind eng miteinander verknüpft und galten nicht immer als erstrebenswert: „Popularität im Sinne von kommerziellem Erfolg galt lange Zeit nicht als legitimes Qualitätskriterium im Rap, sondern im Gegenteil eher als Indikator für Ausverkauf und Irrelevanz […], hat aber insbesondere im Zuge der wachsenden Popularität des offen kapitalistisch orientierten Gangsta-Rap an Wertigkeit gewonnen“ (Wolbring 2015, S. 149). Es stellt sich daher die Frage, wie wichtig und präsent die ‚ursprünglichen‘ Wertungsdimensionen Originalität, Kunstfertigkeit und Authentizität (vgl. ebd.) noch sind, oder ob diese mittlerweile von der Popularität verdrängt wurden. Deutlich ist jedenfalls, dass Erfolg nicht länger zur „Absprache von realness“ (Süß 2019, S. 30; Hervorhebung im Original) führt und es sich bei der Inszenierung von Popularität um kein Phänomen handelt, das exklusiv im Gangsta-Rap verankert ist.

Rapschaffende, die andere Rapschaffende oder das Geschehen in der Szene, der Rezeption oder der Industrie kommentieren, agieren genretypisch. Laut Wolbring sind die Werke „im Regelfall deutlich adressiert formuliert“ (Wolbring 2015, S. 385), was unter anderem durch die Verwendung des Pronomens ‚Du‘ im Songtext gekennzeichnet ist. Einen konkreten, real existierenden Adressaten gibt es allerdings eher selten. Sichtet man Texte aus Genres ohne Bezug zum Rap, finden sich nahezu keine Passagen, die eine derartige Metaebene bedienen. Genreübergreifend existieren zwar politische Songs (im Englischen auch protest songs), deren Texte eine Botschaft an die gesamte Gesellschaft (bspw. Udo Lindenberg – Wir ziehen in den Frieden), an Vertreter einer bestimmten Meinung (bspw. Die Ärzte – Schrei nach Liebe oder Xavier Naidoo – Marionetten) oder auch einzelne Politiker (bspw. Pink – Dear Mr. President) übermitteln sollen. Die genannten Beispiele verweisen allerdings auf Themen und Ereignisse, die alle Mitglieder unserer Gesellschaft umgeben. Rapschaffende hingegen verhalten sich in Rap-Texten oft kommentierend gegenüber einer Szene, die im Gegensatz zu politischen Sachverhalten nicht gesamtgesellschaftlich relevant ist. Diese Form der Lyrik beinhaltet ein explizites Bewusstsein dafür, dass die Songs und ihre Rapschaffenden in einem konkreten Resonanzraum stattfinden – es handelt sich dabei um eine „fingierte Kommunikationssituation“ (ebd., S. 386). Sie agieren damit über den eigentlichen Textgegenstand hinaus, indem Kommunikation mit Akteuren einer Szene lyrisch realisiert wird. Diss-Tracks sind besonders deutliche Beispiele dafür, da hier ein ganzer Song an eine oder mehrere Personen der Szene gerichtet wird – in diesem Fall liegt zudem ein tatsächlicher Adressat vor. Im Gegensatz zu Songtexten anderer Genres ist die Vokalisierung klar konstruiert und Szeneanhänger können deutlich ableiten, wer zu wem auf welche Art und Weise spricht. Ähnlich gestaltet es sich, wenn ein Rapschaffender in Tracks den eigenen Erfolg erwähnt und die Zusammenarbeit mit anderen Rapschaffenden, Produzenten oder weiteren Akteuren der Musikindustrie bespricht. Sprechhandlungen wie diese zeigen den intertextuellen Charakter von Rap auf und verdeutlichen außerdem, dass oft Kenntnisse über die Szene, ihre Akteure und die dazugehörigen Gegenstände vorausgesetzt werden (vgl. Wilke 2022, S. 495). Diese eindeutigen, vorausgehenden Referenzpunkte werden in der literaturwissenschaftlichen Intertextualität als Prätexte bezeichnet. Darüber hinaus findet die Textsorte Rap häufig in „plurimedialen Vermittlungskontexten“ (Bodden 2015, S. 101) statt: Musikvideos, Social-Media-Content, Premiumboxen, Livestreams, Filme und Auftritte können dafür verwendet werden, weitere Informationen zum eigentlichen Gegenstand (den Songs oder Alben) zu vermitteln. Wilke beschreibt diesen Umstand sogar als „mediale Unübersichtlichkeit“ (Wilke 2022, S. 492).

Der letzte von Wolbring beschriebene Topos behandelt den starken Heimat- oder Lokalbezug vieler Rap-Texte. Der Lokalitäts-Topos meint die „konkrete empirische Verortung“ (ebd., S. 380), die oft darin mündet, dass die Raumästhetik der Urbanität Einzug in die Texte Rapschaffender findet. Die Referenz auf Großstädte ist dominant, was damit zusammenhängt, dass Rapschaffende aus ländlichen Gegenden seltener Lokalbezüge auf der Textebene realisieren. Lokalität steht besonders häufig in direktem Bezug zum Gangsta-Rap und der damit verbundenen Ghetto-Ästhetik (vgl. ebd., S. 381). Innerhalb des Lokalitäts-Topos spielt daher die soziale Herkunft oft eine zentrale Rolle – ‚die Straße‘ dient dabei als Schauplatz einer prekären Lebensrealität (vgl. ebd., S. 62f.). Dies bedeutet jedoch nicht, dass damit nur die gegenwärtige Situation eines Rapschaffenden beschrieben wird. Thematisierte Orte stehen teilweise in Verbindung mit Veränderung und Entwicklung, die sich beispielsweise im sozialen Aufstieg äußern kann. In solchen Fällen wird die marginalisierte Vergangenheit der privilegierten Gegenwart gegenübergestellt. Bei Rapschaffenden mit Migrationshintergrund wird im Rahmen der Lokalität ebenfalls die Herkunft der Familie oder die eigene Nationalität beziehungsweise die des Umfelds zum Gegenstand des Texts (vgl. ebd., S. 58f.). Hieran wird abermals der autobiographische Charakter vieler Rap-Texte deutlich.

2.1.2 Verhandlung als Szene

Rap und Hip-Hop werden in der Regel vor dem Hintergrund eines Szenebegriffs behandelt, da die kulturellen Gegenstände innerhalb von bestimmten Kreisen rezipiert werden, die über Vorwissen zu spezifischen Praktiken des Genres bzw. der Kultur verfügen. Die wissenschaftliche Ergründung von Szenen ist aus der Jugendsoziologie hervorgegangen und gilt als eine Weiterentwicklung der Peer-Groups. Hitzler und Niederbach veröffentlichten 2010 ‚Leben in Szenen. Formen juveniler Vergemeinschaftung heute‘, in der sie detailliert darstellen, wie sich der Zugang zu möglichen Erlebniswelten stetig erweitert hat. Durch Strukturveränderungen sei es in Form von technischen Innovationen, des mehrdimensionalen Mobilitätszuwachses oder von sozialen Wandlungsprozessen, wurde der Erfahrungsraum von Jugendlichen (bzw. Gesellschaftsmitgliedern im Allgemeinen) stetig erweitert. Das Resultat ist die De-Lokalisierung von Peer-Groups, die den Ausgangspunkt eines dezidierten Szenebegriffs darstellt (vgl. Hitzler/Niederbacher 2010, S. 15). Hitzler und Niederbach definieren Szene als eine „Form von lockerem Netzwerk; einem Netzwerk, in dem sich unbestimmt viele beteiligte Personen und Personengruppen vergemeinschaften“ (Hitzler/Niederbacher 2010, S. 15). Zentral ist dabei, dass man nicht wie in eine Familie hineingeboren oder wie in eine Schulklasse hineinsozialisiert wird, sondern dass der Szenezugang eigenständig und auf Basis gemeinsamer Interessen erfolgt. Szenen sind ein „globales […] Gesellungsgebilde“ (ebd., S. 16) ohne lokale Begrenzung, sie können jedoch über lokale Akzentuierungen verfügen. Förmliche Mitgliedschaften existieren dabei nicht, wodurch sich Szenen deutlich von formalisierten Organisationen unterscheiden. Betreten und Verlassen einer Szene geschehen subtil, weshalb das Bewusstsein über die Zugehörigkeit erst mit der Zeit eintritt; Hitzler und Niederbacher vergleichen die Bewegung in einer Szene mit dem Dasein in einer Nebelbank: „Man weiß oft nicht, ob man tatsächlich drin ist, ob man am Rande mitläuft, oder ob man schon nahe am Zentrum steht“ (ebd., S. 16).

Szenen verfügen über ein zentrales ‚issue‘, zum Beispiel einen konkreten Musikstil, eine bestimmte Weltanschauung oder politische Idee, das Interesse an speziellen Konsumgegenständen oder auch eine Sportart. Dabei existieren „typische Einstellungen und entsprechende Handlungs- und Umgangsweisen“ (ebd., S. 17). Die Kommunikation innerhalb von Szenen richtet sich nicht ausschließlich auf das eine gemeinsame Thema. Sie ist vielfältig und reicht „über die (diffusen) Ränder der Szene hinaus“ (ebd., S. 17). Innerhalb einer Szene gibt es „szenetypische Symbole, Zeichen und Rituale“ (ebd., S. 17), die beiläufig die Zugehörigkeit bekräftigen und in der interaktiven Kommunikation erzeugt werden. Je nach Szene ist diese Form der Repräsentation ein vollumfänglicher Lebensstil, wodurch selbst Außenstehende Kenntnisse über einzelne Aspekte einer Szene haben und diese bei Individuen wiedererkennen können. Auf diese Art dienen Szenen der sozialen Verortung, da die „kommunikative und interaktive Präsenz des Akteurs“ (ebd., S. 18) so von außen sichtbar wird. Daraus geht hervor, dass Szenen jeweils über eine eigene Kultur verfügen, die sich in „Verhaltensweisen, Attribuierungen, Codes, Signalen, Emblemen, Zeremonien, Attitüden, Wissensbeständen, Relevanzen, Fertigkeiten usw. manifestiert“ (ebd., S. 18). Kenntnisse darüber können zwar im Selbststudium erlangt werden, jedoch setzt die Anwendung der szenetypischen Kultur die Kommunikation mit Gleichgesinnten voraus. Hierbei wird deutlich, dass Szenen an Wir-Gefühle gebunden sind. Da die Partizipation an einer Szene allerdings „symptomatischerweise ein Teilzeit-Engagement“ (ebd., S. 19) ist, handelt es sich bei Szenen um labile Gebilde.

Das Gefühl der Szenezugehörigkeit kann sich mit der Weiterentwicklung der eigenen Lebensumstände verändern, da beispielsweise Zeit zur Teilhabe fehlt. Aus diesem Grund sind typische Szenetreffpunkte (offline oder online) besonders wichtig, damit Szenegänger ihr Zugehörigkeitsgefühl flexibel stärken können und dabei nicht von einem konkreten Individuum abhängig sind (vgl. ebd., S. 20). Szenegänger bilden dennoch mit verschiedenen Individuen innerhalb einer Szene Gruppierungen, mit denen sie intensiver interagieren – daher sind Szenen ebenfalls als „Netzwerke von Gruppen“ (ebd., S. 20f.) zu definieren. Abseits der zuvor genannten typischen Szenetreffpunkte gibt es vororganisierte Erfahrungsräume in Form von Events: Hier werden mehrere „Unterhaltungsangebote nach szenetypischen ästhetischen Kriterien kompiliert oder synthetisiert“ (ebd., S. 22), wodurch ein temporärer Szenetreffpunkt entsteht, der das Wir-Gefühl intensivieren soll. In den meisten Fällen sind die vororganisierten Veranstaltungen kommerziell und offenbaren damit das monetäre Potential von Szenen. Häufig sind Veranstaltende zugleich Szenegänger, die ihre Erwerbsarbeit durch ihre Partizipation innerhalb der Szene gefunden haben. Veranstaltungen können aber auch ohne kommerzielle Absichten von mehreren Szeneanhängern organisiert werden (vgl. ebd., S. 22). An den Events wird deutlich: „Szenen strukturieren sich um Organisationseliten“ (ebd., S. 22), die gewissermaßen als Motor für die Szene dienen. Meistens handelt es sich um langjährige Anhänger einer Szene, die über ein umfassendes Wissen über die Szene-Kultur verfügen und dieses nutzen, um das kommerzielle Potenzial der Szene auszuschöpfen. Durch ihre Tätigkeiten sind sie überregional mit anderen Organisatoren vernetzt und verfügen über Privilegien innerhalb der Szene. Sie sind außerdem häufig für Innovationen (mit-)verantwortlich. Wichtig ist hierbei, dass Organisationselite nicht meint, dass es sich bloß um ein Netzwerk handeln muss – es können mehrere Organisationseliten parallel existieren. Gleichzeitig können beispielsweise Freunde der Organisationselite ebenfalls die besonderen Privilegien erhalten. Genauso gibt es Mitglieder der Organisationselite, die sich beispielsweise eher am Rande der Szene aufhalten, obwohl sie eigentlich im Zentrum mitorganisieren (vgl. ebd., S. 23f.). Das Szenegeschehen ist darüber hinaus sehr dynamisch und gewissermaßen davon abhängig, dass sich Trends verändern: Wenn ein „Mega-Event an jedem Wochenende in jedem Einzugsgebiet“ (ebd., S. 25) stattfindet, verliert es die ursprünglich temporäre, individuelle Besonderheit. Durch die zahlreichen zuvor illustrierten Aspekte wird deutlich, dass Szenen als Orte im sozialen Raum gelten, „an denen Identitäten, Kompetenzen und Relevanzhierarchien aufgebaut und interaktiv stabilisiert werden, welche die Chancen zur gelingenden Bewältigung des je eigenen Lebens über die Dauer der Szene-Vergemeinschaftung hinaus […] erhöhen“ (ebd., S. 26).

Hitzler und Niederbacher stellen in ihrer Publikation 20 verschiedene Szenen vor und widmen sich in diesem Zuge dezidiert der Hip-Hop-Szene. Süß stellt 2021 in ihrer Publikation ‚Eine Szene im Wandel? Rap-Männlichkeiten zwischen Tradition und Transformation‘ treffend dar, dass Hitzlers und Niederbachers Annahme von Hip-Hop als Szene dem heutigen Verständnis nicht mehr entspricht, da Breakdance und Graffiti kaum noch explizit mitgemeint werden, wenn von Hip-Hop gesprochen wird (vgl. Süß 2021a, S. 83). Dabei wird auf Seeligers Erkenntnis verwiesen, dass die Vier-Elemente-Logik in der deutschsprachigen Hip-Hop-Kultur nicht mehr vorherrscht (vgl. Seeliger 2013, S. 16). Dieser Umstand ist vollkommen zutreffend und Süß verdeutlicht hiermit, dass ein Wandel vorliegt, in dem die Hip-Hop-Kultur als Ganzes an Bedeutung verloren habe und stattdessen Rap ‚das Große‘ geworden sei. Es stellt sich allerdings die Frage, ob eine solche Differenzierung ausreichend ist, um der vorherrschenden Diversität von Rap gerecht zu werden. Umgangssprachlich wird Rap häufig mit Hip-Hop gleichgesetzt; die Äußerung, dass jemand ‚Hip-Hop höre‘ ist nicht neuartig und meint stets Rap-Musik oder dazugehörige Instrumentale – eine Kultur ist schließlich nicht hörbar. Die Genrebezeichnung ‚Hip-Hop‘ hat eine lange Tradition und ist repräsentativ für die Gleichsetzung bzw. Begriffsverschiebung, die im wissenschaftlichen Diskurs zum Szenebegriff ergründet wurde. Im linguistischen Sinne handelt es sich um eine semantische Verschiebung. Die Aussage, dass Rap nicht bloß ein Genre oder Hip-Hop nicht bloß eine Subkultur ist, sondern dass es sich um eine Szene handelt, wird in nahezu allen Publikationen zum Gegenstand getätigt. Auffällig ist dabei, dass innerhalb der wissenschaftlichen Diskurse meistens von einer Rap- oder Hip-Hop-Szene ausgegangen wird; das Verständnis ist also von singulärer Natur. Ein pluralistischer Ansatz, der von mehreren Rap- bzw. Hip-Hop-Szenen ausgeht, wird in der Regel nicht verfolgt. Zwar werden die Vielfältigkeit des Rap und der stetige Wandel des Genres betont (vgl. Dietrich 2016, S. 21; Höllein et al. 2020, S. 10), und teilweise wird sogar die zuvor skizzierte Problematik zum singulären Szenebegriff beschrieben (vgl. Süß 2021a, S. 92 – 95; Wolbring 2015, S. 51; Kattenbeck 2022a, S. 324), allerdings liegt bisher keine Publikation vor, die mehrere Rap-Szenen explizit beschreibt. Wenn differenziert wird, werden tendenziell Subgenres von Rap beschrieben oder lediglich erwähnt – tatsächliche gegenstandsbezogene Definitionen der zahlreichen Strömungen finden sich selten. In diesem Kontext ist es erwähnenswert, dass der Rapschaffende Torch bereits 2005 in einem Interview davon sprach, dass es einst eine „wahre HipHop-Szene“ (Menrath 2005, S. 123) gab, womit er eine immense Veränderung der Szene impliziert.

Wie zu Beginn der Arbeit illustriert, wird Gangsta-Rap akribisch beforscht, ähnlich steht es um die detailliert ergründete Ursprungserzählung von Hip-Hop in den USA, die im Jahre 2023 bereits 50 Jahre zurück lag. Stellt man allerdings die deutschsprachige „weiße Mittelstands-Rap-Gruppe“ (Wolbring 2015, S. 52) ‚Die Fantastischen Vier‘ aus den 1990er-Jahren dem Gangsta-Rap von heute gegenüber, ist es wohl kaum ausreichend, zu behaupten, dass sich die Szene lediglich weiterentwickelt hätte. Eine bloße Weiterentwicklung impliziert einen linearen Transformationsprozess von A nach B, in dem A von B abgelöst wird. Mit Blick auf die Diversität ist eine mannigfaltige Expansion von A, aus der eine nicht determinierte Anzahl von Abspaltungen hervorgeht, jedoch plausibler. Wolbring geht sogar davon aus, dass die ersten deutschsprachigen Adaptionen von Hip-Hop, die auch kommerziell erfolgreich waren, dafür sorgten, dass sich die Szene von Beginn an gespaltet habe (ebd., S. 52). Süß versucht die Auffassung Wolbrings, dass es sich gar nicht zwangsläufig um eine Szene, sondern um „viele disparate Hörerschaften, die sich teils als Fangruppe um einzelne Acts und Strömungen, teils aus Cliquen und Freundeskreisen und teils aus autonomen Individuen konstituieren“ (ebd., S. 51) handle, mit der Konzeption Hitzlers und Niederbachers zu entkräftigen: Sie verweist darauf, dass die innere Diversifizierung im Szene-Konzept berücksichtigt sei und betont dabei den Aspekt der Gruppierungen sowie die unterschiedlichen Trends einer Szene, welche die „Distinktionstendenzen zwischen verschiedenen Protagonist_innen und Hörer_innenschaften“ (Süß 2021a, S. 95) nach ihrer Auffassung plausibel erscheinen lassen. Zur weiteren Begründung erklärt sie, inwiefern eine „Anhängerin des linkspolitischen, antisexistischen sog. ›Zecken-Rap‹“ (ebd., S. 95) den Antagonismus zum konservativ-machistischen Gangsta-Rap brauche, da Letzterer die Identität vom Ersteren „diskursiv mitkonstituiert und andersherum“ (ebd., S. 95). In diesem Kontext versteht Süß die beiden Subgenres bzw. deren Anhänger je als eigene Gruppierungen im Sinne von Hitzler und Niederbachers Konzeption. Gemäß des verwendeten Szenebegriffs setzt dies allerdings voraus, dass sich die einzelnen Gruppierungen selbst als Teil einer gemeinsamen Szene begreifen (vgl. Hitzler/Niederbacher 2010, S. 20) – dieser Umstand ist vor dem Hintergrund von Wolbrings Argument jedoch zu bezweifeln und wird im Verlauf dieser Arbeit noch näher erläutert. Hitzler und Niederbach erörtern die „innere Logik“ (ebd., S. 28) einer Szene anhand folgender Parameter: History (der geschichtliche Hintergrund), Facts und Trends, Fokus, Einstellungen, Lifestyle, Symbole und Rituale, Events, Treffpunkte, Medien, Strukturen sowie Relations (die Überschneidungen zu anderen Szenen). Demzufolge müssten die genannten Gruppierungen einen inhaltlichen Konsens über diese Parameter haben. Trends und Veränderungen sind fester Bestandteil von Szenen, es ist allerdings durchaus diskutabel, inwiefern man von Trends sprechen kann, wenn verschiedenste Ausprägungsformen koexistieren und dabei jeweils eigene Einstellungen, Lebensstile, Events, Medien, Treffpunkte und Strukturen aufweisen. Selbstverständlich gibt es einen gemeinsamen Hintergrund und Überschneidungen, da Sprechgesang schließlich eine Invention der Hip-Hop-Kultur ist. Es stellt sich jedoch die Frage, ob eicht diese Verwurzelung ausreich, um von einer Szene zu sprechen. Hitzler und Niederbacher betonen schließlich mehrfach, „dass Szenen ihre Kohäsion aus ästhetisch-stilistischen Gemeinsamkeiten im Hinblick auf einen bestimmten thematischen Fokus beziehen“ (ebd., S. 27). Vor dem Hintergrund der zuvor erwähnten Diversität stellt Dietrich außerdem fest, dass Rap „im Jahr 2015 […] ein selbstständiger Begriff, eine Art umbrella term für eine nahezu unüberschaubare Anzahl an Strömungen“ (Dietrich 2016, S. 7) gewesen sei. Die Zuordnung von Subgenres erfolgt in der Regel durch Musikjournalisten, Plattenfirmen oder die Rapschaffenden selbst. Etiketten wie Zecken-, Hipster-, Studenten-, oder Backpack-Rap sind ihm zufolge „anhand der (angenommenen) RezipientInnen und/oder ihrer ProtagonistInnen selbst ausgerichtet“ (Dietrich 2016, S. 7), während Straßen- bzw. Gangsta-Rap sowie Trap thematisch-räumlich orientiert sind. Der UK-Stil Grime und Emo-Rap seien begrifflich auf die Emotionalität der Musik bezogen. Bei einer „Vielzahl von neueren Bezeichnungsversuchen“ (ebd., S. 7) wie Cloud-Rap sei eine solch eindeutige Zuordnung allerdings nicht möglich. Was Dietrich hier anspricht, ist ein Indiz dafür, dass nicht alles, was für Rap erforscht wird, auch für jeden Rap gelten muss – ganz unabhängig davon, ob seine Erläuterung der Zuordnungen haltbar ist. Das Etikettieren der Strömungen findet auch in der Forschung statt und ist in diesem Kontext ein großes Fettnäpfchen: Innerhalb der wissenschaftlichen Auseinandersetzung muss berücksichtigt werden, dass Rap nicht mit Hip-Hop gleichzusetzen ist, ebenso wenig wie Gangsta-Rap mit Rap und Hip-Hop mit Gangsta-Rap. Es handelt sich um jeweils eigene ästhetische Stilgemeinschaften (vgl. Venus 2022, S. 6). Daher ist es von Bedeutung, verschiedene Subgenres nicht bloß als wirtschaftliche Innovationen der Musikindustrie zu begreifen, mit dem Ziel, eine popkulturelle Dauerstimulation aufrechtzuerhalten, sondern die „tatsächlich starke Ausdifferenzierung und Expansion“ (Dietrich 2016, S. 8) von Rap hervorzuheben. Rap hat sich weiterentwickelt, „ist omnipräsent sichtbarer Mainstream und makrosoziologisch relevant“ (ebd., S. 9). Dies hat zur Folge, „dass [sich] zuvor randständige oder subkulturell verhandelte Semantiken“ (ebd., S. 14) im Mainstream etablieren konnten. Unabhängig davon, ob es sich nun um eine oder mehrere Szenen handelt und ob ein Rap-Song entlang der etablierten Bewertungskriterien Authentizität, Kunstfertigkeit und Originalität ein guter oder schlechter Track ist, wird sich in der vorliegenden Arbeit Gegenständen gewidmet, welche die folgende Minimalanforderung erfüllen: Die Stimmperformance der thematisierten Songs enthält einen Rap-Anteil. Des Weiteren müssen die Gegenstände nachweislich populär sein, weshalb mit Hilfe von Chart-Daten ein Korpus gebildet wurde.

2.1.3 Pop und das Populäre

Um die Forschung über deutschsprachigen Rap und Hip-Hop transparent darstellen zu können, ist es hilfreich, das Sichtfeld zu erweitern. Wie zuvor illustriert, findet die wissenschaftliche Auseinandersetzung interdisziplinär statt und ist daher methodisch divers gestaltet. Eine Gemeinsamkeit besteht darin, dass Rap häufig als ein popkultureller Gegenstand ergründet wird – es ist daher von großer Bedeutung, verwendete Begriffe entsprechend klar zu definieren und einzuordnen. Rap ist nicht bloß ein Element der Hip-Hop-Kultur; er kann auch ein popkulturelles Phänomen sein. Außerdem ist Rap gegenwärtig eines der populärsten Musik-Genres in Deutschland (vgl. Bundesverband Musikindustrie 2024). Hier stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis Pop und das Populäre zueinanderstehen, wie sich diese Termini voneinander abgrenzen lassen und welche Historie sie haben. „Als es Pop und Popkultur noch nicht gab, gab es schon die populäre Kultur“ (Kleiner 2017, S. 248) – daher wird sich zunächst dem Begriff ‚populär‘ gewidmet.

Etymologisch lässt sich ‚populär‘ auf das lateinische Adverb ‚popularis‘ zurückführen, das „allgemein ›zum Volk gehörend‹ und ›beim Volk beliebt‹ bedeutet“ (Kleiner 2017, S. 248). Im Zentrum steht also die Anerkennung des Volks – das Populäre sei demnach „attraktiv, begehrt und angesagt, ungekünstelt sowie leicht verständlich“ (ebd.). Zunächst wirkt diese Bestimmung neutral und deskriptiv, tatsächlich geht mit ihr aber bereits im 17. und 18. Jahrhundert eine meist negative Konnotation einher: Die allgemeine Zugänglichkeit wird einerseits als Indikator für niedrige Qualität und Erfolgssucht gelesen sowie andererseits als strategisches Mittel verstanden, das „verlogen, moralisch bedenklich, manipulativ und demagogisch“ (ebd.) sei. Dem Populären wurde also unterstellt, dass es stets zweckdienlich agiere und lediglich dem Volk gefallen wolle. Zurückzuführen ist diese negative Bewertung auf „die Kluft zwischen Bildungselite und Volk, denn die Bildungselite betrachtete sich selbst und ihre kulturellen Werke nicht als Teil des Volkes beziehungsweise der (populären) Volkskultur“ (ebd.). Historisch galt das Populäre demnach lange als eine „Angelegenheit der niederen Schichten“ (Döring et al 2021, S. 3), die innerhalb der Dichotomie von ‚high‘ und ‚low‘ als minderwertig stigmatisiert wurde. Die Diffamierung wurde von gelehrten, elitären Gesellschaften vollzogen, die Kulturgüter nach einer hochkulturellen Sinnverpflichtung kuratierte und kanonisierte. Mit dieser „semantisch und soziostrukturell fest etablierte[n] Leitdifferenz von high culture vs. low culture“ (ebd., S. 5; Hervorhebung im Original) konstruierten sich die Oberschichten ein Distinktionswerkzeug, das die Existenz einer ‚wahren‘ Kultur suggerierte (vgl. Bourdieu 1987, S. 389). Erst mit „dem Übergang ständischer Gesellschaftsordnungen zur funktional differenzierten Weltgesellschaft um 1800 endet die kulturelle Selbstverständlichkeit dessen, was für wen gilt“ (Döring et al 2021, S. 3). Damit einhergehend büßte die Kategorisierung in Hoch- und Massenkultur schleichend an Relevanz ein. Zunächst lief dieser Prozess langsam ab, mit Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelte sich das Populäre jedoch als „Agens von Diskursen und soziotechnischen Systemen […] rasant“ (ebd.). Dies bedeutet allerdings nicht das Ende „der sozialen, kulturellen und ästhetischen Abwertung des Populären und der populären Kultur“ (Kleiner 2017, S. 248) – die Stigmatisierung nahm auch im 19. und 20. Jahrhundert nur bedingt ab. Was sich jedoch veränderte, sind „die sich historisch wandelnden Beobachtungs-, Inszenierungs- und Mitteilungsmöglichkeiten des Populären“ (Döring et al 2021, S. 5). Um dies näher erläutern zu können, bedarf es einer Nominaldefinition von ‚populär‘: „Populär ist, was bei vielen Beachtung findet“ (Hecken 2006, S. 85). Da es sich bei ‚vielen‘ um einen relativen Begriff handelt, ist ein klar konstruierter Rahmen vonnöten, der einen ordnenden Vergleich erst ermöglicht. An dieser Stelle kommen die soziotechnischen Systeme und ihre Inszenierungsmöglichkeiten ins Spiel. Publizierte Bestsellerlisten, Charts oder auch Hitparaden vermitteln, welche Werke Erfolge erzielen konnten. Damit geht eine Skalierbarkeit einher: „Populärer ist, was mehr Beachtung findet“ (Döring et al 2021, S. 4; Hervorhebung im Original). Beachtung wird dabei nicht „in psychisch-privater, sondern in sozial-öffentlicher Hinsicht“ (ebd.) bestimmt. Messinstrumente wie Streams, Downloads, Likes, Follower oder Verkaufszahlen fungieren zwar als Aushängeschild der Popularität, geben allerdings keinerlei Aufschluss darüber, ob diese Werte durch psychische Aufmerksamkeit zustande gekommen sind. Insbesondere digitale Skalen können schließlich mithilfe von Bots manipuliert werden (vgl. ebd.). Für das Ausstellen des Beachtungserfolgs ist es allerdings irrelevant, wie es zu diesem kam – nicht der Weg ist das Ziel, sondern die Position innerhalb eines vergleichenden Rahmens. Ebenso irrelevant ist dabei, ob ein populärer Gegenstand qualitativ hochwertig oder originell ist: Das Populäre „begnügt sich damit, populär zu sein“ (ebd., S. 3). Die Legitimation des Populären „geschieht durch quantitative Verfahren, die unabhängig von ästhetischen, moralischen und politischen Erwägungen ablaufen“ (Penke & Schaffrick 2018, S. 172f.). Inwiefern es zu einer tatsächlichen „Ablösung der einst so wirkmächtigen Leitdifferenz von high culture vs. low culture durch die Unterscheidung des Populären und des Nicht-Populären kommt […], [ist] feldspezifisch und anhand verschiedener Korpora differenziert zu beantworten“ (Döring et al 2021, S. 6).

Dem Populären wird eine transformative Eigenschaft zugeschrieben, da durch die empirisch nachgewiesene Beachtung die Anschluss- und Wertungskommunikation konstituiert werden. Ranglisten transformieren Qualitäten in Quantitäten und zugleich Quantitäten in Qualitäten, sie legitimieren das Beachtete und bringen gleichzeitig das nicht oder kaum Beachtete in eine Legitimationsnot (vgl. ebd., S. 8). Dieses Phänomen der Transformationen des Populären unterliegt „einer Umkehr der Beweislast […], die das Populäre von der High/Low-Axiologie trennen und den Beachtungserfolg als zentrales Kriterium kultureller Bewertungsregime etablieren“ (ebd.; Hervorhebung im Original). Güter einer Hochkultur müssen gerechtfertigt werden, wenn sie trotz ihres zugeschriebenen Werts kaum Aufmerksamkeit erhalten – die Beachtung durch viele ist zu einem „Werturteil über die Sache selbst“ (ebd.) geworden. Auf der anderen Seite benötigt es viel Aufwand, einem Gegenstand, der nachweislich viel Beachtung erhalten hat, seine Beachtung wieder zu entziehen. Zu solchen Interventionen (oder Interventionsversuchen) kommt es dann, wenn „etwas von vielen Beachtung findet, was keine Beachtung finden soll“ (ebd., S. 16), weil es beispielsweise als Bedrohung wahrgenommen wird. Diese Effekte unerwünschter Popularität sind Populismen und können „als Konsequenz der Transformation der Gesellschaft durch das Populäre“ (ebd.) verstanden werden. Ein Beispiel aus dem Gangsta-Rap ist der Echo-Skandal 2018: Nachdem Kollegah und Farid Bang mit ihrem Album ‚Jung, brutal, gutaussehend 3‘ in der Kategorie ‚Hip-Hop/Urban national‘ als Sieger hervorgingen, kam es zu massiver Kritik seitens der Medien, Szene und Politik, da das Werk antisemitische Textzeilen beinhalte (vgl. Schmidt et al 2022, S. 34). Der umsatzbasierte Musikpreis wurde schließlich am 25. April 2018, nur 13 Tage nach der Preisverleihung, abgeschafft (vgl. ebd., S. 32). Resonanzregister von Gesellschaften, die nach wie vor an einer Kategorisierung in Hoch- und Massenkultur festhalten, können als Resilienz, Resistenz und Akkommodation bezeichnet werden: Resilienz meint, „das Populäre abprallen zu lassen […]; Resistenz bedeutet aktiven Einspruch gegen die Geländegewinnung des Populären […] und […] Akkommodation bezeichnet demgegenüber das Bemühen etablierter Ordnungen, sich den Ansprüchen des Populären anzupassen“ (ebd., S. 6). Hieran anknüpfend lassen sich zwei Formen der Popularisierung definieren: die der ersten Ordnung und die der zweiten Ordnung. Die Popularisierung der ersten Ordnung meint Prozesse, in denen etwas popularisiert wird, was von vielen beachtet werden soll und daher durch „Institutionen wie etwa Schulen oder Akademien, Museen oder Verlage“ (ebd., S. 12) vermittelt wird. Dafür muss zuvor gerechtfertigt werden, welchen Wert der kulturelle Gegenstand hat, damit anschließend Zeit und Geld in die Verbreitung investiert werden können. Wenn trotz der aufgewendeten Arbeit nicht die gewünschte Beachtung erzielt wird, müssen sich die kuratierenden und vermittelnden Akteure letztlich dafür rechtfertigen oder ihre Programme an das Populäre anpassen, um schließlich zum gewünschten Erfolg zu gelangen. Popularisierungen erster Ordnung sind also stets mit einem (oftmals finanziellen) Risiko verbunden. Die Popularisierung zweiter Ordnung hingegen beschreibt „Popularisierungsverfahren, die Populäres herstellen, indem sie seine Beachtung durch viele feststellen und ausstellen“ (ebd., S. 13) – es geht also letztlich darum, eine Position in einem vergleichenden Rahmen zu erzielen und diese wiederum öffentlich wirksam zu präsentieren, um damit weitere Popularität zu gewinnen. Sie ist demnach auf die Markt- und Meinungsforschung zurückzuführen, die sich seit den 1920er-Jahren etabliert hat. Im digitalen Zeitalter sind Rangordnungen und Skalen omnipräsent und zugleich automatisiert: Auf Spotify ändert sich beispielsweise die Top 100 der meistgestreamten Artists dynamisch und von allein. Zugleich wirken beispielsweise Timeline- und Suchmaschinen-Algorithmen massiv darauf ein, was überhaupt den Endnutzer erreicht, wodurch „Technologien als Agenten der Popularisierung in den Mittelpunkt“ (ebd., S. 15) rücken. Das Populäre ist daher nicht von objektiver Natur, da es an konstruierte und sich stets verändernde Systeme geknüpft ist, die keinen wissenschaftlichen Anspruch haben (vgl. ebd., S. 13). Durch die Popularisierung zweiter Ordnung wird also die beschriebene Transformationsdynamik beschleunigt, „weil sie der zuallererst beachteten Sache nochmals erhöhte Beachtung verschafft“ (ebd., S. 15). Nun ist zu beobachten, was durch die hohe Platzierung in Ranglisten passiert – eine schlüssige These ist, dass eine Transformation einsetzt, „die nicht die Sache, aber die Bewertung einer Sache entscheidend verändert“ (ebd., S. 13).

Aufbauend auf den Erläuterungen der Begriffe des Populären und der Popularisierung wird sich nun dem Terminus Pop gewidmet. Einleitend wird darauf verwiesen, dass ein „Pop-Phänomen […] auch dann eines [ist], wenn es nicht populär wird“ (Hecken & Kleiner 2017, S. 4). Es wird also deutlich, dass ‚Pop‘ kein Synonym für ‚populär‘ ist. Insgesamt falle die Verwendung von Pop „höchst uneinheitlich und im jeweiligen Einzelfall oftmals sehr diffus aus“ (Kleiner 2017, S. 263). Durch das Zusammentragen der verschiedenen Ansätze wird in Thomas Heckens Handbuch Popkultur „eine sinnvolle Neukonfiguration“ (Hecken & Kleiner 2017, S. 3) angestrebt, wodurch ein differenzierterer Umgang mit dem Terminus Pop ermöglicht wird. Dabei werden andere Begriffsbestimmungen nicht zwangsläufig außer Kraft gesetzt – vielmehr geht es darum, eine flächendeckende Orientierung zu schaffen. Pop „gibt dem Populären seit den 1950er-Jahren eine spezifische ästhetische Form, deren spektakuläre Selbstreferenz (Venus 2016) die gesellschaftliche Kommunikation von Geschmacksurteilen im Modus technisch registrierter Beachtlichkeit epochal rekonfiguriert“ (Döring et al 2021, S. 10). Bevor geklärt wird, was dies für die Form bedeutet, wird Pop zunächst explizit von Begriffen und Vorannahmen abgegrenzt, die in seinem Kontext aufkommen. An dieser Stelle wird darauf hingewiesen, dass aufgrund des begrenzten Rahmens dieser Masterarbeit zentrale Pop-Bereiche wie Pop-Art, Pop-Politik oder Pop-Mode ausgelassen werden müssen.

Pop und Jugendkultur sind nicht gleichzusetzen, da „Pop selbst historisch geworden ist“ (Hecken & Kleiner 2017, S. 4) und damit weitaus mehr als die Bewegung einer jungen Generation darstellt/bezeichnet. Auch die Behauptung, dass Pop ausschließlich Produkt einer kapitalistischen Marktwirtschaft sei, ist unzutreffend – staatliche Subventionen[4] unterstützen die Produktion von Kulturgütern unabhängig von ihrem wirtschaftlichen Erfolg. Essenziell ist außerdem, dass Pop zwar ein Massenphänomen sein kann, aber nicht muss. Im Umkehrschluss darf auch nicht jedes massenmediale Erzeugnis als Popkultur gewertet werden (vgl. Hecken & Kleiner 2017, S. 5f.). Die Differenzierung von Pop und Rock „besteht nicht nur in der stilistischen Unterscheidung von Pop- und Rockmusik, sondern in einigen mit ihr verbundenen weiteren Distinktionen, die fast immer mit schwerwiegenden Werturteilen einhergehen“ (Hecken & Kleiner 2017, S. 5). Was unter Popmusik fällt, ist „keine rein musikalische oder akademische Frage, sondern oftmals eine Festlegung mit hoher kultureller und weltanschaulicher Bedeutung“ (Hecken 2017, S. 44). Pop ist auch in diesem Fall ein Reizwort, das entweder sehr positiv oder negativ konnotiert sein kann. Hierbei entsteht das Spannungsverhältnis von Affirmation und Subversion: Pop wird einerseits „als grenzüberschreitend, umstürzlerisch, subkulturell, provokant angesehen; andererseits wird Pop mit Konsum, Party, Unterhaltung, Lifestyle, Mainstream assoziiert und als Markenartikel deklariert, der von der ästhetischen Form wie von der Warenförmigkeit her zum Fortbestand der liberalkapitalistischen Gesellschaft beiträgt“ (Hecken & Kleiner 2017, S. 6). Ersteres beschreibt Pop als Rebellion und Zweiteres Pop als Markt (vgl. Kleiner, S. 248); durch dieses Spannungsfeld wird deutlich, wie divers der Begriff ausfällt. Meistens steht Popmusik aber für „Eingängigkeit und/oder Kommerzialität, Künstlichkeit, Erfolg, Jugendlichkeit, Modernität, Manipulation, Inauthentizität, Leichtigkeit, Verständlichkeit, Zugänglichkeit, Kunstlosigkeit, Raffinesse, modischen Stilverbund, Subversion, Unterhaltung“ (Hecken 2017, S. 48).

Für die hier verwendete Definition wird davon abgesehen, Pop vom Subversiven oder Affirmativem abhängig zu machen, da die Auf- und Abwertungsprozesse dynamisch sind und sich die Kategorien Affirmation und Subversion demnach stets verschieben. Die Verwendung des Begriffs Pop hat in dieser terminologischen Festlegung „keinen polemischen oder affirmativen Ton“ (Hecken & Kleiner 2017, S. 8). Vor dem Hintergrund der geleisteten Abgrenzungen werden sechs Merkmale genannt, die zur Identifikation eines Pop-Phänomens benötigt werden: „(1) Oberflächlichkeit, (2) Funktionalität, (3) Konsumismus, (4) Äußerlichkeit, (5) Künstlichkeit, (6) Stilverbund“ (Hecken & Kleiner 2017, S. 7). Sind alle Merkmale erfüllt, handelt es sich um Pop. Wenn einzelne Parameter nicht vorhanden sind, werden „Abstufungen und teilweise Vermischungen“ (Hecken & Kleiner 2017, S. 9) von Pop sichtbar. Es geht nicht darum, mit diesen Merkmalen eine spezifische Form zu beschreiben, sondern die Möglichkeiten der popästhetischen Verknüpfung von Elementen zu beleuchten, die auf Spektakularität abzielen. Sie sind es, „die dem Pop-Objekt im Verbund zu der Beachtung verhilft, die es für eine hohe Platzierung in den Charts oder für die Rolle als star in der Pop-Society bedarf“ (Döring et al 2021, S.10). Die genannten Merkmale werden im Folgenden knapp definiert, damit transparent ist, was im Kontext dieser Ausarbeitung unter Pop und Popkultur zu verstehen ist.

Oberflächlichkeit meint einerseits die aufwendige Gestaltung von Verpackungen (exemplarisch dafür sind Lebensmittelverpackungen oder bedruckte Vinylplattencover), andererseits aber auch Gegenstände mit „dekorative[n] und bedeutungsvolle[n] Oberflächen“, dessen primäre Funktion durch optische Parameter nicht beeinflusst wird. Damit sind beispielsweise bedruckte Textilien gemeint – Merchandise hält durch die Verzierung schließlich nicht wärmer (Hecken & Kleiner 2017, S. 7). Funktionalität bedeutet, dass ein Gegenstand mit den Rezipienten resoniert. Mögliche Ergebnisse sind Gefühle der Belebung oder Erregung und die verspürte Erhöhung von Coolness oder Attraktivität. Dies kann sich auch körperlich in Form starker Bewegungen äußern. Solche Zustände sind in der Regel nicht permanent, es handelt sich um „vorübergehende Kicks“ (Hecken & Kleiner 2017, S. 7). Konsumismus verweist auf die enge Verflechtung von Pop und Konsum. Damit ist nicht zwangsläufig käufliches Erwerben gemeint, vielmehr steht das Konsumieren an sich im Zentrum dieses Merkmals. Konsumismus ist auf die Dynamik zwischen dem Konsumenten und dem Konsumgegenstand ausgerichtet: Der Rezipient wird unterhalten, wodurch er sich in einer passiven Rolle befindet – dem Konsumenten wird also kein autarkes, aktives Handeln abverlangt. Im Kontext des Warenkonsums muss der Gegenstand zwar zunächst aktiv gekauft werden, allerdings ist der darauffolgende Konsum passiver Natur (vgl. Hecken & Kleiner 2017, S. 7f.). Äußerlichkeit beschreibt die Fokussierung auf das unmittelbar sinnlich Wahrnehmbare. Die Modalität eines Pop-Gegenstands ist daher mindestens so wichtig wie der eigentliche Inhalt. Exemplarisch dafür ist die ähnliche Gewichtung von Stimmklang und Stimmperformance wie der der vermittelten Aussagen. Das ästhetische „Wie“ ist genauso relevant wie das inhaltliche „Was“ – in vielen Fällen ist der sinnliche Aspekt sogar relevanter. Daher ist häufig eine Reproduktion bestimmter Strukturen gegeben (vgl. Hecken & Kleiner 2017, S. 8). Künstlichkeit verweist auf die „vollständige Abkehr von natürlichen Stoffen und Auslösern“ (Hecken & Kleiner 2017, S. 8). Das Natürliche ist im Ursprung zwar teilweise vorhanden, allerdings wird es meist modifiziert oder durch technische Möglichkeiten lediglich imitiert. Einleuchtende Beispiele sind Kunststoffe, die mit Holzmustern bedruckt werden, oder Synthesizer, die organischen Instrumenten nachempfunden sind. Gleichermaßen sind Displays und digitale Geräte im Allgemeinen eingeschlossen. Oftmals ist eine ironische oder gar ablehnende Haltung gegenüber den ursprünglichen, echten und authentischen Gegenständen zu beobachten (vgl. Hecken & Kleiner 2017, S. 8). Stilverbund ist die Symbiose verschiedener Gattungen: Musik-Genres werden beispielsweise mit modischen Phänomenen verknüpft. Die Identität eines auditiven Gegenstandss wird damit durch etwas visuell Wahrnehmbares mitkonstruiert; dies kann auch in Form von Gesten oder sonstigen Merkmalen erfolgen, die mit dem eigentlichen Artefakt ursprünglich nichts zu tun haben. Die Kultivierung der Verbindung kann durch die Popanhänger selbst ausgelöst werden und muss nicht zwangsläufig aus einer Marketingkampagne hervorgehen (vgl. Hecken & Kleiner 2017, S. 8).

Ähnlich wie sich das Populäre also damit begnügt, populär zu sein, distanziert sich Pop von „hochkulturellen Sinnverpflichtungen und ästhetischer Tradition“ (Döring et al 2021, S. 10) und benötigt abseits von der Beachtung keinerlei Legitimation. „Pop rechtfertigt sich nicht durch die Popularisierung anerkannter und gepflegter Formen und Semantiken, sondern findet seine Legitimation direkt in je aktuellen ästhetischen, affektiv wirksamen Beachtungserfolgen“ (ebd). Erfüllt ein Gegenstand die vorgestellten Merkmale der Bestimmung von Pop, ist lediglich klar, dass es sich um Pop oder ein Element der Popkultur handelt. Aufschluss darüber, ob das jeweilige Artefakt „populär oder unpopulär, unterhaltsam oder unangenehm, schematisiert oder originell“ (Hecken & Kleiner 2017, S. 9f.) ist, gibt die Bestimmung aber nicht – all diese inhaltlichen Fragen, die beispielsweise auf den Wert, die Rezeption oder den Entstehungskontext referieren, werden dadurch nicht beantwortet. Möglich ist alles, und es „ist die Aufgabe der Wissenschaft, dies zu untersuchen und zu spezifischen, historischen Ergebnissen zu gelangen“ (Hecken & Kleiner 2017, S. 9f.).

Abseits der geklärten Merkmale beschreibt Hecken außerdem Probleme, die er in der Popforschung wahrnimmt: Einerseits weist er darauf hin, dass wenig Konsens über den Pop-Begriff herrsche. Gleiches gilt für die unterschiedlichen Leitkategorien wie Subkultur oder Massenkultur, die den Popstudien zugrunde liegen und ebenfalls vielfältig – also kaum trennscharf – verwendet werden. Darüber hinaus seien die Voraussetzungen häufig suboptimal, da eine eigensinnig-gegenstandsorientierte Theoriebasis selten gegeben ist. Dies mündet darin, dass kaum Methodendebatten stattgefunden haben und sich bisher keine quantitativen oder qualitativen Methoden fest etablieren konnten. Das ist unter anderem auf den interdisziplinären Charakter des Forschungsfelds zurückzuführen (vgl. Hecken & Kleiner 2017, S. 12f.).

Die diffuse Verwendung der Begriffe rund um Pop (wie Subkultur, Massenkultur und Pop an sich) ist in zahlreichen Publikationen verankert und schlägt sich daher auch in der Forschung zu deutschsprachigem Rap nieder. Je nach Quelle werden zentrale Begriffe unterschiedlich verwendet: Seeliger nutzt in seiner Monografie zur Soziologie des deutschsprachigen Gangsta-Raps beispielsweise Heckens Definition von Populärkultur aus dem Jahr 2006 (vgl. Seeliger 2022, S. 52) – wie zuvor erwähnt, ist hiernach all das populär, was von vielen beachtet wird (vgl. Hecken 2006, S. 85). In diesem Kontext soll akzentuiert werden, dass er sich einem Massenphänomen widmet, wodurch die Verwendung von ‚Populärkultur‘ nach dieser Definition plausibel erscheint. Diffus ist dieser Bezugsrahmen dennoch, da Seeliger in den vorausgehenden und folgenden Absätzen zusätzlich den Begriff ‚Popkultur‘ verwendet. Dabei wird nicht erläutert, ob und inwiefern sich die Begriffe Popkultur und Populärkultur voneinander differenzieren lassen. Ein Bewusstsein dafür, dass zentrale Begriffe innerhalb der Popforschung unterschiedlich verwendet werden, ist unerlässlich. Es ist lohnend, die verwendeten Quellen zu betrachten, um ein Verständnis dafür zu entwickeln, was jeweils mit Pop gemeint ist und inwiefern der Begriff theoretisch fundiert ist. Mit diesem Hinweis soll keineswegs die wissenschaftliche Qualität von Beiträgen pauschal in Frage gestellt werden – es ist bloß essenziell, Kenntnis darüber zu haben, dass bei der Verwendung der Begriffe kein Konsens herrscht. Publikationen, die bereits mehrere Dekaden zurückliegen und Termini gemäß des damaligen Forschungsstands verwenden, sind entsprechend in ihrem jeweiligen historischen Kontext zu bewerten. Wird beispielsweise in einer Schrift aus dem Jahr 1980 Hip-Hop als Jugendkultur betitelt, entspricht die Aussage der Realität des Zeitgeists. Würde diese Aussage allerdings in einer heutigen Publikation getätigt werden, fehlte es an Aktualität und der entsprechenden historischen Einordnung. Werden Rap oder Hip-Hop heutzutage als Subkultur (im Sinne der eigentlichen Definition) bezeichnet, entsteht in vielen Fällen ein Paradoxon: Ursprünglich diente der Begriff Subkultur dazu, eine nicht kommerzielle, politische Gegenbewegung zu bezeichnen, und bildete damit den Gegenpol zu kommerziellen, unpolitischen Massenkulturen (vgl. bspw. Dietrich 2016, S. 13). Doch der gegenwärtig vorherrschende wirtschaftliche Erfolg von Rap steht im Widerspruch zum historischen Verständnis von Subkulturen – hier stellt sich allerdings auch die Frage, inwiefern es zeitgemäß und sinnvoll ist, „subkulturelle und subversive Relevanz“ (Dietrich 2016, S. 13) als Gegenspieler von Erfolg zu begreifen. Dies zeichnet sich ebenfalls in Äußerungen von Rapschaffenden ab. In einem Interview mit der FAZ äußert sich Fler folgendermaßen: „Wir sind eine Subkultur, wir sind keine Popkultur. Nur weil ihr unsere Musik konsumiert, heißt das nicht, dass ihr ein Mitspracherecht habt“ (Eder 2019). Dietrichs hier zitierte Publikation trägt treffenderweise den Titel ‚Rap im 21. Jahrhundert. Eine (Sub-)Kultur im Wandel‘ und weist mit der Ausklammerung des Präfixes „Sub“ auf diese Problematik hin. Kontemporärer Rap kann der ursprünglichen Bedeutung von Subkultur nicht mehr gänzlich gerecht werden, weshalb es nötig ist, das Präfix entweder zu streichen, es zu ersetzen oder das gemeinte Phänomen anders zu definieren.

2.2 Deutschsprachiger Rap und die Musikindustrie

Das Korpus behandelt populäre Rap-Songs von 2000 bis 2023, die in den Jahresbestlisten der deutschen Charts verzeichnet sind. Um das Material besser verstehen zu können, werden in diesem Kapitel die Rahmenbedingungen dargestellt. Einerseits werden die Entwicklung der Szenen rund um Rap und daraus resultierende Soundentwürfe skizziert, andererseits die musikindustriellen Veränderungen und das Aufkommen disruptiver Innovationen. All dies hilft, zu verstehen, wie sich das Regelwerk der Charts über den untersuchten Zeitraum verändert hat. Da der Anteil von Rap-Songs in den deutschen Charts von 2000 bis 2023 massiv angestiegen ist, wird in diesem Kapitel aufgezeigt, was der Popularität von Rap einen Rahmen bietet und sie gegebenenfalls sogar begünstigt. Der Fokus liegt auf der kommerziell erfolgreichen, populären Rap-Szene. Dabei wird diachron ergründet, was im gesamten Zeitraum geschieht und synchron akzentuiert, welche Strömungen gleichzeitig erscheinen.

2.2.1 Historie(n): die gespaltene Szene

Das folgende Kapitel gibt einen Überblick über die Entwicklung des Rap in Deutschland, insbesondere ab den 2000er-Jahren. Es wird bewusst darauf verzichtet, die Anfänge des Hip-Hops in Deutschland gänzlich darzustellen, da dies einerseits den Umfang der vorliegenden Arbeit überschreiten würde und andererseits bereits detaillierte Zusammenfassungen dieses Zeitraums vorliegen. An dieser Stelle sei auf Jan Wehns und Davide Bortots Werk ‚Könnt ihr uns hören? Eine Oral History des deutschen Rap‘ aus dem Jahr 2019 sowie auf Sascha Verlans und Hannes Lohs aktualisierte Ausgabe von ‚35 Jahre HipHop in Deutschland‘ aus dem Jahr 2015 verwiesen: Die Historie ist durch das geprägt, was viel Beachtung erhalten hat, und nicht zwangsläufig durch das, was gänzlich geschah[5]. Was besprochen und in den Fokus gestellt wird, ist letztlich situiert (vgl. Süß 2021b, S. 130). In den Werken wird deutlich, dass im Hip-Hop schon immer Trends und Gegenbewegungen existierten und damit verbunden verschiedene Auffassungen von Hip-Hop im Raum standen. Dies spiegelt sich auch in Wolbrings Äußerung, dass die ersten deutschsprachigen Adaptionen von Hip-Hop zu einer Spaltung der Szene führten, wider (vgl. Wolbring 2015, S. 52).

Vor dem Hintergrund des politischen Charakters der US-amerikanischen HipHop-Kultur spielte bei der Überlieferung nach Deutschland die westdeutsche Migrationsgeschichte eine zentrale Rolle: Ab den 1970er Jahren wandelte sich hierzulande „das Bild des ‚Gastarbeiters‘ hin zum negativ konnotierten Bild der ‚Ausländer‘, die sozial isoliert von der Mehrheitsgesellschaft in eigenen städtischen Räumen leben“ (Meyer 2023, S. 31). Es ist daher kaum verwunderlich, dass die in „US-amerikanischen Rapsongs dargestellte soziale Wirklichkeit auch für Migrantinnen und Migranten in Deutschland eine attraktive Identifikationsfläche“ (Seeliger 2021, S. 22) bieten konnte. Die HipHop-Kultur wurde allerdings nicht nur dadurch überliefert, sondern auch durch Filme wie Wild Style (1982), Style Wars (1983) und Beat Street (1984) (vgl. Güngör & Loh 2017, S. 204). In diesem Zeitraum haben sich Akteure der Szene als „Teil einer weltumspannenden Bewegung verstanden“ (Meyer 2023, S. 34), Loh und Verlan beschreiben die Zeit der ‚Alten Schule‘ als Phase der glokalen Aneignung (vgl. Verlan & Loh 2015, S. 91). Im Kontext dieser Zeit war HipHop eng an ein politisches Bewusstsein gekoppelt, was sich exemplarisch in einer antirassistischen Haltung oder Kritik an bestehenden Machtverhältnissen geäußert hat. Verknappt lassen sich die Ideale einem links-politischen Spektrum zuordnen.

Als es Anfang der 1990er Jahre dazu kam, dass erste deutschsprachige Rapsongs kommerziell erfolgreich waren, wurde seitens der ‚alten Schule‘ scharfe Kritik geäußert: Sie konnten die ursprünglichen Werte von HipHop in den Texten der Fantastischen Vier nicht wiedererkennen und sahen darin den Ausverkauf ihrer Kultur. Damit verbunden wurde die „Auffassung eines rein deutschen HipHop[s]“ (Meyer 2023, S. 34) abgelehnt, da es sich schließlich um eine globale Kultur handle. Die Repräsentation der globalen Problematik in Form einer lokalen Einfärbung wurde beispielsweise durch ‚Fremd im eigenen Land‘ von Advanced Chemistry realisiert – der Track erschien genauso wie die Durchbruchssingle der Fantastischen Vier ‚Die Da‘ im Jahre 1992. In dieser Zeit trug unter anderem der TV-Sender MTV zur Popularität von Hip-Hop bei (vgl. Meyer 2023, S. 33). Anfang der 1990er Jahre etablierte sich MZEE als Veranstalter von Hip-Hop-Partys, 1992 entwickelte sich daraus ein Magazin mit Mailorder und schließlich das Label MZEE-Records, über das unter anderem die zuvor erwähnte Gruppe Advanced Chemistry Tonträger veröffentlichte. Im Verlauf der 1990er folgten weitere Gegenentwürfe zum spaßigen, lockeren Rap: Gruppierungen wie das Rödelheim Hartreim Projekt veröffentlichten Songs, die eine frühe Form von Battle- und Gangsta-Rap darstellen. Die Steigerung dessen folgte in Frankfurt beispielsweise durch Azad und in Berlin durch das Kollektiv Bassboxxx und insbesondere Kool Savas (vgl. Süß 2021b, S. 129). Szenetreffpunkte waren zu dieser Zeit vorwiegend lokal organisiert, exemplarisch sei auf ‚Royal Bunker‘ in Berlin verwiesen, dessen Name später für ein Independent Label von Marcus Staiger diente. 1997 startete das Print-Magazin Juice, wodurch die Kultur eine weitere Zeitschrift bekam. Das Hip-Hop-Festival splash! fand 1998 erstmals statt. Parallel zum Erfolg des freundlichen Raps „sehnt sich die Szene nach Abgrenzungspotenzial“ (Meyer 2023, S. 37), damit sie kein Teil der Masse mehr ist. Dieser Prozess wiederholt sich im Laufe der Zeit mehrfach: Eko Fresh wurde beispielsweise 2005 durch einen Disstrack von Kool Savas „qua Absprache von realness schnell zur Persona non grata diskreditiert“ (Süß 2019, S. 30; Hervorhebung im Original), nachdem er melodisch-sanfte Klänge kommerziell erfolgreich bediente.

Mit dem Aufkommen und Voranschreiten von Aggro Berlin gelang die aggressive Battle-Stilistik in Form von Gangsta- und Straßen-Rap in den 2000ern an ihren bisherigen Höhepunkt und leitet einen kommerziellen Paradigmenwechsel ein, der sich vom damaligen Mainstream distanziert (vgl. Meyer 2023, S. 35f.). Mit der obszönen und harten Sprache erreichten die Rapschaffenden des Labels „Jugendliche aus den sozialen Brennpunkten der Republik“ (ebd., S. 38), zugleich konnten sie damit aber auch eine bürgerliche Schicht erreichen, für welche die expliziten Formulierungen Potential zur Abgrenzung der Elterngeneration geboten haben. Aggro Berlin war von Beginn an als visuelle Marke konzipiert, die ihre Rapschaffenden in einer bedrohlichen Ästhetik inszenierte und ihnen zusätzlich ein strategisches Image verliehen hat: Während Sido mit seiner Totenkopfmaske als der unangepasste, provokante ‚Junge vom Block‘ aus dem sozialen Brennpunkt Berlins in Erscheinung tritt, ist Bushido der kriminelle Gangsta mit tunesischen Wurzeln[6]. Fler hingegen ist der deutsche Prolet und B-Tight der treue Begleiter Sidos, der afroamerikanische Wurzeln hat und stets die Flagge für den Untergrund hisst. Während die Gemeinsamkeit in der rohen Sprache lag, war der essenzielle Unterschied die jeweilige Identifikationsfläche für den Rezipienten. Durch diese Taktik wurde Aggro Berlin zu dieser Zeit das erfolgreichste Independent-Label Deutschlands und gewann zahlreiche Auszeichnungen, die stets in Musikvideos präsentiert wurden und in Songtexten Erwähnung fanden (vgl. ebd., S. 39). Das Label profitierte immens von den Musikfernsehsendern MTV und VIVA, bei denen die Zuschauenden per SMS-Voting entscheiden konnten, welches Musikvideo als nächstes gesendet werden solle. Während sie von Radiosendern regelrecht ignoriert worden sind, konnten sie die jungen TV-Sender dominieren. Damit schaffte es die einstige Gegenbewegung des Gangsta-Raps selbst zum Mainstream der Hip-Hop-Landschaft zu werden – mit diesem Umstand waren nicht alle glücklich: Im Kapitel zur Verhandlung als Szene wurde bereits Torchs Aussage, dass es einst eine „wahre HipHop-Szene“ (Menrath 2005, S. 123) gab zitiert. Hieraus geht hervor, dass Anhänger der alten und neuen Schule einen Verrat der kulturellen Hip-Hop-Ideale im Gangsta- und Straßen-Rap sahen. Damit wird deutlich, dass „die durch den Szene-Begriff suggerierte Homogenität eines solidarischen Kollektivs problematisch“ (Wolbring 2015, S. 52) ist. Aggro Berlin etablierte langfristig neue Themen, Vortragsweisen sowie Inszenierungen und gilt daher als „die Speerspitze des ersten wirklichen Generationswechsels und Generationenkonflikts in der Szene“ (Bortot & Wehn 2019, S. 287). Gangsta-Rap konnte trotz seiner kommerziellen Dominanz „die koexistierenden Strömungen allerdings nie verdrängen“ (Wolbring 2015, S. 53). Der Paradigmenwechsel ist jedoch maßgeblich dafür verantwortlich, wie Rap in Medien und der Gesellschaft rezipiert wird. Das Genre wurde durch die Strömung Gangsta-Rap allgemein stigmatisiert und sorgte seitdem regelmäßig für Empörung und Konflikte mit Institutionen wie der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (vgl. Meyer 2023, S. 41). Rap wird im medialen Diskurs oft als „Ursache für Verwahrlosung und Unmoral“ (Wolbring 2015, S. 40) betrachtet und teilweise werden Termini wie Rapper und Gangster synonym verwendet (vgl. ebd., S. 42; Seeliger 2021, S. 173).

Ab Mitte der 2000er Jahre befindet sich die Musikindustrie „aufgrund von Filesharing und MP3 in einer tiefen Krise“ (Meyer 2023, S. 38) und Majorlabels wie Universal verlieren das Interesse daran, deutschsprachige Rapschaffende unter Vertrag zu nehmen. Die HipHop-Szene in Deutschland profitiere jedoch davon, dass sie sich bereits ihre eigenen Strukturen aufgebaut hatte und damit über eigene Medien, Plattenfirmen und Online-Plattformen verfügte. MZEE entwickelte sich beispielsweise bereits in den frühen 2000er-Jahren zur Internetplattform MZEE.com und bot abseits von einem Veranstaltungskalender sowie einem Shop ein Forum an, das bis heute existiert. Die Online-Battle-Plattform RBA (ein Akronym für Reimliga Battle Arena) entstand bereits 1997, erlangte aber erst ab 2005 eine weitreichende Popularität und verfügte ebenfalls über ein eigenes Forum (vgl. Mager 2020)[7]. Um 2007 und 2008 herum ist die kommerzielle „HipHop-Hype-Blase […] geplatzt“ (Meyer 2023, S. 41) und Rap verschwand weitestgehend aus den Registern der allgemeinen öffentlichen Ranglisten. Hieran wird der Charakter von Szenen als labile Gesellungsgebilde deutlich. Szeneinterne Erfolge gab es weiterhin, die „jedoch der breiten Massen [sic!], und oft auch nicht mal HipHop-Interessierten ein Begriff waren“ (Meyer 2023, S. 42). Mit MySpace gab es bereits eine erste Social-Media-Plattform, die sogar Artist-Profile inklusive eigenen Webplayer angeboten hatte und dadurch unter Rapschaffenden eine große Popularität genoss.

Der „neue Untergrund“ (Meyer 2023, S. 40) von 2007 bis 2010 ist einerseits durch Gangsta-Rapschaffende mit Migrationsgeschichte und andererseits durch genre-öffnende Ansätze[8] geprägt. Das einstige Erfolgslabel Aggro Berlin schloss 2009 seine Pforten, die ehemaligen Gründer setzten ihre Arbeit allerdings mit dem YouTube-Kanal Aggro.TV in anderer Form fort. Dort starteten sie die One-Take-Musikvideoreihe ‚Halt die Fresse‘, in der stilistisch-diverse Rapschaffende mit unterschiedlichem Bekanntheitsgrad vertreten sind[9]. Von 2009 an wurden über 430 Ausgaben produziert, wovon 350 Stück bis 2014 veröffentlicht worden sind. Seitdem ist der Veröffentlichungsrythmus reduziert, für 2024 ist allerdings ein Relaunch angekündigt. Rapschaffende, die eine Million Aufrufe ihrer Folge erreichen konnten, erhielten den eigens kreierten Award ‚HDF-Gold‘, der mit Hilfe eine Spezial-Ausgabe öffentlich wirksam verliehen worden ist (vgl. Wolbring 2015, S. 47; Aggro.TV 2024). Abseits von Aggro.TV haben sich szeneinterne Medien wie 16bars.de, HipHop.de, Backspin, rap.de oder rappers.in[10] etabliert – hierüber wurden beispielsweise Interviews und Musikvideos über die jeweiligen YouTube-Kanäle in Videoform oder die eigenen Webseiten in Textform veröffentlicht. Für szeneunabhängige Beachtungsregister wie die offiziellen deutschen Charts war Rap-Musik zu dieser Zeit weitestgehend unsichtbar, da Tonträger häufig über eigene Online-Shops vertrieben und damit nicht in die Statistiken eingeflossen sind – gleiches galt für Aufrufe von YouTube-Videos (vgl. Wolbring 2015, S. 44f.). Während die Inhalte der zuvor beschriebenen Rap-Dekaden bereits heterogen ausfielen, waren die Soundentwürfe tendenziell homogen und ließen sich vorwiegend der samplebasierten Boom-Bap Stilistik um 90 BPM zuordnen. Kurz vor Beginn der 2010er-Jahre kommt es allerdings zu klangästhetischen Innovationen, die auch außerhalb der szene-eigenen Beachtungsregistern stattfanden: Peter Fox, ein Mitglied der Reggae- und Dancehall-Band Seeed, erreichte 2008 mit seinem Album Stadtaffe und den dazugehörigen Singles als einer von wenigen Artists große Erfolge. Das Werk zeichnet sich unter anderem durch die Verwendung organischer Instrumente aus und hob sich damit produktionsseitig von den sonst gängigen samplebasierten Beats ab. 2008 formierte sich außerdem das Duo Die Atzen. Das Team bestehend aus Manny Marc und Frauenarzt – zwei der Bassboxxx-Gründungsmitglieder – etablierte damit einen Stil, der Rap, Electro und Partyschlager miteinander verknüpft. Sie selbst bezeichnen diese Kombination als ‚Atzenmusik‘ – mit ihr geht außerdem eine optische Ästhetik bestehend aus Sonnenbrillen, Neonfarben und Caps mit hochgeklapptem Schirm sowie ein eigener Slang einher. Von 2009 bis 2011 waren die Party-Rapsongs mit elektronischen four-on-the-floor Beats von über 130 BPM durchweg in den deutschen Charts und Clubs vertreten; 2011 schaffte es die Single ‚Strobo-Pop‘ als einziger Song mit Rap-Performance in die Jahresbestliste, im Jahr 2010 und 2009 waren es jeweils fünf Stück[11].

In den Jahren von 2010 bis 2015 folgte schließlich der nächste kommerzielle Aufschwung: Marteria veröffentlichte 2010 mit dem Album ‚Zum Glück in die Zukunft‘ ein Werk, das sprachlich und klanglich mit dem Radio kompatibel ist. Seine Adoleszenz-Texte werden von Synthesizer-lastigen Produktionen des Duos The Krauts begleitet, das ebenfalls für Peter Fox‘ Debüt-Album verantwortlich war. 2011 folgte mit Caspers ‚XOXO‘ ein Platte, die sich produktionsseitig vor allem durch Indierock Einflüsse auszeichnet und ebenfalls in Medien außerhalb der Szene Anklang finden konnte – in der Veröffentlichungswoche landete das Album auf dem ersten Platz der offiziellen deutschen Charts und mittlerweile ist das Werk mit dreifach Gold ausgezeichnet. Aufgrund der textlichen Melancholie wurde ihm oft das Genre Emo-Rap zugeschrieben. Im Jahre 2012 wurden die Erfolge durch Cro und sein Debütalbum ‚Raop‘ (eine Zusammensetzung aus Rap und Pop) sogar überboten – er gilt als „Superstar aus der Szene, der HipHop in Deutschland so massentauglich wie nur irgendwie möglich“ (Meyer 2023, S. 43) machte. Cro zeichnete sich in dieser Zeit durch eine inhaltliche Leichtigkeit, melodisch performante Raps und das Tragen einer Panda-Maske in Kombination mit dem Hipster-Stil aus. Casper äußerte sich 2013 in einem Juice-Interview zur steigenden Beachtung von Rap folgendermaßen: „Aber schon Martens [Vorname von Marteria] Platte hat die Tür einen Spalt aufgetreten. Marten war schon mit dem halben Körper durch, dann bin ich von hinten über ihn drübergesprungen [sic!] und Carlo [Vorname von Cro] hat sie schließlich komplett eingetreten“ (Szillus 2013). Mit dieser bildlichen Beschreibung erfasst Casper treffend die Entwicklung der Popularität von Rap ohne Gangsta-Thematik – im Verlauf der darauffolgenden Jahre versuchten zahlreiche Rapschaffende „mit Pop- und Rockanleihen“ (Meyer 2023, S. 44) an eines der drei Alben anzuknüpfen und so ebenfalls die Tür zur Musikindustrie zu passieren. Parallel dazu konnte aber auch Gangsta-Rap erneut an Aufschwung gewinnen: Haftbefehl veröffentlichte 2013 den Song ‚Chabos wissen wer der Babo ist‘ und erreichte damit mehr als einen bloßen kommerziellen Erfolg; er nahm damit Einfluss auf die Jugendsprache (vgl. Güngör & Loh 2017, S. 210). Der türkische Ausdruck ‚Babo‘ wurde schließlich zum Jugendwort des Jahres 2013 gekürt und bedeutet etwa ‚Boss‘ (vgl. Spiegel [o.A.] 2013). Das 2014 folgende Album ‚Russisch Roulette‘ machte ihn unter anderem durch die innovative Verknüpfung mehrerer Sprachen „für den Feuilleton interessant“ (Meyer 2023, S. 44; vgl. Seeliger 2021, S. 171). Im Jahr 2014 waren acht von 100 Songs in den Jahrescharts Rap. Der Zeitraum von 2010 bis 2015 hat nicht nur neue Varianten von Rap hervorbringen können, sondern auch neue Möglichkeiten der Beachtung und Kommunikation durch Smartphones und Social Media. Inzwischen wird es üblich, „internetspezifische Indikatoren für die Popularität anzuführen und zu diskutieren“ (Wolbring 2015, S. 47). Wie man sich mit diesen Tools einen Vorteil verschaffen kann, hat Elvir Omerbegovic – Gründer des Labels Selfmade Records – verstanden: 2013 veröffentlichte er das Album ‚Jung, Brutal, Gutaussehend 2‘ von den Rapschaffenden Kollegah und Farid Bang, welches nicht nur auf Platz eins der Album-Charts einstieg. „Kein Hip-Hop-Album der vergangenen fünf Jahre verkaufte sich hierzulande in der ersten Woche so häufig wie JBG 2“ (Media Control zitiert nach Fromm 2013[12]). Dies ist besonders erstaunlich, da die Promotion des Albums gänzlich ohne Radio-Airplays, Printartikel in Szenemedien oder Auftritte im Fernsehen ablief. Innerhalb von einer Woche wurden insgesamt 80.000 Exemplare vertrieben, den Goldstatus haben sie nach drei Wochen erreicht. In einem Interview mit Aria Nejati spricht Omerbegovic darüber, inwiefern sie von Facebook, YouTube und ihrer eigenen Community im Selfmade Records Forum profitiert haben: „Wir haben uns unsere eigene Welt gebaut, bis wir dann irgendwann dann die Tür eingetreten haben“ (Nejati 2022, 23:27-23:32). Vor dem großen Erfolg seien sie von Gatekeepern[13] abgeblockt worden, da sie ignorierten „was HipHop darf und was HipHop nicht darf“ (Nejati 2022, 21:25 – 21:26). Das Kollabo-Album von Kollegah und Farid Bang steigerte die Tabulosigkeit von Battle-Rap immens und ergänzte Gangsta-Rap außerdem um eine technisch versierte Komponente, die sich vor allem in komplexen Reimstrukturen und ausgefeilten Wortspielen äußert.

Im Gegensatz zu den vorherigen Dekaden folgte nach dem großen Aufschwung kein Fall – der Erfolgstrend konnte sich fortsetzen und bringt abermals Innovationen hervor. Ab 2016 gewinnen ästhetische Spielarten von Rap an weitreichender Bedeutung, die in Deutschland zuvor eher im Untergrund stattfanden oder bis dahin nicht existierten. Klangliche Leitbilder für die folgenden Jahre sind die Subgenres Trap und Afro-Trap. Trap stammt ursprünglich aus den Armenvierteln der US-Südstaaten und ist eine Weiterentwicklung des Memphis-Raps, der bereits seit den 1980er Jahren existiert. In seiner reinen Form ist Trap eine Spielart des Gangsta-Raps mit „der überproportionalen Fixierung auf das Thema Drogenhandel“ (Dörres 2022, S. 337). Der Begriff Trap ist ein „Slangausdruck für Crack-Häuser mit einer Fluchttür“ (Zhao 2018, S. 356) und verweist im übergeordneten Sinne auf eine Lebensrealität, in der die Protagonisten ‚in der Falle‘ stecken. Mit Trap wird allerdings nicht nur ein Inhaltsfeld bezeichnet, sondern auch ein eigener Produktionsstil: Die Beats liegen in etwa zwischen 120 und 155 BPM und sind damit wesentlich schneller als die Boom Bap Produktionen. Sie zeichnen sich zudem „durch schnelle Hi-Hats, starke Subbässe[14] und aggressive Synthesizer (oder Samples)“ (Dörres 2022, S. 337) aus. Die Perfomance auf Trap-Produktionen zeichnet sich häufig durch die inflationäre Verwendung von Adlibs, repetitiven Phrasen und die Nutzung des Autotune-Effekts aus. Autotune wird dabei für sogenannte ‚Hard-Pitches‘ verwendet, sodass die Tonkorrektur deutlich hörbar ist – der Effekt wurde ursprünglich entwickelt, um Tonhöhen so zu korrigieren, dass es kaum oder gar nicht erkennbar ist. Die Soundästhetik ist die „gegenwärtig populärste Spielart“ (Dörres 2022, S. 337), was wahrscheinlich mitunter daran liegt, dass sie „die Grenzen von Rappen und Singen auflöst und den Fokus stark auf den Refrain legt“ (Meyer 2023, S. 45). Im Zuge dessen gewinnt die Äußerlichkeit an Bedeutung, sodass der ‚Vibe‘ dem Inhalt übergeordnet wird. Wie es der Terminus bereits vermuten lässt, ist Afro-Trap eine Abwandlung von Trap: MHD, der als Pionier des Subgenres gilt, beschreibt die Strömung in einem Juice-Interview als „Mix aus afrikanischen Rhythmen und dem Flow, den man auf Trap-Songs hört“ (Andresen 2016). Durch die Afro-Beats bewegt sich Afro-Trap ca. zwischen 100 und 130BPM. Bei der Stilistik handelt es sich um eine französische Innovation, die laut MHD Spaß mache, authentisch sei und seinem Ghetto ein positiveres Image verleihe. Seiner Auffassung nach müsse man ihn nicht zur französischen Rap-Szene zählen (vgl. ebd.). MHD möchte „Afro-Trap auf der ganzen Welt verbreiten“ (Andresen 2016) – in Europa wurde der Sound rasant adaptiert. Auf dem deutschsprachigen Markt sorgten die Rapschaffenden RAF Camora und Bonez MC mit ihrem Kollabo-Album ‚Palmen aus Plastik‘ als erstes für eine weitreichende Verbreitung. Das 2016 erschienene Werk wurde noch im selben Jahr mit Gold ausgezeichnet und hat mittlerweile den Doppelplatin-Status für über 400.000 verkaufte Einheiten erreicht. Für die gleichnamige Single erhielten sie eine Diamant-Auszeichnung (mehr als eine Million vertriebene Einheiten), weitere Songs des Albums erreichten ebenfalls Gold- und Platinstatus in einfacher oder mehrfacher Ausführung. Inhaltlich sind die Werke in der Regel meist dem Gangsta-Rap zuzuordnen. Der Erfolg des Duos verhilft Bonez MCs Crew‚ der 187 Strassenbande‘ [sic!], zu großer Popularität, sodass auch Mitglieder wie GZUZ und Maxwell davon profitieren (vgl. Meyer 2023, S. 46). Im Dezember 2016 folgt die Sonderedition ‚Tannen aus Plastik‘, dessen Leadsingle ‚Palmen aus Gold‘ (ebenfalls mit Gold ausgezeichnet) den erreichten Erfolg zelebriert. Im dazugehörigen Musikvideo werden die erhaltenen Awards mehrfach inszeniert. Seitdem bezeichnen sich die genannten Rapschaffenden auch als das ‚Team Platin‘ und vertreiben Merchandise mit dieser Wortmarke. Der Rapschaffende Capital Bra, der zuvor durch die Live-Battle-Rap-Veranstaltung ‚Rap am Mittwoch‘ in Erscheinung getreten ist, knüpft mit Trap- und Afro-Trap-Produktionen am Erfolg an und schafft es „allein vom April 2018 bis in den April 2019 zwölf Nummer Eins Songs“ (Meyer 2023, S. 46) zu publizieren. Ein exemplarischer Genre-Vertreter, der zwar die Trap-Stilistik bedient, dabei aber keinen Gangsta-Rap macht, ist Rin; seine Texte sind inhaltlich von Hedonismus und Konsum geprägt. Die Soundästhetik prägt die Spotify-Playlist ‚Modus Mio‘, welche bis heute – gemessen anhand der Followeranzahl[15] – die größte deutschsprachige Playlist des Streamingdienstes ist. Durch den Erfolg der genannten Rapschaffenden und die Popularität der klanglich homogenen Playlist versuchen sich zahlreiche Artists an dem aufkommenden Afro-Trap-Stil – häufig wird auch von ‚industry plants‘ gesprochen, wenn beispielsweise Influencer plötzlich auch Rapschaffende sind. Abseits des kommerziellen Potentials sei „der Erfolg von (Afro-)Trap in Deutschland auch auf neue Migrationsbiografien zurückzuführen, die sich von denen der vorangegangenen Gangsta-Rap-Generation“ (Güngör & Loh 2017, S. 214) unterscheide – damit sind Geflüchtete aus afrikanischen Staaten gemeint, die nun in Deutschland leben. Der Stil wird allerdings ebenfalls von Personen verwendet und rezipiert, die keine Migrationsgeschichte haben. Rap wird schließlich zur „Mega-Mainstream-Kultur“ (Bortot & Wehn, 2019, S. 316) und ist populärer denn je. Während sich 2016 lediglich sieben Songs mit Rap-Performance in den Top 100 Jahrescharts befanden, waren es 2017 bereits fünfzehn und 2018 ganze 21. Im Zuge des Aufschwungs gewann das bisher vorwiegend männlich dominierte Genre an weiblichen Rapschaffenden, die ebenfalls an den Erfolgen anknüpfen können. Shirin David oder Juju „stellen dies mit ihren Streamingzahlen unter Beweis“ (Meyer 2023, S. 47) – dabei handelt es sich bloß um zwei Beispiele. Auffällig ist, dass seit 2016 zahlreiche Songs mit Interpolations-Charakter (vgl. Pelleter 2022, S. 338) erscheinen, die sich an Gesangsmelodien von Songs bedienen, die in der Vergangenheit bereits erfolgreich waren[16].

Im Jahr 2019 erreicht die Popularität von Rap ihren bisherigen Höhepunkt: Die Top 100 der Jahrescharts beinhaltet 48 Songs mit Rap-Performance, im Jahr 2020 sind es noch 42. In den Jahren 2021 und 2022 fällt die Anzahl auf jeweils 21 Stück und im Jahr 2023 steigt sie mit 32 Songs wieder an. Um 2019 wird die Ästhetik von ‚Modus Mio‘ außerdem langsam erweitert: Einerseits etabliert sich das Subgenre Drill und andererseits werden Beats mit four-to-the-floor Rhythmen erneut populär. Auch wenn die Strömung Drill ursprünglich zu Beginn der 2010er Jahren in Chicago entstanden ist, wurde sie insbesondere durch ihre Adaption im Vereinigten Königreich im europäischen Raum bekannt[17]. Mit dem Begriff ‚drill‘ wird auf die Klänge automatischer Schusswaffen referiert – die primären Inhaltsfelder des Subgenres sind Bandenkriege und Waffengewalt. Geräusche von Schusswaffen werden auf Drill-Songs häufig von den Rapschaffenden vokalisiert. Schauplätze von Drill sind daher insbesondere marginalisierte Wohngegenden in Metropolen wie London. Vertreter des Stils proklamieren für sich, dass sie mit den Songs und den dazugehörigen Videos Gewaltverbrechen und das Leben auf der Straße dokumentieren wollen (vgl. Sanders & Wernaart 2023, S. 329). Wie auch im Falle von Trap ist das Subgenre Drill einerseits ein Inhaltsfeld und andererseits ein Produktionsstil: Drill-Beats liegen meistens zwischen 140 und 150 BPM und sind durch Triplett-Rhythmen der Hi-Hats und Snares sowie gleitende Bässe, die ihre Tonhöhen fließend ändern[18], gekennzeichnet (vgl. Marshall 2022). In Deutschland sind Rapschaffende wie Luciano für die Verbreitung des Stils verantwortlich, hierbei ist aber anzumerken, dass sich primär an der Ästhetik bedient wird und populärer deutschsprachiger Drill das Inhaltsfeld höchstens imitiert. Kontra K, Chapo102 und Nina Chuba verwenden zwar teilweise Drill-Beats, allerdings handeln ihre Songs nicht von realer Gangkriminalität und begangenen Morden, sondern (beispielsweise) von Liebeskummer oder Freundschaft[19].

Beats mit four-to-the-floor Rhythmen wurden ab 2019 insbesondere durch Apache207, dessen Produktionen häufig an 80s-Dance-Pop orientiert sind, wieder beliebter. Der Rapschaffende ist gegenwärtig einer der erfolgreichsten Musiker Deutschlands und bezeichnet sich in ‚Kein Problem‘ – einem seiner Erfolgssongs – als den „Gangster, der ab und an sein Tanzbein schwingt“. Sein visuelles Auftreten ist einem nordamerikanischen Ureinwohner nachempfunden, der Künstler ist jedoch eigentlich Deutscher mit türkischer Migrationsgeschichte. Die Referenz wird ebenfalls durch seinen Namen, der ein Verweis auf die Stammesgruppe der Apachen ist, und Zeilen wie „Indianer, Apache“ (Apache 207 – Kein Problem) deutlich. Seine Inszenierung ist unnahbar: Er trägt stets eine Sonnenbrille, gibt keine Interviews und ist auf Social-Media zurückhaltend – erst mit der 2022 erschienen Amazon Prime Dokumentation ‚Apache bleibt gleich‘ „bricht er sein Schweigen und lässt zum ersten Mal Kameras zu“ (Amazon Studios o.A. 2022). Ähnliche Rhythmen wie bei Apache207 finden sich ab 2022 auch bei Ski Aggu[20] (der stets eine Ski-Brille trägt) und Domiziana (die in Lack- und Lederoutfits in Erscheinung tritt), wobei diese sich eher an der Ästhetik von House, Trance und Uptempo bedienen. Allgemein hat sich ein Markt für tanzbaren Party-Rap etabliert, der in Teilen an das Konzept der Atzenmusik um 2010 herum anknüpft – dies zeichnet sich besonders deutlich bei Tream und FiNCH ab, die Elemente von Partyschlagern in ihre Musik einfließen lassen. Diese Ästhetik dominiert gemeinsam mit Trap-, Drill- und Afro-Trap-Produktionen im Jahre 2024 die populären Playlisten Spotifys und die Musik-Trends auf TikTok. Insgesamt ist mehr als deutlich, wie sich „die deutschsprachige Rap-Szene […] durch eine große Diversität hinsichtlich der Formen, Stile und Haltungen“ (Höllein et al 2020, S. 10) auszeichnet – für die Hosts vom Deutschrap Plus Podcast ist es nicht mehr möglich, von einer einzelnen Szene zu sprechen, da die Strömungen mittlerweile kaum noch zu überschauen seien (vgl. Deutschrap Plus Podcast 2023, 06:10-08:15).

Im Streaming- und Social-Media-Zeitalter der Gegenwart hat sich das Machtverhältnis zwischen Rapschaffenden und Szene-Medien zunehmend verschoben. Wer hohe Zahlen nachweisen kann, ist nicht mehr abhängig von einer externen Berichterstattung. Mittlerweile sind die Magazine davon abhängig, dass die Rapschaffenden sich beispielsweise von ihnen interviewen lassen, damit sie Inhalte produzieren können (vgl. Bortot & Wehn 2019, S. 415).  Allgemein ist ein Rückgang von Plattenkritiken zu beobachten, was unter anderem daran liegen könnte, dass eine kritische Bewertung dazu führen kann, dass Rapschaffende nicht mehr mit dem jeweiligen Medium kooperieren wollen. Denkbar ist aber auch, dass ein Interesse an kritischen Evaluationen im Allgemeinen nachgelassen hat und sich die Rezipienten lieber mit Tratsch, Charterfolgen oder weiteren messbaren Parametern beschäftigen (vgl. Wilke 2022, S. 502). Die Magazine Juice und rap.de sind 2022 eingestellt worden, da sie sich für den Betreiber Piranha Media finanziell nicht mehr rentiert haben und das, obwohl Rap populärer denn je ist (vgl. Back 2022). Die Szene-Treffpunkte im Internet haben sich ebenfalls verändert: Plattformen wie rappers.in, das MZEE-Forum oder auch die RBA waren vor der Expandierung von Social Media zentrale Anlaufstelle, an denen einerseits Neuigkeiten von etablierten Artists verbreitet worden sind, andererseits aber auch ein freier Austausch unter Szenegängern ermöglicht wurde. Innerhalb der Foren haben sich beispielsweise Gruppierungen abgezeichnet, wodurch ein sehr weitsichtiger Blick auf verschiedene Präferenzen deutlich geworden ist. Durch Social-Media hingegen folgt man lediglich einzelnen Artists oder Magazinen, wodurch die Auswahl des Präsentierten von der Wurzel an beschränkt wird – HipHop.de beschäftigt sich mittlerweile fast ausschließlich mit populären Rapschaffenden[21], während sich das seit 2015 ehrenamtliche Projekt MZEE.com auch mit nicht-populären Rapschaffenden befasst. Der Kreis an Artists, der auf den verschiedenen Plattformen thematisiert wird, unterscheidet sich teilweise stark. Damit verändert sich auch die Vernetzung zwischen Szenegängern, da sie mehrnter sich‘ sind und somit weniger mit anderen Strömungen in Berührung kommen. Erwähnenswert ist die Foren-Plattform Reddit, auf der das ‚German Rap‘-Subreddit aktiv genutzt wird – hier wird Afro-Trap beispielsweise weitestgehend ignoriert. Andererseits haben sich mit ‚Made Icon‘ und ‚Rap La Rue‘ zwei Castingshows etabliert, die primär Afro-Trap und Gangsta-Rap auf Trap-Beats hervorheben. Rapschaffende, die an den Online-Formaten teilgenommen haben, sind im Jahre 2024 in den Charts vertreten und konnten sich Verträge bei Labels wie Banger Musik sichern. Wer bei diesen Formaten gewinnt, wird nicht einfach durch eine Jury entschieden – es kommt die Person weiter, die auf Spotify die meisten Streams nachweisen kann. Die Erfolge werden stets von den jeweiligen Shows auf Social-Media ausgestellt.

2.2.2 Externe Faktoren und disruptive Innovationen in der Musikindustrie

Geschäftsmodelle gelten dann als disruptiv, wenn „ein Produkt oder eine Dienstleistung im Zuge der Digitalisierung vorangetrieben wird und erstmalig auf dem Markt zu beobachten ist“ (Derr 2021, S. 2). Hieraus resultiert meistens, dass etablierte und traditionelle Anbieter vom Markt verdrängt werden und durch die disruptive Technologie wiederum neue Märkte geschaffen werden. Seit den ersten deutschsprachigen Rap-Veröffentlichungen hat sich die Musikindustrie mehrfach gewandelt: Physische Tonträger auf Kassette oder Vinylplatte wurden immer seltener und letztlich für rund zwei Dekaden von der CD abgelöst. Mit dem Aufkommen der globalen Vernetzung und der Entwicklung des mp3-Formats folgen digitale Kaufoptionen (beispielsweise Apples iTunes), allerdings gelangt Musik ebenfalls zum kostenlosen Download ins Internet und CDs verlieren an Bedeutung (vgl. Derr 2021, S. 3). Trotz der Illegalität genoss dieser nicht intendierte Vertrieb eine enorme Popularität und ermöglichte es erstmals, vollkommen unabhängig Musik zu konsumieren. Unabhängig meint dabei, dass kein Kapital dafür benötigt wird und außerdem kein Radio- oder TV-Sender die Musik kuratiert. Über das mittlerweile geschlossene Portal ‚fettrap.com‘ wurde beispielsweise Bushidos Album ‚7‘ über 70.000-mal illegal heruntergeladen (vgl. Wolbring 2015, S. 47).

Als die Videoplattform YouTube aufkam, luden viele Privatpersonen urheberrechtlich geschütztes Material dort hoch. Während hochgeladene Filme und Serien in der Regel bereits nach kurzer Zeit entfernt worden sind, verweilen Uploads von zahlreichen Rap-Songs (beispielsweise) in Form von Lyric-Videos bis heute auf dem Portal. Unabhängig davon, dass YouTubes damaliges Konzept „broadcast yourself“ – also sende bzw. verbreite dich selbst – lautete, war das Verbreiten fremder Inhalte ein elementarer Bestandteil der Seite. YouTube wurde von einem beachtlichen Teil der User dahingehend zweckentfremdet und trat so als erste, prototypische Variante des Musikstreamings in Erscheinung. YouTube bietet im Gegensatz zum Musikfernsehen Inhalte, die nicht von einer Redaktion aus Erwachsenen kuratiert worden ist. Die Nutzung der Plattform ist kostenlos und bringt zudem kein Risiko der Strafverfolgung mit sich, wie es bei den illegalen Downloads der Fall ist. Eine Reglementierung gab es im deutschsprachigen Raum dennoch: Zwischen 2009 und 2016 kam es auf YouTube immer wieder zu Sperrungen von Inhalten, die durch die GEMA verwaltet wurden, da sich die Gesellschaft mit dem Google-Unternehmen nicht auf ein Vergütungsmodell für Musik-Uploads einigen konnte. Ende 2016 sind jedoch alle von der GEMA verwalteten Inhalte im Zuge einer Einigung wieder entsperrt worden (vgl. Gruber & Reinbold 2016). Die Entscheidungsfreiheit darüber, was Endverbraucher wann konsumieren möchten, wurde durch Streamingdienste massiv gestärkt.

2.2.3 Spotify und die Streamingindustrie

Mit Blick auf den Erfolg von Spotify lässt es sich kaum abstreiten, dass der Streamingdienst den Musikmarkt revolutioniert hat. In Deutschland überholten Musikstreamingservices 2018 erstmals die physischen Verkäufe: 47,8% der Umsatzanteile aus dem Musikverkauf stammten aus Audio-Streaming, 41,1% aus physischen Verkäufen. Die restlichen Prozente verteilen sich auf digitale Verkäufe (vgl. Heuzeroth 2018). Vor dem Hintergrund dessen, lässt sich folgern, dass Dienste wie Spotify für Labels und Künstler von größter Bedeutung sind. Die Charts vieler Staaten haben ebenfalls bereits auf diese Entwicklung reagiert und rechnen Streams in die Umsätze mit ein. Der Geschäftsführer von GfK Entertainment, das Unternehmen, welches die deutschen Charts ermittelt, betitelt diesen Umstand als die logische Konsequenz (vgl. Briegleb 2016). Demnach liegt die Vermutung nahe, dass sich durch den hohen Stellenwert von Streamingservices nicht nur die Struktur des Markts verändert, sondern auch dessen Produkte: Während in der Vergangenheit Tonträger erst hergestellt, anschließend intensiv beworben wurden, um dann über den Internet- oder den Lokalhandel vertrieben zu werden, können durch Spotify und co. nahezu alle obligatorischen Business-Schritte übersprungen werden (vgl. Pohl 2018). Künstler können selbst ohne Labels unkompliziert ihre Musik durch digitale Vertriebe wie recordJet oder Distrokid bei Spotify veröffentlichen. Erwähnenswert ist an dieser Stelle Spinnup, der digitale Vertrieb von Universal Music, der bis 2022 für alle Musikschaffenden zugänglich war und seit diesem Jahr nur noch mit einer Bewerbung oder exklusiven Einladung nutzbar ist. Inwiefern die zuvor angesprochenen abgebauten Barrieren dauerhaft wegfallen, ist vor dem Hintergrund solcher Entwicklungen noch nicht absehbar.[22] Durch die Optionen der Playlists ist die Relevanz des einzelnen Songs ähnlich groß wie beim Radio: Die Hörer erstellen sich ihre eigenen Wiedergabelisten, in denen nur die favorisierten Songs zu finden sind. Dadurch hat die Relevanz von konventionellen Alben abgenommen und der Fokus vieler Künstler hat sich auf Singles verlagert – hiermit sind auch die CD-Verkäufe immer rückläufiger (vgl. Derr 2021, S. 22). Ein weiteres Playlist-Modell sind die von Spotify erstellten Playlists wie ‚Modus Mio‘. Das Unternehmen verfolgt das Ziel eines „radio-like lean-back service“ (Fleischer/Rasmus 2017, S. 139): Dem Konsumenten wird eine Vorauswahl von Titeln unterbreitet, wovon nach Möglichkeit kein einziger Song übersprungen werden solle – so zumindest die Philosophie des schwedischen Streamingdienstes (vgl. Schäfer 2018). In Anbetracht dessen ist es wenig verwunderlich, dass beispielsweise die ‚Modus Mio‘-Playlist eine homogene Klangästhetik aufweist. Es wird ein bestimmter Stil in den Mittelpunkt gestellt. Die eigenen Playlists von Spotify werden gezielt beworben: Sobald ein Genre oder eine Kategorie ausgewählt wird, wird der Nutzer an erster Stelle auf die vorgefertigten Wiedergabelisten weitergeleitet. Elvir Omerbegovic, der mittlerweile mit DIVISION sein zweites Label gegründet hat, spricht davon, dass Hörer von Playlisten vergrault werden, wenn der Sound eines Artists zu sehr von der Ästhetik der Wiedergabeliste abweiche (vgl. Nejati 2022, 51:01-52:30). Durch die Aussage wird deutlich, dass Playlisten Hörerschaften klar sondieren.

Bei Spotify handelt es sich also um eine Schnittstelle, mit der Künstler Geld verdienen können. Um jedoch von dem Musikstreamingdienst profitieren zu können, müssen die Musiker hohe Streamingzahlen erreichen, denn das Unternehmen zahlt ungefähr 0,0034€[23] pro Stream aus (vgl. Derr 2021, S. 21). Das ist weniger als ein Cent und damit sind knapp 30.000 Streams notwendig, damit ein Artist 100 Euro mit einem Song verdienen kann. (vgl. Eggers 2018, S. 1). Die Werteinheit Stream bedeutet, dass ein Song mindestens 31 Sekunden abgespielt worden ist. Ob ein Track vollständig gehört wird, ist irrelevant. Es lässt sich daher schlussfolgern, dass Berufsmusiker daran interessiert sind, mit ihren Songs möglichst viele Streams zu erzielen, um so Geld zu verdienen. Ähnlich wie einst die maximale Spieldauer einer 12“-Vinyl-Platte den Umfang eines Albums mitbestimmt hat, wirken heute Dienste wie Spotify auf die Ausgestaltung der Musik ein. Im Kontext von Rap-Musik ist zu beobachten, dass die Songs immer kürzer werden und häufig eine Länge von ca. zwei Minuten haben. Dies erscheint logisch, da kürzere Songs häufiger gehört werden können als lange Songs[24]. Um die Beachtung steigern zu können, kommt Spotify den Künstlern hilfreich entgegen: Der Streamingdienst generiert ein großes Maß an Daten. Künstler können durch das ‚Spotify for Artists‘-Programm einsehen, wie viele und welche Konsumenten ihre Musik wo, wann und über welches Medium hören. Zusätzlich erhalten sie einen Eindruck davon, welche Songs besonders gut ankommen (vgl. ebd., S. 2). Künstler haben also ein Tool, mit dem sie erfassen können, was beliebt und damit profitabel ist. Diese Möglichkeit hatten Künstler in der Vergangenheit zwar bereits durch CD-Verkäufe, Download-Zahlen und Touren, jedoch sind die von Spotify gesammelten Daten in jedem Fall aktueller, präziser und direkt einsehbar. Eine schnelle Reaktion auf den Musikmarkt ist damit ohne große Umstände zu realisieren. Die These, dass Künstler ihre Musik bewusst auf eine bestimmte Art produzieren, um damit in den großen Spotify-Playlists platziert zu werden, da dies viele Streams und so höhere Umsätze erzielt, scheint zumindest in der Argumentation logisch und zudem im Interesse des Unternehmens zu sein. Wie im vorherigen erwähnt, handelt es sich bei Spotify um ein profitorientiertes Unternehmen, das sich selbst primär als Musikstreamingdienst inszeniert. Bei genauerer Betrachtung ist diese Bezeichnung allerdings nicht komplex genug: Spotify ist ein Unternehmen an der Schnittstelle zwischen Musik-Streaming, Werbung und Technologie (vgl. Vonderau 2019, S. 5). Die Relationen unter den einzelnen Akteuren sind komplex und können an dieser Stelle nur in Ansätzen skizziert werden: Spotify bietet den Konsumenten Musik an und verlangt dafür entweder eine monatliche Zahlung oder das Recht, Werbung zu schalten. Andere Unternehmen kaufen sich bei Spotify Werbeplätze ein, die wiederum den Konsumenten des Streamingdienstes unterbreitet werden. Durch den Umstand, dass Spotify sein Produkt in zwei verschiedenen Versionen vertreibt, liegen zwei Kerngeschäfte vor (vgl. ebd., S. 7). Im Jahr 2024 bietet Spotify mit ‚Marquee‘ und ‚Showcase‘ zwei Möglichkeiten an, die eigene Musik innerhalb des Streamingdienstes für Geld zu bewerben. Während ‚Marquee‘ ein Pop-Up-Werbemodell ist, handelt es sich bei ‚Showcase‘ um eine Auslieferung auf der Startseite. Spotify verspricht Artists, dass ihre Werbemodelle durch die vorhandenen Datensätze sowie die direkte Integration in der App (der klassische Werbe-Funnel entfällt also) wesentlich effizienter seien als die konventionellen Ad-Center von Meta oder Google (vgl. Spotify o.A. 2024a; 2024b).

Die großen Spotify-Playlisten wie ‚Modus Mio‘ können Aufschluss darüber geben, welche Songs populär sind oder populär werden sollen. Zweiteres bezieht sich auf den Umstand, dass vorrangig Rapschaffende mit Major-Vertrag in Spotifys hauseigenen Playlisten platziert werden. Die Aufnahme in eine große Playlist kann eine effektive Werbemaßnahme sein, die möglicherweise dazu führt, dass ein Track populär wird. Gleichermaßen besteht die Option, dass der Song innerhalb der Playlist häufig übersprungen und dadurch wenig gehört wird – dies führt in der Regel dazu, dass der Song im Rahmen der wöchentlichen Aktualisierungen wieder entfernt wird. Der Streamingdienst kann mit Wiedergabelisten also entscheiden, was beachtet werden soll und verfügt zudem über die Möglichkeit, bereits Beachtetes zu weiterer Beachtung zu verhelfen. In einer Zeit, in der Songs durch künstliche Intelligenz generiert werden können, bleibt abzusehen, ob Spotify eines Tages die Musik von Menschen durch die von KIs ersetzen wird. Das Unternehmen setzt bereits seit 2016 auf erdachte Persönlichkeiten – ein Produzent namens Johan Röhr vertreibt für Spotify unter mindestens 656 Pseudonymen verschiedenste Genres. Auf den jeweiligen Profilen wird jedoch mit Hilfe von konstruierten Biografien suggeriert, dass es sich um real existierende Menschen handelt. Durch die Platzierung in hauseigenen Playlisten wurden damit bereits über 15 Billionen Streams generiert (vgl. Stassen 2024).

TikTok ist zwar kein dedizierter Streaminganbieter[25], wirkt aber ebenfalls disruptiv auf die Musikindustrie ein: Wer auf TikTok ein Snippet (Songschnipsel) hochlädt und damit viel Aufmerksamkeit generiert, der weiß, dass es sich lohnen wird, diesen Song zu veröffentlichen bzw. fertigzustellen. Die Produktionsprozesse haben sich in Teilen dahingehend gewandelt, dass Songs in unfertigen Zuständen ausschnittweise präsentiert werden können. Geht eine Viralität einher, werden Labelangebote folgen. Die Verträge haben sich dahingehend gewandelt, dass selbstständige Artists in einer mächtigen Verhandlungsposition gegenüber den Labels sind.

2.2.4 Systembeschreibung der Charts

Das Erfassungssystem der offiziellen deutschen Charts ist für die vorliegende Arbeit essenziell, da der Korpus durch diese Rahmenbedingungen konstituiert ist. Es wird darauf verzichtet, das System gänzlich abzubilden, da das vollständige Regelwerk 35 Seiten umfasst. Stattdessen werden die Inhalte dargestellt, die für das Vorhaben dieser Arbeit elementar sind.

Wie schon zuvor angeschnitten, werden die Chartlisten durch den Bundesverband Musikindustrie e.V. (BVMI) in Auftrag gegeben. Die erste offizielle Liste wurde im September 1977 durch das Unternehmen ‚media control‘ erhoben und in der Fachzeitschrift ‚Der Musikmarkt‘ veröffentlicht. Ab 1993 wurden die Charts zusätzlich in der ‚Musikwoche‘ publiziert. Ein Jahr später finden die Ranglisten auch außerhalb der Fachpresse statt. 2003 wird die Erhebung und Veröffentlichung in Kooperation von media control und GfK durchgeführt und seit 2013 werden die offiziellen deutschen Charts alleinig von dem Unternehmen GfK Entertainment erstellt[26] (vgl. BVMI 2023a, S. 34). Auch wenn GfK nicht seit Beginn der Chartlisten beteiligt war, sind dennoch alle Daten von 1977 an in der online zugänglichen Datenbank hinterlegt (vgl. GfK Entertainment 2024a). Im Zeitraum von August 1989 bis Dezember 2000 zählen „neben dem Verkauf die Funkeinsätze als zweites Kriterium“ (BVMI 2023a, S. 34). Ab Januar 2001 werden die Single Top 100 lediglich durch die Verkaufszahlen bestimmt. Seit 2004 zählen für Singles außerdem Downloadverkäufe, für Alben allerdings erst seit 2009 (vgl. ebd.). Seit 2007 werden die Listen zu Werte-Charts, was bedeutet, dass „nicht mehr die verkaufte Stückzahl entscheidend ist, sondern der damit erzielte Umsatz“ (GfK Entertainment 2024b). Premium-Streams werden erst seit 2014 in die Single-Charts einbezogen und seit 2016 auch in die Alben-Charts (vgl. BVMI 2023a, S. 34). Seit Dezember 2020 werden die Radio-Plays wieder in das System integriert (vgl. GfK Entertainment 2024b). Werbefinanzierte Streams gelten für Singles seit Januar 2022 (vgl. BVMI 2023a, S. 34f.). Wie auch bei Spotify werden Streams erst ab 31 Sekunden gewertet (vgl. ebd., S. 11). Die Umstellung von Stückzahl zu Umsatz ist im Kontext von Rap besonders spannend, da seit 2009 die sogenannte Premium-Box immer beliebter geworden ist. Dabei handelt es sich um eine bedruckte Schachtel, in der zusätzlich zum Musik-Gegenstand Merchandise-Artikel und weitere Bonusinhalte enthalten sind. Durch die zusätzlichen Produkte kosten die Boxen meistens zwischen 40 und 100 Euro und ermöglichen damit einen strategischen Vorteil im Chartsystem. Es gibt allerdings Grenzen zur Berechnung der Verkaufswerte, die für Alben bei 40€ und für Singles bei 2€ liegen. Vor März 2024 lag die Grenze für Singles jedoch bei 4€ (vgl. BVMI 2023a, S. 20).

Um von GfK Entertainment berücksichtigt werden zu können, müssen die Verkaufswerte an das Marktforschungsinstitut übermittelt werden. Dafür ist es notwendig, „Verkäufe an Endverbraucher in Deutschland zu messen“ (BVMI 2023a, S. 6). Aktuell gibt es knapp 2500 Anbieter, „die wegen ihrer Struktur und ihrer Marktbedeutung eine für die Auswertung hinreichende Meldung abgeben können“ (ebd.) – Streaminganbieter wie Spotify gehören dazu. Um sich als Händler für die Charts zu qualifizieren, müssen abseits der statistischen Erfassung mehrere Kriterien erfüllt werden: „Der Shop-Betreiber muss Einzelhändler sein mit dem Geschäftszweck des Verkaufs an Endverbraucher“ (ebd.), dafür muss es sich „um direkte Verkäufe an Endverbraucher in Deutschland handeln“ (ebd.). Das Angebot „muss permanent sein“ (ebd.), eine repräsentative Repertoirebreite bieten und zudem „muss ein repräsentatives Angebot an Neuheiten geführt werden“ (ebd.), Label- und Artist-Shops sind davon jedoch entbunden (vgl. ebd., S. 7). Es ist notwendig, eine „signifikante Menge an Verkäufen“ (ebd., S. 6) melden zu können, „wie sie eine wirtschaftlich vertretbare Organisation der Charts erfordert“ (ebd.). GfK „setzt die entsprechenden Verkaufswerte fest“ (ebd.) und bei „mehrmaligem Unterschreiten der Verkaufswerte kann ein Shop von der Charterhebung ausgeschlossen werden“ (ebd.)[27]. Zudem müssen die „Verkaufsmeldungen kontrollierbar sein“, dafür braucht es „elektronische Kassenmeldungen mit Bon-Nr., Datum und Uhrzeit. Bei Downloads müssen mit der Verkaufsmeldung incl. Datum und Uhrzeit zusätzlich verschlüsselt die E-Mail-Adresse und die Kontonummer des Bezahlverfahrens oder eine entsprechende Information mitgeliefert werden“ (ebd.). Die Nachweise sind pünktlich und unaufgefordert per Mail oder einem automatisierten Datenfeed zu übermitteln (vgl. ebd., S. 7).

Zusätzlich zu den genannten Kriterien ist es notwendig, dass „Artikelstammdaten bei GfK Entertainment vorliegen“ (ebd., S. 13). Artikelstammdaten enthalten die folgenden Informationen: Künstlername, Titel, Bestell-Nummer bzw. Identifier, Vertriebsfirma (mit PHONONET-Nr.), Erstverkaufstag in Deutschland, Programmart, Tonträgerart bzw. Format und im Falle von Bundles den Setinhalt (vgl. ebd.). Medien, welche die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien als jugendgefährdend listet, werden „ab dem Zeitpunkt der kundgetanen Entscheidung“ (ebd.) von den Charts ausgeschlossen. Diese Praktik greift auch rückwirkend: Wenn ein Werk beispielsweise 2010 in den Charts vertreten war und erst 2012 indiziert wird, werden die gelisteten Erfolge der Vergangenheit aus der online zugänglichen Datenbank entfernt. Der „Ausschluss von der Wertung ist zeitlich an die Dauer der Indizierung gebunden“ (ebd.), eine Wiederaufnahme ist im Falle eine Neuverhandlung mit dem Ergebnis des Widerrufs also möglich. Gleiches gilt für Gold-, Platin- und Diamond-Auszeichnungen: Sobald eine Indizierung amtlich ist, wird das Werk „für die Vergangenheit und die Zukunft aus der Errechnung der Verkaufszahlen herausgenommen und der Status entsprechend angepasst“ (BVMI 2023b, S. 3). Da Rap häufiger als andere Genres von Indizierungen betroffen ist, handelt es sich hierbei um eine wichtige Information. Gemessen am online dokumentierten Erfolg der Alben ‚Jung, brutal, gutaussehend 2‘ sowie ‚Jung, brutal, gutaussehend 3‘ und ihren dazugehörigen Singles, wären die Werke von Kollegah und Farid Bang eigentlich in den jährlichen Top 100 und der Datenbank für Auszeichnungen vertreten. Durch das beschriebene Ausschlussverfahren sind diese Erfolge jedoch nicht mehr in den Datenbanken hinterlegt. Diese Praktik ist ein Beispiel dafür, wie mit unerwünschter Beachtung im Sinne von Populismen umgegangen werden kann (vgl. Döring et al 2021; Schmidt et al 2022).

Für den BVMI erfasst GfK mehrere Chartlisten, die auf Genres, Medienformate oder Zeiträume ausgerichtet sind: So gibt es abseits der allgemeinen wöchentlichen sowie jährlichen Top 100 für Singles und Alben beispielsweise Listen für die Genres Klassik, Schlager, Jazz, Dance und Hip-Hop. Außerdem werden tägliche Trend- und Midweek-Charts erhoben. Zusätzlich liegen Listen für Vinylplatten, Streaming und Downloads vor (vgl. GfK Entertainment 2024b). Ob ein Werk in der Genre-Chart Kategorie Hip-Hop berücksichtigt wird, hängt vom Datensatz, der bei PHONONET hinterlegt ist, ab. Für den Artikelstamm bei PHONONET sind die Labels und Musikvertriebe verantwortlich (vgl. BVMI 2023a, S. 12).

3. Empirische Untersuchung populärer Rap-Songs

Im Vorherigen wurde Rap als Forschungsgegenstand detailliert ergründet. Zudem wurde beleuchtet, wie die kommerzielle Verbreitung von Rap bisher verlief. Mit Informationen über die Musikindustrie, Chartsysteme und disruptiven Innovationen wie Musikstreaming wurden die Rahmenbedingungen für kommerziellen Rap verdeutlicht. Alles zuvor erarbeitete wurde in ein umfangreiches Kategoriensystem übersetzt, um eine qualitative Inhaltsanalyse von Rap-Texten durchführen zu können. Im Folgenden wird zunächst die wissenschaftliche Methode, das dazugehörige Kommunikationsmodell, die Analyseeinheiten sowie der Prozess der Datenerhebung dargestellt. Anschließend folgt die Beschreibung des Kategoriensystems und letztlich die Auswertung. In der Auswertung wird präsentiert, wie sich Popularität in den untersuchten Songtexten äußert und inwiefern sich dabei bestimmte Strukturen feststellen lassen. Anschließend wird Bezug darauf genommen, ob und inwiefern die Wertungsdimensionen Originalität, Authentizität und Kunstfertigkeit verankert sind. Dafür wird evaluiert, wie die Kategorien einerseits quantitativ verteilt und andererseits qualitativ gestaltet sind.

3.1 Methode: Qualitative Inhaltsanalyse als Verfahren

Die qualitative Inhaltsanalyse ist eine Auswertungsmethode, die sich für verschiedene Textformen eignet. In den meisten Fällen wird sie im Rahmen sozialwissenschaftlicher Forschungsprojekte verwendet, jedoch ist die Methode gleichermaßen für literaturwissenschaftliche Gegenstände im Rahmen einer linguistischen Auseinandersetzung von Interesse. Die qualitative Inhaltsanalyse ermöglicht die Bewältigung großer Datenmengen, ohne dabei den qualitativ-interpretativen Anspruch zu verlieren. Das Erfassen latenter Sinngehalte gilt als Stärke der Auswertungsmethode und grenzt die qualitative Inhaltsanalyse von einer quantitativen Inhaltsanalyse ab. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Häufigkeit von Merkmalen für die qualitative Auseinandersetzung irrelevant ist; statistische Analysen der Kategorienhäufigkeiten lassen gleichermaßen Interpretationen zu, die im qualitativen Kontext essenziell für das Erkennen latenter Sinngehalte sind. Die quantitative Beschreibung versteht sich als zusammenfassende Inhaltsanalyse, die für die Auswertung dieser Arbeit von Bedeutung ist. Im Zentrum der Methode steht das streng regelgeleitete Vorgehen der qualitativen Inhaltsanalyse, wodurch die intersubjektive Nachvollziehbarkeit gewährleistet wird (vgl. Mayring & Fenzl 2014, S. 543). Mayring und Fenzl stellen vor diesem Hintergrund fest, dass die qualitative Inhaltsanalyse besser als „qualitativ orientierte kategoriengeleitete Textanalyse“ (ebd., S. 544) definiert werden sollte.

Damit die qualitative Inhaltsanalyse ihr volles Potential entfalten kann, ist es obligatorisch, das Material in ein Kommunikationsmodell einzuordnen. In Bezug auf die Korpus-Songtexte sind die Textproduzenten die jeweiligen Rapschaffenden oder das dazugehörige Songwriting-Team. Der sozio-kulturelle Hintergrund vieler Rapschaffender hat die Gemeinsamkeit eines Migrationshintergrundes, der auch häufig zum Gegenstand des Textes wird. Im Kontext dessen kristallisiert sich ein urbaner und teilweise (ehemals) sozial schwacher sozio-kultureller Hintergrund heraus, der mit einer Affinität für Kriminalität einhergehen kann. Dies betrifft vor allem Gangsta-Rap-Songs, allerdings liegen auch andere sozio-kulturelle Hintergründe sowie inhaltliche Ausrichtungen vor. Die Textproduktionssituatuion ist nur bedingt bekannt, es lässt sich lediglich vermuten, dass viele Songtexte in einem Tonstudio oder beim Interpreten zuhause verfasst werden. Die Textwirkung oder die Wirkung des Songs im Allgemeinen kann nicht klar bestimmt werden, da letztlich nur der Rapschaffende selbst weiß, was er mit der Musik in der Hörerschaft hervorrufen möchte. Vor dem Hintergrund eines von Schwarz-Friesel formulierten Paradigmas beabsichtigt ein literarischer Text das Evozieren von Emotionen (vgl. Schwarz-Friesel 2017, S. 352). Dieser Ansatz findet im hier dargestellten Kommunikationsmodell Berücksichtigung. Unter Betrachtung des Umstandes, dass die untersuchten Songtexte allesamt zu den umsatzstärksten Liedern der Jahre 2000 bis 2023 gehören, ist zusätzlich von einer kommerziellen Wirkungsabsicht auszugehen. Die Zielgruppen sind unter anderem durch Social-Media-Kanäle sichtbar, da sowohl die Rapschaffenden im Einzelnen als auch die Playlisten wie ‚Modus Mio‘ im Kollektiven, auf den Plattformen Profile habe. Dort lässt sich die Interaktion mit den Hörerschaften beobachten. Insgesamt handelt es sich vorwiegend um junge Erwachsene sowie Jugendliche, allerdings können langjährig etablierte Rapschaffende wie Sido oder Kool Savas auch eine ältere Fanbase aufweisen.

Wie eingangs erwähnt, ist die qualitative Inhaltsanalyse streng regelgeleitet und folgt daher einem Ablaufmodell. Um eine solche konsequente Systematik sicherstellen zu können, wurden vorab die Analyseeinheiten definiert: Um die Kodiereinheit festzulegen, wird zunächst geklärt, welcher minimaler Textbestandteil ausgewertet werden darf. Da in modernen Raptexten oft eine Art Aufzählungsstil verwendet wird, ist essenziell, dass bereits einzelne Worte für die Analyse herangezogen werden können. Darüber hinaus verwenden die Künstler Adlibs, also zusätzliche Worte, Laute oder sogar Sätze, die den eigentlichen Kerntext unterstützen. Oft handelt es sich lediglich um Laute wie „ah“, was für die Analyse nicht von Relevanz ist, da sich solche akustischen Merkmale in keine der definierten Kategorien einordnen lassen. In manchen Fällen akzentuiert ein Adlib den Inhalt aber derart, dass auch diese Laute für die Analyse von Interesse sein können. Ein „pow, pow“ (Schussgeräusch im Kontext von Trap- und Drill-Songs) unterstützt beispielsweise die Kategorie der Gefährlichkeitsmarker, weshalb Adlibs einbezogen werden können. Die Kontexteinheit bestimmt, welche Informationen für die einzelnen Codierungen herangezogen werden dürfen. Der Kontext wird vorwiegend durch den jeweiligen Songtext gegeben. Die meisten Codierungen lassen sich zwar ohne den gesamten Text realisieren, manche Informationen werden aber nur im Gesamtkontext transparent. Der Großteil der Codierungen lässt sich anhand einzelner Worte oder Verse realisieren. In manchen Fällen wird Zusatzkontextmaterial benötigt; Beispiele dafür sind biographische Daten der Künstler, Kenntnisse über arabische sowie türkische Ausdrücke oder spezielles Szenewissen.

Die Auswertungseinheit umfasst die Songtexte aller Titel der Top 100 Jahrescharts von 2000 bis 2023, die einen Rap-Anteil enthalten – insgesamt handelt es sich um 269 Einträge. Demnach wird das Kategoriensystem dem kompletten Material gegenübergestellt. Mehrfachkodierungen sind je nach Vers und Song möglich, teilweise sogar obligatorisch, da einzelne Passagen mehr als eine Kategorie repräsentieren können. Zur Sicherstellung eines hohen Reliabilitätsmaßes wurde nach Abschluss der ersten Analyse ein zweiter Kodierungsvorgang durchgeführt. Diese Intrakodierübereinstimmung zeigt, dass die Zuordnung sinnig erfolgte. Eine Interkoderübereinstimmung konnte durch den Rahmen der Masterarbeit nicht realisiert werden, da dies weitere Personen benötigt.

3.2 Datenerhebung und Aufbereitung des Materials

Wie bereits zuvor erörtert, sind die Datenbanken der offiziellen deutschen Charts online zugänglich (vgl. GfK Entertainment 2023a). Obwohl es zunächst naheliegend erschien, für die vorliegende Arbeit mit den Hip-Hop-Charts zu arbeiten, wurde sich aus zwei Gründen bewusst dagegen entschieden: Einerseits existieren sie erst seit 2015, womit der Zeitraum begrenzt ist, und andererseits hat sich bei der Sichtung der Datenbank herausgestellt, dass nicht alle Werke mit Rap-Performance die Kennzeichnung Hip-Hop erhalten. Durch diese Umstände wäre ein Korpus, der auf den Hip-Hop-Charts basiert, von der Wurzel an limitiert. Für die Konstruktion des Korpus wurden daher die jährlichen Top 100 Single-Charts von 2000 bis 2023 verwendet. Den Jahreslisten wurden alle Songs entnommen, auf denen gerappt wird. Wie genau die Charts gebildet werden und welche Rahmenbedingungen sich innerhalb des Zeitraums verändert haben, wurde bereits im vorherigen erörtert.

Die dazugehörigen Songtexte stammen von der Website www.genius.com, dabei handelt es sich um eine Community-Datenbank für Songtexte. Die Songtexte werden von der Hörerschaft, den Künstlern selbst oder den zugehörigen Managements auf der Website eingetragen. Ähnlich wie bei Wikipedia kann jeder Nutzer die Texte modifizieren und Anmerkungen hinzufügen, sodass ein Kollektiv dafür sorgt, dass die Texte tendenziell fehlerfrei auf der Website publiziert werden. Darüber hinaus können Künstler sich verifizieren lassen und dementsprechend ihre Texte korrigieren, falls etwas falsch veröffentlicht wurde. Nutzer und Künstler können Textzeilen mit ‚annotations‘ versehen, um die Lyrik zu erläutern oder zu diskutieren. Durch dieses Verfahren, was in Teilen an eine peer-review erinnert, kann davon ausgegangen werden, dass die Songtexte von häufig gehörten Liedern korrekt auf genius.com eingetragen werden. Die Songtexte wurden von der Website kopiert und jeweils in ein eigenes Textdokument exportiert. Alle Dokumente wurden in einem Projekt mit der Software MAXQDA aufbereitet. MAXQDA ist eine Anwendung zur computergestützten qualitativen Daten- und Textanalyse. Hier wurden die Kategorien den Textstellen regelgeleitet zugeordnet und anschließend ausgewertet. Bei der Zuordnung der Kategorie wurden die folgenden Aspekte stets berücksichtigt:

  • Refrains (Hooks) werden nur einmal annotiert. Wird ein Satz in der Hook mehrfach wiederholt, so wird auch dieser nur einmal annotiert.
  • Strophen und Hooks, die gänzlich in einer Fremdsprache verfasst worden sind, werden nicht annotiert.
  • Codes können unterschiedlich umfangreich ausfallen – teilweise reicht ein einzelnes Wort, damit eine Kategorie erfüllt wird, teilweise strecken sich die Codes über mehrere Zeilen oder sogar vollständig durch Strophen.
  • Wenn beispielsweise eine Reihe von Wohlstandsmarkern ohne Unterbrechung im Text zu finden sind, wird der Code nur einmal vergeben. Kommt es zu einer Interruption durch einen Code, der keinen Wohlstandsmarker darstellt, ist die kodierte Passage beendet. Erst bei weiteren Textstellen, die erneut Wohlstandsmarker beinhalten, wird die Kategorie ein weiteres Mal angewendet. Die Kategorie der romantischen Verbindungen hat einen besonderen Stellenwert, da in Songs mit dem Text-Genre Liebe meistens ein kohärenter Songtext vorliegt, der durchgehend die Kategorie erfüllt. In solchen Fällen wird der Code einmal pro Strophe sowie Refrain verwendet.

3.3 Das Kategoriensystem: Übersicht und Definition des Codebuchs

Das im Folgenden dargestellte Kategoriensystem wurde deduktiv anhand der erläuterten Theorie entwickelt. Popularität ist zwar das Hauptaugenmerk der Untersuchung, allerdings wurde sich bewusst dafür entschieden, zahlreiche Kategorien abseits der Popularität zu bilden und auch empirisch zu erheben. Fundierte Aussagen darüber, wie relevant Popularität innerhalb von Rap-Texten ist, lassen sich nur dann treffen, wenn zugleich geklärt ist, wie flächendeckend andere Phänomene (insbesondere die für Rap üblichen Bewertungskriterien Kunstfertigkeit, Authentizität und Originalität) auftreten. Durch diese Herangehensweise ist es möglich, Popularität quantitativ und qualitativ innerhalb eines Rahmens zu betrachten. Einerseits wird damit ersichtlich, welche Kategorien häufiger oder seltener als die Popularität aufkommen, andererseits wird aber auch erfasst, welche Kategorien zusammen mit der Popularität in Erscheinung treten. Das inhaltliche Kategoriensystem teilt sich in die Bereiche Text-Genre, Boasting und Dissing sowie Bezugsrahmen auf. Text-Genre versammelt Kategorien, die dem gesamten Song zugeordnet werden und den grundsätzlichen Schreibansatz typisieren. Die Markierung des Text-Genres dient vor allem als Orientierungshilfe auf der Makro-Ebene, um die inhaltliche Ausrichtung der Raps sichtbar zu machen. Mit den anderen zwei Dimensionen wird die Mikro-Ebene erfasst: Boasting und Dissing beinhaltet Kategorien, die einzelnen Zeilen oder Worten zugeordnet werden und in einem Spannungsverhältnis zwischen dem Rapschaffenden und einem (oftmals abstrakten) Gegenüberstehen – es handelt sich um Inhalte, in denen Rapschaffende sich aufwerten oder eine dritte Person abwerten. Die jeweiligen Teilkategorien verfügen über einen positiven Pol für Boasting und über einen negativen Pol für Dissing. Die Bezugsrahmen sind Kategorien, die einzelnen Worten oder Zeilen zugeschrieben werden und nicht zwangsläufig dualistisch konstruiert sind. Im Folgenden werden die Teilkategorien kurz skizziert:

Text-Genre

Battle

Der Song enthält mehrere Dissing-Elemente.

Representer

Der Song enthält mehrere Boasting-Elemente.

Conscious

Der Song reflektiert ein persönliches oder gesellschaftliches Thema.

Liebe

Der Song handelt von Liebe.

Fun

Der Song hat kein ernstes Thema und weist einen lustigen bis ironischen Charakter auf.

Party

Der Song handelt vom Feiern.

Boasting (+) und Dissing (-)

Authentizität (realness)

real, glaubwürdig (+)

Der Rapschaffende beteuert, dass die eigenen Aussagen wahren Tatsachen entsprechen oder man ihm glauben solle. Es wird eine enge Verbindung zwischen der Rap-Persona und der Privatperson inszeniert.

fake, unglaubwürdig (-)

Einer dritten Person wird unterstellt, dass sie nicht authentisch ist. Dafür wird beispielsweise eine Differenz zwischen der Rap-Persona und der Privatperson unterstellt.

Originalität (style)

innovativ, individuell, neu, treu (+)

Der Rapschaffende erwähnt, dass die eigene Musik eine individuelle Stilistik hat. Der eigene Style wird als etwas Besonderes, oftmals neuartiges vermittelt. Exemplarisch wird sich selbst eine Pionierposition zugeschrieben.

kopiert, veraltet, austauschbar (-)

Der Style eines anderen Rapschaffenden wird als veraltet, austauschbar oder sogar kopiert bezeichnet. Dabei wird ihnen die Individualität abgesprochen.

Kunstfertigkeit (skills)

komplex, anspruchsvoll (+)

Der Rapschaffende thematisiert, dass vorliegende Elemente wie der Flow oder die Reimtechnik hochwertig ist.

simpel, anspruchslos (-)

Es werden einem anderen Rapschaffenden die künstlerischen Fähigkeiten abgesprochen, indem der Flow oder die Reimtechnik als simpel oder anspruchslos bezeichnet wird.

„frühere“ Popularität bzw. Erfolg

broke, Untergrund, subversiv, relevant – HipHop (+)

Der Rapschaffende glorifiziert seine Position im Untergrund und schreibt diesem Dasein einen subversiven Charakter zu. Die HipHop-Kultur ist wichtiger als kommerzieller Erfolg.

rich, Mainstream, Sellout, irrelevant – Pop (-)

Die Popularität anderer Rapschaffender wird negativ evaluiert und beispielsweise als ein Indikator für Sellout oder Irrelevanz beschrieben. Pop und Mainstream werden als diffamierende Begriff verwendet.

„neuere“ Popularität bzw. Erfolg

populär, erfolgreich, beachtet, relevant (+)

Der Rapschaffende macht den eigenen Bekanntheitsstatus oder seine kommerziellen Erfolge zum Gegenstand des Textes und rückt sich damit in eine hohe Position. Dies kann beispielsweise dadurch realisiert werden, indem die eigene Prominenz anhand von metrischen Mitteln wie Chartplatzierungen, Auszeichnungen, verkauften Tourtickets, Followerzahlen oder weiteren empirisch greifbaren Dimensionen gemessen wird. Weitreichende Beachtung gilt dabei als Indikator oder sogar Beweis für Relevanz.

nicht populär, nicht erfolgreich, nicht beachtet, irrelevant (-)

Andere Rapschaffende werden diskreditiert, da sie weniger Popularität nachweisen können als der performende Rapschaffende. Erfolglosigkeit wird dabei synonym zu Irrelevanz verwendet.

Hypermaskulinität bzw. Hegemonie

männlich konnotiert (+)

Der Rapschaffende vermittelt eine hegemoniale Männlichkeit, indem patriarchale Narrative bedient werden. Dafür wird beispielsweise die eigene sexuelle Aktivität bzw. der männliche Körper an sich glorifiziert. Innerhalb der Hypermaskulinität ist Heterosexualität anderen Ausrichtungen wie der Homosexualität überlegen. Mit der eigenen Männlichkeit werden Handlungen legitimiert.

weiblich konnotiert (-)

Anderen Rapschaffenden wird die Männlichkeit abgesprochen, indem ihnen stereotypisch-weibliche Attribute zugeschrieben werden. Weiblichkeit und alles, was abseits der binären Geschlechternorm bzw. einer heteronormativen Identität zu verorten ist, wird mit Unterordnung und Schwäche gleichgesetzt.

Coolness bzw. Swag / Attitüde, Auftreten

cool, swaggy, nice (+)

Der Rapschaffende inszeniert die eigene optische oder charakterliche Präsenz und schreibt sich damit Attribute zu, die auf Coolness referieren. Exemplarisch sind Verweise auf den eigenen Kleidungsstil, die eigene Schönheit oder das Beschreiben von lässigen Verhaltensweisen. Die dafür verwendeten Begriffe hängen vom zeitlichen Kontext ab: Zu Beginn der 2000er Jahre waren Adjektive wie ‚cool‘ oder ‚dope‘ gängig, mittlerweile wird eher auf den eigenen ‚Swag‘ oder ‚Drip‘ verwiesen. Häufig grenzen sich Rapschaffende damit von einer durchschnittlichen, bürgerlichen Lebensrealität ab.

uncool, nicht swaggy, nicht nice (-)

Es wird einer dritten Person unterstellt, dass ihr Auftreten, Wirken oder Verhalten uncool sei. Vermeintlich neutrale Eigenschaften können dafür ebenfalls negativ konnotiert werden. Exemplarisch dafür ist der Besitz der Hochschulreife oder das Fahren eines durchschnittlichen Autos. Eine ablehnende Haltung gegenüber Personen, Gegenständen oder Sachverhalten dient ebenfalls zur Vermittlung.

Autorität bzw. Überzeugtheit

hohe Position, übergeordnet (+)

Der Rapschaffende rückt sich selbst in eine hohe Position und beschreibt Situationen oder Handlungen, durch welche die eigene Autorität verdeutlicht wird. Begriffe, die auf oberste Instanzen referieren, können zur Umsetzung dienen. Beispiele dafür sind ‚Chef‘, ‚Präsident‘ oder ‚Boss‘.

niedrige Position, untergeordnet (-)

Einer dritten Person wird eine niedrige Position zugeschrieben. Dies kann explizit oder implizit vermittelt werden, indem entweder eine konkrete Unterordnung formuliert wird oder indem beispielsweise Befehle erteilt werden.

Bezugsrahmen

Wohlstandsmarker

Der Interpret thematisiert verschiedene Elemente und Sinnbilder einer kapitalistischen Gesellschaftsordnung: Das kann beispielsweise das eigene Einkommen oder verschiedene Besitztümer sein. Gleichermaßen gehören auch Luxusgüter, die durch Geld erworben werden können, zu dieser Kategorie. Besonders häufig werden Autos, Immobilien, Smartphones und Designerkleidung erwähnt. Als Platzhalter für diese Luxusgüter können einzelne Markennamen stehen, die bekanntermaßen besonders teuer sind und damit auf das eigene Einkommen referieren. Der Materialismus wird hier glorifiziert. Möglich ist auch, dass von dem Besitz geträumt wird.

Lokalität

Die Oberkategorie Lokalität fasst verschiedene Unterkategorien. Die Unterkategorien sind deshalb notwendig, da die verschiedenen thematisierten Örtlichkeiten nicht zwangsläufig der gleichen Funktion dienen. Es wird unterschieden zwischen:

Stadt- und Viertelzugehörigkeit

Der Rapschaffende verweist auf einen klar bestimmten Ort, welcher zum Lebensraum des Künstlers gehört oder gehörte. Damit wird eine Stadt-, Viertel-, oder Bundeslandzugehörigkeit hergestellt. Konkret empirisch verortbare Plätze innerhalb dieser Gebiete werden erwähnt. Es handelt sich häufig um eine Art von Lokalpatriotismus oder -repräsentation.

Straße, Asphalt, Ghetto

Der Rapschaffende erwähnt industriell gefertigte Orte und Bauten, die grundsätzlich jede Großstadt aufweist. Mit Begriffen wie Straße, Asphalt, Beton oder Ghetto wird eine marginalisierte Lebensrealität vermittelt, die nicht von einer expliziten Verortung abhängig sind. Diese Örtlichkeiten werden im Rap mit Härte assoziiert.

Herkunft und Nationalität

Der Rapschaffende benennt die eigene Nationalität oder den Staat bzw. die Region, aus der er, seine Verwandtschaft oder das eigene Umfeld stammen.

Zeit

Der Rapschaffende beschreibt durchlebte oder anstehende Entwicklungen und Prozesse im Kontext von Zeit. Es wird beispielsweise die Vergangenheit („früher“) der Gegenwart („heute“) gegenübergestellt oder aus der Gegenwart in die Zukunft („eines Tages“) geblickt. Die Kategorie wird ebenfalls angewendet, wenn der aktuelle Lebensstand explizit vor dem Hintergrund von Zeit („jetzt“) beschrieben wird.

Gefährlichkeitsmarker

Der Rapschaffende thematisiert Waffen, Gewalt oder Drohungen. Elemente dieser Kategorie suggerieren, dass vom Rapschaffenden oder seinem Umfeld eine Gefahr oder ein Gefahrenpotential ausgeht. Das Spektrum reicht dabei vom bloßen Erwähnen von Waffen oder Gewalt bis hin zu expliziten Praktiken, die drohend wirken oder den Umgang mit Waffen oder Gewalt beschreiben. Möglich sind ebenfalls verbalisierte Geräusche, die auf das Verwenden von Waffen schließen lassen.

zwischenmenschliche Beziehungen

Die Oberkategorie der zwischenmenschlichen Beziehungen umfasst die vom Rapschaffenden thematisierten Personen oder Personengruppen, auf die im Songtext Bezug genommen wird. Da die Inhalte je nach Art der Beziehung stark unterschiedlich ausfallen, wird zwischen vier Feldern unterschieden:

freundschaftlich

Der Rapschaffende verweist auf Freunde, die häufig als Bros, Brüder oder ähnliches vergleichbares benannt werden. Das freundschaftliche Umfeld ist in vielen Fällen zugleich das Team um den Rapschaffenden herum, sodass die sozialen Kreise der Arbeit und des Privatlebens fließend ineinander übergehen. Daher werden ebenfalls Begriffe wie Crew, Clique oder Team dafür verwendet. Häufig werden die Freunde auch als Familie bezeichnet, hierbei muss allerdings zwischen biologischer Verwandtschaft und freundschaftlicher Bruderschaft differenziert werden.

familiär

Der Rapschaffende thematisiert seine biologische Familie, dabei liegt meistens ein naher Verwandtschaftsgrad vor. Den Eltern und insbesondere der (alleinerziehenden) Mutter wird in vielen Texten ein besonderer Stellenwert zugeschrieben.

romantisch

Der Rapschaffende macht eine romantische Beziehung zum Gegenstand des Textes. Zur Adressierung werden häufig Slangworte wie Shawty oder Babe verwendet.

feindlich

Der Rapschaffende spricht über Personen oder Personengruppen, denen er negativ bis feindlich gegenübersteht. Begriffe wie Feinde, Neider oder ein abstraktes ‚die Anderen’ dienen der Realisierung.

Betäubungsmittel, Exzess und Kriminalität

Der Rapschaffende thematisiert Rauschgifte, Partys oder illegale Aktivitäten. Inhaltlich wird damit ein risikobereiter, exzessiver Lebensstil vermittelt, der sich auf die Folgenden Unterkategorien aufteilen lässt:

Konsum

Der Rapschaffende erwähnt den Besitz oder Konsum von Rauschgift. Für die Anwendung der Unterkategorie wird nicht zwischen legalen und illegalen Substanzen differenziert, da es hierbei lediglich um die Zuführung von Wirkstoffen und die damit einhergehende Wirkung geht – unabhängig davon, ob es nun Alkohol, Kokain, Nikotin, Cannabis oder ein verschreibungspflichtiges Medikament ist.

Vertrieb

Der Rapschaffende beschreibt den rechtswidrigen Besitz und Vertrieb von Substanzen, die unter das Betäubungsmittelgesetz fallen. Dabei handelt es sich meistens um konventionelle, illegale Drogen wie Kokain, diverse Amphetamine oder Marihuana[28], zugleich aber auch um berauschende Medikamente wie Opiate oder Benzodiazepine.

Exzess, Feiern

Der Rapschaffende schildert Situationen und Handlungen, die auf einer Party oder einem Event stattfinden. In dieser Unterkategorie werden also sowohl Orte des Feierns als auch (exzessive) Verhaltensweisen wie Tanzen oder lange wach sein versammelt.

Kriminalität

Der Rapschaffende macht illegale Handlungen zum Gegenstand des Textes, die weder mit dem Vertrieb von Betäubungsmitteln noch mit dem Begehen von bloßen Gewaltverbrechen in Verbindung stehen. Drohungen und körperliche Gewalt können ein Bestandteil der Ausführungen sein, sie sind allerdings lediglich eine Begleiterscheinung und einem anderen Zweck untergeordnet. Exemplarisch sind Raubüberfälle und Einbrüche, die zwar gewaltvolle Verhaltensweisen beinhalten, aber primär der finanziellen Bereicherung dienen. Möglich sind ebenfalls Handlungen, die unter Beschaffungskriminalität fallen.

Emotionen und Haltungen

Die Oberkategorie Emotionen und Haltungen beinhaltet Gefühle und Einstellungen, die der Rapschaffende formuliert. Da die inhaltliche Ausrichtung je nach Art der Emotionen stark variiert, wurden drei Unterkategorie zur Differenzierung gebildet:

positive Emotionen und Haltungen

Der Rapschaffende äußert, dass er oder eine andere Person sich gut fühlt. Eine positive Einstellung gegenüber einem Sachverhalt oder einer Person ist ebenfalls möglich. Die beschriebenen Emotionen können durch einen Rauschzustand hervorgerufen werden, allerdings wird die Kategorie nur dann angewendet, wenn der inhaltliche Schwerpunkt auf den dadurch erzeugten Gefühlen liegt und nicht auf dem Konsum an sich.

negative Emotionen und Haltungen

Der Rapschaffende beschreibt, dass er oder eine andere Person sich schlecht fühlt. Eine negative Einstellung gegenüber einem Sachverhalt oder einer Person ist ebenfalls möglich. Der Einfluss von Betäubungsmitteln kann die Ursache dafür sein. Der Einfluss von Drogen fällt allerdings nur dann in diese Kategorie, wenn der Schwerpunkt nicht auf dem Konsum des Betäubungsmittels, sondern auf der belastenden Wirkung liegt.

gleichgültig

Der Rapschaffende thematisiert, dass er oder eine andere Person sich neutral oder gleichgültig fühlt. Möglich ist auch, dass er sich gleichgültig gegenüber einem Sachverhalt oder einer Person verhält. Dabei wird meistens eine emotionale Kälte bzw. Distanz vermittelt.

Staatsorgane und Rahmenbedingungen

Die Oberkategorie Staatsorgane und Rahmenbedingungen erfasst Äußerungen, welche in Verbindung zur Verfassung der Bundesrepublik Deutschland stehen. In der Regel handelt es sich dabei um ablehnende, kritische oder rein deskriptive Formulierungen. Zu dem inhaltlichen Ausdifferenzieren wurden Unterkategorien gebildet, die sich an der Gewaltenteilung orientieren:

Polizei, Staatsgewalt, Exekutive

Der Rapschaffende erwähnt durchführende Gewalten wie die Polizei. Personen oder Gruppen, welche mit der Polizei kooperieren oder diese gezielt unterstützen, können ebenfalls benannt werden.

Gesetz, Gerichte, Richter, Judikative, Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPJM)

Der Rapschaffende äußert sich gegenüber den Gerichten oder jenen, die Teil der Rechtsprechung sind und das Gesetz durchsetzen. Organe und Institutionen, welche diesen zuarbeiten, fallen ebenfalls darunter. Exemplarisch ist die BPJM, die ein Aufführ- und Verkaufsverbot von Werken erwirken kann.

Regierung, Politiker, Legislative

Der Rapschaffende thematisiert Politiker, die Regierung oder die Gesetzgebung an sich. Je nach Inhalt wird dabei eine konkrete Person oder ‚der Staat‘ an sich adressiert.

Hip-Hop-Elemente, Szene und Musikindustrie

Die folgenden Teilkategorien beziehen sich auf Hip-Hop als Kultur, Rap als Szene und Aspekte der Musikindustrie. In der Regel können damit Kommunikationssituationen erfasst werden.

Hip-Hop-Elemente praktizieren

Der Rapschaffende beschreibt das Praktizieren von Hip-Hop-Elementen, dies umfasst Spraying, Breakdancing, DJing, Beatmaking und Rapping.

Musikindustrie

Der Rapschaffende benennt Elemente und Akteure der Musikindustrie. Damit sind einerseits Verträge mit Plattenfirmen und damit verbundene Komponente wie Vorschüsse, andererseits aber auch preisverleihende Veranstaltungen sowie Medien gemeint.

Szeneinteraktionen

Der Rapschaffende erwähnt andere Rapschaffende oder weitere Akteure der deutschsprachigen Szene. Wenn kein konkreter Szenegänger adressiert wird, kommunizieren sie mit der Szene an sich. Die Thematisierung der Szene kann sowohl rein deskriptiv als auch kritisierend stattfinden.

Hustle, Arbeit und Fleiß

Der Rapschaffende betont, dass er viel Zeit in seine Kunst investiert und es sich dabei um Arbeit handelt. Die Unterkategorie ist nicht auf das bloße Praktizieren von Rap ausgerichtet, sondern auf den damit verbundenen Aufwand oder das eigene Arbeitsethos.

Meta-Text

Der Rapschaffende formuliert Äußerungen, die über die jeweilige Textpassage hinausreicht. Möglich ist eine Referenz auf die eigene Musik, die vorliegende Songstruktur oder Verse bzw. Inhalte von anderen Rapschaffenden. Es handelt sich um Rap über Rap und damit verbundene Komponente wie die Performance, Teile der musikalischen Ausgestaltung, das zugehörige Album, veröffentlichte Songs oder weitere Konsumprodukt, die dazu existieren.

Selbstreferenz

Der Rapschaffende referiert auf sich selbst, sein Label oder auf andere Rapschaffende sowie Produzierende, die an dem vorliegenden Werk mitgewirkt haben.

Publikumsinteraktion

Der Rapschaffende kommuniziert mit Rezipienten des Werkes und erfüllt dabei keine Merkmale von Dissing oder Boasting. Äußerungen dieser Unterkategorie sind auch für Personen verständlich, die sich nicht als Teil der Szene begreifen. Es handelt sich insbesondere um Aussagen, die innerhalb von Live-Auftritten ihre tatsächliche Wirkung entfalten können.

Intermedialität & Intertextualität

Die Oberkategorie erfasst Verweise auf Gegenstände, die außerhalb von deutschsprachigem Rap und der deutschsprachigen Szene liegen. Es wird unterschieden zwischen:

Filme, Serien, Bücher, Videospiele

Der Rapschaffende verweist auf Kulturgüter oder deren Inhalte. Dabei handelt es sich häufig um Vergleiche mit Charakteren aus diesen Medien – exemplarisch sind dafür zum Beispiel Disney-Figuren.

Populäre Persönlichkeiten

Der Rapschaffende benennt populäre Persönlichkeiten, die kein Teil der deutschsprachigen Rap-Szene sind. Meistens wird ein Vergleich zu diesen Personen konstruiert, der beispielsweise auf ihr Wirken oder Handeln ausgerichtet ist. Besonders populär sind in diesem Kontext Fußballspieler, Schauspieler oder Rapschaffende aus den USA.

Sexismus und Objektivierung

Der Rapschaffende verwendet einen deskriptiven, erwähnenden Sexismus, der nicht kompetitiv ausgerichtet ist, also außerhalb von Dissing stattfindet und nicht zwangsläufig an Boasting gebunden sein muss. Weibliche Personen werden lediglich in einem oberflächlichen Kontext erwähnt, häufig werden sie dabei als Objekt sexueller Lust inszeniert. Die charakterlichen Eigenschaften finden dabei keine Erwähnung.

4. Auswertung

Durch das regelgeleitete Zuordnungsverfahren der Kategorien sind 9006 Codierungen in 269 Dokumenten vorgenommen worden. Insgesamt sind 8586 Annotationen auf Textpassagen oder einzelne Worten bezogen (also die inhaltlichen Bezugsrahmen sowie Praktiken von Boasting und Dissing) und 420 Markierungen auf die Dokumente an sich, um den obergeordneten Schreibansatz (also die Text-Genres) zu bestimmen. Dabei liegen 235 Songtexte vor, die nur einmal im Korpus vorhanden sind, da sie nur in einem Jahr die Top 100 der Singlecharts erreichen konnten. 28 sind doppelt vertreten (also in zwei verschiedenen Jahren in den Top 100), einer ist dreifach hinterlegt (drei Jahre in den Top 100) und einer sogar fünffach (fünf Jahre in den Top 100). Um die Chart-Daten nicht nur synchron, sondern auch diachron evaluieren zu können, wurde sich dafür entschieden, die jeweiligen Top 100 Jahreslisten vollständig in MAXQDA zu hinterlegen, wodurch es sich um 269 Dokumente, aber nur 235 verschiedene Songtexte handelt. Die nachfolgenden Tabellen geben einen Überblick darüber, welche Kategorien wie häufig zugeordnet worden sind und welche Kategorien in wie vielen Dokumenten vorzufinden sind. Zunächst wird sich zur Orientierung den Gesamtergebnissen, die auf zwei Tabellen verteilt sind, gewidmet. Während Tabelle 1 die Häufigkeit der Text-Genre-Marker darstellt, sind in Tabelle 2 die inhaltlichen Kategorien in ihrer quantitativen Verteilung (absolut und prozentual) hinterlegt. Außerdem ist die Anzahl der Dokumente, welche die jeweilige Kategorie beinhaltet, angegeben. Zu Beginn wird beschrieben, welche Schreibansätze wie häufig im Korpus vertreten sind.

Text-Genre Häufigkeit
Representer 170
Liebe 90
Battle 61
Party 44
Conscious 42
Fun 13
GESAMT 420

Tabelle 1: Häufigkeit von Text-Genres

Der obenstehenden Tabelle 1 lässt sich entnehmen, welches Text-Genre wie häufig vergeben wurde. Wichtig ist hierbei, dass ein Songtext mehrere Schreibansätze vereinen kann. Daher war es notwendig, je nach Lied mehr als ein Text-Genre zuzuordnen, da beispielsweise die meistens Battle-Songs zugleich Representer-Elemente enthalten. Die Gesamtanzahl entspricht daher nicht der Menge der Dokumente. Zunächst werden die Ergebnisse in Tabelle 1 beschrieben: In 170 Dokumenten sind Charakteristika des Schreibansatzes Representer verankert. Das Text-Genre Liebe wurde 90-mal vergeben und ist am zweithäufigsten vertreten. Battle-Elemente sind in 61 Gegenständen zu finden. Die Schreibansätze Party und Conscious wurden 44- und 42-mal erkannt und sind damit nahezu gleichhäufig. Mit gerade Mal 13 Zuordnungen ist das Text-Genre Fun am seltensten. Korrelationen zwischen den jeweiligen Genre-Kategorien fallen unterschiedlich stark aus: 60-mal treten die Kategorien Battle und Representer gemeinsam auf, Liebe und Representer wurde 35-mal kombiniert. Party mit Representer ist mit 31-mal ähnlich häufig. Die restlichen Kombinationsmöglichkeiten sind lediglich null- bis sieben-mal vergeben worden und durch die geringe Ausprägung für die vorliegende Arbeit nicht weiter erwähnenswert. Anhand der dargestellten Häufigkeiten lässt sich makroperspektivisch ableiten, dass Boasting-Kategorien und Inhalte, die zur Aufwertung der eigenen Persona dienen, besonders oft innerhalb der Texte vertreten sein werden. Zusätzlich lässt sich anhand der Ausprägung des Text-Genres Liebe bereits vermuten, dass darüber hinaus, persönlich-emotionale Strukturen für das Korpus ebenfalls kennzeichnend sind. Im Folgenden werden die Kodierungen besprochen, die am tatsächlichen Gegenstand vorgenommen worden sind und inhaltliche Aussagen über die Songtexte zulassen.

Kategorie Segmente Prozentualer Anteil Anzahl Dokumente
Wohlstandsmarker 851 9,91 201
negative Emotion 710 8,27 192
Konsum 573 6,67 192
positive Emotion 428 4,98 164
Zeit 428 4,98 189
romantische Verbindung 404 4,71 145
hohe Position, übergeordnet (+) 397 4,62 164
populär, erfolgreich, relevant (+) 338 3,94 141
Selbstreferenz 320 3,73 145
männlich konnotiert (+) 304 3,54 139
Gefährlichkeitsmarker 266 3,10 120
freundschaftliche Verbindung 263 3,06 132
Exzess, Feiern 230 2,68 113
Meta-Text 209 2,43 107
Populäre Persönlichkeiten 203 2,36 104
niedrige Position, untergeordnet (-) 200 2,33 106
cool, swaggy, nice (+) 197 2,29 96
Stadt- und Viertelzugehörigkeit 173 2,01 81
Sexismus und Objektivierung 148 1,72 87
familiäre Verbindung 147 1,71 84
real, glaubwürdig (+) 147 1,71 95
Vertrieb 145 1,69 67
Szeneinteraktionen 140 1,63 68
Polizei, Staatsgewalt, Exekutive 125 1,46 69
feindliche Verbindung 109 1,27 73
Kriminalität 106 1,23 63
Filme, Serien, Bücher, Videospiele 102 1,19 65
Straße, Asphalt, Ghetto 101 1,18 60
fake, unglaubwürdig (-) 99 1,15 56
Hustle, Arbeit und Fleiß 85 0,99 62
Herkunft und Nationalität 79 0,92 44
neutrale, gleichgültige Emotion 74 0,86 60
Hip-Hop-Elemente praktizieren 66 0,77 52
innovativ, individuell, neu, treu (+) 63 0,73 43
nicht männlich, weiblich konnotiert (-) 59 0,69 50
uncool, nicht swaggy, nicht nice (-) 59 0,69 40
Musikindustrie 56 0,65 41
Publikumsinteraktion 34 0,40 18
kopiert, veraltet, austauschbar (-) 34 0,40 29
Gesetz, Gerichte, BPJM, Judikative 28 0,33 23
komplex, anspruchsvoll (+) 26 0,30 16
nicht populär, nicht erfolgreich, irrelevant (-) 23 0,27 21
Regierung, Politiker, Legislative 12 0,14 8
broke, Untergrund, subversiv, relevant (+) 9 0,10 6
rich, Mainstream, sellout, irrelevant (-) 8 0,09 6
simpel, anspruchslos (-) 8 0,09 8
GESAMT 8586 100,00

Tabelle 2: Segmente mit jeweiligem Code

Die obenstehende Tabelle 2 fasst zusammen, welche Kategorien der Bezugsrahmen sowie Boasting- und Dissing-Optionen in welcher Anzahl auf Segmente der Songtexte zugeordnet worden sind und in wie vielen Dokumenten die Kategorie an sich vertreten ist. Durch die Hohe Anzahl der Kategorien wird nicht jede einzelne im Detail präsentiert. Vollumfänglich wird sich nur jenen gewidmet, die im Kontext der elaborierten Bewertungskriterien (Authentizität, Originalität, Kunstfertigkeit) im Rap sowie bezüglich der Popularität von Bedeutung sind. Im späteren Verlauf wird beleuchtet, welche inhaltlichen Bezugsrahmen für welche Boasting- und Dissing-Strategien besonders häufig verwendet werden und wie diese Korrelationen gestaltet sind. Zunächst werden die wichtigsten Ergebnisse, die in Tabelle 2 verankert sind, skizziert. Auffällig ist, dass allein die ersten zehn Einträge rund 50% aller Kodierungen ausmachen, obwohl es insgesamt 46 verschiedene Kategorien gibt. Die untersten 20 Einträge hingegen entsprechend lediglich etwas mehr als 10% aller vorgenommenen Kodierungen. An erster Stelle der quantitativen Verteilung aller Kategorien stehen die Wohlstandsmarker (851 von 8586) mit 9,91%. Sie sind außerdem in 201 von 269 Dokumenten vom Korpus vorhanden. Mit 8,27% erreichen die negativen Emotionen einen ähnlich hohen Wert (710 von 8586) und sind zudem in 192 Gegenständen vorzufinden. In gleichvielen Dokumenten ist auch die Kategorie Konsum, sie treten allerdings in weniger Segmenten (573 von 8586) auf, was einem Wert von 6,67% entspricht. An der vierten Stelle stehen die positiven Emotionen (428 von 8586) mit 4,98%, die in 164 Dokumenten zu finden sind – sie fallen also seltener als die negativen Emotionen aus. Kodierungen, die auf Zeit bezogen sind, treten mit 4,98% genauso oft auf (428 von 8586). Durch die Verankerung in 189 Dokumenten weisen aber mehr Gegenstände diese Kategorie auf. Die Thematisierung von romantischen Verbindungen (404 von 8586) umfasst 4,71% der Kodierungen und ist in 145 Dokumenten vorzufinden. Dicht darauf folgt die Boasting-Variante der Autorität: In 164 Dokumenten inszenieren Rapschaffende eine hohe bzw. übergeordnete Position, diese Praktik betrifft 4,62% der Zuordnungen (397 von 8586). Popularität als Boasting-Faktor tritt in 3,94% der Kodierungen auf (338 von 8586). Das Vermitteln des eigenen Erfolgs oder der damit einhergehenden Relevanz findet in 141 Dokumenten statt. In ähnlich vielen Segmenten (320 von 8586) wird über sich selbst oder andere auf dem Song vertretene Artists gerappt; Selbstreferenzen umfassen 3,73% der Kodierungen und sind in 145 Dokumenten zu finden. Innerhalb von 139 Dokumenten wird die eigene Männlichkeit aufgewertet oder mit Hilfe der Geschlechtsrolle eine Machtposition beansprucht – dies geschieht in 3,54% der Zuordnungen (304 von 8586). Darauf folgen die Gefährlichkeitsmarker, die 3,10% der Kodierungen umfassen (266 von 8586). Sie sind in 120 Dokumenten verankert. Freundschaftliche Verbindungen fallen mit 3,06% ähnlich häufig aus (263 von 8586), sie finden allerdings in 132 Dokumenten statt. Ein exzessives Verhalten im Kontext von Feiern und Veranstaltungen wird in 2,68% der Segmente beschrieben (230 von 8586) und ist Teil von 113 Dokumenten. Textpassagen, die über den bloßen Songtext hinweg agieren und daher Meta-Texte heißen, betragen 2,43% der Kodierungen (209 von 8586) und sind in 107 Dokumenten erkannt worden. In 104 Dokumenten referieren Rapschaffende auf populäre Persönlichkeiten außerhalb der deutschsprachigen Rap-Szene. Insgesamt geschieht dies in 2,36% der Zuordnungen (203 von 8586). Einen anderen Rapschaffenden oder ein abstraktes gegenüber verbal in eine niedrige bzw. untergeordnete Position zu versetzten, tritt mit 2,33% der Segmentierungen (200 von 8586) als häufigste Dissing-Praktik auf. Die Absprache von Autorität findet in 106 Dokumenten statt. Coolness wird sich in 96 Dokumenten zugeschrieben und ist in 2,29% der erhobenen Segmente vertreten (197 von 8586). Lokale Verortungen in Form von einer vermittelten Stadt- und Viertelzugehörigkeit umfassen 2,01% der Kodierungen (173 von 8586) und finden in 81 Dokumenten statt. Deskriptive Äußerungen, in denen Frauen durch sexistisch objektiviert werden, machen 1,72% der Zuordnungen aus (148 von 8586) und sind in 87 Dokumenten vorhanden. Ähnliche Werte erreichen Aussagen, in denen familiäre Verbindungen Erwähnung finden: Sie umfassen 1,71% aller Segmente (147 von 8586) und wurden in 84 Dokumenten festgestellt. Authentizität und Glaubwürdigkeit wurde sich prozentual genauso oft zugeschrieben (147 von 8586), allerdings ist diese Boasting-Kategorie in 95 Dokumenten verankert. Der Vertrieb von Betäubungsmitteln ist in 67 Dokumenten ein inhaltlicher Gegenstand, insgesamt liegen in 1,69% der geleisteten Kodierungen (145 von 8586) Belege für Passagen dieser Art vor. Interaktionen mit der bzw. einer Rap-Szene betreffen 1,63% der Segmente (140 von 8586) und treten innerhalb von 68 Dokumenten in Erscheinung. Exekutive Institutionen des Staats wie die Polizei werden in 1,46% der Zuordnungen (125 von 8586) thematisiert und sind in 69 Dokumenten vorhanden. Soziale Beziehungen, in denen Rapschaffende feindliche Verbindungen akzentuieren, betragen 1,27% der Kodierungen (109 von 8586) und sind damit unter allen expliziten Beziehungsschilderungen am seltensten. 73 Dokumente haben mindestens eine Äußerung dazu. Formen von Kriminalität, die weder Drogenhandel noch Gewaltverbrechen tangieren, sind in 63 Dokumenten und betragen 1,23% der erhobenen Segmente (106 von 8586). Innerhalb von 1,19% der Zuordnungen (102 von 8586) wird sich auf populäre Kulturgüter abseits von Musik bezogen. Dies geschieht in 65 Dokumenten. Lokale Verortungen, die mit ‚der Straße‘ oder ‚dem Ghetto‘ zusammenhängen, betreffen 1,18% der Kodierungen (101 von 8586). Abstrakte Schauplätze dieser Art werden in 60 Dokumenten benannt. Die Absprache von Authentizität ist in 56 Dokumenten und 1,15% der Segmente zu finden (99 von 8586); damit ist das Unterstellen von Unglaubwürdigkeit die zweithäufigste Dissing-Variante. Das eigene Arbeitsethos wird von Rapschaffenden in 62 Dokumenten benannt und schlägt sich in 0,99% der Zuordnungen nieder (85 von 8586). Lokale Zusammenhänge durch die Inszenierung von Nationalität oder familiärer Herkunft betreffen 0,92% der Kodierungen (79 von 8586) und sind in 44 Dokumenten gegeben. Neutrale bis gleichgültige Emotionen sind mit einer Anzahl von 60 in mehr Dokumenten zu finden, jedoch beziehen sich mit 0,86% weniger Segmente (74 von 8586) auf diese Unterkategorie der Emotionen und Haltungen. Das Praktizieren von Hip-Hop-Elementen findet in 52 Dokumenten statt und beträgt lediglich 0,77% der Zuordnungen (66 von 8586). Boasting durch das Beteuern der eigenen Originalität lässt sich nur in 43 Dokumenten verorten und umfasst 0,73% der Kodierungen (63 von 8586). Dissing durch die Absprache von Männlichkeit oder die diffamierende Zuschreibung von Weiblichkeit wird zwar nur in 0,69% der erhobenen Segmente (59 von 8586) realisiert, allerdings sind die Belege auf 50 Dokumente verteilt. Genauso häufig ist es, Dissing durch Absprache von Coolness umzusetzen. Diese Variante findet allerdings nur in 40 Dokumenten statt. Äußerungen, die mit der Musikindustrie in Verbindung stehen, kommen in 0,65% der Zuordnungen auf (56 von 8586) und sind in 41 Dokumenten verankert. Publikumsinteraktionen lassen sich lediglich in 18 Dokumenten erkennen und betreffen nur 0,40% der Segmente. Diesen Wert erreicht außerdem Dissing durch Absprache von Originalität, jedoch ist diese Praktik in 29 Dokumenten zu finden. Inhaltliche Bezüge auf die Judikative sind in 0,33% der Kodierungen zu finden (28 von 8586) und verteilen sich auf 23 Dokumente. Boasting durch Hervorhebung der eigenen Kunstfertigkeit treten in 0,30% der Segmente auf (26 von 8586) in 16 Dokumenten auf. Dissing durch das Benennen der nicht vorhandenen Popularität einer dritten Person findet in 21 Dokumenten statt und konnte nur in 0,27% der Zuordnungen festgestellt werden (23 von 8586). Akteure der Legislative werden lediglich in 8 Dokumenten benannt und betragen bloß 0,14% der Segmente (12 von 8586). Die Evaluierung von Popularität im ‚alten‘ Verständnis, in dem der Untergrund mit Relevanz und der Mainstream mit Irrelevanz konnotiert ist, findet nur in 6 Dokumenten statt. Boasting durch die eigene Verortung im subversiven Untergrund lässt sich 9-mal erkennen und Dissing durch den Vorwurf von Sellout oder ähnlichen 8-mal. Einer dritten Person die Kunstfertigkeit abzusprechen, ist die seltenste Dissing-Variante, die in 8 Dokumenten jeweils einmal verwendet wird.

Mit Blick auf die Verteilung der Kategorien wird deutlich, dass die Wertungsdimensionen Originalität, Kunstfertigkeit und Authentizität weniger stark ausgeprägt sind, als es die Darstellung in der Forschung vermuten ließe. Wie bereits im Kapitel zu den literaturwissenschaftlichen Topoi erwähnt, schreibt Wolbring den drei genannten Kriterien einen hohen Stellenwert innerhalb der Wettbewerbsmentalität zu. Popularität, Erfolg und Wohlstand hingegen seien lange Zeit kein legitimes Qualitätskriterium gewesen und galten als Indikatoren für Irrelevanz oder Ausverkauf. Im Zuge der Verbreitung von kapitalistisch orientiertem Gangsta-Rap konnten diese allerdings an Wertigkeit gewinnen (vgl. Wolbring 2015, S. 149). Die Präsenz der einzelnen Kategorien lässt Aussagen darüber zu, wie häufig oder selten die jeweiligen Elemente zum Gegenstand der Korpus-Songtexte geworden sind. Aspekte wie der Kunstfertigkeit oder die Originalität werden allerdings nicht bloß inhaltlich-sprachlich realisiert, sondern auch durch äußere Faktoren wie die Verwendung der Stimme, die Struktur der Flows bzw. gerappten Rhythmen, den Soundentwurf und die konstruierten Reime. Da sich das empirische Verfahren auf die semantische Ebene konzentriert, liegen nur oberflächliche Erkenntnisse zu phonetisch realisierten Faktoren vor – die erhobenen Daten beziehen sich demnach auf vermittelte Inhalte und nicht auf die akustische Formästhetik. Das verbale Ausstellen von eher phonetischen Phänomenen ist aber dennoch möglich, indem ein Rapschaffender hervorhebt, dass sein Flow oder die eigenen Reime besonders stark seien (vgl. Mero – Baller los).

Wie sich bereits anhand der dargestellten Daten von Tabelle 2 erkennen lässt, nehmen die Wertungsdimensionen Originalität und Kunstfertigkeit innerhalb der untersuchten populären Rap-Texte nur einen geringen Stellenwert ein, während das Ausstellen der eigenen Popularität zu den häufigsten Kategorien gehört. Authentizität konnte sich immerhin im Mittelfeld manifestieren und ist damit merklich präsenter als die anderen beiden ‚alten‘ Wertungsdimensionen. Popularität im ursprünglichen Verständnis, das im Spannungsfeld von Affirmation und Subversion stattfindet, hat für die Gesamtheit des vorliegenden Korpus keinerlei Relevanz. Innerhalb der erfolgreichsten Rap-Songs wird weder der Mainstream negativ noch der Untergrund positiv evaluiert. Dieser Umstand wurde bereits vor der Datenerhebung vermutet, da es paradox wäre, wenn Rapschaffende sich selbst oder jemand anderes für erzielten Erfolge diffamieren würde. Wer im vorliegenden Korpus stattfindet, hat schließlich selbst populäre Songs im Portfolio. Um die naheliegende Vermutung aber auch überprüfen zu können, wurde die ‚alte‘ Popularität in das Kategoriensystem aufgenommen. Anhand der Auswertung wurde die These für das gegebene Korpus verifiziert. Die statistische Dominanz der Wohlstandsmarker offenbart, wie präsent Statussymbole, Luxusgüter und monetäre Mittel in den viel beachteten Rap-Texten sind. Zusätzlich belegen die kodierten Segmente, dass Boasting insbesondere durch eine sich überordnende Autorität, die Inszenierung der eigenen Popularität und die Vermittlung eines hegemonialen Männlichkeitsideals realisiert wird. In der folgenden Abbildung 1 wird dargestellt, wie Nahe die einzelnen Codes innerhalb der Dokumente zueinanderstehen. Für die Visualisierung der Codelandkarte wurden jeweils vier Verse vor und nach den jeweiligen Kategorien berücksichtigt, sodass nicht nur sich überschneidende Segmente die Nähe bestimmen, sondern auch die umliegenden Passagen.

Abbildung 1: Nähe von Codes im gleichen Dokument

Der Grafik lässt sich entnehmen, welche Kategorien besonders häufig gemeinsam in Erscheinung treten. Unten rechts ist die Nähe der Boasting-Kategorien Autorität, Popularität und Hegemonie untereinander, sowie die Nähe zu Selbstreferenzen und den Wohlstandsmarkern zu erkennen. Letztere sind etwas weiter vom Rest entfernt, was darauf schließen lässt, dass auch Konstruktionsmodi vorliegen, in denen Wohlstandsmarker unabhängig von den genannten Boasting-Optionen inszeniert werden. Insgesamt versammelt sich in dieser Ecke ein Songtypus, in dem eine neoliberale Männlichkeit nach den Devisen ‚der Erfolg gibt mir Recht‘ und ‚Geld regiert die Welt‘ im Zentrum steht. Ein Beispiel dafür, wie neoliberaler Rap ohne hegemoniale Männlichkeit aussehen kann, ist Nina Chubas ‚Wildberry Lillet‘.

Nachdem zuvor primär quantitative Aspekte beschrieben worden sind, wird sich im Folgenden damit befasst, welche qualitativen Aussagen über Popularität in den untersuchten Rap-Texten getroffen werden können. Daher wird sich der Frage gewidmet, welche Inhalte in den Segmenten der Popularitäts-Kategorien vorliegen und ob sich diese ordnen und systematisch beschreiben lassen. Um Erkenntnisse generieren zu können, wurden die Teilkategorien ‚populär, erfolgreich, relevant (+)‘, ‚nicht populär, nicht erfolgreich, irrelevant (-)‘ sowie ‚Populäre Persönlichkeiten‘ isoliert betrachtet. Mit den erhobenen Segmenten lassen sich mehrere Cluster bilden, in denen Popularität aus unterschiedlichen Gründen als Textgegenstand in Erscheinung tritt. Die Varianten sind nicht statisch, sondern dynamisch und ineinander verflochten. Insgesamt konnten verschiedene Spielarten erkannt werden, die nun mit Hilfe von exemplarischen Zitaten[29] dargestellt werden:

  1. Reaktionen auf Popularität

Rapschaffende beschreiben Interaktionen und Situationen, die auf ihre Popularität zurückzuführen sind. Fans „machen Fotos“ (Apache 207 – Roller), wollen „ein Autogramm“ (RAF Camora & Bonez MC – 500PS), filmen manchmal „auf heimlich“ (Badmómzjay & Domiziana – Auf die Party) und fragen wie viel man „als Rapper monatlich verdien[t]“ (Apache 207 – Matrix). Wenn sie „rappen, rappen die Frauen mit“ (Bonez MC & RAF Camora – Sommer), oft sind die „Weiber nur am Schreien“ (Bonez MC – Roadrunner). In der Öffentlichkeit werden Rapschaffende angesprochen, da sie jeder „von Charlottenburg bis Köpenick“ (FiNCH & Tream – Liebe auf der Rückbank) kennt – „alle salutieren“ (Eno – Mercedes) vor ihnen. Die Popularität führt manchmal auch dazu, dass die „Gerüchteküche brodelt“ (Shindy – DODI); das „ganze Land schaut“ (Fourty – Weisser Rauch) ihnen schließlich zu. Rapschaffende werden durch ihre erlangte Popularität anders wahrgenommen: „Früher mochte sie mich nicht, jetzt ist sie Big Fan, […] slidet in die DMs und will Dick jetzt“ (T-Low, Miksu, Macloud – We made it). Selbst die „Ex-Freundin ruft […] jetzt an“ (Miami Yacine – Kokaina).

  1. Privilegien durch Popularität

Im Songtext erwähnen Rapschaffenden, welche Privilegien durch die vorhandene Popularität existieren. Man „muss nicht zahlen“ (Ski Aggu, Endzone & Ericson – Party Sahne), da der eigene Name auf der Gästeliste steht. „A-Promis grüßen […] mit High-Five, denn das sind die Vorteile hier, wenn du ein Rapper bist“ (Summer Cem & Bausa – Casanova). Durch die Popularität werden sie von Frauen begehrt, also schnappen sie sich „die Beste auf dem Festival“ (RAF Camora & Bonez MC – Letztes Mal).

  1. Szeneinteraktionen durch Popularität

Es wird akzentuiert, dass andere Rapschaffende Kenntnisse über die eigene Popularität haben. Dabei kann es darum gehen, dass sich andere Rapschaffende am eigenen Erfolg bereichern wollen: „Deutsche Rapper wollen nur Clout, wenn sie meinen Namen jetzt erwähnen“ (Pashanim – Paris Freestyle).

  1. Popularität als Ziel

Rapschaffende formulieren Popularität als ein Ziel, das sie erreichen wollen. Sie geben „Gas in Richtung Trends“ (Fero47 – Jaja), sind „auf dem Weg nach oben, […] bald in den Charts“ (Mero – Baller los) und wollen „Lila, das sich stapelt“ (Nina Chuba – Wildberry Lillet). „Karriere machen“ (Sido feat. Adel Tawil – Der Himmel soll warten) ist das Ziel.

  1. Sichtbarkeit im öffentlichen Raum

Textpassagen inszenieren Popularität, indem auf lokal verortbare Möglichkeiten der Präsenz im öffentlichen Raum verwiesen wird. Sie sehen ihre eigene „Fresse riesengroß am Ku’damm“ (Samra – Harami) und „jede Großstadt“ (Nina Chuba – Mangos mit Chili) ist mit den eigenen Plakaten bespickt. Hierbei handelt es sich meistens um Tourplakate oder Werbeanzeigen des Rapschaffenden.

  1. Sichtbarkeit im digitalen Raum

Die eigene Präsenz im digitalen Raum wird hervorgehoben. Dabei benennen Rapschaffende beispielsweise, dass „Timelines voll mit“ (Shindy – Affalterbach) ihnen sind und Fans damit anfangen, nach ihnen „zu googlen“ (Kitschkrieg – Standard). Ihr „Insta ist voll“ (Dardan – Coco Mama), da es online viele Interaktionen mit ihnen gibt.

  1. Medienpräsenz

Rapschaffende thematisieren, dass ihre Musik oder ihr Handeln zum Gegenstand von anderen Medien wird. Sie benennen ihre Präsenz in konkreten Medien, beispielsweise im „JUICE-Magazin“ (RAF Camora & Bonez MC – 500PS) oder dass sie „ab heute im Radio“ (Apache 207 – Roller) stattfinden. Andererseits berichten sie, wie sie mit Medienschaffenden zusammenarbeiten, indem sie „lächeln für die Kamera“ (Kitschkrieg – Standard). Alles, was sie sagen, „geht viral grad“ (Shirin David – Ich darf das) und kann in der Berichterstattung erwähnt werden.

  1. Auftritte & Tickets

Die Popularität wird anhand von gespielten Live-Auftritten und verkauften Tickets demonstriert. Manche spielen eine „Show in einer Arena“ und verkaufen alle Eintrittskarten „in zehn Minuten“ (Apache 207 – Fame). Damit verbunden sind erhaltene Gagen wie „30k für die Show“ (Loredana feat. Mozzik – Eiskalt) oder „Minimum Fuffi für eine Show“ (KC Rebell x Summer Cem – Fly). Sie steigen „wieder in den Tourbus“ (Juju feat. Henning May – Vermissen), „stehen auf der Bühne“ (RAF Camora & Juju – Wenn du mich siehst) und sind „das ganze Jahr lang unterwegs“ (Fourty – Weisser Rauch).

  1. Chartpositionen & Hits

Rapschaffende inszenieren ihre bisher erreichten Charterfolge, indem sie konkrete Ranglisten-Positionen oder eine allgemeine Präsenz in den Charts benennen. Sie kommen „locker in die Top-10“ (Fler – NDW 2005), schreiben „nur noch Nummer-Eins-Hits“ (Summer Cem feat. Capital Bra – Diamonds), gehen „auf die Eins“ (Apache 207 – Unterwegs) und manche haben sogar einen „Nummer-eins-Hattrick“ (Shirin David – Ich darf das). Andere haben allerdings „dreizehn Nummer-eins-Hits und sechs Alben“ (Capital Bra x Samra – Tilidin) oder sind „ohne Skandal in den Top-Ten-Charts“ (Luciano x Aitch x Bia – Bamba). Teilweise wird nur abstrakt darüber gesprochen, dass sie „die Hits geschrieben“ (Die Fantastischen Vier – Troy) haben oder gerade welche „im Studio“ (Miksu, Macloud, Jamule & Nimo – Frag mich nicht) machen.

  1. Auszeichnungen, Preise, Awards

Rapschaffende berichten von ihren Gold-, Platin- und Diamant-Auszeichnungen, anderen Awards oder von Preisverleihungen wie den ECHO. „Jeder Kack-Award, den es gibt/ Hat seinen Platz zuhause im Regal“ (Bonez MC & RAF Camora – Letztes Mal) und findet schließlich in Songtexten Erwähnung. Für viele Rapschaffende lautet das Motto „Ich geh einfach Gold, guck, mein Erfolg – kein Ende ist in Sicht“ (Juju x Loredana – Kein Wort) und für andere sogar „Platin der Stempel“ (RAF Camora – Primo). Sie „fahren Richtung Gold“ (Samra – Colt), haben „Platinplatten an der Wand“ (Die Fantastischer Vier – Ernten was wir säen) und „so viel Gold auf ihrem [meinem] Nacken“ (Bonez MC & RAF Camora – Sommer). Durch die festgeschriebenen Werte der genormten Auszeichnungen, geht mit höheren Auszeichnungen oft ein autoritäres Sprechverhalten einher, das die Marktdominanz betont: „Team Platin, wir kontrollieren“ (Bonez MC, RAF Camora, GZUZ, Maxwell – Kontrollieren).

  1. Nachhaltiger Einfluss durch Popularität

In den Segmenten wird reflektiert, welchen Einfluss Rapschaffende durch ihre Popularität haben. Dies bezieht sich beispielsweise auf geleistete Pionierarbeit (also das Setzen von Trends) oder die Tatsache, dass man durch die veröffentlichte Kunst ein Teil der Musikgeschichte ist und so eine Form der Unsterblichkeit erreicht. RAF Camora beschreibt beispielsweise seine Pionier-Position in der deutschsprachigen Adaption von Afro-Trap: „Erst kamen wir und alle sahen, wie es eskaliert […] Es expandiert, man spielt uns in Phuket, Ibiza, Budapest und es rasiert“ (RAF Camora – Primo). Sein Kollabo-Partner Bonez MC bestätigt: „Jap, wir setzen Zeichen und wir setzen Trends“ (Bonez MC – Big Body Benz). Capital Bras ständig verbalisierte Vorliebe für die Marke Gucci zeigt ebenfalls Effekte bezüglich der Verbreitung der Luxusmarke. Spätestens als „das Gucci-Käppi teurer wurde“ (Capital Bra x Samra – Tilidin) stellte er fest: „Kinder sehen aus wie meine Söhne“ (Capital Bra – Berlin lebt). Apache 207 möchte einen Fußabdruck, „stärker als die Zeit“ (Udo Lindenberg & Apache 207 – Komet), hinterlassen und Cro schreibt sich sein „Ticket in die Ewigkeit“ (Cro – Unendlichkeit). Denjo reflektiert den Erfolg der Absoluten Beginner: „Schreib‘ Gedichte, schreib‘ damit Geschichte“ (Beginner feat. GZUZ & Gentleman – Ahnma) und Samy Deluxe und Afrob machen ihren „Sound für die Ewigkeit“ (ASD – Sneak Preview).

  1. (Sozialer) Aufstieg

Die erreichte Popularität tritt als Ausdruck eines (sozialen) Aufstiegs in Erscheinung. Dafür wird meistens die Vergangenheit, in der ein Rapschaffender nicht-populär war, der Gegenwart gegenübergestellt. Es wird beispielsweise der Prozess „vom Broke Boy direkt zu nem Star“ (T-Low, Miksu, Macloud – We made it) beschrieben. Durch die Popularität gibt es „nie mehr Leid, nie mehr Streit“ (Sido feat. Apache 207 – 2002). Sie machen „den Scheiß für Baba“ (Capital Bra x Samra – Wir ticken) und für „Mama“ (Apache 207 – Fame). Für manche heißt es: „Gestern waren die Platten grau, heute sind sie Gold“ (Capital Bra – Benzema) und für andere geht es „mit der MPC vom Zimmer in die Charts“ (Cro – Unendlichkeit). In jedem Fall kamen sie „von unten“ und sind „jetzt oben“ (KC Rebell – Alleen).

  1. Popularität als Motor für Reichtum

Rapschaffende thematisieren, dass sie durch ihre Popularität über hohe monetäre Mittel und Luxusgüter verfügen. Sie „bauen auf Zaster“ (Das Bo – türlich, türlich) und wissen: „die Musik macht reich“ (Eno feat. Mero – Ferrari). Das „Geschäft läuft heut gut“ (Luciano – Schmetterling): Je nachdem welche Produkte sie zusätzlich anbieten, haben sie sogar „viel zu viele Einnahmen“ (Cro feat. Capital Bra – Blessed). In diesem Kontext geht es um die Mentalität „Dollar, Diamant, Championsleague“ (Miksu, Macloud, Summer Cem, Luciano, Jamule – XXL).

  1. Probleme der Popularität

Im Songtext wird erörtert, welche Probleme mit der Popularität einhergehen. Dabei handelt es sich um die mögliche Vergänglichkeit des Erfolgs, „einen Shitstorm“ (Shirin David – Ich darf das), wenig Zeit für Familie oder den Fakt, dass die Popularität dauerhaft existiert und damit ständig Begegnungen im alltäglichen Leben einhergehen. Das „Handy [ist zwar] offline, doch [der Rapschaffende steht] noch immer im Spotlight, […] vom Rampenlicht geblendet“ (Santos x Sido x Samra – Leere Hände). Häufig gilt: „An der Spitze ist es einsam“ (Dardan & Monet192 – H <3 T E L) und vieles „wird geopfert für Erfolg“ (Kontra K feat. Samra – Tiefschwarz). Zusätzlich hat „jeder Wichser […] eine Meinung zu dir“ (Shindy – Nautilus), denn „mit dem Erfolg, da kamen die Hater“ (Eko Fresh feat. G-Style – Ich bin jung und brauche das Geld). Daher wird manchmal ein radikaler Wunsch geäußert: „Vergesst wer ich war, vergesst meinen Namen“ (Mark Forster feat. Sido – Au revoir).

  1. Nicht-Popularität als Dissing / Absprache von Popularität

Die geringe oder nicht vorhandene Popularität eines anderen Rapschaffenden wird als Diffamierung verwendet. Dafür wird beispielsweise auf niedrige Streams oder Aufrufe sowie kleine Konzerte oder Verkaufszahlen von Tonträgern verwiesen. Für Shindy sind beispielsweise „ein, zwei Millionen Stream […] kein Hype“ (Shindy – Affalterbach) und das Team Platin scherzt über „nicht mal dreihundert Views, selbst mit dicken Feauture“ (Bonez MC & RAF Camora feat. GZUZ – Mörder). Wer wenig Beachtung nachweisen kann, ist „mies gefloppt“ (RAF Camora & Bonez MC – Blaues Licht) – für Shindy sind selbst „50.000 Einheiten […] ein Flop“ (Shindy – Nautilus). Apache 207 fordert „Ruhe bitte“ (Apache 207 – Fame), wenn andere ihre Konzerte lediglich in Kneipen spielen. Haben Songs „keinen Baba-Umsatz“ (Bausa x Juju – 2012), können Rapschaffende „ohne Recall-Zettel rausgehen“ (Kay One – Louis Louis). Wer keine Beachtung nachweisen kann, ist „nur ein Nix, so wie Chefket“ (RAF Camora – Primo). Bei Chefket handelt es sich um einen Rapschaffenden, der zwar seit den 2000er Jahren in der Szene agiert, aber dennoch keine Beachtung außerhalb von bestimmten Teilen der Szene nachweisen kann.

  1. Erfolgreich sein

Rapschaffende erwähnen ihren Erfolg ohne weitere Bezüge und stellen damit ihre Popularität deskriptiv aus. Einer hat „sehr viel Erfolg“ (Bonez MC & RAF Camora – Letztes Mal), andere haben „Hy-Hy-Hype“ (KC Rebell feat. Summer Cem & Capital Bra – DNA).

  1. Relevant sein

Popularität wird mit Relevanz gleichgesetzt. „Und es ist gut, wichtig zu sein“ (Cro feat. Capital Bra – Blessed), wenn man „die personifizierte Relevanz“ (Shindy – Affalterbach) ist. Vor allem, wenn man überzeugt von sich sagen kann: „Ich steh‘, wo ich steh‘, weil ich bin, wer ich bin“ (Apache 207 – Fame).

  1. Populäre Persönlichkeiten

Rapschaffende vergleichen sich mit anderen Persönlichkeiten, die ebenfalls populär sind. Fußballspieler sind besonders häufig vertreten: Capital Bra ist „Stammspieler wie Benzema“ (Capital Bra – Benzema) oder „ein Star so wie Neymar“ (Capital Bra feat. Ufo361 – Neymar). Auch bei Miami Yacine „läuft [es] so wie Benzema“ (Miami Yacine – Kokaina) und Mero zählt sein Para „so wie Neymar“ (Mero – Hobby Hobby). Samra trägt ein „Trikot von Iniesta“ (Samra & Capital Bra – Zombie), Apache ist „Deutschraps Miroslav Klose“ (Apache 207 – Kein Problem), Maxwell „Profispieler so wie Robert Zieler“ (Bausa x Joshi Mizu x Maxwell x The Cratez – Skifahren) und Miami Yacine dribbelt sich „durch so wie Ben Arfa“ (Miami Yacine – Kokaina). Manchmal werden die Fußballer auch nur gegrüßt: „Shoutout David Alaba“ (Kitschkrieg – Standard). Abseits von Sportlern werden ebenfalls Musiker und Schauspieler als Referenzpunkt verwendet: Rapschaffende wollen „wie Muhammad Ali beim Boxen“ (Rapsoul – Verzweifelt) sein, „more Freedom als Hasselhoff“ (Die Fantastischen Vier – Gebt uns ruhig die Schuld) haben und „filmreifer als Til Schweiger“ (Alligatoah – Willst du) leben. Sie hören eine „Platte von Biggie“ (Nimo – Heute mit mir), haben die „Attitüde 2Pac“ (Shirin David feat. Matire Gims – On Off) und sind „wie Thomas, nur anders“ (Kay One – Louis Louis) oder wie „Bill Gates (Rich)“ (Shindy – DODI). Cro „vergleicht sich mit Jay-Z“ (Cro – Easy). Populäre Persönlichkeiten werden teilweise auch nur erwähnt: Auf Spotify läuft zum Beispiel „A$AP Rocky“ (Bausa – Was du Liebe nennst). Frauen sind in den Texten „wie Kim K“ (RAF Camora feat. Luciano – 2CB), „Kylie Jenner“ (Eno feat. Mero – Ferrari), „Cleopatra“ (Die Firma – Die Eine 2005) oder „Madonna 1986“ (Bausa feat. Apache 207 – Madonna).

Anhand der verschiedenen Varianten, in denen Popularität stattfindet, wird deutlich, wie flexibel das Ausstellen und Thematisieren von Beachtung und Erfolg ist. Es bestätigt sich, dass Popularität durch „offen kapitalistisch orientieren Gangsta-Rap an Wertigkeit gewonnen“ (Wolbring 2015, S. 149) hat, allerdings ist die Ausstellung von Beachtung, Erfolgen und Kapital auch innerhalb von anderen Subgenres gegeben. Insbesondere die enge Verflechtung mit Wohlstandsmarkern zeichnet sich in vielen Formen ab. Popularität geht dabei mit einem exklusiven Lebensstil einher, der für Rapschaffende erstrebenswert ist und oft als sozialer oder kapitalistischer Aufstieg verstanden werden kann. Sie haben damit außerdem eine Möglichkeit, sich von anderen Rapschaffenden abzugrenzen. Konkrete Luxusgüter und standardisierte Auszeichnungen wie Gold-, Platin-, Diamant sowie die Chart Nummer-eins gehen mit gesetzten Werten einher, die allgemeingültig sind und einen expliziten Vergleichsrahmen bieten. Die im Korpus erhobenen Wohlstandsmarker (851 Stück) sind allgegenwärtig und besonders häufig mit den Popularitäts-Kategorien verbunden. Grundsätzlich wird jeder nur denkbare Gegenstand im Text erwähnt, allgemein sind die Folgenden Gruppen am weitesten verbreitet:

  1. Fahrzeuge

Autos sind omnipräsent in Rap-Songs. Ob es nun konkrete Modellreihen wie „AMG Mercedes“ (Bushido – Alles verloren), „7er“ BMW (Eko Fresh feat. Bushido – Gheddo) oder nicht näher definierte „Autos mit tausend PS“ (Sido – Bilder im Kopf) sind – das Fahren und Besitzen von teuren „Wagen für 200k“ (Kool Savas x Alies – AMG) kommt in verschiedensten Gegenständen auf. Für manche darf es aber auch der „Privatjet“ (bspw. Capo feat. Nimo – Lambo Diablo GT; Nina Chuba – Wildberry Lillet; Bonez MC & RAF Camora – Sommer) sein.

  1. Markenkleidung

Luxusmarken bieten die Möglichkeit, jedem Kleidungsstück mit einem hohen Geldwert zu konnotieren. Während die meisten Rapschaffenden über verschiedene Designermarken rappen, konzentriert sich Capital Bra vorwiegend auf Gucci: Er benennt seine „Gucci-Pullis“ (Capital Bra – One Night Stand), seinen „Gucci-Jogger“ (Samra x Capital Bra – Huracan), die „Gucci-Cap“ (Capital Bra – Prinzessa), das „Gucci-Kleid“ (Capital Bra – Cherry Lady) seiner Partnerin. Abseits von Capital Bra wird „die Gucci-Tasche“ (Juju x Loredana – Kein Wort) beziehungsweise die „Gucci-Bag“ (KC Rebell & Summer Cem – Fly) sowie ein Paar „Gucci-Sandalen“ (Apache 207 – Roller), auch „Gucciletten“ (Mero – Wolke 10), erwähnt. Das Wort Gucci lässt sich sogar wiederholend kombinieren: „Ghetto, Ghetto, Gucci, Gucci, Ghetto, Gucci“ (KC Rebell feat. Summer Cem & Capital Bra – DNA). Häufig handelt es aber nur um bloße Auflistungen von Marken: „Manolo Blahnik, Prada, Gucci und Lacoste“ (Cro – Einmal um die Welt).

  1. Schmuck

Teure Schmuckstücke wie Uhren, Ketten und Ringe treten in vielen Varianten auf. Sei es die „Rolex am Arm“ (T-Low, Miksu, Macloud – We made It), die natürlich ein „Rolex Original“ (Capital Bra feat. Summer Cem & KC Rebell – Rolex) ist, ein „neuer Ring“ (Loredana feat. Mero – Kein Plan) oder die „dicke Chain für den Vi-i-i-ibe“ (KC Rebell x Summer Cem – Fly).

  1. Immobilien

Der Besitz von Häusern oder das Mieten von exklusiven Hotels oder sonstigen hochpreisigen Unterkünften schlägt sich in vielen Segmenten nieder. Manche verbringen ihre Zeit in der „Presi-Suite“ (Miksu, Macloud, Summer Cem, Luciano, Jamule – XXL), also einer „Suite für Präsidenten“ (Samra – Leere Hände), andere wählen die „Fünf-Sterne-Suite“ (T-Low, Miksu, Macloud – We made It) und wieder andere die „Junior Suite“ (Dardan x Monet192 – H <3 T E L). Eigene Häuser bringen einen bürokratischen Aufwand mit sich, sodass Rapschaffende auch „Immobilien verwalten“ (KC Rebell x Summer Cem – Fly) müssen.

  1. Geld

Geld ausgeben und dieses zu besitzen ist eine beliebte Möglichkeit, um das eigene Vermögen zu demonstrieren. Dank der „Big Racks“ (T-Low, Miksu, Macloud – We made it) wird „alles […] bar bezahlt“ (Bonez MC x Frauenarzt – Extasy). Damit bleibt das „siebenstellige[s] Konto“ (KC Rebell x Summer Cem – Fly) unberührt. Für manche gilt: „Nur Schutzgeld ist gutes Geld“ (Bonez MC & RAF Camora – Letztes) und andere sagen Dank Drogenverkäufen „Geld zählen ist mein Hobby, nur mein Hobby“ (Capital Bra x Samra – Wir ticken). Wieder andere betonen: „Nein, mit Ot [Cannabis] mache ich mein Geld nicht/ Seit meinen paar Welthits“ (Eno feat. Mero – Ferrari) und bevorzugen damit legale Wege, um an Geld zu gelangen.

  1. Unternehmertum

Rapschaffende verstehen sich selbst immer mehr als Unternehmer. Durch „GmbHs, GbRs, sieben Unternehmen“ (Apache 207 – Angst) lässt sich schließlich der eigene Wohlstand weiterhin steigern – zumindest, wenn das „Business nach Plan“ (Loredana feat. Mozzik – Eiskalt) läuft.

Im Vorherigen wurde anhand von Abbildung 1 und der qualitativen Auswertung erörtert, wie Wohlstandsmarker und Popularität in Erscheinung treten können. Bei Betrachtung der Codelandkarte lassen sich zwei weitere Cluster erkennen, die ebenfalls erwähnenswert sind. Links oberhalb von den Kategorien rund um ‚populär, erfolgreich, relevant (+)‘ versammelt sich ein Feld, das nahe angrenzt. Anhand der Kategorien ‚Vertrieb‘, ‚Gefährlichkeitsmarker‘, ‚Sexismus‘, ‚real, glaubwürdig (+)‘ und ‚niedrige Position, untergeordnet (-)‘ ist abzuleiten, dass es sich um Gangsta-Rap handelt. Viele Gegenstände dieser Art lassen sich dem Inhaltsfeld Trap zuordnen, da es häufig um den Vertrieb von Drogen und den damit verbundenen gefährlichen Lebensstil geht. In solchen Kontexten wird teilweise darauf verzichtet, Beachtungserfolge auszustellen. Stattdessen wird Wohlstand an das erwirtschaftete Schwarzgeld gekoppelt.

Oben rechts versammeln sich Kategorien, die für Songs mit dem Text-Genre Liebe von großer Bedeutung sind. Texte dieser Art kommen noch häufiger ohne Wohlstandsmarker und Popularitäts-Äußerungen aus, da meistens eine Liebesgeschichte nacherzählt oder reflektiert wird. In 35 Fällen liegen jedoch Liebeslieder vor, die Representer-Elemente beiläufig oder implizit nutzen. Durch Auftritte und Touren sind die Rapschaffenden oft von ihrem Zuhause und dem Partner oder der Partnerin entfernt, sodass die Popularität als Problem in Erscheinung tritt (bspw. Dardan & Monet192 – H <3 T E L; Dardan – Facetime). Durch die Abwesenheit kommt es außerdem dazu, dass einander vermisst wird (bspw. Juju feat. Henning May – Vermissen; T-Low, Miksu, Macloud – Sehnsucht). Andere Erwähnungen von Popularität in Liebessongs dienen beispielsweise dazu, den Wert einer romantischen Verbindung hervorzuheben – sie stellen ihre Liebe über „die Klicks und die Likes“ (Joker Bra & Vize – Baby). Luxusgüter treten dabei zum Beispiel als Geschenke auf. Im Falle von Trennungsliedern dient die Popularität außerdem dazu, sich der Ex-Person überzuordnen und sich als unabhängig zu inszenieren – auch dafür eigenen sich die Wohlstandsmarker (bspw. Juju x Loredana – Kein Wort; RAF Camora x Juju – Wenn du mich siehst; Kasimir1441 x Badmómzjay – Ohne Dich).

Texte, die keine Popularität ausstellen, sind unter anderem bei den Schreibansätzen Liebe, Party und Conscious vertreten. Betrachtet man die Jahre 2000 bis 2023 für sich, so fällt auf, dass es sogar ganze Jahresgruppen gibt, die vollständig auf Popularitätsmarker als Boasting-Technik verzichten: 2014 (acht Songs), 2011 (ein Song), 2008 (drei Songs) und 2002 (ein Song) kommen ohne Bezüge zur Popularität aus und die Jahre 2000, 2001, 2002 sowie 2011 beinhalten keinerlei Wohlstandsmarker. Der erste Korpus-Song mit Wohlstandsmarkern ist ‚Ich bin jung und brauche das Geld‘ (2003) von Eko Fresh und G-Style, der letztlich stellvertretend dafür verantwortlich ist, dass Kool Savas Eko Fresh die „realness“ abgesprochen hat (vgl. Süß 2019, S. 30). Da Wolbring seine Dissertation bereits 2015 veröffentlichte und zu diesem Zeitpunkt die Stellung von Popularität und den Wertungsdimensionen Originalität, Kunstfertigkeit und Authentizität anders beschrieb, als sie in den erhobenen Daten gegeben ist, wird die quantitative Verteilung der Kategorien vor und nach 2015 näher beleuchtet. Außerdem wird qualitativ ausgeführt, wie sich Originalität, Authentizität und Kunstfertigkeit in den Korpustexten äußern und inwiefern es möglich ist, inhaltliche Cluster zu bilden.

Für die Authentizität liegen die meisten Belege vor, wobei 147 Segmente die eigene Glaubwürdigkeit hervorheben und 99 Kodierungen anderen die Echtheit absprechen. In Boasting-Kontexten lassen sich Verse finden, die unter anderem Autorschaft und Vertrauen und als zentrale Referenzpunkte verwenden. Varianten, in denen Authentizität als Dissing-Tool dient, sind meistens Szeneinteraktionen. Wie schon zuvor lassen sich die Varianten nicht vollkommen voneinander abgrenzen, da sie meistens ineinander verflochten sind:

  1. Autorschaft

Im Text wird hervorgehoben, dass der performende Rapschaffende zugleich der Autor des Liedtextes ist. Christian Stieber betont beispielsweise: „Ich bin der, der Texte schreibt“ (DJ Tomekk feat. GZA, Curse, Prodigal Sunn & Stieber Twins – Ich lebe für Hip-Hop). Kool Savas formuliert es subtiler: „jeder Vers ein Satz im Tagebuch“ (XAVAS – Schau nicht mehr zurück). Spannend ist hierbei, dass Shirin David offen thematisiert, ihre Werke nicht allein zu verfassen: „Mit wem ich Songs schreib‘? Bitch, do your research; yuh!“ (Shirin David – Lieben Wir).

  1. Vertrauen

Der Rapschaffende vermittelt, dass er ein zuverlässiger Erzähler ist. Sie sind Menschen, denen „die Leute vertrauen“ (Das Bo – türlich, türlich) und sie sind „ehrlich zu mir [sich selbst]“ (Eko Fresh feat. G-Style – Ich bin jung und brauche das Geld). Insbesondere die Phrase „Glaub mir“ (bspw. Bonez MC, RAF Camora, GZUZ, Maxwell – Kontrollieren; XAVAS – Schau nicht mehr zurück; Kool Savas & Azad – All 4 One; Azad feat. Adel Tawil – Prison Break Anthem; Cro – Bad Chick; Apache 207 – Boot; Summer Cem feat. Capital Bra – Diamonds) wiederholt sich in mehreren Gegenständen. Dies geschieht auch mit konkreter Anrede: „Bruder, du kannst mir vertrauen“ (RAF Camora – Primo) oder mit anderen Worten: „Kill‘ mich, wenn ich lüge“ (Shindy – Nautilus).

  1. Sich treu bleiben

Es wird betont, dass man sich selbst treu bleibe und sich durch Faktoren wie Popularität nicht zum Negativen hin verändere. Egal wieviel Erfolg noch kommt: „der Bratan bleibt der Gleiche“ (Bushido feat. Samra & Capital Bra – Für euch alle; Capital Bra – Benzema) und hat sich „nie verstellt“ (Capital Bra – One Night Stand). Auch „Apache bleibt gleich“ (Apache 207 – Roller) und T-Lows Umfeld ist ein „gleicher Kreis seit zehn Jahren“ (T-Low, Miksu, Macloud – We made it). Auch die 187 Strassenbande hat ein „gleiches Team schon seit Anfang“ (GZUZ feat. Bonez MC – Späti). Pashanim hat sein Team immer bei sich und hebt hervor, dass er diese Menschen „niemals vergesse[n]“ (Pashanim – Sommergewitter) werde.

  1. Echt sein

Der Rapschaffende vermittelt, dass er authentisch ist und auch dementsprechend wahrgenommen wird: Jede Person erkennt: „Der Typ ist echt, egal, ob Compton oder Altona“ (Kitschkrieg – Standard). Was erzählt wird, sind „Keine Storys“ (Veysel – Kleiner Carbón). Sie sagen vollkommen überzeugt: „Ihr wollt das echte Leben? Dann lasst es mich aussprechen“ (Bushido – Alles Verloren) oder „Wir sind echt, das‘ der Modus“ (Summer Cem feat. Luciano – Summer Cem).

  1. Musik als Leidenschaft

Rapschaffende heben hervor, dass Musik eine Leidenschaft ist und der kommerzielle Erfolg lediglich ein Beiwerk dessen darstellt. Es ist also „immer noch Herz on the top“ (Luciano x Aitch x Bia – Bamba). Für Kool Savas heißt es: „Ich pack‘ mein Herzblut in das hier“ und „Rap is my life“ (XAVAS – Schau nicht mehr zurück), ähnlich äußert sich Sido: „Dieser Hip-Hop ist mein Leben/ Falls du fragst, warum ich das mache“ (Sido feat. Apache 207 – 2002). Für Mero ist Rap ein „Hobby, Hobby“ (Mero – Hobby Hobby).

  1. Inszenierte Gangsta-Rapper

Rapschaffende kritisieren, dass sich andere Rapschaffende als kriminell und gefährlich inszenieren, obwohl dies nicht der Realität entspricht. RAF Camora beschreibt in einer zusammenhängenden Passage, was auch viele andere Rapschaffende äußern „Sie drohen mir mit Plastikfiguren, haben für’n Drive-by keinen, der fährt. Freizeit-Soldies im Undercut Look: Sag, wer nimmt euch denn ein Prozent ernst? Eure Waffen sind aus Kunststoff, made in China“ (Bonez MC & RAF Camora feat. GZUZ – Mörder). Rapschaffende sprechen davon, „wie man Weed vertickt“, doch Veysel beteuert: „glaub mir, sie sind alle fake“ (Kontra K feat. Veysel – Blei). Sie reden „von Koks und von Messerstechereien“, doch auch Apache weiß: „das ist in der Tat nicht so“ (Apache 207 – Roller). Oft handelt es sich um ein „falsches Spiel“ (Pajel – 10von10), denn sie sprechen „von Mengen Kilos, aber dealen einen Zehner“ (Sido feat. Apache 207 – 2002). Daher gilt oft: „Fick die Rapper, was die reden, alles Lügen“ (Capital Bra – Berlin Lebt) oder sogar „was für Gangster?! Ihr seid Küken“ (Capital Bra – 5 Songs in einer Nacht). Auch die Massiven Töne formulieren kritisierend: „Denk an das Gangster-Image, doch denk dran, kauf dir Pampers“ (Massive Töne – Cruisen). Mero sieht dies ähnlich und bittet: „lass mal deine Gangsterfilme“ (Mero – Baller los).

  1. Kopierte Identität

Es wird kritisiert, dass andere Rapschaffende sich ein falsches Image aneignen und damit beispielsweise US-Rapschaffende kopieren: RAF Camora schreibt solche Zeilen „für alle Fake-50s“ (Bonez MC & RAF Camora feat. GZUZ – Mörder) und RIN bezeichnet eine Frau als „als Kardashian 2“ (RIN & Bausa – Keine Liebe). Die Äußerungen sind teilweise auch allgemeiner gehalten: Rapper heutzutage sind nur Modeblogger“ (Miami Yacine – Kokaina).

  1. Falscher Erfolg

Rapschaffende behaupten, dass manche Erfolge nicht echt sind und durch Manipulation entstanden sind: „Spotify brennt, wallah ohne Klickkäufer“ (Samra x Capital Bra – Huracan). Sie warnen: „nicht alles ist Gold, auch wenn es funkelt“ (Fero47 – Jaja).

Während des regelgeleiteten Zuordnungsverfahren war es teilweise schwierig, inszenierte Originalität von inszenierter Kunstfertigkeit abzugrenzen. In Kontexten der Originalität schwingt häufig etwas mit, das auch die Authentizität tangiert und zusätzlich auf die Popularität referiert. Insgesamt lassen sich trotzdem inhaltliche Tendenzen beschreiben, die zuvor nicht gänzlich verhandelt worden sind:

  1. Pionier sein

Dem Rapschaffenden ist bewusst, dass er durch die eigene Originalität und die eigene Kunstfertigkeit nachhaltigen Einfluss auf populäre Rap-Strömungen hat – es liegt also eine enge Überschneidung mit ‚Einfluss durch Popularität‘ vor. Die Pionierrolle sorgt wiederum für Authentizität. RAF Camora und Bonez MC waren „die Ersten in Deutschland“ (RAF Camora – Primo), die Afro-Trap adaptiert haben. Shindys individueller Stil sorgt dafür, dass „aus ein paar deutschen Rap-Legenden Mini-Mes [Mini-Shindys]“ (Shindy – Nautilus) werden. Sido ist ein „stolzer Pionier“ (Sido – Hey du), der Straßenrap für den deutschen Markt salonfähig machte. Auch Die Atzen wissen, dass sie „das Original“ (Die Atzen & Nena – Strobo Pop) für deutschsprachigen Rap mit elektronischen EDM-Beats sind.

  1. Eigene Skills

Rapschaffende betonen, dass sie „unverkennbar“ (ASD – Sneak Preview) sind. Jan Delay schreibt sich selbst einen „Hammerflow“ (Beginner feat. GZUZ & Gentleman – Ahnma) zu und Das Bo formuliert, einen „derben Style an Deck“ (Das Bo – türlich, türlich) zu ziehen. Die Zuschreibungen funktionieren auch aus der dritten Person: „Cro das Genie“ (Cro – Easy) hebt seinen Flow hervor und Mero gibt seinem Flow sogar einen eigenen Namen, den „original Mermi-Flow“ (Mero – Baller los). Pajel bezeichnet seinen „Flow und die Stimme [als] zu radikal“ (Pajel – 10von10).

  1. Kopierter Stil

Rapschaffende unterstellen anderen, dass sie ihre „Tracks biten“ (Capital Bra x Samra – Tilidin) und es als Folge auf ihre Songs „so viele Kopien“ (Loredana feat. Mero – Kein Plan) gäbe. Sie „klauen meine [ihre] Flows“ (Capital Bra feat. Ufo361 – Neymar), „kopieren und klauen“ den Style (RAF Camora feat. Bonez MC – Blaues Licht), sind „Biter und Blender“ (ASD – Sneak Preview).

Kunstfertigkeit und Originalität manifestieren sich textlich zwar nicht so häufig wie Authentizität und Popularität, aber dennoch sind diese Wertungsdimensionen sowohl vor 2015 als auch nach 2015 gegeben. Sie fallen im Verhältnis weniger auf, aber dienen weiterhin zur Konstruktion von Boasting und Dissing. In der nachfolgenden Tabelle 3 wird prozentual gegenübergestellt, wie stark die genannten Kategorien in den Zeiträumen 2000 bis 2015 und 2016 bis 2023 ausfallen:

 

Code Anteil 2000 bis 2015 Anteil 2016 bis 2023
Wohlstandsmarker 5,00% 10,58%
populär, erfolgreich, relevant (+) 2,83% 4,01%
nicht populär, nicht erfolgreich, irrelevant (-) 0,48% 0,21%
real, glaubwürdig (+) 1,27% 1,74%
fake, unglaubwürdig (-) 0,30% 1,29%
innovativ, individuell, neu, treu (+) 0,96% 0,65%
kopiert, veraltet, austauschbar (-) 0,54% 0,34%
komplex, anspruchsvoll (+) 0,24% 0,30%
simpel, anspruchslos (-) 0,06% 0,10%

Tabelle 3: Prozentuale Gegenüberstellung

Da die Anzahl der Dokumente insbesondere ab 2018 massiv angestiegen ist, wurde sich bewusst dazu entschieden, prozentuale Werte zu vergleichen. Absolute Zahlen hätten in diesem Kontext wenig Aussagekraft, da durch sie lediglich deutlich wird, dass mehr Belege vorliegen – dies hängt aber vor allem damit zusammenhängen, dass mehr Songtexte gleichzeitig mehr Möglichkeiten für Segmentierungen geben. Die prozentuale Variante berücksichtigt die Gesamtheit aller kodierten Segmente und lässt demnach mehr Rückschlüsse auf die allgemeine Verbreitung zu. Tabelle 3 lässt sich entnehmen, dass insbesondere die Wohlstandsmarker häufiger geworden sind – sie haben sich prozentual verdoppeln können. Popularität als Boasting-Strategie ist mit einem Zuwachs von knapp 1,2% ab 2016 geringfügig beliebter, die Dissing-Variante hat etwas weniger als 0,30% verloren. Authentizität wird sich in der aktuelleren Gruppe etwas häufiger zugeschrieben, der Wert ist um rund 0,5% angestiegen. Die Absprache von Glaubwürdigkeit betrifft im Zeitraum 2000 bis 2015 lediglich 0,30% aller Segmente – ab 2016 sind es bereits 1,29%. Die Verhandlung von Originalität und Kunstfertigkeit fällt in den Segmenten beider Zeiträume eher gering aus – die Differenzen pendeln grob zwischen 0,30% und 0,05% und ab 2016 nehmen diese Wertungsdimension tendenziell ab.

5. Fazit

Popularität, Wohlstand und Erfolg sind zu zentralen Themen in populären Rap-Texten geworden. Die ehemaligen Wertungsdimensionen (Kunstfertigkeit, Originalität und Authentizität) sind zwar nach wie vor in den Gegenständen zu finden, allerdings wird durch die Untersuchung deutlich, dass es sich zumindest innerhalb von populären Songs um Randerscheinungen handelt – dies konnte die qualitative Inhaltsanalyse herausstellen. Rap wird je nach Rezeptionskreis zweifelsfrei nach diesen Kriterien verhandelt, allerdings findet dies kaum in den Texten der erfolgreichsten Chart-Rappern statt. Authentizität als Boastung- und Dissing-Variante konnte als einzige ‚alte‘ Wertungsdimension nach 2015 an Zuwachs gewinnen. Kunstfertigkeit und Originalität werden weniger häufig zum Inhalt und werden fortlaufend durch das Ausstellen von Popularität und Wohlstand verdrängt. Ausnahmen kommen vor allem dann auf, wenn Rapschaffende langfristige Trends setzen konnten und sich schließlich selbst für die Innovation lobend reflektieren oder andere für Imitation explizit diffamieren. Diese Erkenntnis ist logisch, da Rapschaffende mit Pionierleistungen sowohl Kunstfertigkeit als auch Originalität beweisen: Wer eine ästhetische Variante von Rap schafft, die im deutschsprachigen Raum noch nicht verbreitet ist, weicht bewusst von lokal gegenwärtigen Trends ab. In der kommerziellen Historie von deutschsprachigem Rap zeigt sich, dass Rapschaffende wie Cro, RAF Camora & Bonez MC, Luciano, Ski Aggu oder auch Apache 207 stets bisherige Konventionen gebrochen und dafür Innovationen hervorgebracht haben. Sie stoßen damit zwar in Teilen der Szene auf Ablehnung, jedoch ist das neue Kombinieren verschiedener neuer Elemente eine originelle Kunstfertigkeit für sich. Ob der kreierte Stil nun individuell als hoch- oder minderwertig rezipiert wird, ist vollkommen nebensächlich. Ein großer kommerzieller Erfolg vermittelt insbesondere den Pionieren unter den Rapschaffenden, dass sie durch ihre Kunstfertigkeit und Originalität populär geworden sind. Zumindest äußern Rapschaffende dies in ihren eigenen Texten: Luciano, der die Verwendung von Drill-Beats kommerziell etabliert hat, ist „Reich durch mein [sein] Talent“ (Luciano x Aitch x Bia – Bamba). Rapschaffende können mit Auszeichnungen und anderen Metriken inszenieren, dass ihre Variante von Rap, besonders viel Beachtung erhält. Anhand des Korpus ist deutlich zu erkennen, dass populäre Pioniere stets viele Imitationen auslösen. Rapschaffende, die Ästhetiken übernehmen, sind dadurch kurzfristig ebenfalls populär, jedoch schaffen sie es nur selten, langfristig den Grad an Beachtung zu halten. Die Pioniere hingegen sind über viele Jahre in den Top 100-Listen und sind zudem meistens mehrfach vertreten. Apache 207s Stil ist derart populär, dass sein Song ‚Roller‘ bereits fünf Jahre lang in der jährlichen Top 100 vertreten ist.

Durch die Verbreitung von Musikstreaming ist ein Eintritt in die Single-Charts massiv erleichtert worden. Maxi-Single-CDs sind ein großer monetärer Faktor gewesen, die nur wenige Rapschaffende bewältigen konnten. Streamingdienste wie Spotify erleichtern sowohl den Zugang als auch die Verbreitung der eigenen Kunst und seit 2014 sind Streamingzahlen auch für die Singlecharts relevant. Die erste große Soundinnovation im chartrelevanten Streamingzeitalter wurde 2016 mit ‚Palmen aus Plastik‘ und den dazugehörigen Singles veröffentlicht. Anhand der jeweiligen Menge an Top 100-Songs mit Rap-Anteil pro Jahr ist deutlich zu erkennen, dass die Anzahl seit 2016 massiv gestiegen ist. Bis 2018 hieß die Spotify-Playlist ‚Modus Mio‘ noch ‚Generation Deutschrap‘. Vor der Verbreitung von Afro-Trap hatte die Playlist noch keine eindeutige Klangästhetik, es waren lediglich gegenwärtig erfolgreiche Rapschaffende vertreten. Nachdem RAF Camora und Bonez MC immense Erfolge nachweisen konnten, wurde aus ‚Generation Deutschrap‘ eine Playlist mit spezifischer Ästhetik. Unter dem Namen ‚Modus Mio‘ wurden für knapp zwei Jahre vorrangig Rapschaffende platziert, die ebenfalls Afro-Trap kreieren oder zumindest ihre Gangsta-Rap-Songs auf Trap-Beats performen. Im Laufe der Zeit werden aber auch Soundentwürfe berücksichtigt, die davon abweichen. Rapschaffende wie Apache 207 und Ski Aggu brechen ab 2019 und 2020 die damaligen Konventionen und erreichen trotzdem die Beachtung vieler. Kurz darauf verleihen sie ‚Modus Mio‘ einen neuen stilistischen Akzent, der von vielen weiteren adaptiert wird. Über die Jahre ist deutlich geworden, dass ‚Modus Mio‘ keine feste Stilistik hat, sondern schlichtweg die sich stetig wandelnde Ästhetik des Populären ausstellt. Die kontemporäre Verankerung von Rap auf four-to-the-floor Beats trifft zudem auch den Zeitgeist des TikTok-Trends #ravetok, der die Rave-Kultur glorifiziert. Spotify bezeichnet sich selbst als einen radioartigen Service, bei dem möglichst wenig Inhalte überspringen möchte. Ihre eigens kreierten Playlisten präsentieren, was bereits populär ist und zusätzlich können sie Songs in Playlisten unterbringen, die populär werden sollen. Es ist deutlich zu erkennen, dass in ‚Modus Mio‘ vor allem Rapschaffende mit Major-Verträgen gelistet sind und es ist kein Geheimnis, dass Spotify eng mit Universal, Sony und Warner zusammenarbeiten muss, da der Streamingdienst auf die Lizenzen der großen Labels angewiesen ist. Letztlich handelt es sich bei Spotify und den Majorlabels um mächtige Organisationseliten der kommerziellen Rap-Szene. Spotifys hauseigene Playlist ‚Modus Mio‘ kann fast zwei Millionen Follower nachweisen und ist damit eine attraktive Möglichkeit, um Liedern zu Beachtung zu verhelfen. Der Streaminganbieter ist damit ein mächtiger Akteur innerhalb der Popularisierung zweiter Ordnung. Im Vergleich zu gewöhnlichen Chartlisten sind Playlisten viel flexibler und außerdem haben sie eine unmittelbare Wirkung: 31 Sekunden einer Liederwiedergabe reichen, um für Chartsysteme erfassbar zu sein. Wer ‚Modus Mio‘ radioartig hört, bekommt einerseits bereits populäre Songs präsentiert, andererseits aber auch Songs, die es noch werden sollen. Songs, die im Vergleich zu den anderen zu wenig Streams erzielen, werden im Rahmen wöchentlicher Aktualisierungen wieder entfernt. ‚Modus Mio‘ wirkt auf den ersten Blick wie eine Chartliste, da vorrangig nachweislich populäre Songs vertreten sind, jedoch ist sie gleichzeitig ein Agens und kann beeinflussen, welche Songs zusätzlich beachtet werden sollen. Dass es sich bei Chartsystemen um leicht veränderliche Konstrukte handelt, wurde bereits im Kapitel zur Popularität ausgeführt. Im Kontext von Streaming und Playlisten wird dies sehr deutlich, da sie unmittelbar die Charts beeinflussen und disruptiv auf den Musikmarkt einwirken. Zudem wurde deutlich, dass mit den Single-Charts nicht alle kommerziell erfolgreichen Rapschaffenden abgebildet werden, da Interpreten wie Casper große Erfolge mit ihren Alben erreichen, aber trotzdem keine Single in den jährlichen Top 100 nachweisen können.

Popularität ist zu einem beliebten Werkzeug geworden, um eine Szeneinteraktion zu realisieren. Mit Demonstrationen von Erfolgen setzen Rapschaffende ihre Konkurrenten sowie Rezipienten darüber in Kenntnis, was der kommerzielle Stand der Dinge ist. Man ordnet sich über andere, indem man seine Position im Musikmarkt kommuniziert. Kontrolliert und dominiert man dabei den Markt, werden die Äußerungen über die eigene Popularität häufig mit Authentizität im Sinne von Vertrauenswürdigkeit vermittelt. Da alle Rapschaffenden und Szenegänger darüber Bescheid wissen, welche Auszeichnung welche Bedeutung hat, braucht es kein Detailwissen. Kategorien wie Gold, Platin und Diamant sind in ihrer Hierarchie leicht zu greifen, das betrifft auch Begriffe wie Top 10, ‚die Eins‘ und so weiter. Die Begriffe sind rangordnend und können Aufschluss darüber geben, wer populärer als andere ist. Online zugängliche Datenbanken ermöglichen zudem, die thematisierten Erfolge zu überprüfen, was wiederum die Authentizität der Artists stärkt. Rapschaffende stellen also lyrisch aus, dass sie viel Beachtung nachweisen können und ähneln damit der Popularisierung zweiter Ordnung. Zumindest fußen viele ihrer Äußerungen auf Chartlisten und damit auf der Popularisierung zweiter Ordnung.

Hitzler und Niederbachers Merkmale fußen darauf, dass „Szenen ihre Kohäsion aus ästhetisch-stilistischen Gemeinsamkeiten im Hinblick auf einen bestimmten thematischen Fokus beziehen“ (Hiztler/Niederbacher 2010, S. 27). Szenen benötigen einen gemeinsamen Gegenstand, um das Wir-Gefühl hervorrufen zu können – herrschen unterschiedliche Ideale mit Blick auf die ästhetisch-stilistischen Ausgestaltungen, kommt es zu Spaltungen oder letztlich zu einer gänzlichen Differenzierung der bisherigen Szene. Dabei handelt es sich um einen schleichenden Prozess. Die tatsächliche Menge an existierenden Subgenres und Strömungen wird durch den Korpus kaum repräsentiert. Viele Gegenstände sind an jeweils aktuellen Trends orientiert, manche sind die Blaupause für den nächsten Trend. Stile, die weniger Beachtung erhalten, sind daher im Korpus nicht vertreten. Der Begriff ‚Rap‘ ist mittlerweile so divers wie der Begriff ‚Gesang‘ zu verstehen – Gesang verweist auf vollkommen unterschiedliche Möglichkeiten, seine Stimme bewusst tonal einzusetzen. Gesang bezeichnet den Vorgang, in dem die Stimme als Instrument verwendet wird. Mit Gesang wird kein Genre bezeichnet; es wird in vielen Genres gesungen. Rap gilt als Genre, in dem gerappt wird. Rap als Begriff allein gibt jedoch keinen Aufschluss darüber, welche ästhetische und inhaltliche Ausrichtung gegeben ist – es ist lediglich klar, dass es sich um Sprechgesang handelt.

Die qualitative Inhaltsanalyse hat sich als geeignete Methode für das Vorhaben erwiesen. Mit dem deduktiv erstellten Kategoriensystem konnten die meisten Verse der Songtexte detailliert annotiert werden. In Liebesliedern gestaltete sich die Annotation etwas schwieriger, da kein differenziertes Kategoriensystem für Emotionen und Beziehungen angelegt wurde. Trotz dessen konnte im Allgemeinen eruiert werden, welche Rolle Popularität in erfolgreichen Rap-Songs einnimmt. Die erhobenen Daten sind des Weiteren dafür geeignet, andere Phänomene zu untersuchen. Mit der vorliegenden Arbeit wurden lediglich die Aspekte bearbeitet, die für die Fragestellung von Bedeutung sind. Während der Auswertung war es allerdings sehr nützlich, Überschneidungen von vielen verschiedenen Kategorien schnell erkennen zu können. Die qualitative Inhaltsanalyse zeigt, dass Popularität häufig als Element einer autoritären Sprechweise in Erscheinung tritt. Popularität wird oft mit Authentizität vermittelt und anhand von Auszeichnungen oder Rankings empirisch demonstriert. Dies knüpft auch an Äußerungen von Elvir Omerbegovic an: Was sollen die Leute dann machen? Dann bist du einfach am Start.“ (Nejati 2022, 24:03-24:07) – wer Popularität nachweisen kann, wird langfristig anders behandelt. Insbesondere wird durch die Daten deutlich, dass Popularität und Wohlstand in den untersuchten Rap-Texten eng miteinander verknüpft sind. Die Beachtung steigert das Kapital und führt unter Umständen zum sozio-ökonomischen Aufstieg. Popularität ist dann der Zugang zu einem Leben mit finanzieller Freiheit. Narrative dieser Art prägen das Korpus stark und verdeutlichen damit die Bedeutung von Popularität in gegenwärtigen Rap-Texten. Es ist zweitrangig, ob es sich um ‚gute‘ oder ‚schlechte‘ Raps handelt – wer in der Musikindustrie viel beachtet wird, kann langfristig davon leben.

 

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Diskographie[30]

2000

Jan Delay a. k. a. Eissfeldt feat. Dennis Dubplate / Absolute Beginner – Irgendwie, irgendwo, irgendwann – 33

Das Bo – türlich, türlich (sicher, Dicker) – 48

Tic Tac Toe – Isch liebe disch – 63

DJ Tomekk feat. GZA, Curse, Prodigal Sunn & Stieber Twins – Ich lebe für Hip-Hop – 95

 

2001

Samy Deluxe – Weck mich auf – 42

Fettes Brot – Schwule Mädchen – 67

 

2002

Massive Töne – Cruisen – 31

 

2003

Eko Fresh feat. G-Style – Ich bin jung und brauche das Geld – 55

Ferris MC – Zur Erinnerung – 64

ASD – Sneak Preview – 91

 

2004

Die Fantastischen Vier – Troy – 41

Sido – Mein Block – 51

 

2005

Die Firma – Die Eine 2005 – 9

Fettes Brot – Emanuela – 11

Kool Savas & Azad – All 4 One – 46

Fler – NDW 2005 – 49

 

2006

Tic Tac Toe – Spiegel – 51

Eko Fresh feat. Bushido – Gheddo – 96

Rapsoul – Verzweifelt – 98

 

2007

Azad feat. Adel Tawil – Prison Break Anthem (Ich glaub an dich) – 20

Die Fantastischen Vier – Einfach sein – 43

Bushido – Alles Verloren – 60

Die Fantastischen Vier – Ernten was wir säen – 71

 

2008

Peter Fox – Alles neu – 32

Sido – Augen auf / Halt dein Maul – 73

Peter Fox – Haus am See – 83

 

2009

Peter Fox – Haus am See – 17

Frauenarzt & Manny Marc (Die Atzen) – Das geht ab! (Wir feiern die ganze Nacht) – 23

Peter Fox – Schwarz zu blau – 59

Bushido feat. Karel Gott – Für immer jung – 81

Sido – Hey du – 84

 

2010

Frauenarzt & Manny Marc (Die Atzen) – Disco Pogo – 25

Sido feat. Adel Tawil – Der Himmel soll warten – 54

Frauenarzt & Manny Marc (Die Atzen) – Das geht ab! (Wir feiern die ganze Nacht) – 58

Die Fantastischen Vier – Gebt uns ruhig die Schuld – den Rest könnt ihr behalten – 85

Bushido feat. Kay One – Fackeln im Wind 2010 – 86

 

2011

Die Atzen & Nena – Strobo Pop – 76

 

2012

Marteria, Yasha & Miss Platnum – Lila Wolken – 16

Cro – Easy – 19

Cro – Du – 35

Xavas – Schau nicht mehr zurück – 57

Cro – Einmal um die Welt – 65

Max Herre feat. Philipp Poisel – Wolke 7 – 73

 

2013

Sido – Bilder im Kopf – 15

Cro – Whatever – 25

Cro – Einmal um die Welt – 54

Marteria, Yasha & Miss Platnum – Lila Wolken – 72

Alligatoah – Willst du – 83

Sido feat. Mark Forster – Einer dieser Steine – 96

 

2014

Mark Forster feat. Sido – Au revoir – 5

Cro – Traum – 9

Marteria – Kids (2 Finger an den Kopf) – 48

Sido – Liebe – 58

Marteria – OMG! – 72

Cro – Bad Chick – 81

Alligatoah – Willst du – 89

Jan Delay – St. Pauli – 91

 

2015

Sido feat. Andreas Bourani – Astronaut – 6

Cro – Bye Bye – 23

MoTrip feat. Lary – So wie du bist – 27

K.I.Z. feat. Henning May – Hurra die Welt geht unter – 97

Mark Forster feat. Sido – Au revoir – 99

 

2016

Beginner feat. GZUZ & Gentleman – Ahnma – 38

257ers – Holz – 41

Bonez MC & RAF Camora feat. Maxwell – Ohne mein Team – 55

257ers – Holland – 74

Miami Yacine – Kokaina – 87

Sido feat. Andreas Bourani – Astronaut – 97

Bonez MC & RAF Camora feat. GZUZ – Mörder – 98

 

2017

Bausa – Was du Liebe nennst – 8

Bonez MC & RAF Camora feat. Maxwell – Ohne mein Team – 17

Kay One feat. Pietro Lombardi – Senorita – 25

Nimo – Heute mit mir – 31

Cro – Unendlichkeit – 50

RAF Camora – Primo – 65

Rin – Bros – 67

Kay One – Louis Louis – 69

Bonez MC, RAF Camora, GZUZ, Maxwell – Kontrollieren – 71

Capo feat. Nimo – Lambo Diablo GT – 72

Rin – Monica Belluci – 73

187 Strassenbande feat. Bonez MC & GZUZ – Millionär – 77

KC Rebell x Summer Cem – Murcielago – 82

Veysel – Kleiner Carbón – 86

Bonez MC & RAF Camora – Palmen aus Plastik – 89

 

2018

Bausa – Was du Liebe nennst – 3

Olexesh feat. Edin – Magisch – 11

Capital Bra feat. Ufo361 – Neymar – 15

Bonez MC & RAF Camora – 500PS – 16

Summer Cem & Bausa – Casanova – 18

Capital Bra feat. Juju – Melodien – 24

Capital Bra – One Night Stand – 26

Die Fantastischen Vier feat. Clueso – Zusammen – 27

Summer Cem – Tamam Tamam – 43

Rin – Dior 2001 – 50

Azet feat. RAF Camora – Qa bone – 51

Bonez MC & RAF Camora feat. GZUZ – Kokain – 52

Capital Bra – 5 Songs in einer Nacht – 55

Dardan – Facetime – 69

Eno – Mercedes – 70

Bushido feat. Samra & Capital Bra – Für euch alle – 79

Loredana x Mozzik – Bonnie & Clyde – 80

Bonez MC & RAF Camora – Risiko – 81

Capital Bra – Berlin lebt – 88

RAF Camora – Primo – 98

KitschKrieg feat. Trettmann, Gringo, Ufo361 & GZUZ – Standard – 99

 

2019

Apache 207 – Roller – 3

Juju feat. Henning May – Vermissen – 4

Capital Bra x Samra – Tilidin – 9

Samra & Capital Bra – Wieder Lila – 10

Capital Bra x Samra & Lea – 110 – 14

Bonez MC & RAF Camora – 500PS – 17

Capital Bra – Cherry Lady – 21

Apache 207 – 200km/h – 22

Capital Bra – Benzema – 23

Capital Bra – Prinzessa – 24

Bausa – Mary – 26

Mero – Wolke 10 – 29

Sido – Tausend Tattoos – 31

Loredana feat. Mozzik – Eiskalt – 34

Mero – Baller los – 35

Shirin David – Gib ihm – 37

Loredana – Jetzt rufst du an – 40

KC Rebell feat. Summer Cem & Capital Bra – DANN – 42

Apache 207 – Wieso tust Du dir das an? – 43

Summer Cem feat. Capital Bra – Diamonds

Dardan – Coco Mam – 45

Mero – Hobby Hobby – 47

Capital Bra feat. Summer Cem & KC Rebell – Rolex – 50

Sido feat. Apache 207 – 2002 – 52

Shindy – Nautilus – 53

Shindy – Affalterbach – 54

Capital Bra x Samra – Wir ticken – 56

KitschKrieg feat. Trettmann, Gringo, Ufo361 & GZUZ – Standard – 57

Loredana feat. Mero – Kein Plan – 60

Shindy – DODI – 62

Shirin David feat. Matire Gims – On Off – 70

Eno feat. Mero – Ferrari – 71

Luciano – La haine – 72

Samra x Capital Bra – Huracan – 73

Eno – Blackbery Sky – 75

The Cratez & Bonez MC – Honda Civic – 77

Samra x Capital Bra – Zombie – 81

Fero47 – Jaja – 85

Samra – Harami – 87

RIN & Bausa – Keine Liebe – 88

Loredana – Genick – 89

SDP feat. Capital Bra – Viva la Dealer – 91

Summer Cem feat. Luciano – Summer Cem – 92

Apache 207 – Kein Problem – 93

KC Rebell – Alleen – 94

Kontra K feat. Veysel – Blei – 97

Capital Bra x Samra – Nummer 1 – 98

Ufo361 feat. Data Luv – Shot – 99

 

2020

Apache 207 – Roller – 3

Ufo361 – Emotions – 6

Apache 207 – Fame – 10

Pashanim – Airwaves – 12

Apache 207 – Bläulich – 13

Apache 207 – 200km/h – 20

AK Ausserkontrolle x Bonez MC – In meinem Benz – 21

Juju x Loredana – Kein Wort – 24

KitschKrieg feat. Jamule – Unterwegs – 25

Capital Bra x Samra & Lea – 110 – 27

Joker Bra & Vize – Baby – 30

Apache 207 – Boot – 31

Bausa x Joshi Mizu x Maxwell – Skifahren – 38

Bonez MC – Roadrunner – 39

Kayef – Ich würd‘ lügen – 42

Sido feat. Apache 207 – 2002 – 46

RIN – Alien – 47

Fourty – Weisser Rauch – 50

Vize x Joker Bra x Leony – Paradise – 51

Apache 207 – Wieso tust Du dir das an? – 53

Juju feat. Henning May – Vermissen – 54

Capital Bra x Loredana – Nicht verdient – 57

Lea & Capital Bra – 7 Stunden – 59

Capital Bra x Clueso x KC Rebell – Andere Welt – 60

Bonez MC – Big Body Benz – 61

Miksu, Macloud, Summer Cem, Luciano, Jamule – XXL – 62

Capital Bra x Cro – Frühstück in Paris – 64

Samra – Colt – 67

Bausa x Juju – 2012 – 70

Apache 207 – Unterwegs – 71

RIN & Bausa – Keine Liebe – 73

Bonez MC – Angeklagt – 75

Samra x Elif – Zu Ende – 77

KC Rebell x Summer Cem – Fly – 80

Kool Savas x Ales – AMG – 81

Dardan & Monet192 – H <3 T E L – 83

Céline [DE] – Tränen aus Kajal – 84

Samra – Weiss – 85

Apache 207 – Matrix – 92

Kontra K feat. Samra – Tiefschwarz – 94

Bonez MC – Fuckst mich nur ab – 95

Apache 207 – Doch in der Nacht – 98

 

2021

Bausa feat. Apache 207 – Madonna – 11

Pashanim – Sommergewitter – 16

Montez – Auf & ab – 17

Kasimir1441 x Badmómzjay – Ohne Dich – 18

RAF Camora feat. Bonez MC – Blaues Licht – 27

Apache 207 – Roller – 30

Jamule – Liege wieder wach – 36

Shirin David – Ich darf das – 39

Miksu, Macloud, Jamule, Nimo – Frag mich nicht – 41

Samra x Topic42 – Lost – 53

Shirin David – Lieben wir – 56

187 Strassenbande / Bonez x Frauenarzt – Extasy – 63

01099 – Gustav, Zachi – Durstlöscher – 64

Apache 207 – Angst – 72

Santos x Sido x Samra – Leere Hände – 80

RAF Camora x Juju – Wenn du mich siehst – 81

01099 – Gustav – Frisch – 83

Luciano – Schmetterling – 84

RAF Camora feat. Luciano – 2CB – 87

Cro feat. Capital Bra – Blessed – 93

Vize x Joker Bra x Leony – Paradise – 94

 

2022

Luciano – Beautiful Girl – 3

Miksu, Macloud & T-Low – Sehnsucht – 8

Nina Chuba – Wildberry Lillet – 10

Miksu, Macloud & Makko – Nachts wach – 12

Ion Miles, SiraOne, BHZ – Powerade – 15

Montez – Auf & ab – 19

Domiziana – Ohne Benzin – 22

T-Low & Miksu, Macloud – We made It – 29

Sido – Mit Dir – 33

Kummer feat. Fred Rabe – Der letzte Song (Alles wird gut) – 36

Luciano x Aitch x Bia – Bamba – 37

Kontra K feat. Sido & Leony – Follow – 42

Pafel – 10von10 – 44

Peter Fox feat. Inéz – Zukunft Pink – 53

Pashanim – Sommergewitter – 54

RAF Camora feat. Bonez MC – Blaues Licht – 55

Apache 207 – Roller – 64

GZUZ – Späti – 80

Pashanim – Paris Freestyle – 92

Bonez MC & RAF Camora – Letztes Mal – 96

Bonez MC & RAF Camora – Sommer – 97

 

2023

Udo Lindenberg & Apache 207 – Komet – 1

Nina Chuba – Wildberry Lillet – 4

Peter Fox feat. Inéz – Zukunft Pink – 6

Miksu, Macloud & Makko – Nachts wach – 7

SIRA, Badchieff, Bausa – 9 bis 9 – 8

Yung Yury & Damn Yury – Tabu. – 9

Ski Aggu, Joost & Otto Waalkes – Friesenjung – 12

Apache 207 – Breaking Your Heart – 14

Nina Chuba – Mangos mit Chili – 15

Luciano x Aitch x Bia – Bamba – 22

Apache 207 – Roller – 26

RAF Camora / Luciano – All Night – 30

Ski Aggu, Endzone & Ericson – Party Sahne – 31

01099 – Paul & Ski Aggu – Anders – 34

Ayliva – Weißes Haus – 35

Nina Chuba & Chapo102 – Ich hass dich – 36

Apache 207 – Neunzig – 41

Ayliva – In deinen Armen – 42

Ayliva – Hässlich – 44

Pashanim – Ms. Jackson – 45

Finch x Tream – Liebe auf der Rückbank – 47

Apache 207 – Wenn das so bleibt – 52

Kontra K – Summertime – 54

HoodBlaq – Pass auf – 59

Ski Aggu & SIRA – Mietfrei – 63

Ion Miles, SiraOne, BHZ – Powerade – 70

Luciano – Beautiful Girl – 77

Ayliva – Bei Nacht – 79

Miksu, Macloud & T-Low – Sehnsucht – 80

Nina Chuba – Glatteis – 81

Badmózjay & Domiziana – Auf die Party – 86

Montez – Auf & ab – 95

 

Anmerkungen

[1] Innerhalb der Arbeit wird abseits von neutralen Begriffen wie ‚Rapschaffenden‘ das generische Maskulinum verwendet, dies soll allerdings keine Personengruppe exkludieren.

[2] Ein Rapschaffender, dem bereits seit mehr als einer Dekade Ghostwriting unterstellt wird, ist Bushido. Teilweise sollen Eko Fresh oder Kay One für die Konzeption der Songtexte zuständig gewesen sein, eine entsprechende Bestätigung seitens Bushido gab es lange Zeit nicht. Erst im Zuge des 2012er Albums „am=yf²“ wird mit MoTrip zum ersten Mal ein anderer Textverfasser offiziell in die Credits der Veröffentlichung aufgenommen (vgl. Discogs [o.A.] 2024).

[3] Beispiele für offen kommuniziertes kollaboratives Schreiben sind die Werke von Shirin David und Laas Unlimited, Badmomzjay und Takt32 oder Cro und Fabian Römer sowie Chima Ede. Alle erwähnten Rapschaffenden sind kommerziell erfolgreich.

[4] Exemplarisch sei dafür auf die bundesweit agierende Initiative Pop verwiesen. Zugleich existieren Subventionen auf Landesebene wie Create Music NRW.

[5] Hierbei muss allerdings berücksichtigt werden, dass einige Zeitdokumente existieren, welche die bisher etablierte Geschichtsschreibung als äußerst subjektiv entlarven. Zentrale Personen, die nachweislich in der damaligen Szene agiert haben, werden in den niedergeschriebenen Historien nicht berücksichtigt – das gilt auch für die beiden erwähnten Werke. Belege für die erwähnte Auslassung sind beispielsweise auf dem Instagram-Account von Mansha Friedrich zu finden. Die Künstlerin hat dort Fotos, Veranstaltungsflyer, Plakate, Pressetexte und weiteres Archivmaterial veröffentlicht. In den jeweiligen Beitragstexten äußert sich Friedrich dazu, wie sie die Entwicklung in den 1980ern sowie 1990ern Jahren wahrgenommen hat. Die von ihr vermittelte Perspektive zeigt beispielsweise auf, dass sie und weitere Personen bereits mehrere Jahre vor Torch und seiner Formation Advanced Chemistry aktiv am Programm von HipHop-Veranstaltungen mitgewirkt haben. Durch den Umstand, dass Mansha Friedrich weder im Werk von Wehn und Bortot noch in dem selbsternannten Standardwerk von Verlan und Loh entsprechend ihres Wirkens Erwähnung findet, bestehen Zweifel daran, inwiefern die erwähnten Pioniere im erwähnten Zeitraum wirklich als solche gelten können. Rein wirtschaftlich betrachtet lässt sich allerdings nicht abstreiten, dass beispielsweise Torch zu einem sehr frühen Zeitpunkt seine Kunst erfolgreich kommerzialisiert hat. Eine kritisch reflektierte Ergründung der 1980er und 1990er Jahre wäre insgesamt notwendig, kann jedoch nicht beiläufig in diesem Teilkapitel erfolgen und eignet sich eher als dediziertes Forschungsvorhaben. Auch wenn das Wirken von einzelnen Akteuren sowie die Vollständigkeit der Geschichtsschreibungen in Frage gestellt werden sollte, lassen sich dieser wichtige Verlaufskurven und Paradigmenwechsel entnehmen, die als valide bewertet werden können.

[6] Bushido trennte sich bereits im Jahre 2006 von Aggro Berlin und gründete sein eigenes Label ersguterjunge in Kooperation mit Sony Music.

[7] Auf der Battle-Plattform waren unter anderem die Rapschaffenden Casper, Juju, Cro, Kollegah, Sun Diego, Fabian Römer und die Mitglieder der Crew K.I.Z aktiv.

[8] Exemplarisch sei Tuas 2008er Album Grau genannt, das unter anderem Elemente von Drum and Bass und anderen Genres elektronischer Tanzmusik vorweisen kann.

[9] Rapschaffende wie Haftbefehl, Ufo361, Kummer, Die Orsons, Celo & Abdi, K.I.Z., RAF Camora, Summer Cem, PA Sports, 257ers, Capo oder MoTrip waren vor ihren großen kommerziellen Erfolgen mit eigenen Episoden vertreten und konnten durch die Teilnahme ihre Bekanntheit steigern. Rapschaffende wie Kool Savas, Eko Fresh, Jan Delay oder Die Atzen waren zum Zeitpunkt ihrer Episoden bereits kommerziell erfolgreich.

[10] Die Plattform rappers.in bot die Möglichkeit, eigene Songs und Beats kostenfrei zu veröffentlichen und optional zum Download anzubieten. rappers.in war zudem der Veranstalter des Videobattleturniers (VBT), das von 2007 bis 2018 stattfand. Nachdem das Turnier im Jahre 2011 für Aufmerksamkeit abseits der eigenen Community sorgen konnte, wurden zusätzliche splash!-Editions ausgetragen, bei denen der Sieger einen Auftritt auf dem Hip-Hop-Festival gewinnen konnte. Von 2008 bis 2011 agierte rappers.in zusätzlich als Label und vertrieb die ersten Alben des Rapschaffenden Alligatoah, der seit 2013 kommerziell erfolgreich ist.

[11] Die Informationen sind dem Korpus zu entnehmen.

[12] Die originale Pressemitteilung ist nicht mehr auf der Webseite von Media Control zu finden.

[13] Im Kontext des Szenebegriffs handelt es sich dabei um Organisationseliten.

[14] Die Bässe im Trap (808s genannt) werden als stark wahrgenommen, da sie beispielsweise durch die Bearbeitung mit Saturation (Sättigung) über Frequenzen oberhalb vom Sub- und Bass-Bereich verfügen. Saturation generiert basierend auf dem Ausgangssignal Harmonien dritter, fünfter und siebter Ordnung, sodass Töne in den Mitten und Höhen entstehen. Hierdurch ist der Bass beispielsweise auch auf einem Handylautsprecher deutlich zu hören (vgl. bspw. Martinovich 2022).

[15] Im August 2024 sind es knapp zwei Millionen.

[16] Twitter- und Instagram-User Clorona114 sammelte in seiner Reihe ‚Deutschrap ist fresher denn je‘ rund 50 Beispiele dafür, wie Rapschaffende aus Deutschland sich an kommerziell erfolgreichen Songs aus anderen Sprachräumen bedient haben und oft die vollständigen Flow- und Melodien-Pattern übernommen haben (vgl. Herzog 2020).

[17] UK-Drill ist eine lokale Einfärbung des Chicago-Drills, die sich durch ästhetische Feinheiten im Produktionsstil von ihrem Vorbild unterscheidet. Da im deutschsprachigen Raum vorwiegend Beats nach dem Konzept von UK-Drill verwendet werden, wird der Chicago-Drill nicht näher besprochen. Wenn also von Drill-Beats gesprochen wird, ist damit die Variante aus dem Vereinigten Königreich gemeint.

[18] Produzenten nennen diese Bässe 808-Glides oder -Slides.

[19] Die Beispiele beziehen sich auf Songs aus dem analysierten Korpus. Konkret gemeint sind ‚Ich hass dich‘ (Nina Chuba & Chapo102) und ‚Für den Himmel durch die Hölle‘ (Kontra K).

[20] Ski Aggu präsentiert sich im Februar 2024 auf TikTok mit seinem #1-Singleaward für den Song ‚zornig‘ und hält dabei einen Zettel mit folgender Aufschrift hoch: „Diese #1 dient nur zur Promo für Song ‚schwarzer toyota‘ der nächsten freitag [sic!] kommt“. Dies ist ein interessantes Beispiel dafür, wie Rapschaffende ihre Popularität ausstellen und sich darüber im Klaren sind, dass dies einen Werbeeffekt hat.

[21] HipHop.de berichtet selten oder gar nicht über Themen abseits von Rap. Zwar verfügt das Online-Magazin über den Reiter ‚Culture‘, in welchem die Kategorien ‚Graffiti‘ und ‚Tanz‘ existieren, allerdings werden nur sehr wenige Artikel hierzu veröffentlicht. ‚Filme & Serien‘, ‚Technik‘ und ‚Fashion‘ zählt HipHop.de ebenfalls zur Kultur mit einer eigenen Kategorie im Culture-Reiter. Veröffentlichungen im Bereich ‚Graffiti‘ thematisieren meistens Rapschaffende, die beiläufig den Begriff Graffiti verwendet haben oder den Streetart-Künstler Banksy, der sich überhaupt nicht an der Graffiti-Stilistik des Hip-Hops bedient. Ähnlich gestaltet es sich im Bereich „Tanz“: eine wirkliche Berichterstattung über Breakdance findet abseits von Artikeln über Red Bull Veranstaltungen nicht statt. Im Format ‚Culture Call‘ werden telefonische (‚call‘) Interviews über HipHop (die ‚culture‘) geführt. Ein Redakteur ruft bei einem Rapschaffenden an und führt ein Interview, welches in der Regel vollständig aufgezeichnet wird. Im Juni 2023 wird eine Ausgabe mit Kool Savas, der als „Liebling der HipHop.de Community“ vorgestellt wird, veröffentlicht. Im Gespräch geht es darum, wie Savas seine letzte Tour wahrgenommen hat, wie er zu Rap gekommen ist und wie er das Verhältnis zu seinem Sohn wahrnimmt, insbesondere vor dem Hintergrund, dass er der Sohn eines erfolgreichen Rappers ist. Die Aufzählung der besprochenen Inhalte zeigt, dass lediglich das Hip-Hop Element Rap beachtet wird – andere Teile der Kultur werden nicht thematisiert (vgl. Ebenger 2023).

[22] Streaminganbieter wie Deezer und Tidal haben bereits Alben veröffentlicht, die exklusiv (oder für eine bestimmte Zeit exklusiv) auf ihrer Plattform zu streamen sind. Setzen sich Entwicklungen dieser Art fort, ist langfristig mit einer Spaltung der Nutzerschaft zu rechnen. Ein solcher Ablauf ließ sich bereits in der Film- und Serienbranche beobachten, nachdem Disney Plus viele Lizenzen erworben hatte, deren Veröffentlichungsrecht zuvor bei Netflix lag. Seitdem die Medien nicht mehr gesammelt bei einem Anbieter angeboten werden, gewinnen illegale Streams und Downloads wieder an Popularität. Eine solche Entwicklung schwächt die einzelnen Streaminganbieter enorm, da die Nutzenden durch ein geteiltes Angebot möglicherweise nicht mehr das erhalten, wofür sie ursprünglich ihr Abonnement abgeschlossen haben (vgl. dazu auch Derr 2021, S. 33).

[23] Dieser Wert ist für Spotify noch aktuell.

[24] Ein Song mit einer Spiellänge von zwei Minuten kann innerhalb von 60 Minuten 30-mal gestreamt werden. Songs, die eine Spieldauer von vier Minuten haben, können bei der vollständigen Wiedergabe lediglich 15-mal gehört werden. Die doppelte Länge kann also potenziell die Anzahl der Streams halbieren.

[25] Aus Perspektive des digitalen Musikvertriebs ist TikTok ein eigener Store, der beliefert werden kann. Diese Möglichkeit ist auch bei Instagram bzw. den Meta-Diensten der Fall. Die Plattformen haben daher gewisse Funktionen eines Streaminganbieters, allerdings unterscheiden sie sich dahingehend, dass die angebotene Musik lediglich ein einzelnes Element des vielfältigen Angebots ist. Dedizierte Streaminganbieter wie Spotify haben ihr Angebot hingegen um die Musik herum konstruiert und ermöglichen beispielsweise über die Canvas-Funktion das Einbetten visueller Snippets. Damit wird eine Möglichkeit der Social-Dienste adaptiert.

[26] media control führt weiterhin eigene Listen, die für diese Arbeit jedoch keine Rolle spielen.

[27] Was als „signifikante Menge“ oder „repräsentatives Angebot an Neuheiten“ gilt, wird nicht erläutert.

[28] Da Cannabis erst seit dem 01.04.2024 in Deutschland nicht mehr als Betäubungsmittel gelistet ist und der untersuchte Korpus nur bis 2023 reicht, gilt innerhalb der Untersuchung der ehemalige Rechtsstatus.

[29] Die verwendeten Zitate sind lediglich ein Teil der Belege, um die Varianten zu erörtern. Im Datensatz liegen noch weitere Segmente zu den jeweiligen Spielarten vor.

[30] Die beistehende Zahl bezeichnet die Platzierung in den Jahrescharts.

 

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