Identitätspolitik
von Paula-Irene Villa Braslavsky
7.6.2022

Repräsentationsverhandlungen in der Popkultur

[aus: »Pop. Kultur und Kritik«, Heft 16, Frühling 2020, S. 70-76]

Armut, ›Race‹, Alter, Liebe, Party, Polizeiwillkür – das sind die explosiven Zutaten in Spike Lees Filmklassiker »Do the Right Thing« aus dem Jahr 1989. Als Bugginʼ Out, einer der Freunde von Mookie, der Hauptfigur, und wie dieser ein Afroamerikaner ohne viel Geld, in der Pizzeria Sal’s etwas bestellt, fällt sein Blick auf die Fotos an der Wand. Alles erfolgreiche Sportler, Sängerinnen und Schauspielerinnen, Entertainer, Geschäftsleute. Alle Italoamerikaner: Robert de Niro, Liza Minnelli, Luciano Pavarotti, Al Pacino. Die ›wall of fame‹ ist weiß, europäisch. Bugginʼ Out beschwert sich lautstark, er verlangt, Sal solle in seiner Pizzeria schwarze ›Celebrities‹ ausstellen. Sal kontert: ›Besorg Dir Deinen eigenen Laden, da kannst Du machen, was Du willst, deine ganze Sippschaft an die Wand hängen. Aber das hier ist mein Laden, italian-americans only on the wall‹. Bugginʼ Out erwidert: Da die Pizzeria überhaupt nur vom Geld der Schwarzen in der Nachbarschaft lebe, hätten sie, die zahlenden Schwarzen aus Bedford-Stuyvesant, doch das Recht auf »fame«, auf Sichtbarkeit und Anerkennung. Kapitalismus ›in a nutshell‹: »So, since we spend much money here, we do have some sayinʼ. Boom!« Die Situation verschärft sich, Bugginʼ Out fordert einen Boykott, aber auch diese Eskalation wird wie so oft von Mookie vorläufig befriedet. Der Konflikt jedoch schwelt, wie alle Konflikte im Film, weiter.

An diesem Film ist bereits vieles diskutiert worden, und es gibt an ihm viel zu lernen über die 1980er Jahre in den USA, aber auch über die urbane Gegenwart über die Region hinaus. Die Szene bei Sal’s mit der Auseinandersetzung um die ›wall of fame‹ zeigt emblematisch die Verklammerung dessen, was heute gegeneinander auszuspielen Konjunktur hat: Repräsentation und Reichtum, Sichtbarkeit und soziale Verhältnisse, Kapitalismus und Kultur. Tatsächlich bilden diese einen unauflösbaren gesellschaftlichen Zusammenhang. Mag dieser auch komplexer sein, als die knappe Filmsituation es darstellt, so macht die Szene unmissverständlich klar: ›In social struggles representation and identity matter. A lot.‹

Identität und Repräsentation sowie die Debatten drumherum erzählen uns etwas über das Selbstverständnis einer Gesellschaft, über die rhetorischen und sichtbaren Selbst-Behauptungen der Menschen in diesen Gesellschaften. Sie erzählen auch davon, wie Identität und Repräsentation von Macht- und Herrschaftsverhältnissen durchdrungen sind und als deren Symptome verstanden werden können, ohne völlig miteinander zu verschmelzen. Anders gesagt: Sichtbarkeit ist Ausdruck von Herrschaft. Was sich als Identität erzählt, ist in materielle, soziale Positionen eingelassen und wird zugleich von ihnen hervorgebracht. Aber dies geschieht auf komplexe und nicht etwa auf mimetische Art und Weise. Soziale Positionierung und Identität sind nicht identisch.

Genau hiervon kann Popkultur ein langes Lied singen. Dieses Lied ist wesentlich vielstimmiger, als es so mancher Feuilletonist oder so manche Kommentatorin hören will. Popkultur ist ein Feld – womöglich das Feld –, auf dem Identitäts- und Repräsentationsverhandlungen in der Moderne besonders intensiv und mit besonderer affektiver Wucht erfahrbar und wichtig werden. Drag, Ironie, Camp sowie Empowerment und strategischer oder naiver Essentialismus – die Inszenierung und kreative Variation der Konventionen von Gender, ›Race‹, Alter, Sexualität, sozialer Klasse…, von Differenzverhältnissen also –, das ist die Textur von Pop.

Nicht nur wären Superstars wie David Bowie, Queen, Madonna, Prince oder Lady Gaga nicht vorstellbar ohne die manchmal grenzüber- oder unterschreitenden, immer aber grenzwertigen, also liminalen, Inszenierungen von Differenzen wie Geschlecht, Sexualität, ›Race‹, Alter. Auch und gerade aktueller Pop ist sogar im Mainstream queer. Sei dies in Form einer Verqueerung von Genrekonventionen, wie sie Lil Nas X in seinem Überraschungserfolg »Old Town Road« 2019 vorführte – ist das noch Country oder schon Rap? –, die nicht nur durch die Hybridisierung von Markern der Genre-Identitäten erfolgte, sondern auch in Bezug auf ›Race‹ und Raumzeit; der Clip evoziert einen afrofuturistischen Country. Oder sei dies die intensive Diskussion von Leitfiguren und deren Verkörperungen in Serien und Filmen. Eine weibliche Jane Bond? Eine cis-weibliche Schauspielerin als Trans-Figur? ›White‹- oder ›yellowfacing‹ in Hollywood, die Verkörperung asiatischer Rollen durch weiße Menschen (etwa Scarlett Johansson in »Ghost in the Shell«)? Ist ein Liebesfilm mit einem lesbischen Paar, etwa »Carol« (2015), eine allgemeine Love-Story – oder darf/muss der Film, als ›different‹ markiert, das verwegene Andere sein, eingehegt in eine (angeblich) partikulare Parzelle? Für wen ist der heterosexuelle Normalfilm denn normal? Wie normal sind »Schwule Mädchen« (Fettes Brot, 2001)? Was ist eigentlich besonders daran, dass wohlsituierte Bürgerjungs sich als Alpha-Bosse des Gangstarap stilisieren?  Differenzverhältnisse sind die Textur des Pop, der dann besonders gut funktioniert, wenn Differenz- und Identitätskonventionen zugleich affirmiert und subvertiert werden.

Umso erstaunlicher, wie stark derzeit von dieser reichen Geschichte abgesehen und der Untergang des kritischen Abendlandes beschworen wird, der angeblich aus den gegenwärtigen Identity Politics und ›Kulturkämpfen‹ unweigerlich folge. Eine Formulierung der Redakteurin Mariam Lau (»Zeit«, 25.07.2019) bringt dieses Raunen auf den Punkt: Es komme fatalerweise immer mehr darauf an, wer spreche – und nicht darauf, was gesagt werde. Personen und Identitäten mit ihren gefühligen Überempfindlichkeiten also, wo doch nur Inhalt und sachliches Argument sein sollten. Überall nun Frauen, Transgender, People of Color, Migrant*innen, Sternchen, Unterstriche, neue Pronomen und weitere penetrante Marotten – wo doch die poetische Originalität, die Kraft des Buches, das schauspielerische Talent, die künstlerische Performance, das Argument, die professionelle Expertise gelten sollten.

Aber stimmt das? Finden wir statt universaler Kriterien überall ›nur noch‹ partikulare Identitäten vor? Und wenn es stimmte, was genau wäre daran aus welchen Gründen zu kritisieren? Worum geht es eigentlich bei diesem Raunen im Feuilleton, das vor den Auswüchsen eines postmodernen Kulturrelativismus im Gewand identitärer Fixierungen warnt?

Neu ist die Warnung vor der Identitätspolitik insofern nicht, als sie die Selbstverständigungsprozesse der gegenwärtigen Gesellschaften, insbesondere im ›Global North‹, seit Dekaden begleitet. Eigentlich ist die Warnung vor ›zu viel‹ Identität im öffentlichen Raum so alt wie die Moderne selbst. Die warnende Gleichung geht so: Jene Artikulation im öffentlichen Raum, die aus einer spezifischen Betroffenheit heraus erfolge, etwa als Geschlecht, als jüdischer Mensch, als Schwarzer oder Proletarierin, sei zwangsläufig so partikular wie identitär. Sie ignoriere nicht nur das Universale, sondern unterhöhle es sogar. Daher seien partikularistisch fundierte Ansprüche, etwa auf Rechte, auf Sichtbarkeit und Anerkennung oder auf materielle Teilhabe anti-modern, rückschrittlich, gar reaktionär. Wo alle Menschen gleich sind, was soll da das Insistieren auf die Anerkennung als Schwuler, als Frau, als Transgender? Diese Formen des So-Seins oder bestimmter Praxen müssten allenfalls als Privatangelegenheiten, persönliche Vorlieben oder körperliche Triebe, Tatsachen, Themen angesehen werden, keineswegs aber als Politikum.

Das sehen nicht nur viele liberal-konservative Akteure im politischen Spektrum so, sondern es beherrschte z.B. lange auch die verklemmte Politik des ›don’t ask, don’t tell‹ beim US-amerikanischen Militär und bildet gegenwärtig die Ansicht etwa der »Schwulen in der AfD«. So kann eine ausdrücklich anti-feministische, illiberale, dem Anti-Gender-Diskurs verschriebene Partei wie die AfD eine Vorsitzende haben, die lesbisch lebt, mit einer nicht-deutschen bzw. nicht-schweizerischen Partnerin und einem Kind – das sei Alice Weidels Privatsache, kein Thema für und von Politik. Auch in dieser Hinsicht befindet sich die AfD in bester bürgerlicher Gesellschaft und ihrer Maxime: Es gibt Menschen, und ihre Unterschiede – kultureller oder sonstiger Art – sind entweder irrelevante Privatsache oder unverhandelbare eindeutige Essenz und entsprechend in politisch eindeutiger Form zu halten.

Identität meint aber keineswegs nur das Identische. Diese Beobachtung führt zu einem wichtigen, nur scheinbar trivialen Aspekt von ›Identität‹. Denn was auch immer der Begriff in empirischen Kontexten zu meinen scheint, der Identität wird Identität als Identisch-Sein unterstellt, als Übereinstimmung, als Gleich-Sein, als Angebot zur Kollektivierung, d.h. der Identifikation des Einzelnen mit sich und mit einem Kollektiv der Gleichen – der Jude als Teil der Juden, die Frau als Teil der Frauen, die Deutsche als Teil der Deutschen. Daraus ergeben sich mindestens zwei Fragen. Zunächst: Gibt es eine solche personale, individuelle Identität? Sind wir mit uns in Übereinstimmung, sind wir mit uns jeweils identisch? Zweitens, wenn etwa von personaler oder Gruppen-Identität gesprochen wird, gibt es diese nur als solch eine Form von Gleich-Sein, als Übereinstimmung? Ich würde beides verneinen. Und ich behaupte deshalb, dass beide Vorstellungen – dass wir mit uns identisch seien und Angehörige von spezifischen Gruppen via Identitätsmarkern mit der Gruppe identisch würden – jene interessanteren und vielleicht notwendigen Debatten verhindern, die auch eine Kritik an der Identitätspolitik beinhalteten.

Zunächst also zur Frage, was verhandelt wird in den berüchtigten und ominösen ›identity politics‹ – jenseits einer klaren Definition dessen, was ›eigentlich‹ diese ›identities‹ wären oder sein sollten. Denn zunächst ist zu konstatieren, dass dort, wo dieses Label genutzt wird, offenbar eine Art von Politik gemeint ist, die auf Gruppenidentitäten oder individuellen Identitäten basiert. Forderungen nach Rechten, Sichtbarkeiten, Anerkennung, Chancen werden auf der Basis eines bestimmten ›wer‹ formuliert, nicht auf der Grundlage eines universalen Allgemeinen. Vielmehr artikuliert sich ein ›wir‹ als Juden, ›wir‹ als People of Color, ›wir‹ als Transgender, ›wir‹ als Frauen, ›wir‹ als Schwule, usw. Demgegenüber versteht sich die moderne, aufklärerische, an Menschenrechten orientierte politische Kultur  als universalistisch – sie unterstellt allen Menschen dieselbe Menschlichkeit, dieselbe Würde und Freiheit. Auch die Überwindung von Diskriminierung oder Missachtung hätte sich an diese Allgemeinheit, an das universalistische und universalisierende Gebot halten.

Eine soziologische, historisch informierte Analyse belegt nun aber, dass die Praxis des Universalisierens selbst keineswegs das ist, wofür sie sich hält, und in diesem ideologischen Moment sowohl ihr Versprechen wie das Scheitern liegt. Universalismus ist eine moderne Realfiktion, die sich an der empirischen Wirklichkeit immer noch gebrochen hat. Das lange 19. Jahrhundert wie auch das 20. Jahrhundert waren maßgeblich geprägt von biopolitisch relevanten Naturalisierungen der Differenzierungen des Lebendigen, die nun im 21. Jahrhundert sowohl fortdauern als auch wissenschaftlicher wie politischer Kritik ausgesetzt sind. Die Unterscheidungen zwischen unterschiedlichen Lebewesen und insbesondere zwischen verschiedenen Menschengruppen wurden sehr lange naturalisiert – und zwar in einem naiven naturwissenschaftlichen, szientistischen Horizont und Sinne. Die Semantik des Universalismus hat ihren Teil dazu beigetragen, zu verdecken, dass diese Naturalisierungen – und mit ihnen verbunden materielle Vor- und Nachteile für spezifische Gruppen – durch ihn keinesfalls aufgehoben wurden. Deshalb ist es verständlich, wenn der politische Aktivismus im 21. Jahrhundert solch wirkmächtige Unterscheidungen wiederentdeckt und ›re-claimt‹.

Wieso also besteht Bugginʼ Out in Sal’s Pizzeria darauf, ›black people‹ auf der ›wall of fame‹ sehen zu wollen – was ist daran wichtig und worum geht es? Im Kern darum, dass die Zugehörigkeit zu einer Gruppe politisch, ökonomisch, kulturell insofern von Bedeutung ist, als mit der Gruppenzugehörigkeit spezifische Erfahrungen und Lebenswirklichkeiten einhergehen. Als Frau in der Welt zu leben, als Schwarzer, als Jüdin oder Migrant, das macht abseits der formalen Universalismen einen wesentlichen Unterschied – ob dies gewollt ist oder nicht, bewusst wahrgenommen wird oder nicht. Wer in gewisser Weise positioniert ist/wird, dessen Erfahrungen hängen mehr oder weniger, aber immer in irgendeiner Weise, mit dieser Positionierung zusammen. So ist z.B. die Lebenserwartung schwarzer Menschen in den USA deutlich geringer als die weißer Menschen, so liegt z.B. das durchschnittliche Einkommen von Frauen weltweit signifikant niedriger als das von Männern.

›Der Mensch‹ der Moderne lebt in durch Herrschaft hervorgebrachten Differenz-Verhältnissen, die jeden Menschen im sozialen Raum positionieren. Soziale Positionen bilden den Erfahrungsmittelpunkt eines jeden Menschen. Soziale Positionierungen bestimmen jedoch keineswegs automatisch eine spezifische inhaltliche, ästhetische, politische oder sonstige Position. Wer das meint, betreibt eine Form des ›positionalen Fundamentalismus‹, die hoch problematisch ist. Denn als jüdisch, weiblich, queer, arm, weiß usw. positioniert zu sein heißt zwar in gewisser Weise, dies auch zu ›sein‹, z.B. als eine arme jüdische Frau in einer spezifischen Gesellschaft. Aber was genau dieses ›Sein‹ ist, bleibt eine offene Frage. Soziale Positioniertheit ergibt nicht zwangsläufig eine ›Identitätsposition‹. Das wird nicht selten verkannt, und darum ergibt die Kritik an ›identity politics‹ an dieser Stelle durchaus Sinn.

Aber deshalb wird ›identity‹ und auch deren Politisierung keineswegs sinnlos. Denn im Kern beruht dies auf zwei miteinander zusammenhängenden Mechanismen: Erstens auf der Konstitution von markierten Gruppen und als von Gruppenzugehörigkeit markierten Personen. Es gibt demnach durch Differenz markierte Gruppen: ›Wilde‹, Sklaven, ›Neger‹, Frauen, Juden, ›Perverse‹, ›Behinderte‹ usw. Wer zu einer solchen Gruppe gehört, steht, so die im Prinzip kontingente, aber faktisch wirksame Logik, für diese Gruppe, wird also gesellschaftlich (vielfach auch rechtlich) wahrgenommen und ›sortiert‹: nicht als z.B. jüdischer Mensch oder schwuler Mensch, sondern als ›der Jude‹, ›der Schwule‹. Diese Logik der ›Versämtlichung‹ und des ›Gruppismus‹ ist Teil der Moderne, sie ist keinesfalls neu oder ein Ausdruck zufälligen Zeitgeists. Vielmehr beruht moderne Sozialität auf solchen Typologisierungen, aus verschiedenen Gründen. Nicht jede solcher Gruppenzugehörigkeiten muss strukturelle Folgen für die Personen und ihre Rechte oder Anerkennung im Sozialen besitzen (schließlich gibt es auch die Blonden oder die Münchnerinnen, die Städter und die Feuerwehrleute). Nicht jede Gruppenzugehörigkeit ist ein Risiko oder ein Problem, und nicht jedwede Gruppenzugehörigkeit ist überhaupt folgenreich. Aber manche schon, und dies sehr. Denn vielfach wurden und werden Gruppen in der Moderne auf eine Weise konstituiert, die den zweiten relevanten Mechanismus ausmacht: durch Naturalisierung. Naturalisierte Gruppen sind solche, denen eine von Natur aus distinkte Form unterstellt wird. ›Frauen‹ und ›Wilde‹, ›Behinderte‹, ›Neger‹, ›Perverse‹ oder ›Juden‹ – hier allesamt in Anführungszeichen gesetzt, um deren Uneigentlichkeit zu markieren und deren Gruppenform als Ontologie zu betonen – sind Gruppen, deren Gruppenhaftigkeit zum Teil bis heute von Natur aus gegeben scheint. Das macht sie besonders, und diese Besonderung ist besonders folgenreich.

›Identity politics‹ sind in der Gegenwart so virulent, weil Öffentlichkeit, Märkte, Praxen, Medien usw. nicht mehr eine Identität voraussetzen, sondern diese reflexiv zum Thema machen. Entscheidend ist dabei, sich gegen die weit verbreitete Gleichung ›soziale Position = inhaltliche Position‹ zu verwahren, ebenso gegen die Abwehr von Erfahrung, Betroffenheit und von Positionalität als Element ethischer und politischer Artikulationen. In beider Hinsicht gilt, es sich nicht zu einfach zu machen, denn die Wirklichkeiten sind es nicht. ›Identity‹ und ›identity politics‹ sind vielmehr Formen, Modi und Möglichkeiten, sich mit der eigenen Positioniertheit auseinanderzusetzen. Es gibt viele Formen der ›Jewishness‹, viele Formen von Weiß-Sein oder Mann-Sein. Niemand verfügt über diese Formen für sich allein, denn solche Positionierungen sind mit einer Fülle an Normen und Erwartungen, historischen Trägheiten und kulturellen Texturen verbunden, die uns alle immer schon prägen, bevor wir ihrer gewahr werden. So lässt sich eben nicht autonom bestimmen, wer man ist, welche Art von Identität eine*r jeweils ›hat‹ – weil Identität nicht gehabt wird, sondern etwas Dynamisches zwischen Person und Welt ist. Deshalb lässt sich ebenso wenig behaupten, ›die Gesellschaft‹, ›die Kultur‹, ›die Gruppe‹, ›die soziale Position‹ bilde die ganze Wahrheit einer Identität oder einer politisch relevanten Zugehörigkeit. Auch hier gilt: politisch maßgeblich wird sein, was zwischen dem sozialen Differenzgefüge und der Person entsteht.

Dafür bietet Pop sehr viele Bilder, Affekte und Erlebnisräume. Wer den Film »Do the Right Thing« kennt, weiß, dass Mookie es sich erst zum Schluss erlaubt, seiner Wut und Frustration freien Lauf zu lassen; es kommt zum Ausbruch, dem eine vorübergehende Stille folgt. Mookie ›does the right thing‹. Oder auch nicht. Letztlich lässt der Film durchgängig offen, was das Richtige wäre. Er wirft Fragen auf, inszeniert Ambivalenzen und Verstrickungen, löst nichts in Wohlgefallen auf. Spaß und Lust gibt es dabei durchaus zu gewinnen.

 

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