Influencerinnen als neue Konkurrentinnen der Modezeitschriften
Eine bundesweite repräsentative GfK-Online-Umfrage ergab vor knapp zwei Jahren, dass mehr als die Hälfte der Instagram-Userinnen (60%) Prominenten wie Models oder Bloggerinnen folgt und nur 28% der Nutzerinnen Accounts von Medien (wie u.a. Magazinen) abonniert haben. Dieser Artikel geht deshalb der Frage nach, was die Accounts von Influencerinnen womöglich attraktiver macht als die Instagram-Profile von Zeitschriften.
Als Beispiele dienen dafür der Instagram-Account der Zeitschrift InStyle (eine der meist verkauften monatlichen Frauenzeitschriften in Deutschland) und der von Caroline Daur. Die Influencerin Daur wurde ausgewählt, weil sie als mediales Stilvorbild in der Printausgabe von InStyle wiederholt angeführt wird und die beliebteste deutsche Fashion-Influencerin bei Instagram nach der Anzahl ihrer Followerinnen ist (Stand Juli 2019).
Schaut man sich die einzelnen Bilder an, werden auf dem Instagram-Profil instylegermany zum einen Modetrends am Beispiel prominenter Stilvorbilder, die als potenzielle Identifikationsgrundlage fungieren, visualisiert. Zum anderen werden häufig verbildlichte Phrasen und Zitate hochgeladen. Die sogenannten Images with Text Overlays enthalten oftmals Ratschläge oder Tipps und können den Followerinnen Orientierungshilfe bieten, indem sie verschiedene gesellschaftliche Gruppen mit unterschiedlichen Denkweisen und Wertvorstellungen abbilden. Ferner zeigen die Postings verschiedene Lifestyle- und Beauty-Produkte, die der Cross-Promotion dienen oder im Zuge von Flat Lays aus Werbezwecken arrangiert wurden. Die Posts auf carodaur bestehen hingegen größtenteils aus inszenierten Bildern, die die Influencerin beim Sport, bei Shootings etc. zeigen.
Instagram-Storys
Um die (weiteren) Unterschiede genauer herauszuarbeiten, sollen nun in einem zweiten Schritt die Storys auf beiden Instagram-Seiten miteinander verglichen werden. Dabei richtet sich der Blick zuerst auf die Story-Angebote Carolin Daurs. Im Zuge von Instagram-Storys, so auch bei denen von Daur, wird oftmals eine kleine zusammenhängende Geschichte erzählt, um exklusive Einblicke in den eigenen Alltag (siehe Abbildung 2) oder das Leben anderer (siehe Abbildung 3) zu ermöglichen:
Bei den Storys gibt es eine Vielzahl verschiedener Videoformate. Zwei von ihnen sollen hier exemplarisch vorgestellt und durch Content von carodaur belegt werden. Zum einen gibt es Tutorials, bei denen die Influencerin die Ausführung einer Fitnessübung erklärt:
Die vier Storyelemente aus Abbildung 4 zeigen Caro Daur bei einem Workout. Sie gibt Einblicke in ihre Sporteinheit und erklärt, welche Übungen sie für einen trainierten Bauch durchführt. Followerinnen können sich an ihren Ratschlägen orientieren. Ein weiteres Tutorial-Format zeigt die Anwendung eines Produktes:
Bei dem Tutorial in Abbildung 5 erklärt die Influencerin, welche Wirkung mit dem Beauty Roller erzeugt werden kann, und gibt Anwendungstipps. Dadurch, dass sie sich in ihrem eigenen Bad zeigt, entsteht der Eindruck eines privaten Einblickes in ihre persönliche Pflegeroutine. Die Empfehlung wirkt so authentisch und glaubwürdig. Zudem erhalten Followerinnen einen exklusiven Rabattcode, wenn sie das Produkt auch bestellen möchten.
Da Daur im Fashion-Bereich tätig ist bzw. ‚influenced‘, erhalten Abonnentinnen ihres Accounts regelmäßig Fashion-Hauls (in einem Haul wird der Kauf bestimmter Produkte präsentiert und kommentiert), wie auf Abbildung 6 zu sehen ist:
Caro Daur zeigt sich in verschiedenen Looks, die ihre Followerinnen mit einem Rabattcode nachbestellen können. Sie präsentiert verschiedene Kombinationsmöglichkeiten einzelner Kleidungsstücke und nennt die Bezugsquelle.
Überdies kann eine Story verschiedene Elemente enthalten: Z.B. können andere Nutzerinnen getaggt (d. h. markiert) werden, wie Abbildung 7 zeigt:
Bei dem Story-Auszug auf Abbildung 7 gibt Daur ihren Followerinnen zum einen exklusive Einblicke in eine Modenschau von Valentino, zum anderen taggt sie Model Kaia Gerber. Daran wird ersichtlich, dass Social Networks hypertextuell sind: Instagram-Userinnen können auf die getaggte Person klicken, um direkt auf deren Profil zu gelangen.
Zudem können Storys mit Standorten versehen werden. Das Markieren eines Standortes (Geotagging) erfolgt mithilfe eines Location-Stickers. Dadurch lassen sich Reichweite und Sichtbarkeit insofern erhöhen, als allen Nutzerinnen, die nach einem bestimmten Ort suchen, Storys angezeigt werden, die mit diesem Standort versehen wurden. Diese Möglichkeit nutzt die Influencerin Caro Daur häufig, wie beispielsweise in den folgenden Storys:
In Abbildung 8 markiert Caro Daur einen Ort, an dem sie trainiert, und Abbildung 9 bietet private Einblicke eines Abendessens im Urlaub mit ihren Eltern. An diesen Beispielen wird ein weiteres Mal deutlich, dass Storys einen maßgeblichen Teil dazu beitragen, dass Influencerinnen als ein nahbares Vorbild wahrgenommen werden, weil sie ihre Followerinnen an ihrem Leben teilhaben lassen.
Außerdem können Instagram-Storys Umfragen enthalten, die durch eine geschlossene Frage mit zwei Antwortmöglichkeiten (siehe Abbildung 10, Abbildung 11) oder eine offene Frage (siehe Abbildung 12) von den Followerinnen beantwortet werden können:
Auch durch solche Umfragen kann das Gefühl einer Teilhabe am Leben der Influencerin sowie die Illusion einer direkten Kommunikation entstehen. Ein starkes Gefühl der Nahbarkeit soll zudem durch die in Abbildung 13 gezeigte Fragestellung hervorgerufen werden:
Caro Daur suggeriert durch die direkte Ansprache die Möglichkeit einer persönlichen Kontaktaufnahme/Zusammenarbeit. Eine Interaktion zwischen der Influencerin und ihren Abonnentinnen ermöglicht einen sozialen Horizontal-Vergleich wie in Abbildung 14.
Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, Story-Elemente mit Stickern zu versehen. Annekathrin Kohout spricht in diesem Zusammenhang 2018 in der „Pop-Zeitschrift“ von einer „Annäherung oder Gleichzeitigkeit von grafischen und fotografischen Elementen“, aus der eine Poesiebuch-Ästhetik hervorgehe. „Konventionelle Bildformate innerhalb einer Story“ würden „aufgebrochen“ und „die Wirkung einer natürlichen Lebendigkeit erzeugt“. Kohout folgert, dass Storys gerade durch ihr „Gebasteltsein“ authentisch wirkten. Diese These kann anhand der folgenden Story-Auszüge illustriert werden:
Die beiden Story-Auszüge (Abbildung 15 und Abbildung 16) wurden mit Stickern versehen und legen nicht nur durch diese grafischen Sticker-Elemente ein hohes Maß an Authentizität nahe, sondern auch dadurch, dass sie Caro Daurs Vorliebe für Süßigkeiten dokumentieren.
Abschließend ermöglicht der folgende Story-Auszug vom 21.08.2019 einen Überblick über einige der bisher genannten Aspekte:
Die Story aus Abbildung 17 erzählt eine Geschichte: Caro Daur nimmt ihre Followerinnen mit auf Reisen. Sie erklärt detailreich, was an diesem Tag alles falsch gelaufen ist, und gibt in Maßen persönliche und ungeschönte Einblicke in ihr Leben. Für Followerinnen entsteht so wahrscheinlich das Gefühl, ein Teil von Daurs Alltag zu sein, weil sie fast jeden Schritt ihres Vorbildes mitverfolgen können. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die Uhrzeiten, mit denen Daur die einzelnen Story-Elemente versehen hat.
Daur wirkt nahbar und zeigt sich offen, authentisch und unperfekt. Dadurch ergibt sich wahrscheinlich eine Art Vertrautheit bzw. eine parasoziale Beziehung zwischen ihr und ihren Abonnentinnen. Die Influencerin erscheint dann glaubwürdig, ihre Empfehlungen wirken wie ein ehrlicher, gut gemeinter Rat. Außerdem zeigt der Ausschnitt erneut, wie vielfältig die Gestaltungsmöglichkeiten innerhalb von Storys sind und dass Caro Daur sich ihrer sehr häufig bedient.
instylegermany-Story
Nun soll an einer Story des InStyle-Instagram-Accounts (siehe Abbildung 18) gezeigt werden, ob und wie sich die Story-Inhalte bei instylegermany von denen Daurs unterscheiden.
Aus dieser Story wird ersichtlich, dass (neben zwei Werbeelementen) Content in der Story gepostet wird, der Abonnentinnen durch Hochswipen auf eine andere Seite weiterleitet. Demnach nutzt instylegermany die Story-Funktion lediglich, um auf redaktionelle Inhalte eines anderen Kanals aufmerksam zu machen, d.h. um Cross-Promotion zu betreiben. Der Story-Content bei instylegermany besteht aus aneinandergereihten Einzelteilen, die inhaltlich in keiner Verbindung miteinander stehen. Hingegen bieten die Storys von Caro Daur eine zusammenhängende Geschichte.
Der Account der Zeitschrift verzichtet auch weitgehend oder ganz darauf, über Storys mehr Einblicke in die Redaktion zu geben, exklusive Szenen aus Interviews, Backstage-Eindrücke von Modenschauen zu zeigen oder Bezüge zu aktuellen Ereignissen herzustellen, Content mit ‚echten‘ Menschen zu posten, er verzichtet ebenfalls auf interaktive Elemente wie Umfragen sowie auf Geotagging oder Markierungen anderer Profile. Der Eindruck von Authentizität kann so kaum entstehen, weder Vertrauen noch Identifikation bewirkt werden. Es verwundert darum nicht, dass Daur mehr Leute ‚folgen‘.