Sex and the City 2 (2010), Girl’s Night Out (2017), Dumplin’ (2018), Someone Great (2019), Wine Country (2019) etc.
Gerade im Musikfilm mit all seinen Subgenres sind Gesang und Tanz nicht unbedingt reflexiv verankert und diskursiv ausgelastet. Ob die Handlung im Gesang erzählerisch weitergetragen oder ob sie durch Gesang revueartig unterbrochen wird, ob Gesang völlig unbegründet inmitten eines Gesprächs einsetzt oder ob Gesang durch eine Handlung etwa rund um eine Musikshow motiviert wird, er gehört einfach zu diesem medienkombinatorischen Genre, das unterhalten und mitreißen will und darüber hinaus Stars aufbauen möchte, die auch außerhalb des Films crossmedial vermarktet werden können.[1]
All dies ist nicht abwertend gemeint. Aber es dürfte auf der Hand liegen, dass der Einsatz von Gesang und Tanz im Spielfilm weitaus stärker markiert ist als in Musikfilmgenres, dass er spezieller motiviert ist, dass Gesang und Tanz reflexiv eingesetzt und diskursiv funktionalisiert werden. Und da nun nicht von Musik im Film im Allgemeinen, sondern von Gesang und Tanz im Film im Speziellen die Rede ist, ist es in Bezug auf halbwegs konventionelle Filme naheliegend anzunehmen, dass die entsprechende Musik innerdiegetisch verankert ist.[2] D.h. Figuren integrieren Gesang und Tanz in ihre Handlungen, was – immer noch oder wiederum in Bezug auf halbwegs konventionelle Filme – bedeutet, dass dieser Einsatz auch den Figuren bewusst ist.
Schränkt man die strukturell vielfältigen Möglichkeiten des Musikeinsatzes im Film auf innerdiegetisch verankerten Gesang und Tanz ein, verdoppelt sich also die Rezeptionsebene der Musik, weil sie sowohl innerhalb der Fiktion als auch in der Rezeption wahrgenommen, erlebt, zugeordnet und bewertet wird. Dies kann in jedem Film unterschiedlich ausgestaltet werden, aber prinzipiell ist vorauszuschicken, dass es besonders interessant ist, wenn die Musik, die die Figuren singen oder zu der die Figuren tanzen, mindestens den Rezipient/innen, darüber hinaus aber wohl auch den Figuren gut bekannt ist, weil sie (pop-)kulturell bereits zirkuliert. In dem Fall kommt zur spezifischen narrativen Einbettung und zur allgemeinen emotionalisierenden Wirkung noch das metonymische Potential der Musik selbst hinzu, (pop-)kulturelle Zugehörigkeiten und Wertungen zu indizieren.
Wenn Lieder bekannt sind, bilden sie bereits vor ihrem Einsatz im Film Szenen gemeinsamer Aufmerksamkeit,[3] die sich ein Film zunutze machen kann. Wenn wir alle auf den gleichen Gegenstand geblickt haben und wechselseitig voneinander wissen, dass wir das haben, hat das eine vergemeinschaftende Funktion. Es gibt also eine wechselseitig vorausgesetzte, geteilte intertextuelle Kompetenz, die nicht nur die Kenntnis des Gegenstandes betrifft, sondern auch dessen korrekte Einordnung und Handhabung,[4] und die Gruppen indiziert und konstituiert – und andere selbstverständlich auch exkludiert. Szenen gemeinsamer Aufmerksamkeit setzen den Zugang zu denselben Medien voraus, aber selbst unter dieser Voraussetzung vollzieht sich Mediennutzung selektiv und basiert teilweise bereits auf der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe. Dadurch changiert die Funktion solcher Szenen zwischen Indikation und Konstitution einer Gruppe.
Abgesehen von diesen kultursemiotischen Erwägungen liegt es natürlich auf der Hand, dass Musik bzw. Gesang und Tanz auch einen sinnlichen Effekt haben. Vergemeinschaftung im Medium der Musik basiert nicht ausschließlich auf kognitiven Decodierungsprozessen, sondern vollzieht sich auch emotional, weil eine leibliche Erfahrung geteilt wird. Und dies kann fernmedialisiert werden, d.h. die Verbundenheit, die durch gemeinsames Singen und Tanzen in der Fiktion inszeniert wird, kann unmittelbar sinnlich auf die Rezeptionsebene überspringen.
Die Frage, wie gemeinsames Tanzen und Singen weiblicher Protagonistinnen in Filmen inszeniert wird, ergibt sich aus dem theoretischen Interesse, wie sich die sehr stabile soziale Kategorie Geschlecht zur loseren sozialen Kopplung der (pop-)kulturellen Stilgemeinschaften verhält und ob Solidarität bzw. welche Form der Solidarität durch Gesang und Tanz gezeigt oder begründet wird. Außerdem habe ich den Eindruck – aber der Eindruck kann natürlich täuschen –, dass in den letzten Jahren zahlreiche Filme erschienen sind, in denen ein Liedeinsatz sowie Gesang und Tanz an weibliche Figuren geknüpft werden.
Im und ab dem frühen Tonfilm sind Gesang und Tanz eher weiblich konnotiert. Auch zahlreiche männliche Figuren singen und tanzen im Film, werden aber durch die weibliche Konnotation dieser Tätigkeiten in ihrer ‚Männlichkeit‘ destabilisiert. Donata Koch-Haag geht davon aus, dass die männliche Sängerfigur in zahlreichen frühen Filmen in eine Krise gerate, weil sie durch das Singen vor dem Hintergrund des zeitgenössischen Geschlechterdiskurses allzu körperlich, natürlich, fließend und damit weiblich wirke. Dennoch bleibt im Singen eine Spannung zwischen dieser sinnlichen Verweiblichung[5] und der Artikulation eines rationalen souveränen – männlichen – Subjektes bestehen:
„In der singenden Stimme manifestiert sich die Spannung zwischen klingender Selbstpräsenz des Subjekts und vordiskursiver Körperlichkeit der musikalischen Modulation, in der sich, über eine Reihe metonymischer Verschiebungen, die Assoziation von Männlichkeit und logos einerseits und Weiblichkeit und Körper andererseits abbildet.“[6]
Weiblicher Gesang und Tanz sind historisch ohnehin recht stereotyp codiert. Wenn Frauen singen, dient dies oftmals der Sexualisierung und Objektivierung der Figur,[7] und zwar nicht nur weil der Gesang körperlich ist, sondern auch weil die Körper dabei bildlich gut in Szene gesetzt werden können. Allerdings wird in der Forschung auch darauf hingewiesen, dass der weibliche Gesangseinsatz bedrohliche und aggressive Züge annehmen kann.[8] Es wird nun vor dem gesamten skizzierten Hintergrund zu fragen sein, wie es um weibliche Gesangs- und/oder Tanzkollektive bestellt ist.
Mutter/Tochter-Bonding
Stepmom (1998)
In dem Film Stepmom (Seite an Seite) von Chris Columbus mit Susan Sarandon und Julia Roberts spielt letztere die Rolle der zu Beginn eher ungeliebten Stiefmutter, die in Konkurrenz zur leiblichen Mutter um die Anerkennung der Stieftochter ringt. Dass sich Stiefmutter und Stieftochter am Ende finden werden, ist ab dem Moment klar, in dem die beiden gemeinsam Auto fahren, sich also auf einem Weg/Lebensweg befinden, im Radio Ain’t No Mountain High Enough läuft (52:27), und die beiden lächelnd in den Gesang einstimmen.
Angesichts der Zeilen „If you need me call me no matter where you are / No matter how far don’t worry baby / Just call my name I’ll be there in a hurry / You don’t have to worry“ dürfte es selbsterklärend sein, dass es in der Szene um familiäre Fürsorge geht, die die Stiefmutter verspricht und auf die die Stieftochter zu vertrauen gedenkt. – Der Stiefsohn ist im Auto ebenfalls anwesend, aber dass es im Wesentlichen um ein weibliches Bonding-Ritual geht, wird dadurch unterstrichen, dass das Mädchen in der Szene den Lippenstift der Stiefmutter benutzen darf. – Ein Lied ersetzt tausend Diskussionen, und zwar sowohl innerfiktiv als auch in unserem metafiktionalen Rezeptionsprozess. Die Szene ist aber nicht nur für hermeneutische Einordnungen signifikant, sondern sie wirkt auf unsere Sinne, und wir können zumindest im Kopf in Text und Melodie einstimmen, weil es sich hier um die Hookline eines Gassenhauers oder Ohrwurms handelt. Das Lied von 1967 – u.a. interpretiert von Marvin Gaye und Tammi Terrell sowie Diana Ross – ist sehr bekannt.
Später, nachdem die leibliche Mutter ihren Kindern erzählen musste, dass sie an Krebs sterben wird, hören Mutter, Tochter und Sohn Ain’t No Mountain High Enough und tanzen dazu (1:15:09), um in einem fast karnevalesken Sinn nicht nur Gemeinschaft zu inszenieren, sondern auch eine Katharsis oder Befreiung von der Beklemmung zu erleben, die die Krebsdiagnose mit sich bringt. – Nicht umsonst erwähnt die Mutter im Übrigen, dass sie nun wenigsten legal kiffen kann.
Zu dem Zeitpunkt, zu dem diese Szene stattfindet, mag die Tochter ihre Stiefmutter bereits und verweist darauf, dass das deren Lied sei, worauf die leibliche Mutter sagt, dass sie dann eben den Tanz dazu liefere. Indem sich die Frauen das Lied aufteilen, deutet sich weniger Konkurrenz als deren Versöhnung an, was als weibliche Kooperationsleistung herausgestellt wird, die ihren Höhepunkt darin findet, dass die leibliche Mutter die Stiefmutter bittet, an Weihnachten mit auf das letzte Familienfoto zu kommen, das sie noch machen kann, während nun metadiegetisch Ain’t No Mountain High Enough eingespielt wird.
Auffallend an dem Film ist, dass der Vater der Tochter, der ja schließlich die beiden Mutterfiguren verbindet, eine untergeordnete Rolle spielt. Er versucht zwar, zwischen allen Positionen zu vermitteln, aber es gelingt ihm bei allem gutem Willen schlecht. Stattdessen wird gezeigt, wie eine ehemalige Lektorin und eine gut gebuchte Top-Fotografin ihre Berufe vernachlässigen, um für die Mutterrolle zu kämpfen – was man vielleicht als ‚male Fantasy‘ lächelnd zur Kenntnis nehmen kann. Der Vater zeugt die Kinder und zieht im Film ungestraft und unkritisiert von Frau zu Frau, während sich diese für die schwierige Situation opfern.
Dass die Versöhnung in einem gemeinsamen Familienfoto kulminiert, unterstreicht, dass es im Film um das Thema der Tradierung angesichts des Todes geht, d.h. was Mütter ihren Kindern mit auf den Weg geben und wie Mütter von Kindern erinnert werden, was durchaus befremdlich ist angesichts der Tatsache, dass Frauen viele Jahrhunderte darum gerungen haben, sich nicht nur mit ihrer Rolle als Fürsorgerin in die Familiengeschichte einzuschreiben, sondern auch am öffentlichen Leben zu partizipieren und aktiv in die Kulturgeschichte einzugehen, also z.B. als Lektorin oder Fotografin.
Aber dass hierbei ein Lied zum Einsatz kommt, passt zum Thema der Tradierung oder Tradierbarkeit. Nicht nur sind Erinnerungen insgesamt plastischer, wenn sie mit Sinnlichkeit und Emotionen verbunden sind – das äußert sich z.B. im negativen Sinn in posttraumatischen Belastungsstörungen –, sondern das Lied im Speziellen hat eine mnemotechnische Funktion. Man kann sich leicht an den rhythmisierten Text und dadurch wiederum an vergangene Situationen und verstorbene Personen erinnern.
Dumplin’ (2018)
Dumplin’ von Anne Fletcher mit Jennifer Aniston in der Mutterrolle verhandelt eine Mutter-Tochter-Beziehung, kann aber durchaus als Musikfilm bezeichnet werden,[9] weil die Bedeutung von Dolly Parton sowie diverse Bühnenshows zentral sind, und es auch einen Soundtrack von Dolly Parton zu dem Film gibt.[10] Teenager Willowdean, die von ihrer Mutter Dumplin’, also Klöpschen, genannt wird, weil sie pummelig ist, trauert um ihre verstorbene Tante, die ihr nicht nur Selbstbewusstsein und Lebensfreude vermittelt hat, sondern auch die Liebe zu Dolly Parton, die Willowdean später nur noch mit ihrer besten Freundin teilt.
Der Film beginnt mit einer Rückblende. Einmal mehr im Auto singen und wippen Tante und Nichte zu dem Dolly-Parton-Lied Dumb Blonde. Aus dem Off spricht die Nichte darüber, was ihr die Tante alles mit auf den Weg gegeben hat. Immer noch in der Rückblende wird sie später auf der Straße aufgrund ihrer Figur von Jungs gehänselt. Die Tante verscheucht die Jungs. Die Kamera zoomt auf ihr buntes Kleid, ihre übertriebene Brosche und ihr lächelndes Gesicht, und die Tante tröstet ihre Nichte mit einem Satz von Dolly Parton: „It’s hard to be a diamond in a rhinestone world.“ (ab 00:52).
Alles in der Szene mit der Tante dreht sich um Sinnlichkeit und sinnliche Freude: es wird gesungen, gegessen und der camp-artige Schmuck der Tante gezeigt, was letztlich auch ihr Übergewicht eher als sinnlich und barock denn als hässlich oder deviant erscheinen lässt. Das gleißende Gegenlicht deutet zum einen den Tod der Tante an; man kann es auch als Engelsschein betrachten; außerdem verleiht es der rückblickenden Szene einen irrealen, traumhaften Zug.
Bei dem Lied Dumb Blonde handelt es sich um einen der vielen Titel von Dolly Parton, in denen sie gegen die Marginalisierung und Stereotypisierung von Frauen anschreibt und sie sich mit den stigmatisierten Frauen solidarisiert. „Just because I’m blond / Don’t think I’m dump / ‘Cause this dumb blond ain’t nobody’s fool.“ Im Medium der Dolly Parton-Lieder hilft die Tante ihrer Nichte, sich über Gehässigkeiten auf Basis stereotyper Weiblichkeitsvorstellungen zu erheben.
In das Lied können vermutlich viele Menschen auf der Welt innerlich mit Textkenntnis einstimmen, aber dabei handelt es sich dann wohl entweder um Drag Queens oder Country-Fans, weil Parton eine Ikone für beide Gruppen darstellt, und der Film möchte ausgerechnet den amerikanischen Mittleren Westen genau in diesem Spannungsfeld in Szene setzen. Willowdeans Mutter repräsentiert das konservative Texas und den Typ Frau, der nicht allen, aber vielen Klischees entspricht. Sie ist besessen von gutem Aussehen und organisiert mit Leidenschaft Misswahlen, die sie explizit als historisch-kulturelle Eckpfeiler der Gemeinde betrachtet und über die sie ihre öffentliche Funktion und Identität bezieht.
Allerdings spielen Männer weder als Versorger, Familienmitglieder noch als beobachtende Subjekte dieser Schönheit eine Rolle. Willowdeans Vater ist einfach nicht da.[11] Die Schwester war das zweite Elternteil in der Kleinfamilie, deren Tod die alleinerziehende, berufstätige Mutter zurücklässt, die – bei allen Dissonanzen der Figuren – als Altenpflegerin mit harter Arbeit gut für ihre Tochter sorgt. Sie arbeitet, wenn man so will, 9 to 5, so ein Hit von Dolly Parton, „for service and devotion“, ohne ausreichend dafür gewürdigt zu werden, während Two Doors Down, so ein anderer Hit von Dolly Parton, „they’re laughing and drinking and having a party“ „not aware that I’m around“.
Allerdings wird im Film nicht nur die Frage aufgeworfen, aus welcher Party man ausgeschlossen ist, sondern an welcher Party man überhaupt teilnehmen möchte. Denn die Mutter feiert ja lieber Misswahlen mit Konservativen als mit den Homosexuellen und Drag Queens in der Musikbar-Heterotopie Hideaway, in die Willowdean mit ihren neuen Freundinnen, einer verrückten Christin und einer etwas butchigen Lesbe, gelangt, nachdem sie herausgefunden hat, dass ihre Tante regelmäßig dort hingegangen war.
In diesem karnevalesken Raum hat sich ein alternatives Kollektiv herausgebildet, das jenseits des heteronormativen, binären patriarchalischen Mainstreams mit Bezug auf Dolly Parton eigene Rollen- und Selbstbilder auslebt. Obwohl der Film liebevoll mit dem konservativen Mittleren Westen umgeht, zeigen sich Restriktionen und Uniformierung im normalen Alltag und ein Ort der Befreiung und Akzeptanz im alternativen Bereich. Nach diversen Konflikten geht die Mutter am Ende mit ins Hideaway und stimmt in den dortigen Gesang ein (1:44:10). Das Lied endet in dem Geiste: „‘Cause here I am / feeling everything but sorry / We’re having our own party, two doors down.“
Die Situation am Ende ist nicht nur künstlich, weil sie teilweise auf einer Bühne stattfindet, sondern auch weil sich auf unwahrscheinliche Weise plötzlich alle möglichen Frauen- und queeren Figuren im Hideaway befinden. Im körperlich befreienden Gesang findet ein female bonding statt, und als female geht nun alles durch, was sich im Gesang vereinen möchte. Es befinden sich auch Männer im Hideaway; Willodeans Freund steht mit auf der Bühne. D.h. dieser Club ist zwar ein mundus inversus, also eine umgekehrte oder verkehrte Welt mit Blick auf das fiktional-reale Texas, aber die Verkehrung reproduziert nicht die biologistischen Ausgrenzungsmechanismen der normalen Welt. Im Grunde inszeniert der Film ein alternatives amerikanisches Ideal, das als solches ziemlich ‚unamerikanisch‘ ist.
Coming of Age:
Dude (2018)
In Coming-of-Age-Filmen kommt es häufiger zu gemeinsamen Tanzeinlagen, gemeinsamer Musikrezeption und gemeinsamem Singen, aber zunächst einmal zeichnet sich das Genre dadurch aus, dass Adoleszenzkrisen inszeniert werden, wobei der Begriff nicht im psychopathologischen Sinn verwendet sei, sondern es geht um Krisen im Sinne von Entscheidungssituationen im Zuge des Erwachsenwerdens, denn ‚Krise‘ kommt aus dem Griechischen und meint ‚Beurteilung‘, ‚Entscheidung‘, ‚Zuspitzung‘. Dramaturgisch wird die Krise nicht selten durch den Highschool-Abschluss katalysiert, der diverse Trennungen und einen neuen Lebensabschnitt einläutet.
Der Film Dude von Olivia Mitch ist in vielerlei Hinsichten atypisch und unkonventionell. Dies fängt bereits damit an, dass es hier um eine – bewusst im Sinne der ethnischen Diversity zusammengestellte – Clique von Mädchen geht, während Coming-of-Age-Filme traditionell – weiße – männliche Erfahrungen und Initiationsriten zeigen. Aber drei Rituale bleiben erhalten: Erstens: Es geht um Sexualität. Die Mädchen unterhalten sich oft über Sex, haben Sex und verhalten sich in dieser Hinsicht nicht entsprechend der üblichen Geschlechterklischees. Zweitens: Es geht um Drogenerfahrungen und Rauschzustände, was eine altersgemäße Grenzüberschreitung mit kollektivierender Funktion darstellt, weil man sich gemeinsam einem Kontrollverlust aussetzt. Auch hierin zeigt sich ein karnevalesker Aspekt. Drittens: Es gibt gemeinsamen Gesang, der nicht selten im Auto stattfindet, z.B. das Lied The Next Episode, das im Abspann des Films nicht Dr. Dre und Snoop Dog zugeschrieben wird, aber eigentlich von den beiden stammt. Der Gesang hat in der Lebensphase der Protagonistinnen eine emotional stabilisierende Funktion, weil er die Freundinnen sinnlich verbindet. Außerdem scheint dem gemeinsamen Gesang ein kathartisches, befreiendes Moment zuzukommen.
Aber die Musik hat nicht nur eine Freundschaft konstituierende und indizierende Funktion innerhalb der Diegese. Fast wichtiger erscheint die bindende Funktion für Rezipient/innen. Sowohl das Genre HipHop als auch die besagten Musiker sind Mainstream und passen gut in einen kommerziellen Film, der viele Personen einer Generation ansprechen soll, aber eben genau diese Generation, weshalb man im Jahr 2018 kaum Heavy Metall oder Punk einspielen könnte.
Das Coming-of-Age-Genre gehört zu den schematisiertesten Genres überhaupt; Rollen, Szenen und Plot sind so vorhersehbar, dass man im Grunde seit 1950 immer wieder fast denselben Film sieht. Mit zwei Ausnahmen. Sexualdiskurse verschieben sich, wodurch in jedem Jahrzehnt ein neuer Film gebraucht wird. Popkulturelle Hintergründe verschieben sich viel schneller, wodurch in jedem Jahr mindestens ein neuer Film gebraucht wird; und sei es nur, um die Figuren den neusten Jeansschnitt tragen, den/die nächsten Schauspieler/in anschwärmen und die aktuellste Musik hören zu lassen, weil sich über die Mode, Stars und Musik das Bonding des Films mit den Rezipient/innen vollzieht.
Allein die Krise scheint nicht zu tragen, obwohl sie angesichts der zahlreichen Coming-of-Age-Filme geradezu eine anthropologische Konstante zu sein scheint. Vielmehr garantiert auch und gerade die Musik das Bonding mit den Rezipient/innen. Der immer gleiche Plot wird mit neuen Liedern aufgeladen, weil es eine immer neue Generationengemeinschaft gibt, die nun auf der Rezeptionsebene weniger etabliert als vielmehr vom Film bereits vorausgesetzt wird, damit sich die Rezipient/innen identifizieren können und der Film ihnen etwas sagt. Das Lied ist also als Kristallisationspunkt für geteilte Erfahrung auch dann essentiell, wenn es um die ohnehin geteilten Probleme mit der Jugendliebe und den ersten sexuellen Erfahrungen sowie die Krise der Adoleszenz geht.
Someone Great (2019)
Bei der Netflix-Produktion Someone Great von Jennifer Kaytin Robin handelt es sich selbstverständlich nicht um einen Coming-of-Age-Film i.e.S., aber er zeigt, wie sich bestimmte Entscheidungssituationen vom Teenager- auf das Mittzwanzigeralter verschieben. Wir haben es mit drei jungen, ethnisch diversen Frauen/Freundinnen zu tun, die einsatzkommandoartig zusammenrücken, als eine Freundin Alarm schlägt, sie habe Liebeskummer. Aber letztlich geht es doch mehr darum, dass sich Jenny entschieden hatte, nach San Franzisco zu ziehen, um dort als Musikjournalistin zu arbeiten. Während die Freundin sich also wegen der Trennung von ihrem Freund aufmuntern lässt, müssen eigentlich alle drei verarbeiten, dass sie in Zukunft räumlich getrennte Wege gehen werden. Wir haben eine Krise.
Es kommt im Film zu diversen sexuellen Handlungen. Außerdem kiffen die Freundinnen, trinken Alkohol und konsumieren MDMA. Dass der Exzess dazu führt, dass sich eine Figur in einen Brunnen übergibt (1:27:18), gehört zu dem Vergemeinschaftungsritual, dass man sich voreinander mal gehen gelassen haben muss. Das grotesk und karnevalesk Körperliche wird in diesem Film auch am Ende als letzte Bestätigung bzw. als Versprechen der quasi-familiären Bindung eingesetzt. „‘We’ll still be Face Timing every morning.’ ‘Right when I hit that pooper. While you‘re on the motherfucking toilet.‘“ (1:24:10) Man ist sich so nah, dass man sich auf der Toilette zuhört oder -sieht.
Musik spielt im Film auf alle Arten eine besonders große Rolle. Mit dem Titel Someone Great wurde der Film nach dem gleichnamigen Album der Band LCD Soundsystem benannt. Die Figuren hören ständig IPod, und es läuft sehr häufig ein Lied auf der metadiegetischen Ebene. Außerdem haben die Freundinnen gemeinsame Playlists, z.B. die ‚Bitches and Bangers‘-Playlist aus dem College (54:10). Die Freundinnen bilden eine Generations- und Geschmacks- oder auch Stilgemeinschaft, wenn auch eine eher unspezifische oder mainstreamige, und natürlich geht der Film den gleichen Pakt mit seinen Rezipient/innen ein.
Interessanter als diese Verbindungen erscheint eine Szene, in der es um Abgrenzung geht (56:28). In einem Kiosk läuft plötzlich das Lied Dreaming of You von Selena und triggert Jennys Liebeskummer. So weit ist die Szene realistisch. Dass Jenny in den Gesang einstimmt, wirkt schon eher wie eine revue- oder musicalartige Unterbrechung, zumal sich die Musik deutlich aus der Szenerie löst und sich so anhört, als laufe sie metadiegetisch auf einer eigenen Tonspur. Die Szene wird dadurch verfremdet, und der Gesang erscheint merkwürdig und peinlich. Die Figuren sind sich anders als in einem Musicalfilm dessen bewusst, dass man üblicherweise in einem Kiosk keine laute Gesangsnummer aufführt. Aber die anderen Figuren solidarisieren sich mit ihrer Freundin und singen mit. Dass sie dabei aus dem Laden fliegen, gehört zum Freundschafts-Diskurs. Man muss ja alle möglichen unerhörten Begebenheiten gemeinsam erlebt haben.
Außerdem wird das Lied durch den Rauswurf noch einmal gesondert markiert, während Gesang im Kiosk in einem Musicalfilm anderen Figuren im Szenario nicht weiter auffallen würde. Es liegt also erst die Brechung vor, dass der Film musicalartige Züge erhält, und dann eine weitere Brechung, die besagt: Dies ist aber trotzdem kein Musicalfilm. Was wiederum besagt: Musik spielt im echten, also fiktional-echten Leben der Figuren eine so große Rolle, dass es letztlich doch wieder realistisch ist, dass sie innerhalb der Diegese überall einbricht, dass überall gehört, gesungen und getanzt werden kann. Der kulturelle Kontext der Musicalfilme der 1930er Jahre hätte diese realistische Volte trotz Verbreitung des Radios nicht hergegeben.
Aber es bleibt dennoch fraglich, warum der Kioskbesitzer bei einem so nichtigen Anlass überreagiert und was ihn an dem Gesang so stört. Dass er darauf verweist, der Gesang belästige seine Katze, aktualisiert einen Einsamkeits-Topos, weil in vielen amerikanischen Serien und Filmen die Frau mit der Katze die Schreckensvision einer einsamen Frau schlechthin darstellt. Das könnte ihn aber auch einfach als Nerd auszeichnen. So oder so steht der einsame Mann einem singenden Frauenkollektiv gegenüber. Mindestens dieser sich deutlich artikulierende female bond wird als Störung empfunden und führt – nicht nur in diesem Film – dazu, dass sich männliche Figuren unwohl fühlen.
Junggesellinnenabschiede
Girl’s Night Out (2017)
Der Film Girl’s Night Out (Rough Night) von Lucia Aniello rankt sich um einen Junggesellinnenabschied. Eine Frauengruppe trifft sich, um eine unter ihnen in den neuen Lebensabschnitt der Ehe zu entlassen. Das markiert zwar eine Zäsur, aber die Freundschaft war seit der Collegezeit ohnehin eher schwächer geworden. Die Freundinnen fremdeln zu Beginn explizit, reagieren eifersüchtig und gekränkt und streiten sich über ihre unterschiedlichen Lebensmodelle. Allerdings zeigt sich die Stabilität der Freundschaft und die Konfliktfähigkeit der Frauen, nachdem sie aus Versehen jemanden umgebracht haben und die Angelegenheit gemeinsam lösen.
Zwischen dem ersten Fremdeln und den später einsetzenden Katastrophen wird für einen kurzen Moment das inszeniert, was man von einem Junggesell/innenabschied im Film erwartet. Die Frauen feiern exzessiv und konsumieren Kokain und Alkohol. Wir haben also insgesamt wieder den Ausnahmezustand, Exzess, Körperlichkeit, Vergemeinschaftung, also das Karnevaleske. Auf einer Bühne kommt es zu folgender Performance, die ein altes College-Ritual der Freundinnen darstellt.
Das gemeinsame Tanzen – hier nicht Singen – indiziert, dass die Freundinnen wieder miteinander warm werden, wobei das bezeichnenderweise nur die Amerikanerinnen betrifft, denn die Australierin, die lediglich die Braut aus einem Austauschsemester kennt, gehört nicht zur amerikanischen College-Gruppe, und sie ist tatsächlich neben Hochzeit und Totschlag das dritte destabilisierende Element in der Runde. Über die Opposition von Amerikanerinnen/Australierin hinaus ist die Szene absolut übercodiert: Weiß/Schwarz, Frau/Drag, dick/dünn, hinzu kommen Männer/Frauen, u.a. auch weil kurz vor der Szene über die Tamponphobie von Männern gelästert wird: Sobald man das Wort Tampon ausspreche, sei man als Frauen unter sich, weil Männer die Flucht ergriffen.
Das Lied My Neck, my back von Khia fordert zum Oralverkehr auf, was impliziert, dass Männer Anweisungen und Nachhilfen beim Sex bedürften. Hier wird in einem feministischen Sinn recht offensiv herausgesungen, wer Frauen sind und was sie wollen, und zwar entgegen Annahmen im Rahmen einer patriarchalischen, phallozentrischen Tradition. Es handelt sich um eine leicht klischeehafte weibliche Ermächtigungsgeste, die die Männer als Opposition aufbaut.
Allerdings ist die Szene konfliktgeladen, denn die Freundinnen lassen eine der Tanzpartnerinnen aus Versehen fallen, und zwar ausgerechnet diejenige, die sich ohnehin nicht ausreichend integriert fühlt. Mit Sang und Tanz kann also auch Dissens ausgetragen werden, der aber – hier mit Kokain – wieder überwunden wird. Als es angesichts des versehentlichen Totschlags ernst wird, halten die Frauen ohnehin so zusammen, als hätten sie alle als ein Körper die Tat begangen. Nur wenig wird darüber gesprochen, dass es eigentlich eine Einzeltäterin gibt, und dann wird recht selbstverständlich gemeinsam an der Lösung des Problems gearbeitet. Eine der Freundinnen opfert sich sogar körperlich, indem sie mit dem Ehepaar aus dem Nachbarhaus schläft, um Beweismittel verschwinden zu lassen.
Derweil befindet sich der Bräutigam mit seinen Freunden auf einer gepflegten Weinverkostung, und die Männer hüten gleichzeitig die Kinder. Als die verlobten Figuren miteinander telefonieren, sich eine Krise andeutet und die Verbindung getrennt wird, versucht die Frau zwar, den Mann telefonisch zu erreichen, bleibt aber bei den Freundinnen, während der Mann seine Freunde verlässt und sich auf eine albern-groteske Mini-Odyssee zu seiner Verlobten begibt. Er kommt aber erst an, als die Frauen schon alles geregelt haben, und dann wird er geheiratet. Der Mann wird insgesamt als der schwächere Part in der Beziehung inszeniert.
In der Inversion bleiben Geschlechterrollen zwar durchaus stabil und Klischees werden nicht demontiert bzw. es wird ja gerade eine klare Opposition zwischen Männern und Frauen durch die Parallelmontage aufgebaut, aber die Verkehrung ist bemerkenswert: Der Film versammelt zahlreiche karnevaleske Motive und präsentiert einen karnevalesken Mundus inversus, in dem Musik eine identitätsstiftende Funktion für die Frauengemeinschaft darstellt.
Bridesmaid (2011)
Bridesmaid (Brautalarm) von Paul Feig – mit Melissa McCarthy in der Nebenrolle als einer überaus selbstbewussten dicken Figur – erzählt die Geschichte zweier Freundinnen anlässlich der Hochzeit einer der beiden. Annie, die Trauzeugin, ist diejenige, die eben nicht heiratet, sondern in einer toxischen Affäre von einem Narzissten gedemütigt wird, die außerdem arbeitslos ist, der britische Mitbewohner/innen das Leben schwer machen und die bei der Hochzeitsvorbereitung alles vermasselt, während sie ihre erfolgreiche, verliebte Freundin in den neuen Lebensabschnitt entlassen muss, wobei dann noch als Konkurrentin eine weitere – scheinbar perfekte – Freundin der Braut auftaucht. Der Film inszeniert die Verlobungszeit als Krisenzustand – und zwar für die Trauzeugin.
Außerdem ist der Film insofern ostentativ karnevalesk, als in einer Szene die Inversion eines männlichen Buddyfilm-Schemas vollzogen wird. Es geht nicht nur um Erbrechen, sondern auch um Diarrhoe. Es findet eine kollektive körperliche Verflüssigung statt, weil die Frauen den Symptomen einer Lebensmittelvergiftung nachgeben müssen, während sie in einem teuren Brautmodengeschäft Kleider anprobieren. Sie stürzen gemeinsam auf Toilette, Waschbecken und alles, was sich zum rapiden Stuhlentleeren eignet.
Die Szene kulminiert darin, dass die Braut im noch nicht gekauften Hochzeitskleid auf eine frequentierte Straße läuft, um dort zu defäkieren. Annie kommentiert dies fassungslos: „You’re really shitting in the street.“ (47:10) Die Szene wird im Film allerdings nicht als positives Vergemeinschaftungsritual dargestellt, wie es Erbrechen nach Rauschmittelkonsum in anderen Filmen ist, sondern als Unfall, den einmal mehr Annie verursacht hat, weil sie zuvor das Restaurant ausgewählt hatte.
Gesang hat im Film zunächst einmal eine kompetitive Funktion, wobei auffallen muss, dass der einzige Film, der aus der Konkurrenzsituation der Frauen besonderes Aufhebens macht und sie als ‚Zicken‘ darstellt, von einem männlichen Regisseur inszeniert wurde. Auf einer Party überbieten sich die beiden Freundinnen der Braut, um das letzte Wort in einer Rede zu haben. Sie entreißen sich immer wieder das Mikrofon, schieben immer noch einen Kommentar hinterher.
Als Annie nichts mehr einfällt, singt sie das Lied That’s what friends are for, das 1982 von Rod Stewart für den Film Night Shift gesungen und später u.a. von Dionne Warwick, Elton John, Gladys Knight und Stevie Wonder gecovert wurde. Die Konkurrentin tritt auf die Bühne, um mitzusingen und Annie an Lautstärke zu übertönen. Die Szene dauert insgesamt mehr als vier Minuten (ab 22:00), sodass sinnlich, auf den Nerven für die Rezipient/innen spürbar wird, wofür man nun wirklich keine Freund/innen braucht, denn die beiden übergehen in ihrem Konkurrenzkampf ganz offensichtlich die Bedürfnisse der Braut.
Die Braut scheint am Ende verschwunden zu sein, und die Konkurrentinnen raufen sich zusammen, um sie zu suchen. Im Auto kommt es zu einem Akt der Parrhesia, also des Wahr- und Freisprechens zwischen den beiden, in denen die scheinbar perfekte Frau gesteht, wie unsicher sie sich fühle. Sie weint, weshalb Annie lächelt: „This is the first time I’ve ever seen You look ugly. And that makes me kind of happy.“ (1:43:00) Dass die andere Frau demontiert werden muss, um sich selbst besser zu fühlen, wird hier als Topos nicht aufgegeben, aber explizit ausgesprochen ist der Gedanke schon nicht mehr halb so hässlich gegenüber der anderen, sondern kritisch gegenüber sich selbst.
Die Konkurrentin hat am Ende das ultimative Hochzeitsgeschenk. Die Frauenband Wilson Phillips tritt für die Braut auf (1:53:30). Diese singt davon, dass man seine Ketten nur selbst ablegen und sein Leben ändern kann, was für Annie gilt, die sich beruflich und privat wieder aufrichten muss, statt nur auf die glückliche Freundin und die scheinbar perfekte Konkurrentin zu schauen. Die besten Freundinnen Annie und die Braut singen und tanzen nun gemeinsam. Gegen Ende verabschieden sich die Konkurrentinnen herzlich voneinander und beschließen, demnächst etwas zu dritt zu unternehmen.
Midlife-Crisis
The First Wives Club (1996)
In The First Wives Club (Club der Teufelinnen) von Hugh Wilson mit Goldie Hawn, Bette Midler und Diane Keaton haben sich vier College-Freundinnen aus dem Jahr 1969 komplett aus den Augen verloren und in andere Richtungen entwickelt. Drei der vier Frauen werden in den 1990ern anlässlich des Selbstmordes der Vierten wieder zusammengeführt, der in einen ursächlichen Zusammenhang mit deren gescheiterter Ehe gebracht wird. Das einzige, was die Frauen zu Beginn des Films gemeinsam haben, ist, dass sie von ihren Männern enttäuscht und verlassen wurden. Mit dem Gefühl, dass sie den Männern die besten Jahre ihres Lebens geopfert haben und nun alt geworden sind, mit wenig Selbstbewusstsein, aber viel Alkohol und vielen Psychopharmaka taumeln die Frauen von der Psychotherapie zum plastischen Chirurgen. Das alles hilft letztlich nicht. Es deutet sich erst ein Licht am Ende des Tunnels an, als sie beschließen, sich gemeinsam an ihren Männern zu rächen.
Die Frauen rücken dabei zusammen, aber dass ihr Plan im Grunde letztlich nicht wirklich hilfreich ist, sieht man in der ersten gemeinsamen Gesangsszene. Sie beginnen, You don’t own me von Lesley Gore aus dem Jahr 1963 zu singen (56:27), in dem eine nicht käufliche, für einen Mann nicht verfügbare, selbstständige Frau ihre Stimme erhebt. Das Lied setzt aus der männlichen Perspektive ein mit: „But I’m Gerald and I can always have just what I want”, was quittiert wird mit der weiblichen Hookline „You don’t own me, I’m not just one of your many toys”, und der Refrain lautet: „Don’t tell me what to do / Don’t tell me what to say / Please, when I go out with You / Don’t put me on display.”
Die im Lied besungene Schwierigkeit der weiblichen Selbstermächtigung auch angesichts der finanziellen Potenz des Mannes – es ist im Lied schließlich auch die Rede von Besitz – betrifft die Generation unserer Protagonistinnen – auch wenn eine der drei Figuren eine bekannte Schauspielerin ist –, denn sie haben sich durchaus in einem Leben mit wohlhabenden Männern eingerichtet, die sie ja nun auch finanziell ruinieren wollen. D.h. sowohl das ursprüngliche Lebenskonzept als auch die Rache sind ökonomisch fundiert.
Der gemeinsame Gesang funktioniert aber bezeichnenderweise nicht. Annie kann nämlich nicht singen und schämt sich. Sie lässt sich nur mühsam zum Gesang überreden, singt dann laut und schief mit, während die anderen scherzhaft aufhören zu singen, also Annie allein in ihre schrillen Töne laufen lassen, was dieser sehr peinlich ist. Am Gesang wird präfiguriert, dass die Frauen auch ihre Solidarität in Bezug auf das Racheprojekt aufkündigen. Denn kurz darauf haben sie einen heftigen Streit, bei dem sie sich sehr verletzen.
Aber der Streit hat eine kathartische Funktion, denn er rankt sich darum, dass Alkohol, Lifting, Psychopharmaka, Psychotherapie und nun auch Rache nicht die Lösung sein können, um selbst und für sich selbst ein besseres Leben zu gestalten. Die Rache war schließlich nach wie vor ökonomisch motiviert und männerzentriert, während sich ein funktionales weibliches Bonding besser auf Basis anderer Konzepte und Momente einstellt – nicht gegen Männer, sondern für Frauen.
In diesem Sinne erkennen die Frauen, dass sie ihre Energie auf ihr eigenes Leben richten müssen bzw. dass sie, wenn sie die Männer schon ausnehmen wollen, dies zum Wohle anderer Frauen tun müssen. Und so möchten sie von dem ergatterten Geld eine Beratungsstelle für Frauen in Not gründen, die sie nach ihrer verstorbenen Freundin benennen, was impliziert, dass diese Freundin möglicherweise nicht Suizid begangen hätte, wäre die weibliche Bindung und Unterstützung zur Zeit ihrer Krise stärker gewesen.
Die Bauarbeiten am Zentrum werden metadiegetisch begleitet von dem Eurythmic-Song Sisters are doin it for themselves aus dem Jahr 1985 (1:24:08), der davon handelt, dass Frauen nicht mehr hinter Männern stehen, sondern selbst Anwältinnen, Ärztinnen und Politikerinnen sein können. In den 80ern zeigt sich ein Feminismus, in dessen Rahmen sich Frauen nicht mehr an dem einen Mann abarbeiten, sondern ihr Leben – vor allem ökonomisch und politisch – selbst in die Hand nehmen sollen. Die ältere Frauengeneration unserer Protagonistinnen lernt in den 90er Jahren offensichtlich nachträglich vom Feminismus der 80er Jahre.
Abgesehen davon, dass die Wende der Frauen durch das Lied kommentiert wird, adressiert das Lied Rezipient/innen einer jüngeren Generation, die sich qua Alter möglicherweise nicht mit den Protagonistinnen identifizieren können, und es spricht die sinnliche Wahrnehmung an, weil mitgewippt und innerlich mitgesungen werden kann. Hier wird ein female bond leiblich spürbar, bzw. er überträgt sich leiblich auf die Rezeptionssituation.
Das Generationenproblem steht im Film ohnehin deutlich im Raum, denn die Frauen fühlen sich durchaus von jüngeren Frauen bestohlen, die nun die Männer in wohlhabendem Zustand und in den ‚besten Jahren‘ abgreifen, nachdem sie als die ersten Ehefrauen Kinder erzogen und Wohlstand mit aufgebaut haben. Generation scheint zuerst über dem Geschlecht zu stehen, was das Bindungs- bzw. auch Abgrenzungspotential betrifft, aber am Ende ist das Band eher ein generationenübergreifend weibliches. Eine der beiden jungen neuen Freundinnen der Männer, eine Schauspielerin, ist viel zu jung und naiv konstruiert, um ihr niederträchtige oder überhaupt kalkulierte Intentionen unterstellen zu können, und sie bewundert die ältere Schauspielerin Elise, mit deren Mann sie die Liaison hat, über alles. Bei Elises Theaterdebut steht sie im Publikum und spendet ihrem weiblichen Vorbild begeistert Beifall. Außerdem hat Annie eine lesbische, feministische Tochter, die jene gegen den Vater unterstützt.
Am Ende singen die drei Frauen gemeinsam und ohne Späße auf Kosten der anderen You don’t own me und tanzen gemeinsam in die Nacht. Die Gleichfarbigkeit der Kleidung indiziert Solidarität und Identifikation, die Unterschiedlichen der Stile der Kleidung zeigt, dass jede Figur nach der Midlife-Crisis ihren eigenen Weg gefunden hat und dass ein Bund nicht bedeutet, dass man seine individuellen Eigenheit aufgeben muss, dass female Bonding keine Uniformierung impliziert.
Wine Country (2019)
Der Film Wine Country von Amy Poehler führt eine Gruppe alter Freundinnen anlässlich des 50. Geburtstages einer der Frauen zu einer Weinprobe nach Kalifornien. Was die Frauen verbindet, ist, dass sie Frauen sind, was insofern markiert wird, als sich die Geburtstagsfrau für den Ausflug wünscht, es möge lässig werden, „just sit around, talk and drink wine and laugh and … wear muumuus“ (02.:00). Spezifischer eint die Frauen, dass sie in den 1990ern zusammen in einer Pizzeria gejobbt haben.
Aktuell haben sie aber wenig Kontakt und Gemeinsamkeiten. Wir haben hier wieder die Konstellation, dass sich Frauen, die sich eigentlich mögen und eine Bedeutung in der Biografie der anderen haben, auseinanderentwickelt haben und sie anlässlich ihres Wiedersehens in ihren Midlife Crisis divergierende Lebenskonzepte aushandeln müssen.
Das geschieht im Wine Country bei schlechtem Internetempfang, d.h. der Prozess wird dem Alltag und auch der Zivilisation enthoben. Der Ausnahmezustand wird besonders dadurch unterstrichen, dass die Figuren kaum eine Minute nüchtern sind, sondern betrunken und bekifft, und sie denken darüber nach, MDMA zu konsumieren, weil es eine besondere Erfahrung der Verbundenheit ermögliche (24:03). Kontrollverlust, Vertrauen und Vergemeinschaftung im Rausch bilden wiederum karnevaleske Momente.
Hinzu kommt Körperlichkeit: Z.B. rülpsen und flatulieren die Frauen voreinander (18:00f). Außerdem kommt es zu sexuellen Handlungen, indem der einzige Mann, der dazu zur Verfügung steht, nämlich der Hausangestellte der Ferienwohnung, von zwei der Frauen geteilt wird – nacheinander. Sie verschwägern sich also über den Körper dieses Mannes, den sie mit der Aussage objektivieren, er sei ja quasi mitgemietet. Außerdem schenken sich die Frauen gegenseitig Vibratoren, was nicht in allen Filmen, aber im Kontext dieses Filmes leicht andeutet, dass ein Leben ohne Männer möglich sei.
Im Karnevalesken oder über das Karnevaleske stellen sich Momenten der Parrhesia ein. Die Vermieterin des Ferienhauses weist zu Beginn in die Benutzung ein und versäumt es nicht, auf die sozialen Komplikationen hinzuweisen, die sich einstellen, wenn sich Frauen einen solchen Ort teilen. Sie warnt, dass sich Frauengruppen entweder streiten oder heulen. Außerdem mahnt sie, man möge daran denken, dass im Rausch die Wahrheit gesagt werde (10:00f), und tatsächlich kommt es zu einigen sehr ehrlichen Aussagen auf dem Trip.
Als z.B. eine Figur zur anderen sagt, sie möge doch loslassen, weil sich schon alle von selbst füge, beginnt jene eine Tirade: dass sich nichts füge, dass die Ehen und Beziehungen der anderen Frauen kaputt seien, dass diese ihre Midlife-Crisis und Neurosen nicht überwinden können und dass ihre eigene Karriere in Trümmern liege. Insgesamt kristallisiert sich im Film vor allem raus, dass der Ehemann der Geburtstagsfrau eigentlich ‚scheiße‘ sei. Deutlich werden die Probleme der Frauen auch in einer Szene, in der sie sich offen aufzählen, welche Psychopharmaka sie nehmen.
Der Film bestätigt die Annahme der Vermieterin, aber nicht um selbst ein Klischee über streitende, heulende Frauen zu platzieren, sondern um zu zeigen, dass es absolut richtig ist, sich hin und wieder zu treffen, um sich emotional aus- und gehen zu lassen. Und das alles findet ganz explizit unter Ausschluss von Männern und in Absetzung von Männern statt. Von einem Mann, einem Arzt, grenzen sich die Frauen ganz drastisch ab. Als er ihnen hinsichtlich einer medizinischen Diagnose widerspricht, gehen sie ihn an, er menstruiere wohl. Das wirkt überreaktiv, ist es aber nicht, wenn man es als Inversion gängiger intergeschlechtlicher Kommunikationsmuster betrachtet und man sich anschaut, wie sich männliche Figuren – nicht nur – in den 1950er Jahren gegenüber Frauen verhalten.
Musik spielt in dem Film eine sehr große Rolle, und zwar auch der gemeinsame Gesang der Frauen. So gibt es eine Szene, in der ein Satz einer Figur von einer anderen singend wiederholt wird, woraufhin ihn alle reihum nachsingen und in einen Chor einstimmen. Der Satz ist eine Frage und lautet: „Ready for some feedback?“ Die Antwort besteht im Gesang, weil jeder Gesangseinsatz ein Feedback auf die vorherige Figur darstellt, was der wechselseitigen Bestätigung der Gemeinschaft dient (15:00).
Die Figuren singen außerdem mehrmals das Lied, dass sie als Kellnerinnen für die Gäste hatten singen müssen, wenn diese Geburtstag hatten (16:58). Im Restaurant sitzend erläutern sie nun ihrer Kellnerin den Ursprung des Liedes. Im Medium des Liedes erinnern sie sich an ihre gemeinsame Vergangenheit. Und dass sie den Ursprung des Liedes der Kellnerin erklären, dient noch mal der Überexplikation der Funktion des Liedes für Rezipient/innen, weil wir weder das fiktionale Lied kennen noch an der vergangenen Szene teilgenommen haben.
Was wir aber kennen, ist Eternal Flame von der Band The Bangles von 1989 (22:40), das die Figuren mehrmals anstimmen. Die Bangles waren eine reine Frauenband mit einem gewissen feministischen Touch. Das Lied ist ein gewöhnliches Liebeslied, aber als eine der Frauen es im sturzbetrunkenen Zustand – betrunken sind sie ja immer – für eine andere singt (56:40), überträgt sie ein Ewigkeitsversprechen aus einem romantischen Diskurs auf die Freundschaft.
In einer Szene wird eine Playlist mit Classic Rock abgespielt – ausdrücklich nichts Aktuelles (25:45). Und dann gibt es auch noch eine Musikszene in einem Kleinbus (44:16): Kim Wildes Kid in America aus dem Jahr 1981 ist – wiederum von einer Playlist – zu hören. Die Frauen befinden sich in einem ausgelassenen Zustand, tanzen im Sitzen und singen mit. Der Hausangestellte und Fahrer ist sehr beflissen, die Aufmerksamkeit der Frauen auf seine Weinunterweisung zu lenken, aber der Akt des Mansplaining kommt insofern kaum zur Geltung, als die Frauen ihn geringschätzig zum Schweigen bringen und er sich gutmütig in die Gesangssituation fügt.
Es geht im Film aber ebenfalls um die Differenzierung von Frauen in verschiedene Generationen. Kids in America dürfte ebenso wie Eternal Flame sowie die Playlist vor allem Zuschauer/innen ansprechen, die vor 1979 geboren wurden. Diese kennen Flow und Text des Liedes und können gespannt auf die Hookline warten und dann zumindest innerlich mitsingen. Das Lied führt diese Generation sinnlich in die Zeit zurück, in der man seine Jugend und besten Freundschaften erlebt hat. Auch wenn man sich als Rezipient/in in einer anderen ontischen Dimension befindet als der Film, nämlich in der Realität, teilt man mit dem Film und den Figuren das deiktische Zentrum, weil man mit dem Film aus den mittleren Lebensjahren auf die eigene Jugend zurück blickt. Das verbindet eine bestimmte Rezipient/innengruppe ganz unmittelbar emotional.
Freilich sind Kids in America und Eternal Flame Evergreens, ebenso wie die Frauen anlässlich des Geburtstags erfahren dürfen, dass sie evergreen sind, aber insgesamt exkludiert der Film nicht nur durch das Alter der Protagonistinnen, sondern auch die Wahl der Musik Personen unter 40 Jahren, was in der Handlung gespiegelt wird, als die Frauen in einem Streit mit einer jüngeren Frauengruppe eine Einheit bilden und zusammenhalten. Hierbei wird explizit verhandelt, dass sich die Generationen unter anderem deshalb nicht verstehen, also nicht auf einem Common Ground bewegen, weil sie nicht mehr die gleichen Medien und Stars kennen, also verschiedene Szenen gemeinsamer Aufmerksamkeit haben. Die Frage lautet: Wer kennt Fran Drescher? Und wer jetzt beim Lesen nicht nachschauen muss, ist vermutlich zwischen 1970 und 1986 geboren, also im Alter der jüngeren Frauengruppe.
Mit Kids in America wird ein internationaler Hit der Engländerin Kim Wilde eingebracht. Dieser bezieht sich aber wörtlich auf das Wir als Jugendgeneration der 80er Jahre in den USA, was für ein amerikanisches Publikum nicht eigens reflektiert werden muss, weil es nicht sonderlich auffallen dürfte. Sogar für Europäer/innen ist es nicht befremdlich, in das Lied einzustimmen und sich gemeint zu fühlen, wenn eine Generation von „New York to East California“ besungen wird, weil man sich in Europa – nicht nur – musikalisch auf einem amerikanisch geprägten Common Ground bewegen. Das ist aber eigentlich ziemlich voraussetzungsreich und impliziert einen historischen politischen und ökonomischen Bund, der im Jahr 2019 nicht mehr so selbstverständlich oder intakt ist wie in den 80er Jahren, also zur Zeit des Kalten Krieges, als es aus einer westdeutschen Sicht nur zwei Blöcke gab, und Westdeutsche jedenfalls nicht zum sowjetischen gehörten. – Nun wäre es interessant, eine ostdeutsche Perspektive auf das Lied hinzuzufügen.
Aggressive Tendenzen
Sex and the City 2 (2010)
In zweiten Sex and the City-Kinofilm reisen die vier Freundinnen in den Nahen Osten nach Abu Dhabi. In dem Film geht es natürlich um die Verbindung der Frauen, die nun – bis auf Samantha, die das nie gewollt hatte – alle feste Partner haben, nachdem die Serie und auch noch der erste Kinofilm von der Suche nach dem richtigen Mann geprägt war. Die Freundinnen sind also in gewisser Weise angekommen, und ihre Krisen im Sinne des Sichabarbeites an Männern halten sich in Grenzen. D.h. den Nahen Osten betreten sie bezeichnenderweise in einer recht souveränen Verfassung.
Im Luxushotel nehmen die Frauen übermütig an einer Karaoke-Show teil und suchen sich das Lied I am Woman von den Australier/innen Helen Reddy und Ray Burton aus dem Jahr 1971 aus, das auch auf dem Soundtrack zum Film zu hören ist. Folgende Szene auf Youtube ist etwas zu kurz geraten, um die Einbettung des Liedes zu zeigen:
Die Musikszene wird davon eingeleitet, dass sich die Amerikanerinnen erst über arabische Kleidervorschriften für Frauen unterhalten. Anschließend bemüht sich Miranda, arabisch zu sprechen, und wird vom Kellner verbessert, als würde er diesen Versuch nicht zu würdigen wissen. Die Amerikanerin wird als die Gutwillige inszeniert, die sich in fremden Sprachen versucht; der Kellner als jemand, der dies nicht annehmen möchte und besserwisserisch auf der korrekten arabischen Aussprache insistiert. Zudem wird ein arabischer Mann, der sich vor den Freundinnen an Karaoke versucht, einem Othering unterzogen, das nicht seinem männlichen Geschlecht gilt, sondern seiner arabischen Sprache, die unverschämt unpassend und unangenehm inszeniert wird. Dagegen spielt der Brite Max Ryan einen Mann, der Samatha in ihrer starken Verfassung – sexuell – attraktiv findet, d.h. ein Geschäft würde er mit ihr vielleicht auch nicht abwickeln.
Das Lied thematisiert weibliche Stärke, die durchaus aus unguten Erfahrungen geboren wurde. Hinter diese Stärke will man nicht mehr zurück fallen. „And I know too much to go back an‘ pretend / ’Cause I’ve heard it all before / And I’ve been down there on the floor / No one’s ever gonna keep me down again […] I am strong / I am invincible / I am woman.” Man kann das Lied als persönliche Selbstermächtigung gegenüber männlicher Unterdrückung in einem individuellen Sinn betrachten, aber letztlich ist der Einsatz ein politischer. „Numbers too big to ignore“ kann man sogar im engeren Sinne als Verweis auf die Frauenbewegung in den 50er und 60er Jahren verstehen.
Wenn amerikanische Frauenfiguren im Nahen Osten auf eine Bühne springen, um auch vor Einheimischen dieses Lied zu performen, sieht das aus amerikanischer Sicht oder vielmehr aus Sicht des Films, die natürlich nicht zwingend pauschal amerikanisch ist, wie Aufklärungs- oder Entwicklungsarbeit aus, und sehr unterschiedliche Frauentypen im Publikum werden ja auch so gezeigt, als würden sie geradezu befreit von dem Lied, und stimmen mit ein.
Die Figuren werden außerdem zuerst als Frauen aus Amerika und dann als „America“ angekündigt, d.h. sie sind weniger als Frauen denn als Repräsentantinnen ihres Landes konstruiert, wobei fraglich ist, wer diese Perspektive eigentlich einnimmt, der arabische Moderator oder der amerikanische Film. Aber insgesamt gilt im Sinne des Films: Female bonding funktioniert über Kulturgrenzen hinweg; es kann stärker sein als kulturelle Zugehörigkeit.
Es handelt sich aber schon um einen Akt der Provokation oder Aggression, wenn amerikanische Frauen als Gäste im Nahen Osten die dortigen Kleidervorschriften kennend und sie ignorierend eher leicht bekleidet auf die Bühne springen. Auch wenn die gängige Rechtsprechung in Bezug auf Frauen in Abu Dhabi auch aus europäischer Sicht kaum zu verteidigen ist, zeigt Sex and the City 2, dass Feminismus als Mittel in einem Kulturkampf eingesetzt werden kann, in dem es um Frauen letztlich nicht geht, sondern vielleicht eher um amerikanische Hegemonie, ebenso wie Feminismus auch aktuell in Deutschland von Einwanderungsgegner/innen nicht vertreten, sondern lediglich instrumentalisiert wird.
Samantha trägt in der Karaoke-Szene ein Kleid des Fashion-Labels The Blonds, das mit der Übertreibung des Schulterpolsters als 80er Jahre-Reminiszenz zur Maskulinisierung beiträgt und in der Mode ein feministisches Statement darstellt, und das durch die Spitzen eine martialische Note erhält. Der Look ist militärisch geprägt nicht nur durch Schulterpolster und vor allem Schulterabzeichen, sondern durch die Schlaufe auf dem Oberteil. Das Rot ist natürlich ohnehin aggressiv. Außerdem ist das Kleid nicht knielang, was eigentlich nicht erlaubt ist. Es scheint im Sinne des Filmes fast so, als sei die wichtigste Errungenschaft des Feminismus die, dass man Haut zeigen darf.
D.h. auf einer Ebene haben die Frauen ganz einfach Spaß am Singen und drücken ihre gute Laune und Freundschaft im Gesang aus, auf einer nächsten Ebene platzieren sie ein feministisches Statement, das natürlich nicht falsch ist, und auf einer weiteren vertreten sie – in der Fiktion wenig reflektiert oder hinterfragt – die Interessen ihres Landes, wie Sänger und Sängerinnen auch die Truppen begleitet haben. In jedem Fall passt die Szene zu der insgesamt sehr pro-amerikanischen und eher anti-europäischen und anti-russischen Haltung, die in der Serie schon um 2002/2003, also zur Zeit des Einmarschs in den Irak, ziemlich stark zum Ausdruck gekommen war.
The Sweetest Thing (2002)
Nicht pop-kulturell codiert ist der Gesangseinsatz der weiblichen Figuren in The Sweetest Thing (Supersüß und Supersexy) von Roger Kumble u.a. mit Cameron Diaz und Christina Applegate in zwei der Hauptrollen, weil die Freundinnen hier ein eigenes Lied vortragen. Es geht im Film um Frauenfreundschaften, Beziehungen, Affären und das Aufbrechen von gewohnten Verhaltensmustern, also auch um eine Krise im Sinne einer Veränderungssituation.
Musik und Sexualität oder Körperlichkeit spielen eine große Rolle in dem Film. Die drei Frauen haben einen sehr intimen Umgang miteinander. Sie sehen sich mit Pickeln und Gesichtsmaske; auf einer Toilette betasten fremde Frauen nach Bitte um Erlaubnis die Silikonbrüste einer der Freundinnen usw. Die Frauen nehmen ihre Körper wechselseitig in einer demaskierten, desillusionierten, ‚authentischen‘ und ‚echten‘ Verfassung wahr, während sie vor Männern Rollen spielen und große Probleme damit haben, dies in Anwesenheit von Männern zu durchbrechen.
Dies tut dann aber der Film: Insgesamt demontiert der Film dieses Männern geltende weibliche Rollenspiel, indem es als Performance durchschaubar wird. In einer Szene sucht eine der Frauen etwas im Fußraum der Fahrerseite, während die andere fährt. Ein Motorradfahrer bildet sich ein, die beiden Frauen beim Oralverkehr zu sehen. Die fahrende Frau sieht ihn, erkennt seine Gedanken und bestätigt sie, indem sie übertrieben sexuelle Erregung vortäuscht. Der Motorradfahrer fährt gegen ein Hindernis. Der Mann wird samt seiner Phantasie der Lächerlichkeit preisgegeben, während das Schauspiel der weiblichen Figur als Schauspiel vorgeführt wird.
Damit soll nicht nur eine Männerphantasie enthüllt werden, sondern auch der Gedanke, dass Frauen sich möglicherweise nicht authentisch verhalten, wenn sie dieser entsprechen, Männer aber am Ende die Dummen darstellen, weil sie gutgläubige Objekte des Schauspiels, also manipulierbar sind. Die Subjekt-Objekt-Relation zwischen Mann und Frau dreht sich hier im Kreis. Am Ende dürfte der Film aber bei Männern Unbehagen erzeugen, weil sie sich als Opfer ihrer eigenen Männlichkeits- und Weiblichkeitsphantasien betrachten müssen, die von Frauen gegen sie instrumentalisiert werden können.
Nun beinhaltet der Film Musiksequenzen auf verschiedenen Ebenen. Um berühmte Filmrollen und weibliche Ikonen geht es z.B. bei einer Kleideranprobe, bei der die Musik zwar metadiegetisch aus dem Off kommt, die Frauen aber tanzen und singen. Und die meisten Filme, auf die mit der Verkleidung angespielt wird, sind i.w.S. Musikfilme. Wie sehen Sandy aus Grease, Alex aus Flashdance und viele mehr (42:04).
Zu einer Gesangseinlage der Frauen kommt es, nachdem eine der Frauen von den anderen nach einer Nacht mit einem Mann über Details ausgefragt wird. Interessant an dieser Szene ist, dass sie für die Amazon-Prime-Version rausgeschnitten wurde und sie nur noch auf YouTube zu sehen ist. Man könnte nun lange darüber nachdenken, warum man die Szene dem Amazon-Publikum vorenthalten möchte. Die Szene ist eher überdreht bzw. die Schauspielerinnen über-spielen, selbst gemessen daran, dass sie eine satirische Übertreibung ausagieren sollen. D.h. hier ist kein Highlight der Filmgeschichte geopfert worden, aber vermutlich fehlt die Szene auch, weil man sie Männern – unter 18[12] – nicht zumuten wollte.
Im Grunde verrät die Frau den Mann, mit dem sie sich zwar auf einer körperlichen Ebene verbunden hat, der aber nicht ihr Feedback oder ihre Innensicht erhält, weil sie sich verbal mit ihren Freundinnen verbindet. Die Solidarität besteht hier zwischen den Frauen, während der Mann ausgeschlossen ist, als es um seine Penisgröße geht. Innerhalb der Fiktion – wobei die Szene durchaus aus der Fiktion herausspringt – machen sich die Frauen über den Mann oder alle Männer lustig, aber nicht über ein zu kleines Geschlechtsteil, sondern darüber, dass Männern die Größe angeblich wichtig ist und sie in dieser Hinsicht weibliche Bestätigung brauchen. Mit der Performance machen sich die Frauen zum Schaustück weiblicher Devotion, die natürlich damit drastisch dekonstruiert und in die Richtung gewendet wird, dass die Frauen letztlich nicht devot das Geschlechtsteil ihres Gegenübers anschwärmen, sondern als blickende und urteilende Subjekte einen female gaze auf eine verletzliche Männlichkeit werfen, die hier objektiviert wird.
Metafiktional adressieren die Frauen männliche Rezipienten, denen sie eine Kostprobe weiblicher Schauspielkunst geben, also zeigen, dass sie lügen oder zumindest männliche Erwartungen formelhaft bestätigen, wenn es um die für Männer als existentiell ausgewiesene Frage der Penisgröße oder überhaupt ihrer Männlichkeit geht. Die Szene sagt: ‚Wir würden auch sagen, dass dein Penis groß ist, wenn er in Wirklichkeit klein ist.‘ Und: ‚Wir finden es albern, dass Du es offenbar nötig hast, dass wir das sagen.‘ Hier verbünden sich Frauen im Lied gegen Männer und männliche Selbstbilder, denn gegenüber Frauen artikuliert die Szene: ‚Wir verfügen über gemeinsames Wissen, wie man mit Männern umgeht. Und wir verhalten uns zueinander loyaler und intimer als gegenüber Männern.‘
Schluss
Einige Motivverschränkungen fallen in den diskutierten Filmen auf, so z.B. dass Lieder sehr häufig im Auto gehört werden oder dass gemeinsam im Auto gesungen wird. Damit wird ein amerikanischer Topos für Freiheit zusammen mit der Musik aufgerufen. Außerdem stehen Fahrt oder Auto nicht selten für den Lebensweg, der in einigen der Filme reflektiert wird. Das kathartische Potential von Gesang und Tanz wird aber auch unabhängig vom Auto deutlich.
Man muss nicht zwingend vom Karnevalesken sprechen, wenn man das rekurrente Merkmalbündel zahlreicher dieser Filme benennen möchte; man könnte etwa auch das Dionysische im Sinne Nietzsches in Anschlag bringen, das das principium individuationis überwindet. Insgesamt ist bei der Übertragung von Konzepten auf andere Kontexte Vorsicht angebracht. Dennoch passt es, Michail Bachtins Überlegungen zum Karnevalesken auf die Krisen-, Ausnahme-, Übergangs-, Selbstvergewisserungs- und Wahrhaftigkeitsmomente der Filme bzw. der Figuren in den Filmen anzulegen.
„Der Körper ist noch nicht individualisiert und von der restlichen Welt noch nicht getrennt. Träger des materiell-leiblichen Prinzips ist weder eine selbstständige biologische Person noch das bürgerliche egoistische Individuum, sondern das Volk […]. Daher ist hier alles Körperliche so grandios, hyperbolisiert und maßlos. Die Übertreibung hat positiven, bestätigenden Charakter. Leitthema in all diesen Motiven des materiell-leiblichen Lebens ist Fruchtbarkeit, Wachstum, grenzenloser Überfluß.“[13]
In den meisten der Filme werden kollektiv Drogen konsumiert, und zwar mit der Intention, dass sich die Außengrenzen der Figuren auflösen sollen, sie Masken, Schleier oder Panzer fallen lassen, um sich auf die Aspekte zu konzentrieren, die sie gemeinsam haben. Da die Drogen zu Erbrechen, Rülpsen und Flatulenz führen, wird der Körper in seiner unmittelbaren Körperlichkeit gezeigt. Indem Flüssiges oder Gasförmiges abgesondert wird, scheint sich der Körper aufzulösen, was übrigens auch durch Urinieren, Durchfall und Weinen der Fall ist. Die Frauen berühren sich außerdem, sehen sich in Unterwäsche, ungeschminkt usw. usf. Sexualität spielt in fast allen Filmen eine wichtige Rolle in dem Sinne, dass sie positiv bewertet wird, weil die Frauen souverän darüber verfügen. Das Singen fügt sich sehr stimmig in diese Momente. Die Frauen verschmelzen im gemeinsamen Gesang sinnlich, also quasi-körperlich, weil sich ihre Stimmen verbinden. Der Gesang korrespondiert mit der Struktur des Flüssigen der anderen karnevalesken Momente.
Die karnevalesken Aspekte entsprechen durchaus den traditionellen Zuschreibungen zu Weiblichkeit und weiblichem Gesang, die zu Beginn zitiert wurden und die oft auch negativ konnotiert sind oder die sich zumindest in einem logozentrischen Diskurs leicht marginalisieren lassen, also Natürlichkeit, Emotionalität, Sinnlichkeit, Flüssiges, aber in vielen der Filme kommt es zu einer Aufwertung dieser Aspekte. Sie sind ein Quell der Stärke, indem sie mit einer organischen Gemeinschaft einher gehen. Das Karnevaleske hat außerdem die Funktion, die Wahrheit zum Ausdruck kommen zu lassen:
„Der Karneval […] befreite von der Macht der offiziellen Weltanschauung, erlaubte, die Welt auf seine Art zu sehen: ohne Angst und Andacht, sehr kritisch, aber positiv und ohne Nihilismus, denn er erschloß das reiche materielle Prinzip der Welt, das Werden und den Wechsel, die Unüberwindlichkeit des Volkes.“
„Die Maske ist verknüpft an die Freude an Wechsel und Umgestaltung, mit der heiteren Relativität, auch mit heiterer Verneinung von Konformität, Eindeutigkeit und der stumpfsinnigen Identität mit sich selbst.“
In der temporär begrenzten Inversion der Ordnung im Karneval kommt den üblicherweise ausgeschlossenen oder abgedrängten Narren, Schelmen und Tölpeln das Privileg zu, integraler Bestandteil eines gesellschaftlichen Rituals zu sein. In diesem Rahmen der verkehrten Welt darf dann – zumindest für einen begrenzten Zeitraum – ungestraft die Wahrheit gesagt, ein satirischer Spiegel vorgehalten werden, und zwar vor der Bühne der Öffentlichkeit. Krisen- und Übergangszeiten werden zu Zeiten der Wahrheit, in denen diese Wahrheit nicht nur erfahren, sondern auch subversiv verkündet wird. Das ist natürlich bedrohlich für eine bestehende Ordnung. – Wobei es übertreiben wäre, die weiblichen Figuren als ebenso marginalisiert zu betrachten wie die frühneuzeitlichen Tölpel etc.
Diese Form der Selbstermächtigung wird positiv dargestellt, aber der ein oder andere Gesangseinsatz weist auch aggressive Züge auf – gegenüber dem anderen Geschlecht, der anderen Generation, der anderen Kultur usw. Das, was ‚unser‘ Lied ist, ist eben nicht das Lied der anderen und kann auf die eine oder andere Weise auch gegen sie eingesetzt werden. Female Bonding im Medium des Singens oder des Liedes zeigt, wie Frauen sich auf das eigene Geschlecht beziehen, was ein wichtiges Anliegen bestimmter feministischer Diskurse ist, und die Filme liefern attraktive öffentliche weibliche Rollenvorbilder für Frauen und Frauenfreundschaften. Die Filme inszenieren teilweise aber auch eine Exklusivität, die nicht unbedingt zur Dekonstruktion von Geschlechtsrollenstereotypen oder Geschlechtersegregation beiträgt. Female Bonding gut (!), aber es wäre zu überlegen, wie man das exkludierende Moment herunterregulieren oder überhaupt biologistisch-essentialistische Kategorien demontieren könnte, sind ja nicht alle Menschen mit Penis gleich, und dazwischen gibt es auch noch Lebensformen.
Aber die performativ verbindende Dimension von Gesang und Tanz erinnert vielleicht gerade daran, dass das Geschlecht eine weniger essentielle Kategorie ist als üblicherweise angenommen wird – und zwar sowohl seitens Vertreter des Patriarchats als auch bestimmter feministischer Strömungen –, denn wären alle Frauen gleich oder qua Geschlecht ohnehin verbunden, bedürfte es keiner Bonding-Rituale. Schließlich zeigen alle Filme, dass auch Frauen nicht alle gleich sind, sondern sich überhaupt erst zu der Gemeinschaft zusammenraufen müssen, die in einem patriarchalischen System zunächst einmal von außen projiziert wird, ohne dass sie apriori besteht, dass sie also das übliche Othering in etwas Positives verkehren können, wenn dieses sich schon nicht auflösen lässt.
Interessant ist außerdem die Verschränkung von Krise und Freundschaft in den diskutierten Filmen. Abgesehen von dem Mutter-Tochter-Bonding geht es schließlich immer um letztere, und neben den persönlichen Selbstvergewisserungsprozessen sind es ja oftmals diese Freundschaft, die auf der Kippe stehen. Man beginnt einen neuen Lebensabschnitt, zieht um, ist umgezogen, in verschiedene Berufe eingetreten, hat oder wird verschiedene Männer heiraten. Es werden Verlustgeschichten erzählt, was sich auch dadurch zeigt, dass die Freundschaften – unabhängig vom Geschlecht – durch das Beschwören einer gemeinsamen Vergangenheit bestehen und am Leben gehalten werden – durch das mythische Narrativ.
Auch eine Mutter-Tochter-Verbindung kann und muss zwar ausgestaltet werden, ist aber nicht davon abhängig, dass man sie performativ herstellt, weil sie biologisch ohnehin besteht. Eine Ehe kann und muss zwar ausgestaltet werden, ist aber davon nicht abhängig, weil sie als solche de jure ohnehin besteht – solange sie besteht. Auch sexuelle Beziehungen – abgesehen von der juristisch verankerten Ehe – bestehen nicht ausschließlich, weil man sie im Vollzug lebt. Es gibt relativ klare kommunikative Regeln für Paarbeziehungen. Üblicherweise erfährt es der/die Partner/in, wenn man sich trennt. Man muss es sagen. Alles andere verstößt gegen Anstandsregeln.
Freundschaften haben noch nicht einmal die Begrenzungen, dass man sie mit einem Satz beginnt oder beendet. ‚Wir sind jetzt Freunde.‘ ‚Wir sind keine Freund mehr.‘ Man kann diese Sätze äußern, aber das dürfte der seltenere Fall sein. Zumeist ist man ganz einfach befreundet und hält diesen Zustand aufrecht, oder die Freundschaft läuft aus. Die Freundschaft muss performativ hergestellt und am Laufen gehalten werden. Sonst existiert sie nicht. Deshalb ist sie so krisenanfällig und deshalb bedarf sie verschiedener Bonding-Rituale. Und Gesang und Tanz verbinden – in den Filmen. Da sie dies aber bezeichnenderweise nicht nur auf eine allgemeine kognitive Weise tun, sondern über die leiblich-sinnliche Dimension haben Gesang und Tanz eine quasi-sexuelle verbindende Funktion.
Female Bonding ist grundsätzlich in einem Zwischenreich zwischen biologischen Verbindungen und (pop-)kulturellen Stilgemeinschaften angesiedelt. Eigentlich gibt es kein biologisches Band. Daher können z.B. Gesang und Tanz spezifischer oder spürbarer verbinden als das Frausein. Dennoch gibt es bei Frauen ein biologisches Merkmal, das in den meisten Kulturen zur Klassifikation herangezogen wird. Daher binden Gesang und Tanz Frauen weniger oder auf eine andere Weise als z.B. Punks oder Gothics, die ihre Kleidung vielleicht nicht ausziehen wollen, es aber können, während das biologische Geschlecht in der Außenwahrnehmung nicht abgestreift werden kann wie ein (pop-)kulturelles Versatzstück.
Anmerkungen
[1] Klaus Kanzog: ‚Wir machen Musik, da geht euch der Hut hoch.‘ In: Michael Schaudig (Hg.): Positionen deutscher Filmgeschichte. München 1996; Malte Hagener, Jens Hans (Hg.): Als die Filme singen lernten. Innovation und Tradition im Musikfilm. 1928-1938. München 1999; Michael Wedel: Der deutsche Musikfilm. Archäologie eines Genres. 1914-1945. München 2007; Julia Heimerdinger: Neue Musik im Spielfilm. Saarbrücken 2007; Dorothee Ott: Shall We Dance and Sing? Zeitgenössische Musical- und Tanzfilme. Konstanz 2008; Marcel Göken: Das Filmmusical im 21. Jahrhundert. Münster 2015; Thomas Koebner (Hg.): Reclams Sachlexikon des Films. Stuttgart 2011; Saskia Jaszoltowski, Albrecht Riethmüller: Musik im Film. In: Holger Schramm (Hg.): Handbuch Musik und Medien. Konstanz 2009.
[2] Dies schließt nicht aus, dass die Musik technisch betrachtet vielleicht auch nicht ‚mitgedreht‘ wurde, sondern auf einer eigenen Tonspur in der Postproduction eingespielt wird, aber es geht um die innerdiegetische narrative Verankerung.
[3] Michael Tomasello: Die kulturelle Entwicklung des menschlichen Denkens. Zur Evolution der Kognition. Frankfurt/Main: Suhrkamp 2006; Matthias Bauer: Szenen gemeinsamer Aufmerksamkeit. Medien als Kulturpoetik. Zum Verhältnis von Kulturanthropologie, Semiotik und Medienphilosophie. In: Christoph Ernst, Petra Gropp, Karl Anton Sprengard (Hrsg.): Perspektiven interdisziplinärer Medienphilosophie. Bielefeld 2003, S. 94-118; Matthias Bauer: Spiel, Szene, Empathie. Eine Skizze. In: Tatjana Heyde-Zybatow, Ulf Haredarski, (Hrsg.): Sprechen, Denken und Empfinden. Berlin 2013, S. 253-277.
[4] Minsky, Marvin: A Framework for Representing Knowledge. MIT-AI Laboratory Memo 306, June 1974. In: web.media.mit.edu/~minsky/papers/Frames/frames.html. Zugriff: 15.02.2012; Eco, Umberto: Lector in fabula. Die Mitarbeit der Interpretation in erzählenden Texten. München, Wien 1987; vgl. für präzise Angaben zur Literatur: Lickhardt, Maren: Star Trek. Popkultur als Szene gemeinsamer Aufmerksamkeit. 2015. In: http://www.pop-zeitschrift.de/2015/01/03/star-trekpopkultur-als-szene-gemeinsamer-aufmerksamkeitvon-maren-lickhardt3-1-2015/
[5] Koch-Haag: Die Stimme als Bühne, S. 188.
[6] Donata Koch-Haag: Che Faro Senza Euridice. Die Stimme als Bühne der gender politics im frühen deutschen Tonfilm. In: Malte Hagener, Jan Hans (Hg.): Als die Filme singen lernten. Innovation und Tradition im Musikfilm 1928-1938. München 1999, S. 181.
[7] Gertrud Koch: Film, Musik, Video. Zu einer Theorie medialer Transgression. In: Frauen und Film 58/59 (1996), S. 9-12; Maureen Turim: Gesang der Frauen Gesten der Frauen. Musikvideos. In: Frauen und Film; Janina Jentz: Warenfetisch und Spektakel. Oder: Die (wieder)hergestellte Ordnung. In: Hagener/Hans (Hg.), S. 196.
[8] Gertrud Koch: Film, Musik, Video, S. 9.
[9] Der Film passt deshalb ins vorliegende Korpus, weil die Musik reflexiv diskursiv ausgelastet wird. Sie ist nicht lediglich um ihrer selbst dar bzw. der Film ist nur nebenbei eine Hommage an Dolly Parton. Er folgt im Prinzip einem Coming-of-Age-Schema.
[10] Siehe auch die Netflix-Serie Dolly Parton’s Heartstrings (2019), die Jolene narrativ auferstehen lässt.
[11] Dass Willowdean in der Handlung mit ihrem ersten Freund zusammenkommt, stellt ebenfalls nur einen Nebenstrang dar, und der Freund ist ganz en passant der Neue Mann der 2010er Jahre, der sich freundlich, wertschätzend und von alten Konventionen unbeeindruckt verhält.
[12] Es könnte um die Altersfreigabe gehen, die für den vorliegenden Kontext aber nicht relevant ist und daher nicht überprüft wurde.
[13] Michail M. Bachtin: Rabelais und seine Welt. Volkskultur als Gegenkultur. Hg. v. Renate Lachmann. Frankfurt/Main 1987, S. 69.
Maren Lickhardt ist Assistenzprofessorin am Institut für Germanistik der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck.