Genre im Affekt
[aus: »Pop. Kultur und Kritik«, Heft 13, Herbst 2018, S.69-75]
Ein Café in Wien. Eine junge attraktive Frau (Jodie Comer) genießt ihr Eis. Dabei sucht sie sich in das sympathetische Gefüge eines kleinen Mädchens einzufinden, das einige Tische weiter ebenfalls vor einem Eisbecher sitzt. Beinahe gefühllos seziert sie zunächst den Blick des Mädchens, versucht dann aber, diesem durch ein aufgesetztes Lächeln eine freundliche Reaktion abzuringen. Das Mädchen bleibt unbeeindruckt und wendet sich dem Ober hinter der Eistheke zu. Der Ober lächelt, das Mädchen lächelt. Vollkommen selbstverständlich erscheint diese soziale Geste. Um Teil dieser wechselseitigen Affektion zu werden, bemüht sich die Ausgeschlossene um ein noch breiteres, offeneres Lächeln. Schließlich spiegelt das Mädchen endlich auch ihr Lächeln. Die Frau blickt auf ihre Armbanduhr, es ist kurz nach 19 Uhr. Sie packt zügig ihre Sachen. Der Ober blickt sie irritiert an. Sie erhebt sich mit einer indifferenten, fast schon kalten Miene. Elegant bewegt sie sich durch das Café auf das Mädchen zu, unvorhersehbar und katzengleich stößt sie den Eisbecher des Mädchens mit einem gezielten Schlag um. Erst jetzt zeichnet sich ein natürliches Lächeln auf dem Gesicht der jungen Frau ab. Schadenfreude scheint ihrem Affektgefüge eher zu entsprechen als das zuvor nur mühsam geprobte soziale Lächeln, das Friedfertigkeit signalisieren und Bindungsorientierung dokumentieren soll.
Diese erste Szene ist emblematisch für die neue Serie »Killing Eve«, deren erste Staffel von April bis Mai 2018 bei BBC America lief. Im Mittelpunkt von »Killing Eve« steht die hauptsächlich mit Schreibtischarbeit betraute MI5-Angestellte Eve Polastri (Sandra Oh), die nach und nach einer empathielosen Auftragskillerin – der Missetäterin aus dem Eiscafé – auf die Spur kommt und eine immer besessenere Jagd quer durch Europa beginnt. Auf der Metaebene unternimmt »Killing Eve« dabei eine Tiefenbohrung in die Untergründe jenes unsagbaren Affektregimes, auf dem das Genre des Agententhrillers immer schon aufbaut: des genrekonstitutiven Mechanismus, der die Entfesselung menschlicher Triebe – Hass, Lust an der Gewalt, das Genießen von Souveränität – durch den Bezug auf ein größeres Ganzes, allen voran natürlich das Wohl der nationalen Gemeinschaft und die Treue zum Staat, legitimiert.
Das konstitutive Bedingungsverhältnis von Sozialität und Asozialität oder auch von Moral und Skrupellosigkeit wird in der Regel durch die figurale Gegenüberstellung von ›good agent‹ und ›bad spy‹ narrativ so organisiert, dass die Akzeptanz von Gewalt und die Identifikation mit der moralisch richtigen Seite mehr oder weniger irritationsfrei möglich wird. Affekte berühren den ›good agent‹ nur dort, wo sie sich in einer Zone regelkonformer emotionaler Äußerungen – etwa im Kontext des Familienlebens – als eingehegte Momente des Mitgefühls oder der Fürsorge zeigen können. Der Affektpol der illegitimen Gewalt bleibt eindeutig dem Antagonisten vorbehalten. Kommt es dennoch auf der Seite der Sozialität zu einer Entfesselung der Triebe, wird die auftretende soziale Destruktionsenergie stets durch ein Ensemble von rationalen Legitimationsdiskursen und die ostentative Dokumentation präziser Logistik kanalisiert.
Untermauert wird das so entstehende Kontrollnarrativ durch die entsprechende Inszenierung der asozialen Antagonisten, sich durch einen Hang zum Unkontrollierten, Rohen und Wilden auszuzeichnen. In avancierteren Varianten des Agententhrillers, die sich um ambivalentere Mischungsverhältnisse der Polarität von Gut und Böse bemühen, zerbricht das Kontrollnarrativ dadurch, dass dem Protagonisten ein Unrecht geschieht, das ihn seinen eindeutigen moralisch-sozialen Kompass verlieren lässt und ihn aus der herrschenden symbolischen Ordnung heraus- und in einen Wirbel kalter, eskalierender Wut hineintreibt. Das Kalkül, hat es Grund zur Rache, strebt zum rohen, wilden, unkontrollierten Exzess.
»Killing Eve« setzt diese lebensweltliche Polarisierung nicht unbedingt aus, die Serie verunsichert aber die Regeln des Genres in durchaus grundsätzlicher Weise. Sie leistet diese Entautomatisierungsarbeit, indem sie die konventionelle Affektordnung des Agentengenres und das damit verbundene Gefüge von Affekt/ion, Mimesis und Mimikry nicht alleine auf der Ebene der Handlung bloß narrativ aktualisiert, sondern die entsprechenden Relationen auf einer Metaebene selbst zum Reflexionsanlass werden lässt. Die Serie stört die Selbstverständlichkeit des Genres, indem es die gängige affektive Rahmung in einem Moment spektakulärer Selbstreferenz ausstellt und damit zur Beobachtung der genretypischen Affektpolitiken einlädt.
Das Generische ist nicht nur der Ort, an dem sich das Spiel zwischen Affekt und Affektion, zwischen Mimikry und Mimesis quasinatürlich zuträgt, es ist darüber hinaus notwendig der Schauplatz, auf dem es zu einer analytischen Befragung seiner Effekte kommen kann. Versteht man Genre als jene Form, die quasi-mimetisch den menschlichen Affekten nachspürt, um sich deren katalytischer Evokation zu verschreiben, dann lässt sich am Genre auch die zu festen Strukturen geronnene Praxis, Affekte in kalkulierte Affektion zu transformieren, beobachtbar machen. »Killing Eve« spürt dem paradoxen Affektpotenzial nach, das der Agententhriller zwischen ordnungsgenerierendem, detektivischem Wissenstrieb und exzessivem, Ordnung herausforderndem Instinkthandeln zu bedienen weiß.
»You should’ve been a spy«, entgegnet Eves Ehemann fast schon unbedacht auf die im Ermittlungswahn euphorisch vorgetragenen Spekulationen seiner Frau. Er eilt der Handlung der Serie damit weit voraus. Zum Zeitpunkt des Gesprächs ist Eve als MI5-Sachbearbeiterin über die Ermittlungen im Falle der Ermordung eines russischen Agenten in Wien zwar in Kenntnis gesetzt, sie steht aber am Rande der Untersuchung, fernab des Kerngeschäfts der Spionageabwehr oder der Agentenjagd. Dennoch glaubt sie, eine heiße Spur zu haben: Sie geht fest davon aus, dass es sich bei dem unbekannten Mörder um eine weibliche Täterin handeln muss. Um ihre Vermutung zu untermauern, will Eve unautorisierterweise die verletzte Freundin des Ermordeten in einem Londoner Krankenhaus befragen. Bei ihrem eigenmächtigen Besuch des Krankenhauses kommt es schließlich zur zweifachen Wendung der Handlung: Eve begegnet, noch ohne es zu wissen, im Toilettenraum der gesuchten Killerin. Diese wird wenig später, als Krankenschwester getarnt, in einem Blutrausch die Zeugin und das betreuende Krankenhauspersonal töten. Eve und ihr Kollege verlieren daraufhin den Job. Der spontane Einfall ihres Mannes soll sich wenig später bewahrheiten, als eine Sonderermittlerin der russischen Abteilung des MI6 auf Eves kombinatorische Fähigkeiten und ihre Thesen über die unbekannte Killerin aufmerksam wird. Die ehemalige Sachbearbeiterin wird als neue Blackops-Agentin in eine kleine Fahndungseinheit abkommandiert, die schon länger ungeklärte Morde auf mögliche Muster untersucht und der Frage einer verbindenden Täterschaft nachgeht. Dass das Blackoperation-Office ebenso unglamourös ist wie das vorangegangene Krisentreffen im MI5-Büro, verdankt sich dem Stil von Phoebe Mary Waller-Bridge, die die Serie für BBC America, auf den »Villanella«-Romanen von Luke Jennings basierend, geschrieben und produziert hat. Waller-Bridge hatte bereits mit ihrer Serie »Fleabag« (BBC-Three, 2016) das schwierige Genre Comedy-Drama neu ausgelotet. Hier hatte sie sich als Expertin für die feine Grenze zwischen schwarzem Humor und existentieller Krise, funktionalen und dysfunktionalen Familienkonstellationen, Autonomiebedürfnis und sozialer Abhängigkeit bewiesen.
Auch »Killing Eve« zeichnet diese Arbeit an den Grenzen aus. Denn obgleich Eve, sobald sie die Krankenschwester als die gesuchte Killerin identifizieren kann, von einer unverhältnismäßigen Obsession für ihr Gegenüber erfasst wird, macht die Serie diese Obsession weder durch Pflichttreue gegenüber dem Gesetz noch durch den Rückbezug auf eine forensische Motivation plausibel. Eves Jagdtrieb fällt quasi aus den Rationalisierungsroutinen des Genres heraus. Die Ausschließlichkeit, mit der ihre Jagd ihr gesamtes Leben affiziert, resultiert gerade nicht aus einer externen, in der symbolischen Ordnung verankerten Instanz, sondern entspringt einer affektiven Attraktion, die sich von Folge zu Folge deutlicher als ein sexuelles Erwachen äußert. Eve hat sich in ihre Antagonistin verknallt, ihr Handeln wird damit von einer Affektion bestimmt, die das Register der Affekte nachhaltig irritiert, und zwar auf der Ebene des Genres selbst.
Eve bricht aus den Grenzen des Genres aus, insofern sexuelles Begehren dort allenfalls als heterosexuelles, das heißt reproduktiv konnotiertes, zur kalkulierten Verunsicherung von Gut/Böse-Polarisierungen narrativ eingesetzt werden darf. Eves aufkeimendes homosexuelles Begehren, das queer zur genretypischen Geschlechterordnung liegt, stößt auf reziproke Resonanz, insofern auch die Killerin, die sich nach dem fiktiven französischen Duft Villanelle nennt, zunächst auf ihre Jägerin aufmerksam wird und sie dann ebenfalls zu begehren beginnt. Eves schwere dunkle Locken haben in der furiosen Killerin Erinnerungen an ihre vergangene Liebe Anna geweckt. Sie wird der Schlüssel zu Villanelle sein. Eves und Villanelles Karrieren verlaufen fortan nicht mehr so eindeutig, wie noch zu Beginn. »There are concerns about your state of mind« heißt es aus dem Mund von Villanelles Auftragsvermittler Konstatin (Kim Bodnia). Ihre Professionalität leidet sichtlich seit der Begegnung mit Eve. Sie neigt zu überzogenen, riskanten Aktionen. So ermordet sie etwa Eves langjährigen Kollegen und Freund Bill (David Haig), den sie in einem Berliner Club eiskalt (hier ist er, der rohe und wilde Überschuss auf der Seite der Antagonistin) ersticht und sich damit nicht nur Eves ausschließliche Aufmerksamkeit, sondern auch ihre affektive Bindung sichert.
Eve, die zunächst sehr harmlos und wenig agentengemäß erscheint, verwandelt sich in eine von Rachegelüsten und sexuellem Begehren Getriebene. Im deutlichen Widerspruch zu ihrer nüchternen, manchmal fast schon tollpatschigen Art, heißt es nach Bills Tod: »I want to kill her … with my bare hands.« Ein Satz, der in der Serie seltsam befremdlich wirken muss – als vollziehe sich ein Registerwechsel. Zum ersten Mal glaubt man Eve im (falschen) Film, erschien sie doch zuvor als ein bodenständiger Charakter, zeigte sich zwischen ihr und Villanelle nicht nur eine lebensweltliche, sondern auch eine szenografische Kluft: Während Villanelle wie eine Hommage an die großen Ikonen der Kinohistorie von Anna Karina und Brigitte Bardot bis Sharon Stone, kindlich zart und entrückt von den Bildern eines Dior-Spots, körperlich versehrt und realistisch verzerrt zu denen eines japanischen Pinku eiga springt und dabei an den Grenzen zum Wahnsinn wie ein Bondgirl durch die Ikonografien des Genres wandelt, scheint Eve in der monochromen Unaufgeregtheit ihres verregneten Londoner Alltags gefangen.
Das Spiel mit den Affektionen durch das Genre wird immer dann manifest, wenn die quasinatürliche Erdung Eves auf die filmische Ikonizität Villanelles trifft. Die Registerwechsel funktionieren in der Diegese alles andere als flüssig. Eve und ihre Kollegen brauchen immer zu lang, um zu verstehen, was passiert. Sie sind in den Strukturen der Wirklichkeit gefangen, während Villanelle gleich einer Kinofigur die Hürden der Realität graziös überspringt. Spätestens, wenn Eve nach ihrer Reise aus Berlin ihren zuvor gestohlenen Koffer voller wunderschöner Designerkleidung zurückerhält, – ein aufmerksames Geschenk einer verliebten Mörderin –, wird augenscheinlich, wie sie sich allen destruktiven Affekten zum Trotz zum ersten Mal gesehen und als ein erotisches Wesen begehrt fühlt. Weibliche Maskerade wird zu einem innerweiblichen Szenario, der männliche Blick, wie ihn einst Laura Mulvey als konstitutiv für den Mainstreamfilm glaubte, wird nicht einmal mehr gebrochen, er wird einfach ausgelöscht. Bill repräsentiert so nicht nur die (offene) Rechnung, er ist natürlich auch eine kleine, folgenreiche Hommage an eines der größten Genre-Rache-Epen aller Zeiten, nämlich »Kill Bill Vol.1 & 2« (2003/4) von Quentin Tarantino.
Ergänzend zu dieser Störung des tradierten Blickregimes des Agentengenres wird zudem das inversive Potenzial der Rache als Verunsicherungs- und schließlich Legitimierungsinstrumentarium einer hegemonialen Deutung von Gerechtigkeit ad absurdum geführt. Während der Gewaltaspekt der Rache zwar im Genre eindeutig delegitimiert wird, haben die bloßen Rachegelüste als prinzipiell zweifelhafte Affekte mit einem hinsichtlich der detektivischen oder geheimdienstlichen Arbeit gleichwohl großen motivationalen Potenzial durchaus eine legitime Funktionsstelle. Dieser Logik folgt die Ermordung Bills, die Eve erst dort entfesselt, wo Villanelle es schon längst war. Beide Frauen werden sich im Fortgang der Handlung als Spielbälle einer anderen Ordnung erweisen. Doch das ist nicht das Thema, das die Serie »Killing Eve« ihrem Titel nach im Wortsinne umtreibt. Ginge es der Serie bloß um ein weiteres Rachenarrativ, wie es zeitgleich etwa die Netflix-Serie »Marvel’s The Punisher« (seit 2017) wieder einmal aufführt, dann wäre über die Serie mit dem angegrauten kritischen Hinweis auf die ideologische Funktion des kulturindustriell konfektionierten Genres möglicherweise schon alles gesagt. »Killing Eve« ist aber anders und interessiert sich auch für etwas anderes: Im Zentrum steht eine detaillierte Vivisektion des Affektpotenzials, das sich zwischen den beiden Hauptfiguren entfaltet. Ein Affektpotenzial, das im Modus des gleichgeschlechtlichen Begehrens die Frage nach dem Verhältnis von Sehen, skopischem Regime und der Macht von Erwartungen noch einmal neu stellt.
Der Kampf, der sich zwischen Eve und Villanelle über mehrere Länder und Mediengrenzen hinweg vollzieht, bis es schließlich in Villanelles Pariser Wohnung zum vorläufig finalen Showdown kommt (Staffel 2 folgt), ist ein Kampf zwischen Wahnsinn und Vernunft, zwischen Affekt und Leidenschaft. Letztlich zwischen Frau-Sein und Frau-Werden. Damit inszeniert »Killing Eve« eine dramatische Entunterwerfung von Weiblichkeit, die sich in anderen Agentenserien nur in einem funktionalen Zuordnungsmodus artikulieren kann. Generell gilt: Das Agentengenre kennt weibliche Figuren vor allem als Reflexionsinstrument gesellschaftlicher Strukturen, die sich in die jeweiligen Figurenpsychen sedimentiert haben. Ob Alex Parish (Priyanka Chopra) in »Quantico«, Sydney Bristow (Jennifer Garner) in »ALIAS« oder Elizabeth Keen (Megan Boone) in »Blacklist« – all diesen Heldinnen ist gemein, dass sie in skopische Regime eingebunden sind, über deren Regeln sie innerfiktional im Modus der Maskerade zwar verfügen, die ihnen aber zugleich so selbstverständlich sind und bleiben, dass sie hinsichtlich ihrer jeweiligen identitätsstiftenden Stelle im sozialen und politischen Raum an keiner Stelle einer fundamentalen Irritation ausgesetzt werden könnten. Einer Irritation, die auf sie derartig zurückschaut, dass sie gezwungen wären, ihre Identitätsentwürfe mit existentiellen Folgen zu hinterfragen.
Villanelle und Eve hingegen scheinen, und darin liegt das unzweifelhafte Potenzial von »Killing Eve«, die an ihre persönlichen Entwicklungen gekoppelten Emotionen als Affekte für die Rezipientinnen verfügbar zu machen; die Serie wird durch eine Politik der Affektirritation organisiert, die auf die Dimension des Publikums derart ausgreift, dass nicht mehr klar zu sagen ist, ob das Medium sich in unser Affektgefüge über mimetische Annäherung an unsere Gefühlshaushalte einzuschreiben sucht, oder ob es etwas entfesselt, was schon längst da ist: die Sehnsucht nach einem anthropologisch grundierten Einverständnis mit dem Anderen, das uns in den Erzählwelten der Populärkultur sonst nur in den Formatierungen des Bedrohlichen, des Irrationalen usw. begegnen kann.
Diese Überlegung führt zu der Eröffnungsszene von »Killing Eve« zurück: Villanelle spielt durchweg mit dem Willen zu zwischenmenschlichem Kontakt und Einverständnis, mit dem Bedürfnis nach Anerkennung. Im Laufe der Serie wird aber zu keinem Zeitpunkt klar, ob sie unter den vielen Schichten ihrer Maskerade und ihrer meisterlichen Anpassung an die jeweiligen situativen Lebensbedingungen selbst über dieses Bedürfnis, diesen Willen zum Zwischenmenschlichen verfügt. Villanelle ist wie das Genre, das gelernt hat, sich über perfekte Mimikry an den Affekthaushalt seines Gegenübers anzugleichen und dabei zu verdecken, was die wahren Motive sind oder ob es diese überhaupt gibt. Hinter Villanelle verbirgt sich ebenso wenig eine tiefere Wahrheit wie hinter dem Genre. Es ist immer genau das, worin es uns affiziert: eine wiederholte Aufführung der Affektdynamik des Sozialen in seiner Relation zum Asozialen. Eve als Killerin und als zu killende ist nichts anderes als die Versinnbildlichung des allzu menschlichen Genusses (›pleasure‹), weder das eine noch das andere zu tun, aber auf der Ebene des Exzesses mit beidem zu kokettieren, rein fiktional versteht sich. Ohne zu bedenken oder sich darum zu kümmern, dass bereits das Fiktionale der Griff nach dem Apfel ist. In diesem Sinne ist es also alles andere als ein Zufall, dass die Protagonistin Eve heißt. Die Sünderin, die ungewusst dazu verführt worden war, vom Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen zu essen.