Goodbye VIVA, hello IGTV
von Annekathrin Kohout
28.8.2019

Social Media, Pop, Ereignis

[aus: »Pop. Kultur und Kritik«, Heft 13, Herbst 2018, S.49-58]

Am 24. Juni 2018 wird auf dem Instagram-Profil von Taylor Swift eine kurze, siebenteilige Story hochgeladen. Ihre Fans wissen sicherlich, dass es sich bei den Aufnahmen um ihr Konzert im Londoner Wembley-Stadion handelt. Swift sitzt am Klavier, ihr blondes Haar weht leicht im Wind, die Melodie setzt ein, man erkennt sie sofort: »I sit and wait«. Es ist der Song »Angels« von Robbie Williams, das Publikum tobt und Swift grinst. Der Effekt sitzt. Im zweiten Clip der Story erscheint plötzlich vor dem Piano – er wird durch ein Loch im Bühnenboden hochgefahren – Robbie Williams, das Original. Jetzt geht der dritte Clip los, Swift spielt Klavier, ihr Lachen wird breiter, Williams singt. Er trägt ein T-Shirt, das für die Reputation-Tour von Swift wirbt, auf der er sich gerade selbst befindet. Swift wird eingeblendet: Sie kann ihr Glück kaum fassen.

Früher wären solche Aufnahmen nur im (Musik-)Fernsehen gezeigt worden. Diese Zeiten sind seit zehn Jahren vorbei. Dem (Musik-)Fernsehen wird – wie den Printmedien – darum seit ungefähr einer Dekade der Untergang prognostiziert. Beim deutschsprachigen Musikkanal VIVA, den es seit 1993 gibt, erfüllt sich die Vorhersage tatsächlich in naher Zukunft, er stellt am 31. Dezember 2018 den Sendebetrieb ein. Der Grund dafür liegt auf der Hand: die Erfolge Sozialer Medien, insbesondere von YouTube und Instagram, auf denen Fans selbstbestimmt, mobil und jederzeit auf die Videos oder Bilder ihrer Stars zugreifen können.  

2003 – einige Jahre vor der Durchsetzung Sozialer Medien – stellte die Filmwissenschaftlerin Michaela Krützen in ihrem Essay »Fernsehen, Pop, Ereignis« das Musikfernsehen am Beispiel von MTV auf eine Weise dar, wie man heute Instagram charakterisieren würde. Mehr noch als jeder andere Sender sei MTV »ein Medium der Wiederholung, der Vorankündigung, der Zerstreuung, der Unterhaltung, der Geschichtslosigkeit, der Fragmentierung und des Flusses.« Ersteres versteht sich von selbst, denn Popmusik ist ein ›content‹, der die Wiederholung begünstigt und gleichermaßen benötigt. Ein Popsong ist ein umso größerer Hit, je öfter er wiederholt wird. Deshalb, so Krützen, »kann MTV sein Angebot schneller recyceln als jeder andere Sender.« Sieht man sich den ›content‹ an, der von Popstars bzw. ihren Social-Media-Verantwortlichen auf Instagram eingestellt wird, muss man die Plattform geradezu als Recycling-Hof bezeichnen. Unzählige Perspektiven des gleichen Konzertauftritts oder Fotoshootings und verschiedene Ausschnitte von Musikvideos werden manchmal direkt nacheinander, oder in angemessenen Abständen, wieder und wieder veröffentlicht. Auf einem Event werden Bilder für die nächsten drei Jahre gesichert; dass es sich dann irgendwann um alte Bilder handelt, bemerken nur aufmerksame Follower oder Fans. Und wieviel Aufmerksamkeit kann man als User einem einzelnen Account schon widmen, wenn man hunderten folgt? Wiederholung ist sogar unabdingbar, will man, dass ein Auftritt bei möglichst vielen Nutzern im Feed erscheint; ohne Wiederholungen würde ein Algorithmus bei den meisten Nutzern den Clip gar nicht platzieren.

Instagram dient ebenfalls als Medium der Vorankündigung. Solche Ankündigungen werden unterschiedlich in Szene gesetzt: als Making-of-Foto mit dem Kommentar »Coming Soon«, als Story mit dem Hinweis »Swipe up« (woraufhin sich eine Seite mit der Auflösung öffnet) oder mit rätselhaften Postings, die so sehr aus dem üblichen Feed herausfallen, dass sie eine Bedeutung besitzen müssen und sich die Betrachter unweigerlich fragen, welche das sein könnte – etwa als Katy Perry drei Tage lang kurze Videosequenzen von animierten 50er-Jahre-Motiven postete, die für einen fiktiven Freizeitpark mit dem Namen »Oblivia« warben; wie sich im Nachhinein herausstellte, kündigte sie damit ihr Musikvideo »Chained to the Rhythm« an, das in jenem Park spielt.

So geeignet bereits das Musikfernsehen war, um ständig neue Erwartungshaltungen durch Vorankündigungen, aber auch durch das Format selbst zu erzeugen (Krützen weist darauf hin, dass man bei den kurzen Musikvideos immer schon ihr Ende mitdachte und das Warten auf das nächste, noch unbekannte Video große Verheißungen auslöste), so ist diese Wirkung bei Instagram deutlich verstärkt. Nicht nur dass Bilder mit kurzen Kommentaren schneller erfasst werden und Clips oder Storys mit einer Maximaldauer von 15 Sekunden wesentlich kürzer sind als ein Musikvideo – der ›Infinite Scroll‹ hält die Erwartungen auf das Neue, noch nicht Bekannte immerzu aufrecht. Hinzu kommt, dass man selbst bestimmen kann, wie schnell man scrollt, was man überscrollt oder wo man anhält und verharrt. Ähnlich bei den Storys: Mit einem simplen Tippen erscheint das nächste Video, mit einem kurzen Wischen die nächste Story.

Wie sieht es mit der Zerstreuung aus? Krützen meinte, das Musikfernsehen laufe immer nebenbei. Die Zuschauer bügelten oder äßen während des Fernsehens; kurze Stücke, die sich abwechseln und keinen Zusammenhang, keine Narration ergeben, eigneten sich hervorragend als Nebenbeschäftigung. Wenn man sich heute auf Instagram bewegt, ist man im Gegensatz zum Fernsehen zwar immer aktiv (man gelangt nur durch Klicken, Scrollen oder Wischen zu den verschiedenen Inhalten), trotzdem geht auch mit der Nutzung der App eine gewisse Zeitökonomie einher: Sie wird häufig in jenen Momenten aufgerufen, in denen man sonst Zeit verschwenden würde, zum Beispiel beim Warten. Oft wird auch während des Fernsehens gescrollt, nicht selten auch nur wegen der Aktivität selbst (ohne sich dabei auf die Inhalte zu konzentrieren). 

Ohne Zweifel dient Instagram wie ehedem MTV oder VIVA vor allem der Unterhaltung. Man könnte zwar einwenden, dass bei Instagram ein schier unermessliches Repertoire existiert, während ein TV-Sender immer einem von wenigen Personen zusammengestellten Programm folgt. Aber auch wenn es viele Instagram-Profile gibt, die sich traditionelle Bildungsziele setzen, gilt das jedoch nicht für die populären Accounts. Populär ist, wer viele Follower hat und was viele Likes und Kommentare erhält – was fast immer auf unterhaltende Inhalte zutrifft. Lange verfügte Taylor Swift über die meisten Follower unter allen angemeldeten Nutzern, mittlerweile ist Selena Gomez die ›Queen of Instagram‹ mit 138 Millionen Followern (Stand: 26.6.2018).

Hinsichtlich des Merkmals der Geschichtslosigkeit scheint sich Instagram wiederum als Nachfahre des Musikfernsehens zu erweisen. »MTV is the triumph of pure presence«, schrieb David J. Tetzlaff im »Journal of Communication Inquiry« von 1986. Krützen bestätigte das: Jeder Bericht laufe auf »gegenwärtige Triumphe hinaus« – und bringt damit zwei Dinge zusammen, die auch Instagram auf virtuose Weise vereint: die Suggestion von Gegenwart – meist durch Alltagsdarstellungen – und die Inszenierung von Erfolg. Eine »moderne Form der Hofberichterstattung« attestierte Krützen darum MTV zusätzlich. Instagram hingegen berichtet nicht nur bloß über den Hof, sondern direkt aus dem Hof heraus (besonders gut nachzuvollziehen auf dem Profil von Britney Spears, wo ein Großteil der Beiträge in ihrer häuslichen Villa spielt). Kaum ein Soziales Netzwerk wird deshalb so stark dafür kritisiert, nur Reichtum und Lifestyle zu präsentieren, wie Instagram.

Von seiner Verwendung her ist Instagram zweifellos ein Medium der Gegenwärtigkeit. Viele Bilder werden über den persönlichen Feed lediglich ein einziges Mal, nämlich wenn sie neu hinzukommen, betrachtet. Noch mehr aber erfüllt sich die Gegenwartsbezogenheit in den Storys, weil diese sich nach 24 Stunden von selbst löschen. Dennoch gibt es ein Archiv, dessen Bedeutung gerade für Fans nicht zu unterschätzen ist. Bei älteren Profilen von Popstars, die viel auf Instagram veröffentlichen, ist es zu einer regelrechten Herausforderung für die Fans geworden, bis zum ersten Eintrag herunterzuscrollen und ein Datum zu hinterlassen, so als hätten sie einen Berg erklommen. Nur weil das Archiv für viele weiterhin von Bedeutung ist, fiel der Effekt so groß aus, als Taylor Swift mit einem Mal alle Einträge auf Instagram (ebenso auf Twitter und Facebook) löschte (nicht ohne Pathos: am Tag der Sonnenfinsternis), um im Anschluss mit drei rätselhaften Videos einer Schlange ihr neues Album anzukündigen, das natürlich nicht zufällig »Reputation« heißt. Die Diagnose der Geschichtslosigkeit trifft auf Instagram also (noch) nicht vollständig zu. Sie erfasst aber auch die Eigenart von MTV keineswegs vollständig, wie man im Nachhinein erkennen kann, waren es doch gerade die Musiksender, die mit Dokumentationen und Rückschauen an der Historisierung von Popmusik mitgewirkt haben.

Nicht nur die kurzen Zeiteinheiten kennzeichnen MTV als »Stückwerk«, hielt Krützen fest. Das Musikfernsehen hat mehr noch als n-tv, N24 oder CNN – die Laufschriften in ihre Monitoransicht integrierten – den Bildschirm in kleine Felder eingeteilt, wo neben Chartplatzierungen und SMS-Nachrichten auch mal zwei Videos sich ablösend nebeneinandergestellt wurden. Das »bedeutet eine permanente Neuorientierung; die Zuschauer müssen sich im Minutentakt auf neue Bilder einstellen. Dies führt nun aber nicht zu einer Wahrnehmung des Programms als stückhaft. Charakteristisch […] ist vielmehr die Wahrnehmung des Gebotenen als fließend.« Einmal mehr liest sich Krützens Charakterisierung des Musikfernsehens wie eine Beschreibung von Instagram. Was wäre spezifischer für das Soziale Netzwerk als die Aufteilung des Bildschirms in kleine Quadrate, die aber in ihrer Verwendung – durch das Scrollen und Verfolgen von Profilen über einen längeren Zeitraum – als ›flow‹ empfunden werden? 

Auch die Inhalte, mit denen Popstars ihre Profile füllen oder füllen lassen, knüpfen an Traditionen der Musiksender an. Wo bei MTV das Musikvideo zu »Oops! … I Did It Again« abgespielt wurde und anschließend Britney Spears in einem Werbeclip für Pepsi tanzte (und zwei Wochen später eine Homestory in ihrer Villa gemacht wurde etc.), sieht man auf dem Instagram-Profil von Spears nun in einem vergleichbaren Verweissystem eine Abfolge von Konzertsequenzen, Werbebilder für Kenzo, Selfies im hauseigenen Fitnessstudio. Man sieht aber noch viel mehr – allerdings unterscheidet sich der Auftritt von Britney Spears hier deutlich von dem anderer Popstars: Sie gewährt überaus intime Einblicke in ihr Privatleben und das ihrer Kinder. Das ist auf eine Art gewagt, weil sie sich damit angreifbar macht, andererseits auch interessant, weil sich ihr Instagram-Verhalten als Akt der Selbstbestimmung ansehen lässt, als Emanzipation von der fremdbestimmten Darstellung durch frühere journalistische Medien oder Paparazzi. 

Britney Spears macht auf Instagram, was sie will. Dass sie die Möglichkeit dazu hat, verdeutlicht, auf welche Weise sich Instagram von einem Ahnvater wie dem Musikfernsehen unterscheidet. Man kann es nutzen, wie einem beliebt. Man kann (bis auf Genitalien und Gewaltdarstellungen) alle Bilder zeigen, die man möchte. Man muss keine Narration erzeugen, sondern besitzt die Möglichkeit, sie ständig zu brechen. Möchte man es positiv formulieren, haben Popstars die Chance, ihr Image selbst zu gestalten – natürlich mit der Gefahr, dass sie dabei an Popularität verlieren. Deshalb gibt es immer weniger Prominente, die ihre Accounts selbst bespielen, es sei denn, der Authentizität wegen, um hin und wieder ein Selfie zu posten. Ihre Social-Media-Manager richten sich bei der Gestaltung des Profils an der Optimierung von Followerzahlen aus, zudem möchten sie viele Likes und Kommentare erzielen. Darum halten sie nicht nur die formalen Regeln stoisch ein (wie häufig und zu welchen Zeiten etwas veröffentlicht wird), sondern erfüllen auch einige inhaltliche Standards (welche Bildtypen und -Motive verwendet werden und in welcher Abwechslung diese auf dem Profil erscheinen). 

Lange blieb Miley Cyrus die Ausnahme von der Regel konventioneller und professioneller Bilderproduktion auf Instagram. Mit überraschenden, lustigen, provokativen und unverständlichen Bildern und Collagen irritierte sie Zuschauer und Fans stets aufs Neue, konfrontierte sie mitunter sogar mit Abgründen. So manch eine Nacht sendete sie mehr oder minder unüberlegt Bilder aus dem Bett, einen Joint rauchend. Fotos von abendlichen Abstürzen mit prominenten Kollegen waren auch gängig. Ihre Fans sahen es ihr nicht immer nach, trauerten in den Kommentarspalten über den Verlust der »alten Miley Cyrus« alias Hannah Montana – von der aber alle Spuren auf Instagram beseitigt (gelöscht) waren. Mit ihrem Musikvideo zu »Malibu«, änderte sich Cyrus’ Instagram-Account im Mai 2017 plötzlich. »Itʼs a brand new start… a dream come true… in Malibu…« kommentiert sie das Cover des »Billboard«-Magazins, auf dem sie im rosa Rüschenkleid abgebildet ist (und nicht, wie wenige Jahre zuvor, nackt auf einer Abrissbirne) – zugleich das Foto, das die Veränderung ihres Instagram-Profils einleitet. »Hannah Montana is back«, lautete ein Kommentar. Seitdem scheint Miley Cyrus kaum noch selbst auf Instagram zu posten. Die dort veröffentlichten Bilder machen beinahe ausschließlich den Eindruck öffentlicher Werbe- und Presseaufnahmen. Damit reiht sie sich ein in die Professionalisierung des Sozialen Netzwerks, in dem immer weniger experimentiert wird und immer weniger überraschend ›Privates‹ von Popstars zu erwarten ist. Zwar hat Beyoncé im Juni 2018 ein sehr erfolgreiches Instagram-Bild (das sie mit Jay-Z bei einem Ausflug in den Louvre zeigt) zum Anlass für ein ganzes Musikvideo genommen (»Apeshit«), doch ist auch ihr Instagram-Account unpersönlich und folgt lediglich den gängigen Strategien: In regelmäßigen Abständen wechseln sich Bilder und kleine Videoausschnitte von Musikvideos, Konzerten oder Werbeaufnahmen sowie Collagen des immer selben Typs ab. Es gibt keine Profilbeschreibung, und die Bilder werden fast nie kommentiert. Erst recht werden keine Kommentare beantwortet.

Der Instagram-Account von Beyoncé interpretiert den Starberuf sehr klassisch als glamourösen Lifestyle. Ganz anders Taylor Swift: Sie inszeniert das Star-Sein als Arbeit. Ihr Profil dominieren Bilder von Proben und Vorbereitungen auf Konzerte, Musikvideos und öffentliche Termine. Auch dahinter steckt ein Konzept, das den Fotos einen Status zuweist: Die Bilder bei Vorbereitungen oder beim Training sind überwiegend schwarz-weiß, Auftritte vor Publikum, Musikvideos, Werbeshoots sind farbig. Manchmal wird das Einstudieren einer Choreografie der Ausführung im fertigen Musikvideo gegenübergestellt. Das flößt Respekt ein. Und wenn doch einmal eine eher private Aufnahme im Feed auftaucht, etwa wenn Swift mit ihrer Katze im Bett kuschelt, kommentiert sie: »Just over here daydreaming about playing Manchester tomorrow…« Doppeltes Herzchen. Ein Foto ihrer Katze in einer Yoga-artigen Pose kommentiert sie mit: »We are all stretching to prep for that tour choreo.« 

Indem Swift die professionellen Standards ihres Jobs selbst thematisiert, schafft sie es, weiterhin ein Gefühl von Nahbarkeit und Gleichheit bei ihren Fans hervorzurufen, ohne dabei an Authentizität einzubüßen, obwohl – oder gerade weil – sie die Kommentarfunktion ausgestellt hat und sich damit als ›menschliches Wesen‹ offenbart, das auf positive Kommentare verzichtet, um den Hasskommentaren zu entgehen. Darum geht es schließlich seit der Anfangszeit des Sozialen Netzwerks: Der Erfolg von Instagram ist nicht zuletzt der vermeintlichen Glaubwürdigkeit und Alltäglichkeit der Bilder zu verdanken, die nicht mehr – wie in früheren fotografischen Darstellungen von Stars – Unnahbarkeit ausstrahlen (um die Auserwähltheit des Stars zu betonen), sondern eine persönliche Nähe und Gleichheit zu den Fans herstellen.

Das gelingt noch immer vielerorts besonders deshalb so gut, weil Fans und Stars mit Instagram das gleiche Medium bedienen und die gleichen Möglichkeiten von Publikation und Rezeption haben. Dadurch wird die sonst eigens inszenierte Hierarchie zwischen Star und Fan aufgeweicht. Hinzu kommt die Sichtbarkeit der Vernetzung. Klickt man auf das Profil eines Popstars, sieht man, wem seine Seite gefällt. Dort werden gleichwertig nebeneinander angezeigt: ein alter Schulkamerad, die Schauspielerin einer Serie, die man gerade schaut, andere Popstars, eine gute Freundin usw. Wer bisher nicht geglaubt hat, dass Prominente ›auch nur Menschen sind‹, wird auf Instagram insofern eines Besseren belehrt. Gegenwärtig findet allerdings eine Hierarchisierung innerhalb der Plattform statt: So können etwa bei Instagram-TV (IGTV) nur jene Nutzer längere Videos (bis zu 60 Minuten) produzieren und hochladen, die mehr als 10.000 Follower haben. Für kleinere Accounts sind Videos nur bis zu einer Länge von 10 Minuten möglich.

Apropos Vernetzung: Natürlich gilt auch weiterhin die Regel, dass sich die Popularität eines Popstars besonders gut steigern lässt, wenn er sich an der Seite anderer Popstars zeigt. Das kann auf Instagram vielfältig bewerkstelligt werden. Der einfachste Weg dürfte das gemeinsame Selfie sein: »I’m grateful for those I surround myself with«, schreibt Selena Gomez unter ein Backstage-Foto, auf dem sie mit Taylor Swift kuschelt – und es vereinen sich 138 Millionen Follower mit 109 Millionen Followern. Da klickt nicht nur Taylor Swift »Gefällt mir«, sondern auch andere Prominente liken das Foto, wie zum Beispiel Blake Lively. Das regt den Betrachter wiederum zu Spekulationen über das Verhältnis zwischen den Stars an und steigert die Bedeutung des Postings. Überhaupt: So wenig Popstars auf die üblichen User-Kommentare reagieren – wie auch, es sind schließlich tausende –, so oft sieht man doch Kommentare von ihnen unter den Postings anderer Stars.

Und die Musik? Sie muss von den Usern weitgehend dazugedacht werden. Zwar tauchen immer wieder kurze Sequenzen im Feed (mit Musik unterlegte Bilder und Videoausschnitte) oder in einer Story auf – sie ist also fester Bestandteil des Feeds –, aber sie anzuhören ist, wenn man ehrlich ist, kein großer Genuss. Die siebenteilige Story von Taylor Swift und Robbie Williams wird alle 15 Sekunden von einer kurzen Pause unterbrochen, in der sich das nächste 15-Sekunden-Video lädt. Das ist nur bei solchen Titeln auszuhalten, die sehr populär und so bekannt sind, dass man sie automatisch im Kopf weitersingt. Doch bleibt abzuwarten, wie die Musikindustrie IGTV für sich nutzbar machen wird. Da ist viel denkbar, von Outtakes über Backstage-Stories bis zu eigens angepassten Musikclips. Vor allem wird es wohl viel ›Reality-TV‹ geben, wie sich jetzt schon andeutet: Auch dabei treten die Star- und Lifestyle-Profile in die Fußstapfen des Musikfernsehens.