Social Media Oktober
von Sebastian Löwe
22.10.2018

Rhetorik der Einflussnahme. Die Influencerin als ästhetisches Identifikations- und Sinnangebot

Das Phänomen der Influencerin –vor allem das komplizierte Spiel aus Bild, Sprache und Interaktion auf der Plattform Instagram–, das von Wolfgang Ullrich in „Pop. Kultur und Kritik“ (Nr. 12, Frühling 2018) unter dem Titel „Ganz ohne Einflussangst. Zur Karriere der Influencer“[1] in den Mittelpunkt seiner Untersuchung gestellt wurde, muss ergänzt und womöglich neu gedacht werden.

Ullrich deutet die Influencerin aus kunstgeschichtlicher Perspektive im Grunde als verhinderte Künstlerin, die angstfrei ihren Mangel an kreativer Leistung, Originalität und Genialität im Medium Instagram auslebt. Mehr noch, das Phänomen der Influencerin ist Ullrich zufolge erst aus diesem künstlerischen Defizit erklärbar. Zur Promoterin der Warenwelt werde die Influencerin gerade deswegen, weil sie nicht permanent sinnvolle, kreative Beiträge posten könne und daher aus Verlegenheit, ein digitales Lebenszeichen von sich geben zu müssen, zu Konsumprodukten greift und sie inszeniert. Ullrich definiert die Influencerin konsequent im Lichte der Abwesenheit von Kreativität: „Das ist ein Mensch, der aus Mangel an Ideen darauf kommt, ihm gerade zur Verfügung stehende Konsumprodukte zu fotograferen und zu filmen … .“[2]

Doch erklärt ein Mangel an bzw. die Abwesenheit von etwas nicht den positiven Inhalt eines zu erklärenden Phänomens. Wenn es Verlegenheit ist, die Influencerinnen zu solchen macht, wieso praktizieren sie es überhaupt? Keine Inhalte zu haben, müsste doch bedeuten, dass man aufhört zu posten. Stattdessen werden Influencerinnen zu ausgezeichneten Handwerkerinnen, die teilweise stundenlange Vorbereitung in ein einziges Foto investieren, das sie nicht einmal mehr selbst machen. Die Frage drängt sich auf: Was praktizieren also Influencerinnen, wenn es offenbar kein Abzug von ihrer Authentizität ist, wenn sie sich inszenieren?

Wolfgang Ullrich weist zurecht darauf hin, dass Influencerinnen Glaubwürdigkeit inszenieren und dadurch ein Stück weit ihr Publikum verführen. Aber statt sie der Manipulation zu inkriminieren, möchte ich fragen, worin ihre Inszenierung besteht und weshalb diese so attraktiv ist, dass man überhaupt von so etwas wie Einflussnahme sprechen kann. Eine solche genaue Untersuchung bleibt trotz Wolfgang Ullrichs Vorstoß ein Desiderat; sie scheint aber nötig, um das Phänomen erklären zu können. Ich möchte daher die kunstgeschichtliche Sicht um eine ästhetiktheoretische, kultur- und medienwissenschaftliche Perspektive in der Hoffnung ergänzen, damit dem Phänomen der Instagram-Influencerin näher zu kommen.

Ein Blick auf Instagram verrät, dass das Medium vielfältig und durchaus sehr unterschiedlich genutzt wird – als Ort ungefilterter Zeugenschaft, als künstlerisches Medium oder als virtuelle Galerie, als Archiv oder Tagebuch, als Kochbuch, DIY-Plattform, Community-Ratgeber oder als Werbekanal für Unternehmen.

Schaut man sich die Accounts der Influencerinnen an,[3] fällt auf, dass sie ein im Vergleich dazu fokussierteres bildliches und sprachliches Vokabular haben. Bei ihnen wird der Instagram-Account in den allermeisten Fällen zur Plattform für die Inszenierung ihrer Person, ihres Leben, ihrer Taten, ihrer Vorlieben, kurz ihrer Persönlichkeit und persönlichen Weltsicht. Meine These ist, dass, egal auf welche Themenbereiche Influencerinnen spezialisiert sind, sie über ein spezielles visuell-narratives Verfahren der Sinnstiftung, die das Medium ermöglicht und unterstützt, Identifikationsangebote machen, die letztlich ihren Einfluss auf andere Menschen begründen. Zu beweisen wird sein, auf welche Art und Weise Influencerinnen das tun und welche Rolle Bild, Sprache und Vernetzung auf Instagram als sozialem Medium spielen.

Um sich dem Phänomen vorsichtig zu nähern, soll zunächst einmal ein erster Blick auf die Accounts einiger Influencerinnen geworfen werden. Ich habe dafür zufällig exemplarische Nutzerkonten ausgewählt. Unter den Accounts finden sich die deutsche Fitness-Influencerin Pamela Reif (@pamela_rf), das selbstbetitelte „fat girl“ Gabi Fresh (@gabifresh), die Kolumbianerin Maria Perez (@maria_perezxox), der Unternehmer Joel Contartese (@joelcontartese), die Fashion-Beauty-Lifestyle-Influencerinnen Desi Perkins (@desiperkins), Bonnie Strange (@bonniestrange) und Caroline Daur (@carodaur), sowie den queeren Influencer Ricardo Simonetti (@riccardosimonetti) und den Bodybuilder Andy Frisella (@andyfrisella). Diese Auswahl ist weder abschließend noch repräsentativ, sondern soll ein mehr oder weniger facettenreiches Bild der Szene zeigen. Alle genannten Accounts zeigen Ausformungen eines noch zu bestimmenden Lebens dieser Personen. Auf der ersten Ebene der Begegnung mit dem Leben dieser Menschen treffen Nutzerinnen auf eine endlose Reihung von Fotos, wie hier exemplarisch bei Caroline Daur gezeigt wird.

Jedes dieser Fotos wurde zu einem bestimmten Zeitpunkt gepostet; das Datum und meist auch der Ort sind an dem Bild vermerkt. Auf dieser Ebene reihen sich die bildlichen Repräsentationen zu einer langen Kette von ‚Lebenszeichen‘ dieser Person. Man könnte auch sagen, dass man es mit einer unabgeschlossenen Erzählung zu tun hat, die das Medium permanent zur Fortsetzung ausschreibt. Entscheidend ist hier folgende subtile Verschiebung: Diese visuelle Erzählung, gerade weil jeder einzelne Post so stark an einen konkreten Zeitpunkt und Raum geknüpft ist, legt in ihrer Gesamtheit nicht nur nahe, dass es sich um Dokumente aus dem Leben der Leute handelt, sondern um Dokumente des Alltags. Wo das tägliche Leben dokumentiert wird, kann es auch als alltägliches Leben interpretiert werden. Diese Verwischung von täglich und alltäglich, die das Medium Instagram hier möglich macht und die die Influencerinnen bewusst einsetzen, ist folgenreich.

Schaut man sich die Dokumente in ihrer Gesamtheit an, die zu einem Bild des Alltags zusammengesetzt werden, dann besteht das tägliche Leben einer Influencerin wie Caroline Daur aus solchen Dingen, Orten und Aktivitäten, die im Alltag vieler Menschen nur einen marginalen Platz haben. Reisen ist eine Aktivität, die sich auf die Urlaubszeit beschränken muss, Fitness-Studio-Besuche müssen am Abend stattfinden, Ausfüge und Parties am Wochenende. In der Welt der Influencerinnen jedoch nehmen diese Events einen zentralen Platz ein. In der Welt der Influencerinnen scheint es einen ermüdenden und anstrengenden Arbeitsalltag nicht zu geben. In dieser Abfolge glücklicher und ausgelassener Momente, ist das Außergewöhnliche Normalität, hat das Negative und Beschwerliche keinen Platz. Wir haben es hier zunächst einmal mit dem visuellen Narrativ einer unbeschädigten Welt zu tun, die weder Antagonismen noch Brüche kennt.

Das Subjekt selbst ist in dieser Welt im wahrsten Sinne des Wortes Mittelpunkt der Erzählung; es wird fast immer in die Bildmitte gesetzt. Damit unterstreicht die Erzählung vom unbeschädigten Leben, wie sehr es diesem Subjekt gemäß ist; oder anders ausgedrückt, wie sehr die Interessen des Subjekts nach einem guten und außergewöhnlichen Leben in dieser, seiner Welt aufgehoben und verwirklicht sind. Somit hat man es schon auf dieser ersten, grundlegenden Ebene mit einem Sinnangebot zu tun, das zur Identifikation mit der Influencerin einlädt. Es ist das Angebot, die Welt der Influencerin im Lichte ihrer subjektgemäßen Ausformung zu interpretieren, sie als subjektgemäß zu begreifen. Man ist eingeladen, Zeugin des unbeschädigten Lebens dieser Person zu werden. Mit Rekurs auf Daniel Martin Feige ist das Design von Instagram als ästhetische Form der praktischen Welterschließung[4] eine, die die Welt der Influencerin im Modus dieser Sinnvorstellung erschließt. Freilich ist die Differenz zum eigenen, viel härteren Leben natürlich damit nicht geleugnet. Ganz im Gegenteil, scheint die Attraktivität gerade in der Differenz zum eigenen Leben zu liegen.

Die Bildebene unterstützt inhaltlich diese Differenzmarkierung. Interessant ist, wie der nicht-alltägliche Alltag ästhetisch inszeniert und beglaubigt wird. Ein kurzer Streifblick: Desi Perkins steht vor einer Villa am Strand im schicken Kleid, dann steht sie vor einer zweiten Villa in Santa Barbara in Bikini und Mäntelchen oder am Strand im Badeanzug mit ihrem Freund. Joel Contartese sieht man in weißer Hose und weißem Hemd die Treppen eines barocken Schlosses hinaufsteigen, man sieht seinen Blick auf einen Nachmittagskaffee in Los Angeles mit einem spannenden Buch daneben oder mit modischem Pullover und Skinny-Jeans neben moderner Kunst in einer kalifornischen Galerie. Pamela Reif posiert nach dem Work-Out mit TV-Star Selena Gomez, sie sitzt dann beim Sonnenuntergang in einem Adria-Hafen irgendwo in Montenegro und betrachtet Luxusjachten, ist dann auf dem Hockenheimring bei der Formel Eins ganz nah am Geschehen oder zeigt sich im Bikini am Malediven-Strand. Beglaubigt wird die Differenz zum ‚normalen‘ Leben weniger durch den jeweiligen Inhalt, der für sich genommen auch für Durchschnittsmenschen ab und zu erreichbar ist, als vielmehr durch zwei Aspekte eines professionell inszenierten Accounts.

Zunächst wird deutlich, dass das Zeitalter des Selfies bei den Influencerinnen längst vorbei ist. Fast ausschließlich sind die Protagonistinnen dieser Erzählungen von Fotografen oder so genannten ‚Instagram-Husbands‘[5] in Szene gesetzt worden. Das Foto von Pamela Reif vom Hockenheimring mit wohl definierten Kontrasten, satten Farben und einem Spiel von Schärfe und Unschärfe, das von einer dynamischen Bildkomposition unterstrichen wird, stammt von Paul Ripke, einem Fotografen, der auch andere Influencerinnen inszeniert.

Wenn Pamela Reif derart aus ihrem Leben erzählt, dann gerinnt ein ganzer Tag am Hockenheimring in solch einem durchkomponierten Foto zum visuellen Monument. Es steht stellvertretend für eine ganze Reihe großartiger und zerstreuender Erlebnisse; nicht umsonst spielen die drei Badges, die um Reifs Hals hängen mit einem Assoziationsraum zwischen Trophäe, Medaille und VIP- Zugangsberechtigung. Es ist unserer Phantasie überlassen auszumalen, wie erfüllt dieser Tag für Reif war, der hier visuell konzentriert wiedergegeben wird. In jedem Fall zeichnet sich das ästhetische Moment auf der Ebene des einzelnen Dokuments durch eine enorme Verdichtung des guten Lebens aus. Auf der Ebene der Reihung jedes dieser Dokumente wird deren einzelne Wirkung noch einmal zu einer Gesamtwirkung verstärkt, denn in der Abfolge zeigt jedes Foto die Influencerinnen in der Regel in einem neuem Setting mit unterschiedlicher Garderobe. So addieren sich die einzelnen konzentrierten visuellen Zeugnisse des guten Lebens zu einer Summe, die erst die Qualität des bruchfreien Lebens der Influencerinnen und damit den qualitativen Unterschied zum eigenen Leben ästhetisch inszenieren.

Eine solche Erzählung ist nicht etwa ein unauthentisches Leben, wie einige Kritikerinnen anmerken, sondern der Kern dessen, was die Authentizität des erzählenden Subjekts im Medium Instagram ausmacht. Denn – in Anlehnung an Adorno[6] – kommt es bei der Frage, was authentisch ist, weniger auf den Inhalt des Gesagten als vielmehr darauf an, auf welche Art und Weise jemand etwas hervorbringt. Authentisch ist, wenn der ganze Mensch rede, wenn das Gesagte aus der „Tiefe des redenden Subjekts“[7] komme, in einem „Gefühl dankbarer Zustimmung zum Dasein“.[8] Das Instagram-Subjekt ist authentisch, wenn es von sich und dem eigenen unbeschädigten Leben berichtet. Dies muss allerdings mit jedem Post ästhetisch und rhetorisch neu bewiesen werden, um glaubwürdig und damit authentisch zu bleiben. Das Medium Instagram zwingt, könnte man fast sagen, durch seine mediale Verfasstheit und sein mediales Dispositiv die Influencerinnen dazu, mit jedem Post zu zeigen, dass sie ihr Leben wirklich so leben und darin ganz bei sich sind. So verwundert es nicht, dass sich in den visuellen Narrativen der Influencerinnen nicht der geringste Hinweis findet, der das Bild vom unbeschädigten Leben brüchig und damit unauthentisch werden lässt.

Abschließend wird auch die sprachliche Ebene der Instagram-Posts von den Influencerinnen genutzt, um ihr Identifikationsangebot zu bekräftigen. Die meisten Influencerinnen nutzen die Captions, also die Bildunterschriften, um die oft deutliche Differenz zum Leben der Followerinnen durch eine direkte Ansprache zu relativieren, indem sie darauf verweisen, was Influencerin und Followerin eint. So schreibt Gabi Fresh an ihre Fans: „Happy #nationalbikiniday!!! thank you to every person who has shared photos of themselves in swimwear over the past 5 years, helping our culture move toward inclusivity and self love “.

Die Gemeinsamkeit mit dem vernetzten Beobachter wird hier durch die Behauptung einer gemeinsamen Kultur hergestellt. Gabi Fresh mag ja besonders mutig sein im Kampf gegen stereotype Vorstellungen von Schönheit und dabei besonders coole Bikinis tragen, so die Botschaft ihrer visuellen Ansprache, aber sie ist eben nur Teil einer viel umfassenderen Kultur, zu der sich jeder Mensch mit Übergewicht zählen darf.

Maria Perez nutzt die Captions fast ausnahmslos für Sinnsprüche wie „To be the best you must be able to handle the worst“, um ein Gefühl von Gemeinsamkeit herzustellen. Dafür eignen sich Sinnsprüche besonders, weil sie die Gemeinsamkeit mit den Followerinnen durch eine in aller Regel allgemein geteilte, sinnstiftende Interpretation des Lebens abrufen. Wer mag sich nicht hinter solch ein poetisches und positives Menschenbild stellen?

Alle Influencerinnen beherrschen die Kunst des rhetorischen Framings ihrer Posts, egal ob sie durch so genannte rhetorische Fragen Parallelen zum Leben ihrer Follower herstellen („Geht es euch nicht auch so…“), geschlossene Fragen stellen („habt ihr schon mal versucht euch mit links zu schminken oder zu schreiben?“), Schmeicheleien austauschen („Ihr seid so süß…“), humoristische Einlagen bringen („My mom’s genes in these mom jeans“), sich gemeinsam freuen („TGIF…thank god it’s Friday“), Frust im Liebesleben eingestehen („Sometimes he makes me want to throw my chancla across the room but I love him #marriage“), Unsicherheiten zugeben („I have insecurities too, we all do and it is not a bad thing …“), gemeinsam Hitzewellen ertragen („let’s get cool in the pool“) oder Alltagsrituale zeigen, die Nutzerinnen auch betreiben („My little family sunday“). Die Bandbreite dieser rhetorischen Identifikationsangebote ist damit noch nicht erschöpft; sie soll an dieser Stelle aber genügen.

Mit diesen persönlichen Ansprachen an die Nutzerin schaffen die Influencerinnen ein Interpretationsangebot ihrer Posts, das die visuelle Inszenierung auf interessante Weise ergänzt. Die Fotos mögen als Ausweis einer qualitativen Differenz der Influencerin interpretiert werden, die verbale Ansprache rückt diese Differenz in ein neues Licht, denn die Betonung der Gemeinsamkeit mit den Followerinnen macht die Influencerin zu einer nahbaren, bescheidenen und ehrlichen Person. Indem die Influencerinnen das Angebot an die Betrachterinnen machen, die Differenz zu ihrem Leben als ideell überwunden zu begreifen, stärken sie das Identifikationsangebot und festigen damit ihre Vorbildrolle, ihre Position als Beeinflusserinnen. Das Leben der Influencerin im Lichte der Gemeinsamkeit zu interpretieren, bedeutet für die Betrachterinnen, das unbeschädigte Leben nicht mehr als Ausnahmeerscheinung zu deuten, sondern als Prototyp des eigenen Lebens. Indem sich Instagram-Nutzerinnen letztlich mit der Influencerin im Modus der Sinnvorstellung des gemeinsamen Lebensentwurfs eines unbeschädigten Lebens identifizieren, werden sie erst zu Anhängerinnen, Unterstützerinnen, kurz Followerinnen.[9]

Wie dieses identifikatorische Spiel aus Nähe und Distanz ausgestaltet wird, um Identifikation zu schaffen und die Authentizität des eigenen außergewöhnlichen Lebens ästhetisch zu beglaubigen, ist den Influencerinnen überlassen. Manche von ihnen betonen Sex-Appeal und ihren Körper – wie Maria Perez –, andere Style und Geschmack – wie Caroline Daur. Bonnie Strange spielt mit dem Bild einer unangepassten jungen Frau, die trotzdem einem gängigen Schönheitsideal entspricht. Gabi Fresh ist Fürsprecherin eines alternativen Frauenbildes, Pamela Reif Vertreterin einer Arbeite-hart-dann-schaffst-du-es-Mentalität, die sie visuell und sprachlich aufruft. Joel Contartese gibt den einfühlsamen Mann, Ricardo Simonetti den queeren Paradiesvogel und Andy Frisela den harten Typen, den nichts aufhält.

Dabei begrenzen sich die Influencerinnen nicht auf ein bestimmtes Feld, sondern deklinieren jeweils für sich die Kategorien Körper/Sex-Appeal, Geschmack, Reichtum/Luxus, Erholung und Motivation durch. Ohne dass sie dabei selbst zu Stereotypen werden, rufen sie feste Vorstellungen, verbreitete Topoi und Stereotypen des guten Lebens im Kapitalismus auf. Es ist ein Leben, in dem sich das Subjekt immer wieder gegen andere und den eigenen Unwillen durchsetzt, attraktiv ist und daher von Anderen begehrt und akzeptiert wird, in sich ruht und monetäre Mittel nicht thematisieren muss. Es ist letztlich die Vorstellung des Lebens eines Konkurrenzsubjekts, das die Konkurrenz um materielle und ideelle Güter gewinnt, der die dankbare Zustimmung zum Dasein erteilt wird. Dass an dieser Sinnvorstellung festgehalten wird, selbst wenn das eigene Leben gar nichts von dem Leben einer Influencerin hat, zeigt sich besonders deutlich in den Reaktionen der Nutzerinnen, die sich gegenüber kritisch werden und schließlich depressiv.[10]

Die Unternehmen in Gestalt der Marketing-Manager beziehen sich auf diese mittlerweile hoch professionalisierte Welt der Influencerinnen ganz im Modus der Absatzgenerierung durch Marketingkommunikation. Wolfgang Ullrich hat zurecht herausgestellt, dass Influencerinnen Werbung für Firmen viel authentischer betreiben können. Allerdings denken Unternehmen auch in dieser Frage offensiv. Influencerinnen werden in der Regel nicht mit Produkten bedient, um ihnen den Aufwand der Selbstinszenierung zu erleichtern. Genutzt werden die Influencerinnen aus Sicht der Unternehmen, um sich langfristig in die jeweils um die Influencerin kreisenden Beauty-, Lifestyle-, Fashion-, Fitness-, Food-, Sport-, und Freizeit-Communities einzupflanzen.[11] Nicht nur die Influencerin, sondern potenziell die gesamte Community soll über die Marke sprechen und damit zu mehr oder weniger aktiven Markenbotschafterinnen geformt werden. Eine solche Form der Betätigung als Influencerin ist über die Anstrengungen der Marketing-Manager in der Konkurrenz der Unternehmen längst zum eigenständigen Beruf geworden, mit Einkommen, die es teilweise mit Managergehältern aufnehmen können. Angesichts dieser Lage, stellt sich für Influencerinnen die Frage eigentlich nicht mehr, ob sie Marken promoten wollen, sondern nur noch, welche.

 

Anmerkungen

[1] Ullrich, Wolfgang: Ganz ohne Einflussangst. Zur Karriere der Influencer. In: POP. Kultur und Kritik. 12 (2018), S. 45-49.
[2] Ebd. S. 46.
[3] Für diese Untersuchung reichte mir eine Recherche in einschlägigen Quellen wie dem Wirtschaftsmagazin Forbes, das jedes Jahr eine Liste der angesagtesten, interessantesten und neuesten Influencerinnen zusammenstellt. Abgegrenzt werden muss der Begrif der Influencerin gegen Prominente außerhalb von Instagram, die ihren Instagram-Account als zusätzliches Medium für den Anschluss an Fans nutzen. Ich möchte mich dem Phänomen der Influencerin widmen, deren Bekanntheit sich ganz aus der Nutzung von Instagram und anderen Sozialen Medien ergibt.
[4] Feige, Daniel Martin: Design. Eine philosophische Analyse. Suhrkamp: Berlin 2018.
[5] Populär gemacht haben diesen Terminus US-amerikanische Comedians rund um das Comedy-Format
Mystery Hour: https://www.youtube.com/watch?v=fFzKi-o4rHw (abgerufen am 15.8. 2018).
[6] Adorno, T.W.: Jargon der Eigentlichkeit. Suhrkamp: Frankfurt/M. 1967, S. 11.
[7] Ebd. S. 16.
[8] Ebd. S. 23.
[9] So kommt es, dass Followerinnen ganz ohne Zynismus kommentieren können, wenn eine Influencerin wieder eine neue Marke vorstellt, die sie regelmäßig als ihre „Familie“ überhöht: „Oh schön, wird das jetzt auch wieder deine neue Familie?“ Oder im Kommentar zum selben Post: „Sweetie, ich war so erleichtert von deinem Post neulich, dass du mal gechillt und deinen Kalender mal vergessen hast. Ich dachte schon fast, du seist kein Mensch.“ Ebenfalls in diesem Post bringt folgender Kommentar dann die Identifikation und Vorbildrolle der Influencerin auf den Punkt: „You doing what you love i can see that ! You inspire & awake The heart of others to do the same !😊 keep it up!😁“
[10] Wulf, Veronika: Schönheit stresst. In: Süddeutsche Zeitung, 05.04.2018, S. 17.
[11] Kotler, Philip/ Hermawan Kartajaya/ Iwan Setiawan: Marketing 4.0. Der Leitfaden für das Marketing der Zukunft. Campus: Frankfurt/M. 2017.

 

Literatur

Adorno, Theodor W.: Jargon der Eigentlichkeit. Suhrkamp: Frankfurt/M. 1967.

Feige, Daniel Martin: Design. Eine philosophische Analyse. Suhrkamp: Berlin 2018.

Kotler, Philip/ Hermawan Kartajaya/ Iwan Setiawan: Marketing 4.0. Der Leitfaden für das Marketing der Zukunft. Campus: Frankfurt/M. 2017. 

Ullrich, Wolfgang: Ganz ohne Einflussangst. Zur Karriere der Influencer. In: POP. Kultur und Kritik. 12 (2018), S. 45-49.

Wulf, Veronika: Schönheit stresst. In: Süddeutsche Zeitung, 05.04.2018, S. 17.

 

Sebastian Löwe lehrt derzeit als Professor für Designmanagement u.a. zum Thema Influencer-Marketing an der Mediadesign Hochschule Berlin. Er war als Social-Media-Manager beim Berliner Fotokunst-Start-up seen.by zuständig für Influencer-Marketing. Zudem forschte Löwe als Post-Doc-Researcher im Fachbereich Design an der HMKW Berlin, wurde vorher an der Martin-Luther Universität mit einer interdisziplinären Studie über Kitsch als diskursives Phänomen promoviert, studierte Medienkunst an der Burg Giebichenstein Halle und in Tokio, sowie Medienwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum.