Das politische Konzept ‚Heimat‘. Populismus, AfD, CSU, Innenministerium
von Annalina Lange
10.9.2018

Die Heimat der anderen

‚Heimat‘ ist ein ambivalenter Begriff, der historisch unterschiedlich definiert worden ist: Er kann sowohl einen Ort oder eine Landschaft als auch soziale Erinnerungen aus der Kindheit bezeichnen. Das Konzept ‚Heimat‘ umschließt darum „geografische und geopolitische Auffassungen“ sowie „eigene und fremde Wahrnehmungen und Sinnzuschreibungen.“[1] Diese beruhen auf frühen Sozialisationserlebnissen und prägen weiterhin Identität und Weltauffassung einer Person.[2] Die Beschäftigung mit einem Heimat-Raum beinhaltet deshalb u.a. auch dessen Rituale, Ideen und kulturelle Praktiken.[3]

Bis zum 19. Jahrhundert war der Ausdruck ‚Heimat‘ nur im Kontext des ‚Heimatrechts‘ anzutreffen. Dies war ein sachlicher Begriff, der Rechts- und Versorgungsansprüche eines Personenkreises regelte und einer Gemeinde zuwies.[4] ‚Heimat‘ war demnach regional gebunden und gewährleistete in Form des „Heimatrechts“ materielle und emotionale Geborgenheit bzw. Kontrolle in Zeiten der Not.[5] Mit der Verfassung 1871 übernahm der Staat jedoch diese Aufgaben und beseitigte so das Heimatrecht. Da der Staat jedoch anonymer und komplexer organisiert war und somit nicht die gleiche Betreuung bieten konnte, wurden die zuvor gekannten und erlebten Werte von Heimat emotional heraufbeschworen.[6]

Mit der Industrialisierung kam es im 19. Jahrhundert zu Veränderungen im alltäglichen Leben, die von einigen als Bedrohung und Verlust des bisher Gewohnten wahrgenommen wurden. Großstädte wurden für ihre Künstlichkeit kritisiert[7] und fungierten darum als Grund für eine Rückbesinnung auf das Dorfidyll und die Vorstellung von einer „unberührte[n] Naturlandschaft“.[8] Die „bodenständige Agrargesellschaft“[9] wurde dabei zum imaginären Wunschbild und repräsentierte eine Art Heimat.

Mit der Wende zum 20. Jahrhundert kam die ‚Heimatbewegung‘ auf, eine organisierte Reaktion auf die Industrialisierung. Sie zeigt sich in Jugend- und Wanderbewegungen, dem Unterrichtsfach „Heimatkunde“ und Heimatschutzvereinen zur Erhaltung von Landschaft und Ortschaft. Auch die ‚Heimatkunst‘ erlebt einen Aufschwung. Traditionelle Güter wie Trachten, Volkstänze und Dialekte sollten bewahrt und konserviert werden. Dabei kam es auch zu einer Verknüpfung von ‚Heimat‘ und ‚Vaterland‘.[10]

Diese Verknüpfung verstärkte sich in der Zwischenkriegszeit. ‚Heimat‘ galt nicht mehr nur ein kleiner, regionaler Raum, sondern wurde großräumig an „Vaterland und Nation“ gebunden. Nach dem verlorenen Krieg wandte man sich wieder verstärkt der ländlichen Heimat und der Heimatkunde zu. ‚Heimat‘ diente als mythologisch und ideologisch aufgeladener Propaganda-Begriff,[11] der nach 1930 von den Nationalsozialisten übernommen wurde. Unter den Nationalsozialisten war ‚Heimat‘ ein abstraktes, heroisierendes Bild, welches Nationalbewusstsein und Verteidigungswillen schaffen sollte.[12]

Im Dritten Reich wurde ‚Heimat‘ mit „Blut und Boden“ gleichgesetzt und ist seit dem Untergang des Nationalsozialismus darum stark negativ konnotiert. Der Heimat-Begriff ist bis heute immer noch vorbelastet und wird deshalb mitunter tabuisiert.[13] Nach dem Zweiten Weltkrieg nutzten Flüchtlinge und Vertriebene den Begriff für den Anspruch auf Grund und Boden. In der neuen Heimat hatte man nach einiger Zeit zwischen Vertrautem und Fremdem allerdings nur noch vage Erinnerungen an die vorherige Heimat.[14]

In kulturindustriellen Produkten der 1950er Jahre wurde Heimat zum Klischee und Idyll: ‚Heimatroman‘ und ‚Heimatfilm‘. Mit dem ‚Wirtschaftswunder‘ verschwand die intensive Beschäftigung mit Heimat zwar,[15] erlebte aber in den 1970er und 1980er Jahren eine Renaissance durch die Kritik an der Wachstumsgesellschaft.[16] Wie bereits während der Industrialisierung im 19. Jahrhundert führte dieser verändernde Prozess zur Rückbesinnung auf Vorheriges und Vertrautes.

Zugleich wurde der Heimat-Begriff aber in weiten Kreisen unverändert kritisch betrachtet, weil er für eine nationalistische und rassistische Politik nutzbar (geworden) war. Heimat galt linksliberalen Kritikern als eine „politisch gefährliche Gefühlsduselei“,[17] nicht als ein legitimes soziales Gefühl. Daher war das Empfinden eines Heimat-Gefühls verpönt und wurde als potentiell gefährlich eingestuft.

Mit dem Aufkommen des Rechts-Populismus wird der Heimat-Begriff nun in politischen Diskussionen wieder verstärkt verwendet und versuchsweise rehabilitiert. Die strikte Trennung zwischen dem „Eigenen“ und dem „Fremden“[18], die reklamierte „Angst vor Überfremdung und Durchmischung“[19] der Gesellschaft geht zumindest zum Teil mit einer forcierten Rückbesinnung auf das ‚Heimat-Gefühl‘ einher. Das hat aktuell unter dem CSU-Politiker Horst Seehofer sogar zur Umbenennung des Innenministeriums in „Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat“ geführt.

Nicht immer wird auf den bekannten konservativen oder reaktionären Ansatz, im Namen der ‚Heimat‘ Politik zu betreiben, mit einer grundlegenden Kritik am Heimat-Konzept geantwortet. Manchmal liest man auch davon, dass ‚Heimat‘ nicht den ‚Rechten‘ überlassen bleiben dürfte, deshalb sei so etwas wie ein linker oder ökologisch inspirierter Versuch geboten, ‚Heimat‘ als Schutzraum vor der ‚kapitalistischen Zersetzung‘ solidarischer Gemeinschaften und intakter Umwelt aufzurufen.

Tatsächlich wird die Berufung auf ‚Heimat‘ in Deutschland aber weit überwiegend von rechten Strömungen betrieben, die über eine populistische Ausrichtung verfügen. Bevor deren Heimat-Konzepte detailliert vorgestellt und analysiert werden, soll darum zunächst ein Blick auf typisch populistische Politikvorstellungen geworfen werden.

Populismus

In seiner einfachsten Form ist Populismus ein „rhetorisches Stilmittel“[20] und wird als „Strategie des Machterwerbs“[21] verwendet. Bei einer Ergänzung gewisser inhaltlicher Aspekte kann man auch von einer „dünnen Ideologie“[22] sprechen. Das fehlende Wertesystem verschafft dem Populismus eine inhaltliche Flexibilität und ist deshalb nicht nur als Schwäche einzustufen, da so jede beliebige Einstellung übernommen werden kann. Häufig wird Populismus als Chamäleon bezeichnet, das sich neuen Bezugssystemen anpasst und eine Anti-Haltung einnimmt.[23]

Innerhalb der variablen politischen Bezüge gibt es ein wichtiges Strukturelement: Zentral für den Populismus ist die enge Bindung ans ‚Volk‘. Das ‚Volk‘ gilt dabei als eine Gemeinschaft einfacher Leute, die strikt von der ‚Elite‘ abgegrenzt wird.[24] Die Gesellschaft wird stark vereinfachend in das „reine Volk“ und die „korrupte Elite“[25] aufgeteilt. Diese Vorstellung ist „nicht politisch, sondern moralisch verankert“.[26] Populismus richtet sich gegen die sichtbar herrschende, ‚verborgene‘ oder im Aufstieg begriffene Elite und möchte den Bedürfnissen des ‚Volkes‘ gegen sie Gehör verschaffen. Dies erfolgt durch eine populistische Führungsperson, die dem ‚Volk‘ als Stimme dient.[27] Diese ist in der Regel „charismatisch, schillernd, unorthodox, extravagant, polarisierend“[28] und agiert im Modus des moralisierten Alleinvertretungsanspruchs: „Wir – und nur wir – repräsentieren das wahre Volk.“[29]

Da die Abgrenzung von anderen Parteien sowie die angestrebte Volksnähe jedoch zu Vorgehensweisen und Zielen beinahe aller politischen Parteien gehören, trifft man häufig auf einzelne populistische rhetorische Elemente, ohne dass deshalb alle hinreichenden Charakteristika des Populismus erfüllt wären.[30] Im westeuropäischen Parteiensystem finden sich in der Praxis vieler Politiker populistische Elemente, ohne dass deren jeweilige Parteien darum zwingend populistisch wären.[31]

Ein weiterer oft anzutreffender Bestandteil der populistischen Rhetorik sind Halbwahrheiten, Emotionalisierung und ‚Angstmache‘.[32] Probleme werden übersteigert dargestellt, während zugleich eine vermeintlich einfache Lösung präsentiert wird. Dies geschieht nicht auf konstruktive Weise, sondern indem der Eindruck erweckt wird, dass die politischen Gegner sich bewusst und aus vermeintlich egoistischen Gründen einer Lösung verweigerten.[33]

Ein bedeutendes Element des Populismus ist darum die Komplexitätsreduktion. Die Komplexitätsreduktion führt zu weiteren populistischen Stilmitteln: Provokation und Tabubruch.[34] Populisten wollen ihrer Ansicht nach „tabuisierte, unliebsame und vernachlässigte Themen aufgreifen“[35] und diese direkt und ohne Rücksicht auf political correctness ansprechen. Diese Rhetorik erweckt den Anschein, eine allgemein bekannte Tatsache ohne Beschönigung zu adressieren und somit auch schwierige Thematiken und Probleme des ‚Volkes‘ anzusprechen.[36]

Als wichtigste, hinreichende Ausprägung nicht nur der populistischen Rhetorik und Komplexitätsreduktion, sondern des Populismus schlechthin ist wiederum das Freund-Feind-Verhältnis von ‚Volk‘ und ‚Elite‘ zu nennen. Durch die Abgrenzung entstehen zwei Gegenpole. Die Dichotomie vereinfacht die Darstellung der Gesellschaft, reduziert das ‚Volk‘ und die ‚Elite‘ aber auch auf wenige Merkmale.[37] Das ‚Volk‘ wird zur uniformen, tugendhaften Gemeinschaft,[38] während der ‚Elite‘, den „Politikern und Meinungsmachern“[39], Korrumpierbarkeit, Doppelzüngigkeit, Eigennützigkeit, Abgehobenheit und Arroganz zugesprochen wird.

Der Volks-Begriff bleibt zwar ungenau und unhistorisch, zielt aber auf die Homogenität einer Gruppe. Das ‚Volk‘ wird stets klassen- und schichtübergreifend verstanden und besitzt einen einheitlichen Volkswillen.[40] Es wird „in seiner Gesamtheit romantisch verklärt und ausschließlich als ehrlich, vernünftig, hart arbeitend, anständig und politisch mündig dargestellt“.[41] Innerhalb der eigenen Gruppe kann es so nach dieser Ansicht nicht zu abweichenden Meinungen kommen. Das „Volk“ ist hier ein „einheitlicher Organismus“ mit einer „einheitlichen (Volks-)Stimme“.[42]

Die ‚Elite‘ besteht im Weltbild des Populismus hingegen aus Privilegierten, die ihre Macht missbrauchen, statt den Willen des ‚Volkes‘ zu artikulieren. Durch Korruption erhalten sie ihre mächtige Position und schaffen so „soziale und gesellschaftliche Probleme“,[43] die nicht ihnen, sondern der ‚Volksgemeinschaft‘ schaden.

Um den eigenen Forderungen Glaubhaftigkeit zu verleihen, verwenden Populisten das common sense-Argument. Dieses appelliert an den ‚gesunden Menschenverstand‘ und knüpft an die Alltagserfahrungen der Wähler an. Dieser ‚gesunde Menschenverstand‘ beruht allerdings tatsächlich auf subjektiven Erfahrungen, aus denen ein generalisierter Sinn abgeleitet wird.[44] So kann über „mangelnde Rationalität und Logik“[45] hinweggetäuscht werden, weil die eigene Erfahrung einer Person deren Wahrnehmung von Realität prägt. Bei vielen common sense-Argumentationen werden „private[r] und staatliche[r] Haushalt sowie […] die Familie [mit der] Nation“[46] gleichgestellt. So wird eine einfachere Vorstellung komplexer Sachverhalte ermöglicht. Diese Operation führt zu einem simplen Weltbild, das „auf Extreme reduziert“[47] wird.

Mit diesem vereinfachten Weltbild verbunden ist ein „heartland“,[48] eine positiv aufgeladene, überschaubare, vertraute Lebenswelt. Dieses Universum stellt die „rückwärtsgewandte Utopie einer romantisierten, idealen Welt“ dar.[49] Das heartland bezeichnet das durch den common sense als natürlich wahrgenommene Weltbild, steht aber auch für lokale lebensweltliche Traditionen, die im Begriff der ‚Heimat‘ verschmelzen. Diese wird nicht hinterfragt, erscheint aber als von innen und außen bedroht.[50]

Rechts-Populismus

Während der Populismus allgemein die Unterscheidung von ‚Volk‘ und ‚Elite‘ in Stellung bringt, unterscheidet der Rechts-Populismus spezifischer das Eigene vom Fremden. Das eigene ‚Volk‘ steht im Rechts-Populismus gegen das Fremde, das Andere oder auch den Ausländer.[51] Diese werden als störende Elemente einer sonst „grundsätzlich funktionierenden Ordnung“[52] angesehen. Rechts-Populismus entsteht, wenn die eigene ‚völkisch‘- oder nationalkulturelle Identität und Position im strikten Unterschied zu anderen Gruppen entworfen und im Vergleich mit ihnen aufgewertet wird. „Politische und soziale Teilhaberechte“ reserviert man dadurch für die „eigene, autochthone Bevölkerung“[53].

Ausgeschlossen werden im Rechts-Populismus alle, die nicht in den vermeintlich homogenen ‚Volkscharakter‘ passen. Das sind meist „Immigranten, Asylbewerber [oder] ethnische Minderheiten“.[54] Im aktuellen Diskurs betrifft dieser Ausschluss vorwiegend Muslime und Flüchtlinge im Allgemeinen. Rechts-Populismus wirkt in erster Linie polarisierend zwischen einem nationalen ‚Wir‘ und ‚den Anderen‘. Er setzt sich deshalb für die wirtschaftliche Entwicklung des eigenen ‚Volkes‘ und den Schutz ‚seiner‘ Kultur ein.[55] Der Rechts-Populismus unterscheidet sich von anderen Ausprägungen des Populismus also lediglich durch den besonderen Gegenpart zum „Volk“. Die Argumentationsgrundlagen sowie die Rhetorik bleiben gleich.

Gründe für den Populismus

Populismus kann als Reaktion auf verschiedene Ursachen auftreten. Diese können sowohl ökonomischer, politischer als auch kultureller Natur sein. In allen Ansätzen fungiert Populismus jedoch als Krisen-Symptom. Wenn sich Teile der Bevölkerung nicht mehr ausreichend berücksichtigt und repräsentiert fühlen, kann es zu einer akuten Krise kommen. Populismus artikuliert dann die Distanz von ‚Volk‘ und ‚Elite‘ und tritt für „Volkssouveränität, […] Volksbeteiligung und […] mehr Kontrolle der Repräsentanten“ ein.[56] Populismus stellt demnach eine Reaktion auf die vorhandene oder gefühlte Distanz zur je aktuellen Ausgestaltung des politischen Systems dar.

Die Konjunktur des Populismus kann zudem ökonomische Grundlagen besitzen, etwa wenn sich wegen der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich die Mittelschicht vor dem sozialen Abstieg fürchten muss.[57] Solche Existenzängste können Betroffene politisch mobilisieren und das Vertrauen in herrschende Parteien und Politiker schwächen. Zugleich verstärkt sich dadurch das Bild der ‚hart arbeitenden Bevölkerung‘, abgesetzt von dem der ‚eigennützigen Politiker‘.

Populismus kann ebenfalls kulturell bedingt sein. Durch die Globalisierung verändern sich moderne Gesellschaften, dies kann zur Angst vor Identitätsverlust führen, wenn die verstärkte Durchlässigkeit für Waren, Dienstleistungen und Arbeitskräften aus vielen Teilen der Welt das Konstrukt einer ‚homogenen Kultur‘ bedroht.[58] Populismus entsteht demnach meist aus einer Krise und den zugehörigen Ängsten, aus „Erfahrungen des Kontrollverlusts und des Ausgeliefertseins“.[59]

Der Zusammenhang von Rechts-Populismus und ‚Heimat‘

Nach diesen Erläuterungen zum Heimat-Konzept und dem des ‚Rechts-Populismus‘ soll im Folgenden ihre Verknüpfung dargestellt werden. Der Zusammenhang von Rechts-Populismus und ‚Heimat‘ wird in der bisherigen Populismus-Forschung zwar nicht umfangreich berücksichtigt, ist aber durchaus ein wichtiger Faktor.

Im Rechts-Populismus liegt der Fokus auf dem Eigenen, welches im Vergleich aufgewertet wird und wegen akuter Bedrohung bewahrt werden soll. ‚Heimat‘ wiederum steht sowohl für einen Ort als auch für ein Gefühl. Dieses wird aus ersten Erinnerungen an Vertrautes gewonnen und bezeichnet darum etwas, das eine Person zu ihrem Eigenen zählt. ‚Heimat‘ schafft die Grundlage für die wahrgenommene Identität und bestimmt auch Werte und Verhaltensformen. Das vertraute Eigene beruht folglich auf individuellen Erfahrungen und Auffassungen von Heimat. Diese können, müssen aber nicht die Basis für das populistische Heimat-Konzept bilden. Zumindest muss jedoch durch eine erfolgreiche Evokation des ‚gesunden Menschenverstandes‘ und der ‚natürlichen Lebenswelt‘ beim jeweiligen Anhänger populistischer Positionen der Eindruck entstehen, seine politische und weltanschauliche Anschauung sei mit der ‚Heimat‘ unmittelbar verbunden.

Im Rechts-Populismus kann beim gefühlten Verlust der Heimat sowohl der lokale als auch der psychologische Aspekt aufgegriffen werden. Auch wenn der Heimat-Begriff in diesem Zusammenhang nicht explizit genannt wird, wird durch den Appell an das Eigene auf ihn verwiesen. Da ‚Heimat‘ seit vielen Jahrzehnten zudem teilweise ein sehr umstrittener Begriff ist, wird er für den Rechts-Populismus besonders interessant. Durch die Begriffsverwendung kann Aufmerksamkeit generiert, political correctness herausgefordert werden. Er verleiht der Rechten die Möglichkeit, sich als Tabu-Brecher zu inszenieren, welcher die Wahrheit offen ausspricht.

Wenn im Rechts-Populismus der Heimat-Begriff verwendet wird, appelliert dieser an ein individuelles Gefühl, welches nicht weiter definiert werden muss. Diese emotionale Herangehensweise steht in Verbindung mit dem common sense und dem heartland, weil sie eine scheinbar natürliche Wahrnehmung der eigenen Lebenswelt darstellt. Dadurch, dass der Begriff klar und logisch erscheint, jedoch sehr individuell und vage ist, können viele Menschen angesprochen werden. Auch ohne genau nachweisen zu müssen, was tatsächlich gefährdet ist, können Ängste geschürt und so Anhänger und Wähler gewonnen werden.

Der Heimat-Begriff ist somit ein wichtiger Bestandteil für den Wahlkampf von rechts-populistischen Parteien. Er muss in diesem Zusammenhang nicht immer klar benannt werden, sondern kann auch durch ähnliche Begriffe wie ‚das Eigene‘ oder ‚Vertraute‘ ersetzt werden. Obwohl die Bindung an einen Staat kein individuelles Heimat-Gefühl darstellt, kann ‚Heimat‘ aber auch wirkungsvoll in den nationalen Zusammenhang gestellt werden. Es ist deshalb sinnvoll, sich im Zusammenhang des Rechts-Populismus mit ‚Heimat‘ auseinanderzusetzen und zu untersuchen, wie und wofür der Heimat-Begriff genutzt wird.

Populistische Elemente im Grundsatzprogramm der AfD

Als ein Beispiel für eine (rechts-)populistische Rhetorik und Politikkonzeption darf teilweise das Grundsatzprogramm der AfD aus dem Jahr 2016 gelten. Wie ausführlich erläutert, ist ein wichtiges populistisches Merkmal die Kritik an den herrschenden, ‚volksabgewandten‘ Eliten. Diese vertreten nach populistischer Ansicht nicht mehr den Willen des ‚Volkes‘, sondern erhalten lediglich ihre eigene Machtposition. Im Grundsatzprogramm der AfD heißt es entsprechend:

„Heimlicher Souverän ist eine kleine, machtvolle politische Führungsgruppe innerhalb der Parteien. Sie hat die Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte zu verantworten. Es hat sich eine politische Klasse von Berufspolitikern herausgebildet, deren vordringliches Interesse ihrer Macht, ihrem Status und ihrem materiellen Wohlergehen gilt. Es handelt sich um ein politisches Kartell, das die Schalthebel der staatlichen Macht, soweit diese nicht an die EU übertragen worden ist, die gesamte politische Bildung und große Teile der Versorgung der Bevölkerung mit politischen Informationen in Händen hat.“[60]

In diesem Abschnitt des Grundsatzprogramms werden die führenden Politiker anderer Parteien als abgehobene ‚Eliten‘ bezeichnet, welche für die Miseren der Vergangenheit und Gegenwart verantwortlich seien. Als aktuelles Beispiel für solch eine von den ‚Eliten‘  herbeigeführte Misere wird von der AfD oft die Asylpolitik angeführt. Ihr werden weitreichende Folgen zugesprochen. Die Rede von der „rasante[n], unaufhaltsame[n] Besiedlung Europas“[61] übersteigert das Problem und erweckt ein Untergangsszenario. Abgewendet werden kann diese ‚unaufhaltsame‘ Krise nach Auffassung der AfD jedoch durch eine (scheinbar) einfache Lösung: „Keine irreguläre Einwanderung über das Asylrecht“.[62]

Das „schleichende Erlöschen der europäischen Kulturen“ soll so verhindert,[63] die eigene Identität gefördert werden. In der Präambel des Grundsatzprogramms heißt es zudem: „Wir sind offen gegenüber der Welt, wollen aber Deutsche sein und bleiben.“[64] An diesen Stellen nimmt die AfD eine Unterscheidung des Eigenen und des Fremden vor, bei der die eigene Kultur und Identität stark aufgewertet werden. Beides scheint gefährdet und muss deshalb geschützt werden. Dies zeigt sich auch in der Ablehnung von „Multikulturalismus“, der als „Ideologie“ bezeichnet und ebenfalls als „Bedrohung“ wahrgenommen wird.

„Die Ideologie des Multikulturalismus, die importierte kulturelle Strömungen auf geschichtsblinde Weise der einheimischen Kultur gleichstellt und deren Werte damit zutiefst relativiert, betrachtet die AfD als ernste Bedrohung für den sozialen Frieden und für den Fortbestand der Nation als kulturelle Einheit. Ihr gegenüber müssen der Staat und die Zivilgesellschaft die deutsche kulturelle Identität als Leitkultur selbstbewusst verteidigen.“[65]

Von Menschen mit Migrationshintergrund wird die Integration gefordert. Der Islam erfährt darum eine strikte Ablehnung, weil er nicht mit deutschen Werten in Einklang gebracht werden könne. Er gilt als Gefahrenquelle für Radikalisierung und „islamische Parallelgesellschaften“ und hält als das schlechthin Andersartige folglich dem Vergleich mit dem Eigenen in keiner Weise stand. Die Abgrenzung zu ihm fällt entsprechend klar aus:

„Der Islam gehört nicht zu Deutschland. In seiner Ausbreitung und in der Präsenz einer ständig wachsenden Zahl von Muslimen sieht die AfD eine große Gefahr für unseren Staat, unsere Gesellschaft und unsere Werteordnung.“[66]

Diese Ablehnung des Anderen gründet sowohl auf einer Emotionalisierung als auch auf dem Urteil des „gesunden Menschenverstandes“, weshalb es keiner weiteren Erklärung der genauen Gefahr bedarf. Der „mündige Bürger“ ist für die AfD nicht der Wahlbürger, sondern genauer derjenige, der über „gesunden Menschenverstand“ verfügt; für ihn erklärt sich die AfD als „‚Partei des gesunden Menschenverstandes‘“ generell zuständig, insofern deklariert sich die AfD als Partei des ‚Volks‘ bzw. des Volkssouveräns. Der „gesunde Menschenverstand“ dient darum auch als Quelle und Erklärung für das selbstverständliche Interesse der Bürger an Elementen direkter Demokratie:

„Als ‚Partei des gesunden Menschenverstandes‘ setzen wir auf das politische Urteilsvermögen und die Verantwortungsbereitschaft der mündigen Bürger. Richtschnur unseres Handelns ist die Grundüberzeugung, dass die Bürger das politische Geschehen so weit wie möglich selbst bestimmen können sollen.“[67]

Im Sinne des ‚gesunden Menschenverstands‘ kritisiert die AfD ebenfalls die Beschönigung bzw. Tabuisierung von Themen. Diese sollen stattdessen offen angesprochen werden, wobei „politisch ,korrekte‘ Sprachvorgaben“ entschieden abgelehnt werden.[68] Deshalb wendet sich die AfD etwa „gegen eine Diffamierung von Islamkritik als ,Islamophobie‘ oder ,Rassismus‘.“[69]

Festhalten kann man darum: Im Grundsatzprogramm der AfD finden sich populistische Elemente wie Kritik an Eliten, Komplexitätsreduktion, Emotionalisierung, ‚Angstmache‘ und die Forderung nach direkt-demokratischen Elementen sowie freier Rede über tabuisierte Themen. Die Unterscheidung zwischen Eigenem und Fremden und die dazugehörige Auf- und Abwertung weist zudem eine rechts-populistische Tendenz auf.

Der Heimat-Begriff im Grundsatzprogramm der AfD

Der Heimat-Begriff findet sich im Grundsatzprogramm der Alternative für Deutschland aus dem Jahr 2016 mit Bezug auf Asylbewerber und deren Herkunftsländer, aber auch mit Bezug auf Deutschland wieder. ‚Heimat‘ wird auch anderen zugestanden, allerdings nur in ihrer vermeintlich angestammten Umwelt: Asylbewerbern solle „der Verlust der Heimat“[70] erspart und „menschenwürdiges Leben in ihrer Heimat“[71] ermöglicht werden, darum sollte die „Fluchtursache im Heimatland“[72] bekämpft werden. Weitere Formulierungen dieser Art sind „Wiederaufbau des Heimatlandes“,[73] „heimatnahe Flüchtlingslager“[74] und „in ihrer Heimat haben sie alle Brücken abgebrochen“.[75]

Auf Deutschland bezogen findet sich der Heimat-Begriff bei der Forderung nach Integration (jeder Einwanderer muss sich „seiner neuen Heimat“[76] anpassen), Wohnungspolitik („Wohneigentum schafft Heimatbindung“[77]) und der Forderung, Gold in Deutschland aufzubewahren („Gold heimholen“[78]), wieder. Des Weiteren ist die Rede von „einheimischen Unternehmen“,[79] „einheimischer Bevölkerung“,[80] „einheimischer Kultur“,[81] „einheimischen Potentialen“[82] und „heimischen Fischereiprodukten“.[83] Was genau mit ‚Heimat‘ bezeichnet wird, geht aus dem Grundsatzprogramm der AfD demnach nicht klar hervor. Es werden sowohl geografische Orte, Personen und Produkte sowie „Kultur“ und „Potentiale“ dazu gezählt.

Ein anderer Begriff, der vergleichsweise häufig genutzt wird, ist ‚Kultur‘. Wie bereits bei der Heimat-Definition erläutert, ist ‚Heimat‘ nicht nur an einen Ort gebunden, sondern auch ein soziales Konstrukt. Deshalb kann ‚Heimat‘ auch kulturelle Praktiken eines Raumes beinhalten und in unmittelbarer Verbindung zur Kultur einer Region stehen. Weitere in diesem Zusammenhang genannte Begriffe sind ‚Werte‘, ‚Identität‘ und ‚Tradition‘. Auch ohne den Heimat-Begriff direkt aufzurufen, wird mit Hilfe solcher Wörter an das Heimat-Gefühl appelliert. Ein Beispiel dafür bietet eine bereits zuvor zitierte Passage:

„Die Ideologie des Multikulturalismus, die importierte kulturelle Strömungen auf geschichtsblinde Weise der einheimischen Kultur gleichstellt und deren Werte damit zutiefst relativiert, betrachtet die AfD als ernste Bedrohung für den sozialen Frieden und für den Fortbestand der Nation als kulturelle Einheit. Ihr gegenüber müssen der Staat und die Zivilgesellschaft die deutsche kulturelle Identität als Leitkultur selbstbewusst verteidigen.“[84]

Hier kommt es zu einer Gegenüberstellung des in diesem Zusammenhang negativ konnotierten Multikulturalismus und der positiv konnotierten einheimischen Kultur. Die beiden Begriffe wirken wie ein Oppositionspaar, welches eine dritte Möglichkeit ausschließt. Multikulturalismus wird dabei als eine Ideologie bezeichnet, die lediglich „kulturelle Strömungen“, keine richtige Kultur, von anderswo ins Land holt und diese dann mit der einheimischen Kultur gleichsetzt. Da der Multikulturalismus nach diesem Verständnis weniger wert ist, schmälert er so den Wert der einheimischen Kultur. Gleichzeitig ist auch eine klare Distanzierung von Eigenem und Fremden erkennbar. Durch das hinzugefügte Adjektiv „geschichtsblind“ kommt es zu einer weiteren negativen Wertung des Multikulturalismus. Ein weiteres Beispiel dafür stellt der folgende Absatz dar; auch dieser beschäftigt sich nur indirekt mit Heimat bzw. dem Heimat-Gefühl, zeigt aber klar die Abgrenzung zwischen Eigenem und Fremden.

„Die multikulturelle Gesellschaft ist gescheitert. Um mit Einwanderern in der Zukunft friedlich zusammenleben zu können, ist deren Integration unerlässlich. Nur so lässt sich auch das weitere Vordringen von Gegen- und Parallelgesellschaften in unserem Land verhindern. […] Jeder Einwanderer hat eine unabdingbare Bringschuld, sich zu integrieren; er muss sich seiner neuen Heimat anpassen, nicht umgekehrt.“[85]

Der Heimat-Begriff im Wahlprogramm der AfD

Das bundesweite Wahlprogramm der AfD zur Bundestagswahl 2017 nutzt den Heimat-Begriff im Zusammenhang von Wehrpflicht („Heimatschutzkräften“[86]), „heimatnahen Staaten“[87], straffällig gewordenen Ausländern[88], sowie „heimat- und kulturnahen Regionen […] bereits geflohene[r] Menschen“[89], Deutschland als „neue Heimat“[90] und bezeichnet zudem „einheimische Bevölkerung“[91], „einheimische Schüler“[92] und „einheimische Versicherte“[93]. Die direkte Verwendung des Heimat-Begriffs bezieht sich demnach auf geographische Orte, Heimatschutz sowie Menschen.

Auch ohne den Heimat-Begriff immer zu verwenden, geht es im Wahlprogramm der AfD häufig um eine starke Abgrenzung sowie Überhöhung des Eigenen. Dies lässt sich an folgendem Abschnitt illustrieren:

„Während die europäische Bevölkerung überaltert und schrumpft, explodiert die Bevölkerungszahl in Afrika und in den arabisch-muslimischen Ländern des Nahen und Mittleren Ostens. […] Im Verhältnis zum wohlhabenden Europa stellt Afrika ein Armenhaus der Welt dar. Aus beiden Ursachen – dem Bevölkerungswachstum Afrikas und dem Wohlstandsgefälle zu Europa – entsteht ein Wanderungsdruck, der Dimensionen einer Völkerwanderung hat. […] Eine zunehmende Zahl sogenannter ´Failed States´ und fehlende Geburtenkontrollen tragen ihren Teil zu dieser schier unlösbaren Situation bei.“[94]

In diesem Absatz kommt es zu einer Gegenüberstellung des positiv konnotierten Europa und dem negativ konnotierten Afrika. Diese Wertung erfolgt durch die Ausdrücke „explodiert“, „Armenhaus“, „Wohlstandsgefälle“ und „‚Failed States‘“, welche eine klar negative Beurteilung vornehmen. In diesem Zusammenhang stehen auch die Begriffe „Wanderungsdruck“, „Völkerwanderung“ und „schier unlösbare Situation“, welche ebenfalls negativ sind und die vorherige Bewertung unterstützen. Europa steht hingegen im Kontrast zu diesem gezeichneten Bild als „wohlhabend[er]“ Kontinent. Durch die gewählten Formulierungen entsteht nicht nur eine Abgrenzung und konträre Bewertung von zwei Erdteilen, es wird zudem das emotionale Bild evoziert, dass bald ganze Völker des „explodierenden“ afrikanischen Kontinents ins „wohlhabende“ Europa kommen könnten und sich so alles Bekannte, Heimische verflüchtigen würde.

Diese Verlustängste zeigen sich auch im weiteren Verlauf des Zitats, wenn es heißt: „Die Zukunft Deutschlands und Europas muss langfristig gesichert werden. Wir wollen unseren Nachkommen ein Land hinterlassen, das noch als unser Deutschland erkennbar ist.“ Das Possessivpronomen „unser“ trennt erneut zwischen dem Eigenen und dem Fremden. Resümieren lässt sich deshalb, dass die AfD wertende Verben und Adjektive sowie Schlagworte und neue Wort-Kreationen verwendet, um zu polarisieren und das Bild einer Gefährdung des Eigenen, Vertrauten, oder auch der Heimat, hervorzurufen. In der Konsequenz wendet sich die Partei gegen diese scheinbaren Entwicklungen und möchte das Eigene beschützen. Der gefühlte Verlust, welcher als gegeben dargestellt wird, bezieht sich dabei stets auf etwas Vertrautes und appelliert damit ans Heimat-Gefühl, ohne den Begriff explizit zu gebrauchen.

‚Heimat‘ in Reden von AfD-Politikern

In seiner Neujahrsansprache im Dezember 2016 führte der Landesvorsitzende der AfD Bayern, Petr Bystron, aus: „Ein Jahr geht zu Ende. Es wird Bilanz gezogen und gleichzeitig das neue Jahr eingeschätzt. Bei all dem trägt uns die Hoffnung, dass vieles, was wir über die Jahre lieb gewonnen haben, erhalten bleibt und dass sich einiges wieder zum Guten kehrt. Wozu wir durch eigene Vorsätze und Pläne beitragen wollen. Die Hoffnung ist das Bindeglied zwischen der Vergangenheit des alten und der Zukunft des neuen Jahres.“[95]

Herausgestellt wird in diesem Abschnitt die Hoffnung, welche ein positiv konnotiertes Schlagwort ist. Sie bezieht sich auf den Erhalt von Vertrautem sowie eine Wendung zurück „zum Guten“. Mit dieser Formulierung impliziert Bystron, dass ungenannte Sachverhalte in der Vergangenheit besser waren, als sie es heute sind. Daraus geht ein bereits erlittener Verlust hervor. Die Alternative für Deutschland möchte zum Erhalt bzw. zur Rückführung beitragen und proklamiert sich selbst als Lösung. Die „Wir“-Formulierung schließt die Zuhörer gleichermaßen mit ein, weshalb der Satz auch als Appell gelesen werden kann. Weiter heißt es:

„So wie die Hoffnung die Zeiten miteinander verbindet, so verbindet Vertrauen die Menschen untereinander. Je länger Menschen friedlich zusammenleben, je mehr sie gemeinsame Geschichte, Werte, Kultur teilen, desto größer ist das Vertrauen untereinander. Das größte Vertrauen findet sich in der Regel in der Familie. Oder in der Umgebung des Hauses, in der Heimat.“[96]

In diesem Abschnitt wird Vertrauen, ebenfalls ein Schlagwort mit positiver Konnotation, herausgestellt. Auch dieser wird die Fähigkeit, etwas zu verbinden, zugeschrieben. Wie bereits im Grundsatzprogramm wird auch in dieser Rede von friedlichem Zusammenleben gesprochen. Dieses Zusammenleben erfolgt von Menschen mit „gemeinsamer Geschichte, Werten und Kultur“, die sich untereinander vertrauen. Diese Formulierung bezieht sich auf die einheimische deutsche Bevölkerung und stellt das Eigene, Bekannte und Heimische heraus. Besonders stark sei dieses Vertrauen innerhalb der Familie oder der Heimat zu spüren. Diese bezieht sich auf „die Umgebung des Hauses“ und ist somit nicht nur örtlich eingegrenzt, sondern offenbar für jeden, der über eine Wohnstatt verfügt, gegeben. Im Verlauf der Rede stellt Bystron aber im Kontrast dazu den scheinbaren Verlust des Eigenen stark heraus:

„Im permanenten Ausnahmezustand außer Kraft gesetzten Rechts und selbst gefälschter Statistiken sprechen diejenigen von ‚Bewahrung unserer Werte‘, die diese Werte ohne Bedenken über Bord werfen: Unsere Kultur, unsere Sicherheit, Demokratie und Freiheit.“[97]

Hier werden wertende Adjektive zur Verstärkung von Oppositionspaaren eingesetzt. Die aktuelle Situation wird zu einem „Ausnahmezustand“ erklärt, was nicht weiter erläutert wird und ein realitätsstiftendes Nomen darstellt. Das Problem wird weiter durch die Angaben „außer Kraft gesetztes Recht“ und „gefälschte[] Statistiken“ verbal hochgetrieben. So kritisiert Bystron die aktuelle Politik scharf und grenzt gleichzeitig die der AfD von ihr ab. Er wirft den herrschenden Politikern zudem vor, zwar von der „Bewahrung unserer Werte“ zu sprechen, diese aber gleichzeitig (bildlich gesprochen) „über Bord“ zu werfen. In Gefahr sieht Bystron dabei die eigene Kultur, Sicherheit, Demokratie und Freiheit. All diese Begriffe sind positiv konnotierte Schlagworte, ‚Kultur‘ steht dabei im Zusammenhang mit Vertrautem. Durch die explizite Nennung von Sicherheit und Freiheit wird das Gefühl der Gefahr sowie der daraus resultierende vermeintliche Handlungsbedarf deontisch verstärkt. Die Rede trennt zudem populistisch zwischen den ‚korrupten Politikern‘ und dem ‚Volk‘; dessen Gemeinschaft und gemeinsame Haltung könne aber nie vollständig zerstört werden, dafür sei die natürliche Ausrichtung zu stark, dafür steht bei in der Rede der Begriff der ‚Heimat‘ ein: „Bei allem, was uns unter dem Vorwand der ‚Bewahrung unserer Werte‘ aktuell genommen wird: Niemand kann uns unsere Erfahrung nehmen: […] Wir empfinden Liebe – Für unsere Angehörigen. Für unsere Heimat.“[98]

In der Neujahrsansprache wird demnach ein klares Oppositionspaar zwischen aktuellen Politikern und dem ‚Volk‘ aufgestellt. Bystron wirft der herrschenden Politik vor, für aktuelle Probleme verantwortlich zu sein und den Verlust von Werten und Sicherheit zu fördern. Dabei dienen sowohl ‚Heimat‘ als auch weitere positive Schlagworte wie ‚Kultur‘, ‚Familie‘ und Demokratie zur Emotionalisierung. Der gefühlte Verlust wird so verstärkt. Zugleich entsteht auch Handlungsbedarf. Die Alternative für Deutschland steht dabei auf der Seite der Bürger und ist im „Wir“ und in der „Heimat“ mit inbegriffen.

Diese stilistischen und weltanschaulichen Mittel lassen sich auch in weiteren Reden der AfD finden, etwa in der Rede Martin Renners (des damaligen NRW-Landesverband-Sprechers und heutigen Bundestagsabgeordneten) auf dem Landesparteitag 2015 in Bottrop. Renners Ansicht nach planten die anderen politischen Parteien die „Entnationalisierung“ und „Abschaffung der nationalen Identitäten“.[99] Das Ziel der AfD ist es selbstverständlich, dieser Gefahr entgegenzuwirken und Eigenes zu erhalten:

„Die Alternative für Deutschland muss deutsche Interessen in allen Bereichen des Politischen formulieren. Und die vornehmste und wichtigste Aufgabe unserer Partei ist: Die Verteidigung des Eigenen, die Bewahrung der nationalen Identität. In der Kulturanthropologie nennt man für den Begriff „Heimat“, die Trinität von „Gemeinschaft, Raum und Traditionen“. Die Bewahrung dieser Trinität ist gemäß der Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen ein unveräußerliches Grundrechtsgut.“[100]

In diesem Abschnitt werden die politischen Ziele der AfD klar benannt. Oberste Priorität bekommt „die Verteidigung des Eigenen“. Dies liege in deutschem Interesse: „Bewahrung der nationalen Identität“. Renner definiert Heimat nach Maßgabe einer nicht näher benannten Quelle aus der „Kulturanthropologie“ und verweist auf deren Status als Grundrecht, wobei er irreführend den Eindruck erweckt, die zitierte „Trinität“ finde sich direkt in der UN-Menschenrechtsrechtscharta.

Für Renner lässt sich Heimat sowohl auf Menschen als auch auf Orte und Traditionen beziehen. Damit instrumentalisiert er Heimat nicht nur, um die Tragweite des Verlustes zu verdeutlichen, sondern macht es zu einem Recht, seine Heimat zu verteidigen. Dies hat eine deontische Funktion und appelliert zugleich an den common sense. Es erscheint rechtens, dieses Gefühl zu teilen und sich für den Erhalt von Vertrautem einzusetzen. Dieses Engagement schreibt Renner der Alternative für Deutschland zu.

Renner nutzt das common sense-Argument sowie die scharfe Kritik an der herrschenden Politik während seiner Rede noch häufiger. Beispielhaft dafür ist der folgende Absatz: „Obwohl alle wissen, dass wir uns mit der aktuellen Interpretation des Asylsrechts – auch als Beugung zu bezeichnen – das Chaos, die Korruption, die Barbarei und die Dysfunktionalität der Dritten Welt in unser Land, in unsere Heimat, holen werden.“[101] Auch an dieser Stelle arbeitet die Rede mit realitätskonstruierenden Nomen („Beugung“) und mit negativen Schlagworten („das Chaos, die Korruption, die Barbarei und die Dysfunktionalität“), welche mit dem Anderem, dem Fremden verbunden werden. Diese rhetorischen Methoden helfen bei der Bildung von Oppositionspaaren. Die „Dritte Welt“ steht gegen „unsere Heimat“. Die eigene Heimat wird dabei aufgewertet, während sie zugleich gefährdet scheint.

Zusammenfassend lässt sich deshalb sagen, dass auch in politischen Reden der AfD die bereits aus der schriftlichen Kommunikation bekannten Methoden verwendet werden. Stilistisch zeigt sich dies in positiv oder negativ konnotierten Schlagworten, in der Bildung von Oppositionspaaren und der Trennung des Eigenem vom Fremden. Auch das Mittel der Problemüberspitzung und der Alleinvertreteranspruch für die Lösung des Problems kommen in diesen Reden zur Geltung.

‚Heimat‘ wird in den Reden stärker für eine Emotionalisierung genutzt als im Grundsatz- und Wahlprogramm. Dies liegt daran, dass sie in Reden weiter ausgeführt und beschrieben wird, während ‚Heimat‘ in der schriftlichen Kommunikation ein selbsterklärender Begriff zu sein scheint. In der mündlichen Kommunikation rückt die scheinbare Gefährdung der Heimat stärker in den Mittelpunkt und wird umfassender beschrieben. Während im Grundsatzprogramm die Parteipositionen und im Wahlprogramm die Ziele nach der Wahl definiert werden, dienen die Reden stärker dem Zweck, Sympathien zu gewinnen. Durch Überspitzung und Vereinfachungen, aber auch durch ihre Kürze und direkte Kommunikation sollen sie mehr potentielle Wähler erreichen.

Auch wenn nicht alle politischen Reden im unmittelbaren Wahlkampf gehalten werden, vertreten sie dennoch die Positionen der Partei. Die Nutzung des Heimat-Begriffs dient deshalb sowohl für die Stimmengewinnung als auch für die Präsentation der Partei. Dank der Reklamation des Heimat-Begriffs scheint diese näher an den Bürgern zu sein; der Eindruck soll entstehen, dass die AfD natürlicherweise als einzige deren Interessen vertritt. Den anderen Parteien wird folglich die Zerstörung des Vertrauten zugeschrieben. Durch populistische Elemente wie die Berufung auf den common sense und durch starke Vereinfachungen soll verdeutlicht werden, dass nur die Alternative für Deutschland eine Alternative zum vermeintlichen Untergangsszenario, dem Verlust der Identität und Heimat, biete.

Der Heimat-Begriff im Wahlprogramm der CSU

Zum Vergleich soll nun das Bundestagswahlprogramm der CSU untersucht werden. Der sogenannte „Bayern-Plan“, welcher das Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2017 der CSU darstellt, verwendet den Heimat-Begriff zuerst im Kontext von gelungener Integration[102] und bezieht sich außerdem auf „Heimatländer“[103] bzw. „Heimatstaaten“[104] von Geflüchteten sowie die „heimische“[105] deutsche Bevölkerung. Dem Thema „Heimat und Zusammenhalt“ wird zudem das Kapitel VII des Bayern-Plans gewidmet. Dieses wird eingeleitet mit den Sätzen:

„Heimat stiftet Identität und spendet den Menschen Sicherheit. Wir sind offen für Fortschritt und pflegen gleichzeitig Tradition und Brauchtum. Heimat und Weltoffenheit stehen für das freiheitliche bayerische Lebensgefühl. Zusammenhalt braucht gemeinsam gelebte Werte. Die CSU steht für dieses Miteinander und für eine starke Gemeinschaft. Wir lieben unsere Heimat.“[106]

‚Heimat‘ wird in diesem Zitat durchweg positiv konnotiert und stark mit dem bayerischen Lebensgefühl verbunden. Dem Begriff werden Attribute zugeschrieben wie Identitätsstiftung, „Sicherheit“, „Zusammenhalt“, „Miteinander“ und „starke Gemeinschaft“. Heimat wird dabei aber auch in den Zusammenhang von Tradition und Brauchtum und gelebten Werten eingeordnet und dabei indirekt der „Weltoffenheit“ entgegengestellt. In diesem Zitat bezeichnet ‚Heimat‘ demnach stärker das Vertraute, Eigene, statt offen für andere Welteinflüsse zu sein.

Der Heimat-Begriff zeigt sich in diesem Kapitel außerdem in den Formulierungen „unsere deutschen Heimatvertriebenen“[107], „Bürger, die hier eine neue Heimat gefunden haben“[108], „Heimatverbundenheit“[109] sowie in der Bezeichnung von Kommunen und ländlichem Raum als „Heimat der Menschen“[110]. Die Verbindung von Heimat und ländlichem Raum wird besonders im Kapitel „IX: Verantwortung für die Schöpfung“ veranschaulicht. Hier ist die Rede von „unsere[r] bayrische[n] Heimat“[111], „heimatverbundene[m] Fortschritt“[112], „heimische[r] Land- und Forstwirtschaft “[113] „heimische[n] Erzeuger[n]“[114] sowie dem Wald als „Heimat für Tiere und Pflanzen“[115]. In diesem Kapitel steht Heimat stark im Zusammenhang mit ländlichem Raum, welcher „auch in Zukunft Heimat für die Menschen und die regional verankerte Wirtschaft sein [soll].“[116]

Des Weiteren setzt die CSU „sich dafür ein, dass unsere Landschaft mit ihren Bergen und Seen, Wiesen und Wäldern so bleibt, wie wir sie kennen. […] Wir wollen Ehrenamtlichen mehr Möglichkeiten geben, sich für unsere bayerische Heimat einzusetzen. Freiwillige Helfer tragen maßgeblich zum Erfolg des Natur- und Umweltschutzes bei.“[117] Der CSU ist zudem wichtig, „Wohlstand im Einklang mit Heimat und Natur auszubauen, vom Tourismus über Infrastrukturmaßnahmen bis zur Energiegewinnung.“[118] ‚Heimat‘ bezeichnet demnach im Bayern-Plan sowohl die einheimische Bevölkerung als auch stark den ländlichen Raum sowie Tradition und Brauchtum.

Die eigene Heimat wird von den Heimatländern Geflüchteter abgegrenzt. Die Abgrenzung von Eigenem und Fremden zeigt sich auch im Kontext von gelungener Integration. Ähnlich wie die AfD setzt die CSU das Aktiv-Werden von Eingewanderten voraus, beschreibt dies jedoch etwas genauer als Aufbauen einer Existenz, Leistung und Einbringung in die Gesellschaft. An anderer Stelle heißt es: „Unsere Verantwortung ist eine doppelte: gegenüber unserer heimischen Bevölkerung und gegenüber den wirklich schutzbedürftigen Flüchtlingen.“[119] An diesem Zitat zeigt sich nicht nur die Abgrenzung der eigenen Bevölkerung von Geflüchteten, es wird zudem unterstellt, dass nicht alle Geflüchteten „wirklich schutzbedürftig“ seien. Diese Ergänzung kann den Anschein erwecken, dass ein Großteil der „Anderen“ unrechtmäßig in Deutschland wäre und der Staat deshalb keine Verantwortung gegenüber diesen Menschen habe.

Das Eigene wird dagegen stark überhöht dargestellt: „Wir sorgen dafür, dass […] Deutschland weltweit Vorzeigeland bleibt für beste Straßen, Schienen und Wasserwege“[120], „Bayern ist bei ausländischen wie inländischen Touristen so beliebt wie noch nie.“[121], „Schon immer kommen Menschen in großer Zahl nach Bayern. Die Menschen kommen zu uns, weil es hier herausragende Lebensperspektiven gibt“[122], „Bayern hat bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise mit den vielen ehrenamtlichen Helfern und dem Engagement der Kommunen eine einzigartige Visitenkarte der Humanität abgegeben“[123], „Mit der Marke Bayern positionieren wir unsere Lebensmittel im Premiumsegment“[124]. An diesen Formulierungen zeigt sich die scheinbare Überlegenheit des Eigenen, was die positive Konnotation dieses Begriffs verstärkt.

Nachdem man diese Abgrenzung vorgenommen hat, betont man erneut die Dringlichkeit der Erhaltung des Eigenen. Dies findet sich im Kapitel „V. Damit Deutschland Deutschland bleibt“: „Wir sind ein Land mit gewachsener Identität. Unsere Leitkultur ist nichts Beliebiges, das man austauschen kann. Vielmehr ist sie das, was unser Land stark gemacht hat. Unsere Identität mit unserer unverwechselbaren Leitkultur gibt uns Kraft und Stabilität, auch für die Zukunft. Wer zu uns kommen will, hat sich nach uns zu richten.“[125]

In diesem Zitat zeigt sich erneut eine Erhöhung des Eigenen durch positive Formulierungen wie „Land mit gewachsener Identität“, „Land stark gemacht“, „unverwechselbare Leitkultur“ und „Kraft und Stabilität“. Deutschland wird so als starkes, führendes Land dargestellt, was unter anderem mit der „unverwechselbaren Leitkultur“ begründet wird. Dem entgegengestellt wird der Andere, der neu in Deutschland ist und sich diesem Land anpassen müsse, damit es seine Stärke und Stabilität nicht verliere. Der Begriff „Leitkultur“ steht dabei im Zusammenhang mit Identität und umfasst „die bei uns geltende Werteordnung christlicher Prägung, unsere Sitten und Traditionen sowie die Grundregeln unseres Zusammenlebens. Leitkultur ist das Gegenteil von Multikulti und Beliebigkeit.“[126]

In diesem Zitat zeigt sich eine Abgrenzung zwischen Leitkultur und „Multikulti und Beliebigkeit“, was auch durch das Possessivpronomen „uns“ bzw. „unserer“ hervorgerufen wird. Das Eigene wird somit bestimmt und bewusst vom Fremden abgegrenzt. Dies tritt sich auch in den weiteren Unterkapiteln zutage: „Unser Land ist und bleibt christlich geprägt“[127], „Es geht um eine offensive Verteidigung unserer Werte“[128], „Bayern ist das Land der gelingenden Integration“[129], „Integration nach dem Grundsatz des Forderns und Förderns“[130], „In Deutschland gilt ausnahmslos deutsches Recht, nicht die Scharia“[131], „Die Burka hat in Deutschland nichts verloren“[132] und „Ausländischen Einfluss auf Muslime in Deutschland reduzieren“[133]. Lediglich das letzte Unterkapitel „Es darf keinen neuen Antisemitismus in Deutschland geben“[134] konzentriert sich nicht auf Unterschiede zwischen Eigenem und Fremden, sondern postuliert, „dass antisemitische oder ausländerfeindliche Hetze bei uns nicht geduldet wird.“[135]

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Bayernplan den Heimatbegriff sowohl geographisch für seine eigene Bevölkerung und die Heimatländer anderer als auch im ideologischen Sinne nutzt. Auch der ländliche Raum steht stark im Bezug zu solcher ‚Heimat‘. Heimatliebe gehört nach der CSU zum freiheitlichen bayrischen Lebensgefühl und kommt auch in diesem Wahlprogramm klar zum Ausdruck. ‚Heimat‘ wird im Zusammenhang von Werten verwendet, steht dabei aber auch für Tradition, Brauchtum und Dialekte[136] und beschreibt demnach eher das Vertraute, Eigene. Dieses wird stark vom Anderen abgegrenzt. Das Eigene wird dabei populistisch überhöht, während das Fremde abgewertet wird. In diesem Punkt gleicht der Bayernplan dem Bundestagsprogramm der AfD, wenngleich er Heimat sowie „Heimatverbundenheit“[137] klarer benennt und stärker betont.

Der Heimat-Begriff in der Antrittsrede des Bundesministers des Innern, für Bau und Heimat Horst Seehofer und in der Selbstdarstellung des Ministeriums

Am 23.03.2018 hielt Horst Seehofer (CSU) in der Generaldebatte im Deutschen Bundestag seine Antrittsrede als Minister des u.a. um den Komplex „Heimat“ ausgeweiteten Innenministeriums (Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat). In seiner Rede beschäftigt sich Seehofer überwiegend mit den zukünftigen Zielen „Sicherheit“, „Migration“ und „sozialer Frieden“, geht im letzten Punkt aber auch kurz auf den Heimat-Begriff ein:

„Ich will auch noch etwas zu dem omnipräsenten Thema Heimat sagen. Hier gibt es offenkundig einige Missverständnisse. Bei Heimat geht es nicht um Folklore, Brauchtümelei oder Nostalgie. Wer dies so versteht, der hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Bei Heimat geht es um die Verankerung und Verwurzelung, um ein kulturell angestammtes Umfeld in einer globalisierten Welt. Es geht schlicht und einfach um Zusammenhalt, um Geborgenheit, um den Halt, den jeder Mensch in unserem Lande braucht, auch wir.“[138]

In diesem Redeabschnitt stellt Seehofer zunächst fest, dass Heimat ein aktuelles und wichtiges Thema sei, zu dem es verschiedene Definitionen gebe. Seine Definition von Heimat bezieht sich dabei nicht auf „Folklore, Brauchtümelei oder Nostalgie“, was in diesem Zusammenhang abwertend erscheint. Seehofers Heimat-Begriff umfasst stattdessen „Zusammenhalt, [..] Geborgenheit, […] Halt“, was vage, emotional aufgeladene Begriffe sind, die sich vor allem auf Zwischenmenschliches beziehen. Politisch aufgeladen wird der Heimat-Begriff implizit, indem unterstellt wird, dass eine kulturelle „Verwurzelung“ nicht nur generell positiv zu werten sei, sondern dass sie auch im Kontrast zur Globalisierung stünde.

Die angestrebte „Geborgenheit“ wird aber keineswegs nur auf ‚kulturelle‘ Art und Weise angestrebt, wie Seehofer mit seiner folgenden Aussage deutlich macht: „Wir werden über die Heimatabteilung zum einen den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland stärken und zum anderen dafür kämpfen, dass wir gleichwertige Lebensverhältnisse überall in Deutschland bekommen. Das gilt für Ost wie für West.“[139]

Die Arbeit des neuen Heimatministeriums bezieht sich demnach vor allem auf „gesellschaftlichen Zusammenhalt“, sowie „gleichwertige Lebensverhältnisse“. Dies sind positive Schlagworte, welche sich konkret auf Rente, Pflege, Gesundheit und Wohnraum beziehen. Diese Definition von Heimat erscheint eher sachlich und ist vergleichbar mit dem Heimatrecht vor dem 19. Jahrhundert. Wenn Horst Seehofer vor dem Deutschen Bundestag von Heimat spricht, bezieht sich dies demnach zum einen auf ein Gefühl von „Verankerung und Verwurzelung“, besitzt zum anderen jedoch auch eine sachliche Komponente, welche sich auf Rechts- und Versorgungsansprüche bezieht.

Dies findet auch auf der Internetseite des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat seinen Niederschlag. Dort ist die Abteilung „Heimat und Integration“ vorwiegend für „gesellschaftlichen Zusammenhalt“, „Demografie“ und „Raumordnung“ zuständig. Außerdem werden dort ohne jeden emotionalen Appell die Themen „bürgerschaftliches Engagement“, „nationale Minderheiten“, „Staat und Religion“, „Kriegsfolgen“ sowie „Integration“ behandelt.[140]

Der populistische Grundzug zahlreicher Verwendungsweisen des Heimat-Begriffs – die Abwehr des ‚Volksfremden‘, des kulturell ‚Unverwurzelten‘ – wird dadurch in eine große Zahl an Projekten und Verwaltungsmaßnahmen überführt. Aus der genauen Angabe heimatlicher ‚Identität‘ und ,Kultur‘ wird auf der Website des Ministeriums die unbestimmtere Aufgabe, „Zuwanderinnen“ und „Zuwanderer“ im „weltoffenen“ Deutschland in die „Gesellschaft“ zu integrieren und ihnen im Zuge solcher Integrationsmaßnahmen sowohl Rechte zu gewähren als auch darauf zu achten, dass sie (nicht näher benannte) „Pflichten beachten“. [141]

Die Unbestimmtheit dieses „Pflichten“-Begriffs ist wiederum das sichere Einfallstor populistischer Politik, denen ‚Heimat‘ entgegen ihrer eigenen ‚Natürlichkeits‘-Vorstellungen letztlich auch nichts Gegebenes, sondern etwas ‚Pflichtgemäßes‘ ist, von dem sie freilich glauben, dass die ‚Anderen‘ es weder erfüllen wollten noch könnten.

 

Anmerkungen

[1] Donig (2009) S.19.

[2] Vgl. Weiss (2005) S.316.

[3] Vgl. Donig (2009) S.19.

[4] Vgl. Neumeyer (1992) S.8f.

[5] Vgl. Kaschuba (1979) S.12.

[6] Vgl. Neumeyer (1992) S.13.

[7] Vgl. ebd. S.17f.

[8] ebd. S.21.

[9] ebd. S.19.

[10] Vgl. ebd. S.24ff.

[11] Vgl. ebd. (1992) S.32ff.

[12] Vgl. ebd. S.36ff.

[13] Vgl. Hecht (2000) S.14.

[14] Vgl. Neumeyer (1992) S.39ff.

[15] Vgl. ebd. S.44ff.

[16] Vgl. ebd. S.48ff.

[17] Hecht (2000) S.15.

[18] Gebhard (2007) S.13.

[19] Donig (2009) S.36.

[20] Wolf (2017) S.7.

[21] Priester (2011) S.185.

[22] Stanley (2008) S.95ff.

[23] Vgl. Priester (2012b).

[24] Vgl. Wolf (2017) S.6.

[25] Mudde (2004) S.543.

[26]  Priester (2012b).

[27] Vgl. Wolf (2017) S.18.

[28] Hartleb (2004) S.68.

[29] Müller (2016).

[30] Vgl. Geden (2006) S.20.

[31] Vgl. Wolf (2017) S.8.

[32] Vgl. ebd. S.8.

[33] Vgl. Pfahl-Traughber (1994) S.18f.

[34] Vgl. Wolf (2017) S.8.

[35] Priester (2012b).

[36] Vgl. Wolf (2017) S.9.

[37] Vgl. ebd. S.8f.

[38] Vgl. Mudde (2004) S.545.

[39] Priester (2011) S.191.

[40] Vgl. Wolf (2017) S.11.

[41] ebd.

[42] ebd.

[43] ebd.

[44] Vgl. ebd. S.9.

[45] ebd.

[46] ebd..

[47] ebd.

[48] Taggart (2004) S.274.

[49] Priester (2012b).

[50] Vgl. Priester (2011) S.196.

[51] Vgl. Wolf (2017) S.12f.

[52] Häusler (2016) S.29.

[53] Priester (2012b).

[54] ebd.

[55] Vgl. Zwahr (2006b) S.754.

[56] Diehl (2016) S.329.

[57] Vgl. Thöndl (2015) S.167.

[58] Vgl. ebd.

[59] Müller (2016).

[60] Alternative für Deutschland (2016) S.8.

[61] ebd.

[62] ebd.

[63] ebd. S.59.

[64] ebd. S.6.

[65] ebd. S.47.

[66] ebd. S.49.

[67] ebd. S.10.

[68] ebd. S.47.

[69] ebd. S.49.

[70] ebd. S.30.

[71] ebd. S.32.

[72] ebd. S.59.

[73] ebd. S.59.

[74] ebd. S.60.

[75] ebd. S.64.

[76] ebd. S.63.

[77] ebd. S.94.

[78] ebd. S.77.

[79] ebd. S.32.

[80] ebd. S.41.

[81] ebd. S.47.

[82] ebd. S.62.

[83] ebd. S.88.

[84] ebd. S.74.

[85] ebd. S.63.

[86]Alternative für Deutschland (2017) S.19.

[87] ebd. S.23.

[88] ebd.

[89] ebd. S.30.

[90] ebd. S.32.

[91] ebd. S.37.

[92] ebd. S.44.

[93] ebd. S.62.

[94] ebd. S.28.

[95] Alternative für Deutschland, Landesverband Bayern (2016).

[96] ebd.

[97] ebd.

[98] ebd.

[99] Alternative für Deutschland, Landesverband Nordrhein-Westfalen (2015).

[100] ebd.

[101] ebd.

[102] Vgl. CSU (2018) S.14.

[103] ebd. S.15, S.17.

[104] ebd. S.16.

[105] ebd.

[106] ebd. S.17.

[107] ebd. S.18.

[108] ebd. S.18.

[109] ebd. S.18.

[110] ebd.

[111] ebd. S.23.

[112] ebd. S.24.

[113] ebd.

[114] ebd. S.25.

 [115]ebd. S.26.

[116] ebd. S.19.

[117] ebd. S.23.

[118] ebd. S.24.

[119] ebd. S.16.

[120] ebd. S.12.

[121] ebd. S.26.

[122] ebd. S.14.

[123] ebd. S.15

[124] ebd. S.25.

[125] ebd. S.13.

[126] ebd.

[127] ebd.

[128] ebd.

[129] ebd. S.14.

[130] ebd.

[131] ebd.

[132] ebd.

[133] ebd.

[134] ebd. S.15.

[135] ebd.

[136] Vgl. ebd. S.18.

[137] ebd.

[138] Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (2018b).

[139] Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (2018b).

[140] Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (2018a).

[141] Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (2018c).

 

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