Taylor-Swift-Fans auf Instagram
Die große Sonnenfinsternis von 2017, The American Eclipse, war für den 21.08.2017 geplant. Drei Tage vorher wurde es bereits schwarz: Auf Taylor Swifts Instagram-Profil. Nicht nur dort, sondern auf allen sozialen Medien und Kanälen von Swift waren Profilbilder und Inhalte (teilweise vollständig) entfernt worden.[1] Das Blackout des Instagramkanals[2] lasen Fans und Follower als den Anfang einer neuen Ära: Vier Jahre nach dem Release von „1989“ würde es ein neues Album geben.[3]
Dass Instagram eine so wesentliche Rolle in der Medieninszenierung des Popstars Taylor Swift spielt, ist nur einer von vielen Gründen, die Plattform zu untersuchen. Bisher geschieht das in akademischen wie in nicht-wissenschaftlichen Diskursen kritisch, vor allem in Hinblick auf mögliche Medienwirkungen. Die These, dass die Fotoapp sich vor allem negativ auf Selbstbild und Selbstwahrnehmung auswirkt, wird mehr oder weniger direkt formuliert im Spannungsfeld von informellen Thinkpieces („How Instagram makes you basic, boring and completely deranged“[4]) bis zu Settings in Forschungsdesigns: Subjekte in der Instagramforschung sind in der Regel weiblich, in einer Alterspanne von 12-30, und die Fragestellungen der Studien umkreisen Themen wie Selbstwertgefühl, Selbstwahrnehmung und Persönlichkeitsstörungen.[5] Es scheint eine Grundannahme zu sein, dass die Userinnen auf Grund sozialer Vergleiche negative Körpergefühle entwickeln, wenn sie Bildern von schlanken, idealisiert-schönen Körpern ausgesetzt werden. In diesem Diskurs schwingt zudem die scheinbar widersprüchliche Vorstellung mit, dass die meisten Frauen den gefährlichen Einfluss der Medienbilder auch noch aktiv suchen: 38% aller weiblichen Internetnutzerinnen sind bei Instagram registriert.[6] Bei Fans wird das Instagramverhalten noch negativer bewertet: Die erfolgreiche, schöne und perfekt inszenierte Sängerin[7] muss überwältigend auf das jugendliche Durchschnittsmädchen wirken, das niemals über die Ressourcen des Starlets verfügen wird, sich dennoch ungünstig aufwärts mit ihm vergleicht und sie zu ihrem unerreichbaren Vorbild macht.[8]
Solche Phänomene und Entwicklungen sind alarmierend und ernst zu nehmen. Allerdings wird in der vielfach diskutierten Ursache-Wirkungsstruktur von negativem Einfluss der Instagrambilder ein Kommunikationsfluss zwischen Bild und Userin unterstellt, der nicht wirklich gemessen wird.[9] Zudem wird ein Symptom (negatives Körperbild) in seiner Entstehung isoliert betrachtet (hervorgerufen durch ein Instagrambild eines anderen Körpers) und eine einfache Korrelation unterstellt, wo vermutlich eine komplexere Struktur zu Grunde liegt.[10] Diese Sichtweise verhindert einerseits eine tiefergehende Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Rollenerwartungen und Körperbildern, und sucht die Verantwortung bei den Userinnen und ihrem unreflektierten Umgang mit dem Medium. Andererseits wird beispielsweise kreative Fanarbeit auf Instagram übersehen, da sich das Medium scheinbar selbst für diesen Diskurs disqualifiziert.
Instagram ist von musikwissenschaftlichem Interesse, weil es den Raum für Fanforschung über den Konzertraum hinaus erweitert und ein Beispiel für neue Formen von Fangemeinschaften als Online-Community[11] ist, die durch die Digitalisierung entstanden und entstehen. Diese Gemeinschaften konstituieren sich über räumliche Grenzen hinweg, ihre Beziehungen basieren auf gemeinsamen Traditionen, geteilten Gefühlen und einer empfundenen Verbundenheit durch das Fanobjekt.[12]
Wie verhalten sich also weibliche Taylor Swift-Fans auf Instagram? Welche Rolle spielt die Plattform bei ihrer Identitätsbildung? Die Digitale Identität ist ein gemeinschaftliches Projekt mit fremden und eigenen Anteilen, das keinen Anfang und kein Ende hat.[13] Das lässt sich exemplarisch an den Fan-Accounts nachvollziehen. Sie setzen sich sowohl aus privaten, als auch aus fremden Inhalten zusammen: ein Selfie der Userin wird neben einem Promobild der Sängerin veröffentlicht. Private und fremde Bilder werden häufig mit sehr persönlichen als auch sehr unpersönlichen Beiträgen kombiniert: Manche Bildunterschriften sind Songzitate, beziehen sich aber auf eine persönliche Erfahrung des Fans, andere sind selbst verfasst und richten sich auf den Star, Taylor Swift.
Beziehungen, Erfolg, Fantum, Musik
In meiner Untersuchung der Accounts – die vor allem meine eigenen Lesart berücksichtigt, die unabgeschlossen bleibt und keinen Anspruch auf Vollständigkeit darstellt – haben sich vier grundlegende Kategorien ergeben, die das Fantum der Accounts strukturieren: Die Beziehung zur Sängerin, Musik, Erfolg und das Fantum selbst.
In der Beziehung zur Sängerin werden unterschiedliche Spielarten von emotionaler, optischer und inhaltlicher Nähe verhandelt: Optisch werden freundschaftliche oder familiäre Verbindungen aufgebaut durch die Verwendung von Bildern ihrer Mutter Andrea Swift oder ihren Freundinnen. Andrea Swift wird mit dem Zitat „I say ‚That’s my baby, and I’m really proud.‘“ abgebildet, der Screenshot stammt aus der Dokumentation von 2010 „Journey to Fearless“.
In der Verwendung auf Instagram wird das Zitat der Mutter mit dem Gerichtsprozess von 2017 verbunden, in dem verhandelt wurde, ob David Mueller sich der sexuellen Belästigung gegenüber Taylor Swift schuldig gemacht hatte, den die Sängerin gewann. Von daher ist das Zitat zunächst als Zugeständnis und Unterstützung der Sängerin in dem Verfahren zu werten, es drückt aber auch eine Rollenassoziation aus: Der Blick der Fans auf die Sängerin ist mütterlich (oder mit Hinblick auf den geringen Altersunterschied: schwesterlich) – sie sind diejenigen, die loben.
Eine ähnliche Assoziation findet sich in der Verwendung der Aufnahme von Swift und Williams: Das Foto wirkt privat, geschossen beim gemeinschaftlichen Osterfest und in derselben Privatheit wird es auch durch die Userin verwendet: Taylor ist hier zwar mit ihrer Freundin Hayley und nicht mit der Userin zu sehen, die beiden könnten aber auch ausgetauscht werden. Die Fremdaufnahme kann ohne Probleme als eigene Ostergrußkarte eingesetzt werden, denn Taylor Swift-Fans sind alle beste Freundinnen.
Eine weitere Facette dieser freundschaftlichen Beziehung ist der Umgang mit „Beautyshots“ wie etwa der Paparazzoaufnahme von Swift, die sie ohne musikalischen Kontext nur in ihrem Partyoutfit zeigt: Der Medienwirkungskritik zufolge wäre diese Darstellung gefährlich, müsse sie doch Selbstzweifel bei den Rezipientinnen auslösen.
Stattdessen tauchen diese Art der Aufnahmen in fast allen Accounts auf und werden durchweg positiv beschrieben. Die Fans loben das Aussehen der Sängerin und ihre Outfits – und weder unter den Aufnahmen der Sängerin noch unter den eigenen Selfies wird eine neidvolle oder selbstkritische Beziehung hergestellt.
Dass auch die Wahrnehmung der Arbeit von einer freundschaftlichen Idee gefärbt ist, zeigt sich in der Kritik einer Userin: Sie beschreibt, dass es sie stört, wie manche Fans sich darüber beschweren, dass Taylor Swift noch kein weiteres Album produziert hat.
Dabei betont sie, dass Taylor Swift es den Fans nicht schuldig sei, weitere Musik zu produzieren, wenn sie das nicht wolle, und sie müsse dies vor allem nicht nach dem Zeitplan der Fans tun. Diese Reaktion ist verständlich, wenn Taylor Swift als musizierende Freundin wahrgenommen wird und nicht als professionelle Musikerin, deren Job es ist, CDs aufzunehmen und Konzerte zu geben.
Die Fans von Taylor Swift bilden auf Instagram eine Online-Community mit besonderen Regeln und Erkennungsmerkmalen. In einem anderen Post beschreibt die Userin, dass sie kein Geld für Merchandiseartikel hat und daher befürchtet, als weniger treuer Fan wahrgenommen zu werden.
Damit drückt sie ein Bedürfnis der Sichtbarmachung ihrer Fankultur und Teilhabe an der Gruppenkultur aus und fügt diesem Post eine verwackelte Aufnahme von einer begeistert rufenden Taylor Swift bei, die in Mitten von anderen Fans steht. Mit dieser visuellen Assoziation betont die Userin noch einmal den Wunsch nach Nähe und Kontakt zur Fangemeinschaft und zu Taylor Swift.
Eine Kategorie, die sich in vielen Beiträgen der Userinnen findet, ist die des Erfolgs. Dabei stellt sich Erfolg in Bezug auf die Sängerin Taylor Swift vor allem in Verkaufs- und Streamingzahlen sowie in Rekorden dar. Erfolg ist in diesem Fall eine messbare Kategorie, die anerkannt und erwartet wird: Die Bildunterschrift zur „That’s my girl“-Collage lässt keinen Zweifel daran, dass man der Sängerin nicht diesen Erfolg zugetraut hätte – ihn vielmehr erwartet: „THATS MY GIRL!!!!“ (sic!) schreibt eine Userin und drückt damit auch aus: Dieser Erfolg ist typisch für Taylor Swift, wenn sie einen Song veröffentlicht, dann ist er erfolgreich.
Im persönlichen Beitrag einer anderen Userin geht es um die Vorstufe des Erfolgs: Sie beschreibt ihr eigenes Arbeitspensum. In Verbindung mit dem Bild der Sängerin Taylor Swift, die gerade selbst ein Konzert erfolgreich absolviert hat und in die Menge winkt, ergibt sich auch die Lesart einer Vorbildfunktion: Taylor Swift arbeitet hart für ihren Erfolg, ihre Belohnung ist eine erfolgreiche Karriere, ein gutes Konzert, die winkenden Fans, das eigene Lachen. Die Userin kann genauso erfolgreich, schön und glücklich werden, wenn sie (ebenfalls) hart für ihren Erfolg arbeitet.
Auch wenn viele weitere Aspekte benannt und besprochen werden, ein grundlegendes Element des Fantums ist die Musik: so beschreibt eine Userin ihre Gefühle für die neue Single als „OBSESSED“, sich selbst also als besessen von der Musik von Taylor Swift.
Würde dieser Eintrag alleine stehen, ergäbe sich ein sehr passives Bild der Rezeption: Die Sängerin produziert und veröffentlicht, die Fans hören und sind in gewisser Weise auch hilflos ihrem Fantum ausgeliefert – wer besessen ist, kann sich nicht wehren. In einem zweiten Post der gleichen Userin wird diese Lesart kontrastiert, denn sie singt und spielt selbst einen Song einer anderen Band. Der Obsession aus dem ersten Post wird also eine eigene kreative Leistung entgegengestellt: Die Musikerin ist durchaus in der Lage, sich von dem „Bann der Musik“ von Taylor Swift zu befreien, sie ist sogar in der Lage, selbst Musik zu produzieren. Damit erscheint ihr Fantum in einem anderen Licht: Es ist freiwillig gewählt[14], es ist vor allem kreativ und wirkt inspirierend. Wenn die Userin möchte, kann sie selbst Gitarre spielen und singen; ebenso kann sie sich entscheiden, eine Single in Dauerschleife zu hören.
Es zeigt sich also, dass die Online-Community ein positiver Raum mit spezifischen Regeln ist: Es wird gelobt, Erfolge, Aussehen und Kreativität bemerkt und anerkannt, es wird Beifall gezollt für harte Arbeit, man motiviert sich gegenseitig und durch den Erfolg der Anderen. Das Gemeinschaftsgefühl ist dabei so stark, dass der eigene Körper überwunden werden kann: Die Tatsache, dass Taylor Swift mit einer Freundin Ostern verbringt, bedeutet nicht, dass die Fans nicht auch teilhaben können, indem sie die Bilder ebenfalls teilen und sich damit assoziieren. Die Nähe von Taylor Swift zu ihren Fans und den Fans untereinander ist nicht körperlich, sie wird gefühlt und kann so universeller geteilt werden.
Darüber hinaus zeigt die Beobachtung von aktiven Userinnen, wie individuelle Arten der Selbstermächtigung im Umgang mit Medienbildern entwickelt werden, sodass diese Praxen zumindest gleichwertig neben die Ergebnisse der Medienwirkungsforschung gestellt werden sollten, die die Userinnen eher passiv konzeptualisieren: Fan zu sein ist eine freiwillige Entscheidung und die beobachtete Fanarbeit auf Instagram ist gezeichnet von einem „wilderndem“, wiederständigen Lesen von Fanobjekten und -texten, das eigene Bedeutungen neben den intendierten Bedeutungen der Texte generiert, eigene soziale Erfahrungen einbringt und Fans zu Mitautor*innen macht.[15]
[1] Vgl. Gonzales, 2017
[2] Instagram ist eine mobile Foto- und Videoapplication, die es ermöglicht, mit dem Smartphone fotografierte und gefilmte Inhalte innerhalb der App mit Filtern zu bearbeiten und diese in ein soziales Netzwerk zu posten, in dem Follower diese Inhalte in einer Timeline sehen, kommentieren und liken können. Vgl. dazu Eagar/Dann, 2017, S. 249
[3] „#TS6“ steht dabei für das sechste Studioalbum der Sängerin, das tatsächlich wenige Tage später angekündigt wurde: „Reputation“ wird am 10.11.2017 erscheinen.
[4] Oyler, 2017
[5] So wurden etwa der Zusammenhang von Narzissmus und Psychopathie auf Instagram (vgl. Bergman et al., 2011), der Zusammenhang von Selfies und negativem Körpergefühl (vgl. Ridgway/Clayton, 2016) oder die Verbindung von Selbstpräsentation, Selbstkritik und emotionalem Feedback auf Instagram (vgl. Jackson/Luchner, 2017) untersucht.
[6] Vgl. Greenwood et al., 2016, S. 5
[7] Die Instagramuser mit den meisten Followern sind: Selena Gomez (123 Millionen), Ariana Grande (114 Millionen), Christiane Ronaldo (112 Millionen) und Beyoncé (107 Millionen), vgl. https://www.statista.com/statistics/421169/most-followers-instagram/
[8] Vgl. Brown/Tiggemann, 2016
[9] Vgl. Jäckel, 2008, S. 134
[10] Manche Studien versuchen diese Komplexität zu umschiffen, indem sie vorher den Body Mass Index der Probandinnen erfragen, um sicherzustellen, dass alle normalgewichtig sind und kein rationaler Grund für das negative Selbstbild besteht, vgl. etwa Brown/Tiggemann, 2016.
[11] Christoph Eisenmann definiert die „Online-Community“ (Hugger) als Kultur, die distinkt ist und deren Angehörige in bestimmten Lebensbereichen Praxen teilen, kommunizieren und Netzwerke bilden. Dabei kann die Gruppenkonstitution sowohl online als auch offline stattfinden. (Vgl. Eisenmann, S. 55).
[12] Vgl. Cavicchi, 1999, S. 160
[13] Vgl. Zhao, 2017, S. 216, Gilly/Schau, 2003, S. 398
[14] Vgl. dazu auch: Roose, Schäfer, Schmidt-Lux, 2010, S. 12-13
[15] Vgl. in diesem Zusammenhang Henry Jenkins Konzept von „poaching“: „Undaunted by traditional conceptions of literary and intellectual property, fans raid mass culture, claiming its materials for their own use, reworking them as the basis for their own cultural creations and social interactions. Fans seemingly blur the boundaries between fact and fiction, speaking of characters as if they had an existence apart from their textual manifestations, entering into the realm of the fiction as if it were a tangible place they can inhabit and explore.“ (Jenkins, 1992, S. 18)
Zitierte Literatur
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Dieser Text basiert auf Analysenergebnissen der Masterarbeit „Gemeinschaftliche Identitätsbildungsprozesse auf Instagram am Beispiel weiblicher Taylor-Swift-Fans“. Für diese Arbeit wurde eine netnografische Untersuchung von drei Instagram-Accounts angefertigt, deren Posts theoretisch gesampelt und dann dicht beschrieben wurden. Dabei wurde das informierte Einverständnis der drei Forschungssubjekte eingeholt, jedoch auf weitere Interaktionen wie Interviews verzichtet. Die Forschung wurde nicht interagierend und ausschließlich beobachtend gestaltet. Für die Arbeit wurden die Forschungssubjekte anonymisiert, die Daten wurden gesammelt und sind bei der Autorin einzusehen. Die Forschungsethik orientiert sich an den von Robert Kozinets (2010) vorgeschlagenen Richtlinien.
Svenja Reiner studierte Anglistik, Amerikanistik, Wirtschaftswissenschaften, Internationales Kunstmanagement und Musikwissenschaften; zur Zeit promoviert sie an der Hochschule Osnabrück zur Frage nach Fanstrukturen in der Neuen Musik. Ihre Arbeit beschäftigt sich mit Kulturwissenschaften, Kulturpolitik und dem Internet.