Mode August
von Gabriele Orsech
20.8.2014

Art Inspiration

Die Bemühungen einiger Designer, den festgefahrenen Purismus des letzten Jahrzehnts endlich hinter sich zu lassen, scheinen nur sehr langsam zu fruchten. Es tobt ein modischer Kampf ‚Vernunft versus Emotion‘.

Auf der einen Seite gibt es eine hohe Akzeptanz gegenüber klaren, grafischen Formen, reinen Farben und neuen, synthetischen, oft umweltfreundlicheren Materialien. Formelle Styles und futuristisch anmutende Oberflächen mit minimalistischer bis eleganter Aussage bestimmen dieses Bild, in dem das angebrochene Jahrhundert seinen Tribut dahingehend zu fordern scheint, dass es moderne Frauen als formal reduzierte, geradlinige, urbane Amazonen sehen möchte.

Auf der anderen Seite lesen wir die Wörter ‚Krise‘ und ‚Angst‘ häufiger denn je. Sie manifestieren sich auf der emotionalen Ebene und sorgen für ein Bedürfnis nach Sorglosigkeit und einer Form von Realitätsflucht, vor der auch die Mode nicht verschont bleibt. Trend-Schlagwörter wie ‚Gamification‘ oder ‚Kidification‘ spiegeln die Lust an der Kindheit, an Spiel und Spaß.

Wärme spenden sollte in der kommenden Wintersaison nicht nur der Materialeinsatz. Die stilistische Aussage wird eher darüber entscheiden, ob sich Kollektionen auch als ‚Herz- und Seelenwärmer‘ bewähren. Und dazu gehören einmal wieder Themen, die eine Verkleidung ermöglichen. Retrospektive Anleihen in Form von Zitaten aus verschiedenen Kunstrichtungen des 20. Jahrhunderts, sowie eine Vorliebe für Kalligrafie und Handwerk spiegeln sich in zahlreichen Kollektionen und Oberflächen wider. Scribbles, surrealistische Patches, Comic- und Pop Art-Motive oder naive typografische Prints sind die Themen der Saison.

Das Revival des Memphis-Designs zeigt sich nicht nur in den exorbitanten Preisen, die derzeit auf internationalen Versteigerungen aufgerufen und gezahlt werden, sondern auch in der Mode. Häuser wie Céline, Prada oder Fendi lieferten schon im Sommer zahlreiche Adaptionen in kräftigen Colour-Blockings und Primärfarben. Sie wirken wie ein Gegenpol, fast wie eine aggressive Attacke auf die derzeit omnipräsente Reduktion und den anhaltenden Minimalismus der Looks.

Die Zeit scheint – genauso wie Anfang der 80er Jahre – endlich wieder reif für ein plakatives und narratives Design. In einem Interview mit dem Magazin „A&W“ schilderte Michele De Lucchi die Beweggründe der Memphis-Gruppe: „Wir haben uns gegen das Bauhaus aufgelehnt, gegen die strenge, farblose, minimalistische deutsche Produktästhetik, die damals so dominant war. Wir haben ihr eine eher figurative, farbige und sehr expressive Gestaltung entgegengesetzt – und eine ganz neue vitale Energie. Das war uns fast schon ein physisches Bedürfnis.“

Der Winter ist durch eine Vorliebe für die Weiterentwicklung konstruktivistischer Designaspekte charakterisiert. Zitate aus der Op Art und De Stijl-Inspirationen liefern ein Spiel aus Fläche und Farbe. Grafisches und Geometrisches spiegelt sich in Prints, Dessins und Nahtmalereien wider. Paspelierungen und Einsätze, platzierte Motive und All-Over-Dessinierungen finden sich in allen Stilrichtungen und Produktgruppen. Die Farbpalette reicht von ruhigen Nuancen, die an frühe kubistische Werke oder Arbeiten der Russischen Avantgarde erinnern, bis zu den Primärfarben des Bauhauses. Colour Blocking und Crossover-Stile ergänzen das Bild und liefern eine spannende Mixtur aus unterschiedlichen Materialien und Dessins in Patchwork-Optik.

 

 

Gabriele Orsech: Akademieleitung des Design Department und Kreativdirektor der „Next Look“-Trendpublikationen