Diesmal in der Netzartikelschau: Pop-Geschichte und Jahresrückblicke
Nach langer Pause – so ungefähr seit Nik Cohns »Awopbopaloobop Alopbamboom« aus dem Jahr 1969 – ist 2013 wieder eine Popmusikgeschichte erschienen, die nicht aus Sicht des seriösen Rockers oder kunstsinnigen Artrockers verfasst ist. Der »Guardian« hat sich in einer ausführlichen Besprechung Bob Stanleys »Yeah Yeah Yeah« angenommen, mit sehr positivem Tenor; selbst die wenig poppige Abneigung Stanleys gegen das Internet wird lediglich vermerkt, nicht kritisiert. Der ausgezeichnet schreibende Rezensent Sukhdev Sandhu merkt am Ende allerdings an:
»Over the last decade Stanley’s poptimism – its lack of snobbery, its rejection of the principle of ›guilty pleasures‹, its exuberant and cross-generational linkages – has become the norm. Without friction, without patrolled borders between different types of music, what emerges is an everything-goes world that’s more enervating than exciting. Poptimism may need rockism more than it thinks.« (»The Guardian«: »Yeah Yeah Yeah: The Story of Modern Pop by Bob Stanley«)
Für das Buchmedium gilt das zwar nicht, wohl aber für alle anderen Veröffentlichungsformen. Sandhu irrt allerdings, wenn er meint, als Korrektiv zum umfassenden »Poptimism« werde (nicht etwa politökonomische Analyse, detaillierte Reportage oder weltabgewandter Ästhetizismus), sondern »Rockism« wieder gebraucht.
Die misslichen Auswirkungen des Rockism kann man selbst noch in den Verfallsformen des Feuilletons, dem missgünstigen Celebrity-Gerede, beobachten. In einer Art Jahresrückblick heißt es z.B. auf der Internetseite der »FAZ«: »Unter uns, Miley: leider daneben. Während die Bitch zur emanzipierten Dame geworden ist, bleibst du eine kleine Göre. Also nimm dir ein Beispiel an Britney Bitch und arbeite – und zwar an deinen Songtexten.« (»FAZ«: »Geh Arbeiten, Bitch«) Gibt es denn gar keine Konservativen mehr in der »FAZ«, die solche Veröffentlichungen verhindern?
Independent-Marktführer pitchfork.com kann in seinem Rückblick und Poll der besten Platten 2013 auf der seriöseren Seite allerdings auch nicht recht überzeugen. Hier zeigt sich der Rockism in einer um Anspruch bemühten Thesenbildung, die lediglich Halbbildung beweist. Ein paar Beispiele aus den Top 10: »Arcade Fire found their reality in this new Reflektive Age – one of both stifling inaction and now paralytic technology – and that reality is on trial all throughout the band’s massive double album.« – »But Savages are much more than just some echo of the years-ago post-punk revival; they’re also a band, locked in with each other, never wasting a note«. – »What he [Devon Welsh] says feels raw, but he remains out-of-reach enough to present his and Otto’s unique art as a canvas possessing all the enveloping blankness of one of Welsh’s signature white T-shirts.« (usw. usf.: pitchfork.com: »The Top 50 Albums of 2013«)