Mark Robinson, Dam Funk, Josef K, Starbuck, Family 5, Milton Nascimento & Lo Borges, Forest Swords, Carpettes.
Mark Robinson – »Stuttgart Please Please«
Mark Robinson von Unrest und Air Miami hat ein obsessives Ding mit süddeutscher (Semi-)provinz am laufen. Noch ganz euphorisiert von einem Konzert in Regensburg feierte er einst in dem Song »Bavarian Mods« die bajuwarische Modszene, Jahre später erschien auf dem Label Tomlab seine Hymne auf meine Heimatstadt. Das schöne »Stuttgart Please Please« läuft mir immer noch rein wie ein Viertele.
Dam Funk – »I Don’t Wanna Be Star«
Wann wurde R&B eigentlich zur Connaisseurmusik schön getrunken? Ist es nicht auch völlig okay, sich als Zwerg auf die Schultern von Prince und P-Funk-Riesen zu setzen, anstatt den Funk zum Schöngeist zu verbrämen? Dam Funk, ein Kumpel all der LA-Hipster um Ramona Gonzalez und Ariel Pink, kommt ohne wohlfeile Filiationen aus, er bleibt bodenständig und verspricht nie zuviel. Zu seinem wunderbar überraschungsarmen One-Liner-Sound nippt bestimmt niemand am futuristischen Rotweinglas.
Josef K – »Heads Watch«
Gitarrenakkorde wie von Gummihand gespielt und das Gegenteil von Hypnagogic Pop, nämlich nervös und hyperaktiv. Damals war das Selbst noch nicht erschöpft, sondern auf eine melancholische Art aufgeputscht.
Starbuck – »Moonshine Feels Right«
Vor der Neo-Esoterik-Welle war Yacht Rock-Fantum glaube ich die letzte Stufe der Aneignung verfemter Elternmusik. Wer sich nicht gleich Christopher Cross oder Doobie Brothers zumuten wollte, hätte es mit Starbuck versuchen können. »Moonshine Feels Right« ist im weitesten Sinne so etwas wie Indie Yacht Rock. Auch der Sexismusanteil ist eher gering.
Family 5 – »Die Kapieren Nicht (Ran! Ran! Ran!)«
Als ich neu bei Facebook war und noch nicht wusste, was man da eigentlich macht, richtete ich nachts im Modus sentimentaler Angeschickertheit eine Fangruppe für Family 5 ein. Die Schnapsidee war dann doch keine, denn Family 5 waren die einzige gute Band der zweiten 80er-Hälfte, die regelmäßig in Süddeutschland aufkreuzte. Der Links-Vitalist Peter Hein machte mit seiner schlechten Laune live immer was her. Family 5’s Soulpunk kam später bei den ironischen »Ich lass mich nicht unterkriegen«-Angebern von Superpunk auf den Hund.
Milton Nascimento & Lo Borges – »Tudo Que Voce Podia Ser«
Brasilianisches Songwriting sucht die Umwege und begeistert mich immer wieder mit seinen zaudernden und zögernden Dramaturgien. Dieser Klassiker von Milton Nascimento und Lo Borges schweift schon gleich am Anfang ab und findet erst langsam in die Spur. Wenn das Lied nach einer halben Ewigkeit zu Potte kommt, fühlt man sich gleichsam umarmt.
Forest Swords – »Friend, You Will Never Learn«
Ist das Tri Angle-Label eigentlich das neue ECM? Alles klingt hier immer so prall und geschmackssicher und fehlerlos. Früher hätte man bei diesem Track vielleicht über »Beat Science« räsoniert, jetzt gerade beweist er mir einmal mehr, dass die Welt drei Schritte vom Abgrund entfernt ist und deshalb längst bereit für ein Illbient-Revival.
Carpettes – »Small Wonder«
Wenn mich die Pogo-Regression heimsucht, lege ich zum Beispiel diese 7“ auf und fühle mich sofort juvenil und unschlagbar. Sich immer neu erfinden geht auch dann, wenn man sich zum Stakkato der neoliberalen Anrufungen pubertär die Ohren zuhält.
Aram Lintzel ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Bundestagsfraktion der Grünen und freier Autor (u.a. für »taz« und »Pop. Kultur und Kritik«).