In den Massenmedien von Libyen nach Syrien. Teil 5: Im Krieg
von Thomas Hecken
21.5.2013

Kaum war die Berichterstattung über Libyen beendet, nahm Syrien den frei gewordenen Platz ein.
Mit dem militärischen Abschluss der NATO-Operation gegen das mörderische Gaddafi-Regime ging wie selbstverständlich auch das Ende der hiesigen medialen Aufmerksamkeit einher. Ein Standardbericht über durchgeführte Wahlen, verstreute kleine Meldungen, mehr nicht. Nicht einmal die nächste Intervention im nördlichen Afrika reizte zu konzentrierteren Betrachtungen der Zerschlagung des Gaddafi-Regimes und des heutigen Zustandes Libyens, obwohl beides mit den gegenwärtigen Kämpfen in Mali direkt zusammenhängt.

Syrien ließ sich für die vertrauten Akteure von Tagesschau, »Bild« und »Spiegel« auch wieder routiniert an. Wie in Libyen hatte man es mit einem Diktator zu tun, der nicht gewillt war, ohne hohen Blutzoll die Macht aufzugeben. Viel stärker sogar als in Libyen konnte man in Syrien Regierungsgegner ausmachen, die sich auf freiheitlich-demokratische Prinzipien beriefen. Wie in Libyen unterließ man jede weitergehende Analyse möglicher materieller Gründe der Aufstände.

Stattdessen bot man die gut eingeführte Mischung aus Bildern, die Zerstörungsakte zeigten, wohlgemuten Gerüchten über den baldigen Niedergang der alten Herrschaft sowie Reporterstatements und Kommentaren, die mehr Unterstützung für die Aufbegehrenden forderten.

Zwei Dinge waren allerdings nach einigen Monaten erkennbar anders als in Libyen. In Syrien gab es im Gegensatz zu Libyen eine kampfstarke Guerilla, es war nach einiger Zeit beim besten Willen nicht mehr möglich, jedes Attentat als Propagandacoup syrischer Geheimdienste zu deklarieren.

Zweitens, und natürlich viel wichtiger, nach einigen Monaten zeichnete sich ab, dass sich die westlichen Staaten diesmal nicht auf eine eigens geführte militärische Aktion verständigen konnten. Ab diesem Moment geriet Syrien für längere Zeit wieder aus den Schlagzeilen, obwohl die blutigen Auseinandersetzungen keineswegs abnahmen.

Zwar hatte sich die deutsche Regierung schon im Libyen-Falle verweigert, die militärischen Bemühungen direkt zu unterstützen, das war aber für viele wichtige Organe deutscher Massenmedien kein Grund, ihre Berichterstattung auf diese Leitlinie abzustimmen. Da Franzosen und Engländer, mit entscheidender Unterstützung der USA, in (vergangener) Großmacht-Tradition ihre militärische Stärke zur Geltung brachten, konnte im Rahmen ihrer Vorgaben die Semantik der humanitären Intervention auch in deutschen Massenmedien vollgültig benutzt werden.

Es lässt sich wohl nicht punktgenau bestimmen, in welchem Maße die deutsche Regierungsposition sich aus einer abweichenden Lagebeurteilung erklärt und zu welchem Grad daraus, aus der militärischen Not eine moralisch-politische Tugend gegenüber den Siegern des Zweiten Weltkriegs zu machen. Etwas anderes steht hingegen fest: Während man in viel beachteten Printmedien der USA und Englands dank deren investigativem Ethos und wegen ihrer Nähe zu den heimischen Institutionen einiges zu den Hintergründen der kriegerischen Auseinandersetzungen erfahren kann, hat die Zurückhaltung der deutschen Regierung die eigentümliche Folge, dass die deutschen Leitmedien fast gänzlich im Zustand tatsächlicher oder angenommener Naivität verbleiben.

Dass trotz der US-amerikanischen Entscheidung, nach der verheerenden Bilanz des Irak-Einsatzes nicht erneut mit voller kriegerischer Macht in den Konflikt einzutreten, die Schlachten um und in Syrien selbstverständlich ohne westliche Unterstützung niemals dieses entsetzliche Ausmaß hätten annehmen können, dazu muss man sich hierzulande im »Guardian«, »Wallstreet Journal« oder in der »New York Times« (etwa hier) informieren, wenn man wenigstens ein paar Details darüber wissen möchte, wie das Vorgehen westlicher Organisationen abseits diplomatischer Verlautbarungen und massenmedialer Botschaften beschaffen ist.

Zugegeben, wichtig sind solche Details und partiellen Einblicke letztlich kaum, falls man nicht glaubt, dass Türkei, Saudi-Arabien etc. ohne amerikanische Aufsicht agierten. Bei einer Betrachtung des Zustandes deutscher Massenmedien dürfen sie aber sicher nicht unerwähnt bleiben.